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Der Anruf

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20.05.2008
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Der Anruf

Es ist ein friedlicher Dienstagabend mitten im Juli. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages scheinen auf das kleine Städtchen in Ostdeutschland. Die Berge färben sich flammend orange und am Himmel zeichnet sich bereits das nahende Abendrot ab.
Und während draußen die Schatten nicht mehr länger werden und sich der Tag neigt, geht in einem der Häuschen Frau Schneider stetig in der Küche auf und ab, schaut zwischendurch auf die große Standuhr und murmelt vor sich hin:"Wo bleibt er nur, wo bleibt er nur, er wollte doch um Sechs zu Hause sein." Doch noch während das Pendel siebenmal ertönt, läutet plötzlich das Telefon. "Ah, das wird er sein," ruft Frau Schneider erleichtert und eilt zum Hörer.
"Ja, hallo?"
Es vergehen einige Sekunden, ehe sich eine junge Frau mit französischem Akzent am anderen Ende der Leitung meldet.
"Guten Tag, spreche ich mit Frau Schneider?"
"Ja, das tun sie", antwortet Frau Schneider in einer Mischung aus Enttäuschung und Neugier, "wer ist denn da dran?"
"Mein Name ist Simone Guerlaine. Ist ihr Mann zu sprechen?"
"Nein, tut mir leid, er ist noch nicht zu Hause, worum geht es denn?"
"Ermm..," die junge Französin zögert hörbar, weiterzureden, "es geht um eine private Angelegenheit."
"Na, also hören sie mal", antwortet Frau Schneider aufgebracht, "ich bin seine Ehefrau, bei uns gibt es keine 'privaten Angelegenheiten', alles was ihn betrifft, darf ich auch erfahren!"
"Nun ja", erwidert die junge Frau höflich, "ich bin nicht sicher, ob ihr Mann wünscht, dass sie von dieser Sache erfahren."
"Nun, da bin ich aber anderer Meinung", antwortet Frau Schneider, nun schon ziemlich wütend, "mein Mann und ich haben keine Geheimnisse voreinander. Wir sind nun schon beinahe 20 Jahre verheiratet und werden auch den Rest unseres Lebens miteinander verbringen. Also - was auch immer sie meinem Mann sagen wollen, das können sie auch mir sagen!"
"Nun gut", antwortet die junge Frau langsam, "sie wissen ja wahrscheinlich, dass ihr Mann während dem Krieg für längere Zeit in Frankreich stationiert war?!"
"Ja, das weiß ich."
"Gut, dann wissen sie bestimmt auch, dass dies während einer Zeit war, als es den Soldaten beinahe unmöglich war, mit Frauen und Kindern in Deutschland in Kontakt zu bleiben, da die meisten Postsendungen ihr Ziel nie erreichten."
"Ja, das habe ich selber miterlebt, was wollen sie damit sagen?", antwortet Frau Schneider misstrauisch.
"Wie es der Zufall so will", entgegnet die Französin, ohne weiter auf Frau Schneiders Frage einzugehen, "arbeitete unweit entfernt von dem Lager, in dem ihr Mann stationiert war, eine junge Frau in einer Bar als Kellnerin. Die Soldaten gingen ab und zu dorthin, auf der Suche nach Zerstreuung und Ablenkung."
"Das ist ja wohl nur natürlich", erwidert Frau Schneider und versucht dabei so gleichgültig wie möglich zu klingen.
"Aber sicher ist es das", meint die Französin beschwichtigend. "Nun gab es sich allerdings, dass ihr Mann an einem dieser Abende einen über den Durst getrunken hatte und in seinem Rausch, der Kellnerin sein ganzes Herz ausschüttete. Diese hatte Mitleid mit dem verzweifelten Mann, dem der Krieg so sehr zusetzte und nahm ihn mit in ihre Wohnung, um ihm in diesen harten Zeiten wenigstens ein winziges bisschen Liebe zu schenken."
"Das ist nicht wahr, das kann nicht wahr sein, sie lügen doch!", antwortet Frau Schneider und schreit dabei beinahe.
"Sie wollten die Geschichte erfahren, nun lassen sie mich sie auch zu Ende erzählen", entgegnet die junge Frau sachlich, "Die beiden verbrachten also diese eine Nacht zusammen und trennten sich wieder, ohne auch nur den Nachnamen des anderen erfahren zu haben."
"Ich glaube ihnen kein Wort. Mein Mann hätte mich nie mit einer anderen Frau betrogen, auch nicht während dem Krieg!",
"Nun, ob sie es glauben oder nicht, aber so war es. Am nächsten Morgen wurde ihr Mann in ein anderes Lager versetzt und die beiden haben sich nie mehr gesehen. Allerdings merkte die Kellnerin ein paar Wochen später, dass sie doch mehr von dem Soldaten behalten hatte als nur den Vornamen und neun Monate später gebar sie ein gesundes Mädchen."
"Hören sie auf zu reden", entgegnet Frau Schneider und ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern, "ich will das nicht mehr hören, ich glaube ihnen nichts. Woher wollen sie das alles überhaupt wissen?"
Nun fällt es der jungen Französin merklich schwer, weiterzusprechen und man kann fühlen, dass es ihr leid tut, was sie nun sagen will, doch schlussendlich sagt sie: "Ich bin dieses Mädchen. Meine...."
In diesem Moment geht in Schneiders' Haus die Türe auf und noch während Herr Schneider das Zimmer betritt, hängt Frau Schneider den Hörer auf und wendet sich ihrem Mann zu. "Hallo Liebling, da bist du ja, ich habe mir schon Sorgen gemacht", sagt sie, während sie ihm einen kurzen Kuss gibt.
"Ja, ich wurde im Geschäft noch aufgehalten, tut mir leid. Wer war denn da am Telefon?"
"Ach, da hatte sich nur jemand verwählt. Ich werde dir dann gleich mal das Abendessen bereit machen."

 

Hallo thelma,

und herzlich Willkommen auf kurzgeschichten.de.

Du schreibst gewagt, imdem Du die Charaktere wirklich im Sinne und in der klassischen Definition einer Kurzgeschichte reduzierst auf die Situation und auf nicht mehr, wodurch die Gefahr besteht, daß die beschriebenen Handlungen nicht glaubwürdig (genug) wirken.
Das Ende finde ich als Gedanken wirklich großartig, doch an zwei Stellen finde ich es eben noch nicht glaubwürdig genug :

"Wie es der Zufall so will", entgegnet die Französin, ohne weiter auf Frau Schneiders Frage einzugehen, "arbeitete unweit entfernt von dem Lager, in dem ihr Mann stationiert war, eine junge Frau in einer Bar als Kellnerin. Die Soldaten gingen ab und zu dorthin, auf der Suche nach Zerstreuung und Ablenkung."
"Das ist ja wohl nur natürlich", erwidert Frau Schneider und versucht dabei so gleichgültig wie möglich zu klingen.
gerade durch Deinen Einschub über Frau Schneiders Bemühung, gleichgültig zu klingen habe ich da die Überzeugung gehabt, daß sie weiß, wovon Simone spricht. Doch dann folgt
"Das ist nicht wahr, das kann nicht wahr sein, sie lügen doch!", antwortet Frau Schneider und schreit dabei beinahe.
nachdem Simone erläutert, was dem Leser eigentlich schon völlig klar ist.
Ich würde hier für entweder noch einen Blick nach Innen plädieren, der klar macht, daß Frau Schneider eben nicht verstanden hat, was unausgesprochen ist und somit das entsetzen vorbereiten, oder das Entsetzen rauszunehmen, womit ich zu der zweiten Unglaubwürdigkeit gelange :
wenn Fr. Schneider die Nachricht so entsetzlich findet, wieso kann sie dann so schnell umschalten und mit dieser routinierten Distanz ihren Mann empfangen ?
Glatter fände ich es, wenn der Einschub des Entsetzens von Dir abgemildert würde, dadurch bleibt die Wucht des Endes bestehen und das ganze Bild wird insgesamt harmonischer.

Die Dialoge finde ich stellenweise ein wenig holzig :

"Ja, das tun sie", antwortet Frau Schneider in einer Mischung aus Enttäuschung und Neugier, "wer ist denn da dran?"
"Na, also hören sie mal", antwortet Frau Schneider aufgebracht
"Nun ja", erwidert die junge Frau höflich
"Nun, da bin ich aber anderer Meinung", antwortet Frau Schneider, nun schon ziemlich wütend

Das sind immer die gleichen Einschübe, um die Situation zu bebildern, die zudem an der Oberfläche bleiben. Du kannst auch mal die Innenwelt in einem kurzen Einschub zeigen, nicht nur die Oberflächenstruktur beschreiben. Das brächte mehr Leben in den Dialog und auch in die Struktur des Textes.

Doch insgesamt hat sie mir gefallen, Deine Kurzgeschichte.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo thelma!

Willkommen auf kg.de.

Ich habe den Anruf etwas anders gelesen als Seltsem. Meiner Meinung nach hat Frau Schneider genau verstanden, was die Anruferin ihr sagen möchte, das hier "Das ist nicht wahr, das kann nicht wahr sein, sie lügen doch!" ist demnach nur eine Art Schutzbehauptung. Meiner Meinung nach handelt Frau Schneider nach dem Motto: Wenn ich etwas nicht weiß, ist es nie passiert. Und sobald sie auflegt, kann sie den Anruf aus dem Gedächtnis streichen. Das ist ein sehr interessanter (und realistischer) Inhalt für eine Kurzgeschichte.

Kleinigkeiten:

sich hin:"Wo bleibt => Es fehlt ein Leerzeichen.

"Ah, das wird er sein," ruft Frau Schneider erleichtert => Komma hinter den Anführungszeichen und ein Ausrufezeichen, wenn sie es ruft. Aber ich finde dieses Rufen (wo sie doch allein in der Küche steht) etwas übertrieben.

"Ermm..," die junge Französin => Drei Pünktchen und wieder ist das Komma verrutscht.

antwortet Frau Schneider, nun schon ziemlich wütend, => Dass die Frau Schneider aufgrund dieser paar gesprochenen Worte dermaßen in Gefühlswallungen gerät, finde ich ebenfalls zu stark. (Manchmal ist weniger mehr, ich denke, hier auch.)

auch nicht während dem Krieg!", => Grammatisch korrekt: während des Krieges (und ich denke, Leute ihres Alters würden es so sagen).

Meine...." => Drei Pünktchen und ein Leerzeichen davor (da das vorangehende Wort vollständig ist).

Das war's schon. Dein Einstand hier gefällt mir wirklich sehr gut.

Grüße
Chris

 

Hallo,

öhm, der Plot hat soooooooo einen Bart, also ehrlich. Originalität: Null. Das Telefongespräch ist solide gemacht, der letzte Satz auch ganz gut, aber es entwickelt sich alles so wie erwartet vom ersten Moment an. Krieg stationiert – ab da hätte man sich den Rest des Textes fast sparen können.
Handwerklich ist mir aufgefallen, dass du die Höflichkeitsform konsequent klein schreibst, sie gehört allerdings groß.

Also gut gemacht, aber völlig uninspiriert, leider.

Gruß
Quinn

 

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