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Der Arm

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12.05.2006
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Der Arm

Der Arm


Julia erstarrte, als sie das bizarre Hinweisschild ungläubig erblickte und rief zu den anderen.
„Mein Gott, schaut euch das mal an!“
Andreas und Silke direkt hinter ihr, glotzten ebenfalls mit offenen Mündern in die Richtung, als sie es kurz darauf selber entdeckt hatten.
„Und, hab ich euch etwa zu viel versprochen!“
Alexander, der einzige dem der ungewöhnliche Wegweiser nicht neu war, tauchte mit einem viel sagenden Grinsen im Gesicht hinter den anderen auf.
„Wie war noch mal die Geschichte – erzähl schon“, fragte Andreas, mit einer nickenden Kopfbewegung Richtung hölzerner Wegmarkierung, die in der Art eines Armes geformt war, und sich gruselig gegen die hereinbrechende Dämmerung abhob. Doch sein Kumpel Alexander meinte nur, dass sie sich lieber beeilen sollten, um noch rechtzeitig ihre Zelte aufzustellen zu können, solange es noch einigermaßen hell ist. Alex war der einzige vom Quartett, der die Geschichte vom Arm vollständig kannte, oder zumindest klaubte sie zu kennen.
Schon als kleiner Steppke hatte ihm sein Vater von dieser Begebenheit erzählt, die im Laufe der Jahrzehnte in der Gegend zu einer richtiggehenden, kleinen Legende heranwuchs. Das Endergebnis davon war, dass Klein-Alex mehrere Nächte hintereinander höllische Alpträume gehabt hatte, und Daddy von seiner Mutter wegen dieser Angelegenheit noch ordentlich was zu hören bekam. Jahre später, als er älter wurde und sich zunehmend für derartige Geschehnisse zu interessieren begann, ging er der Sache eines Tages auf den Grund. Er recherchierte die ganzen beklemmenden Einzelheiten aus dieser Zeit, die von offizieller Seite zu bekommen waren.
Nach einer weiteren Viertelstunde kamen die vier Teenager auf der Lichtung des Wäldchens an, auf der sie ihre mitgebrachten Zelte aufschlagen wollten. Da die beiden Jungs eine gewisse Übung darin hatten, standen auch schon bald danach die beiden Zweimann-Zelte, zwischen duftenden Sommerblumen auf der Waldwiese - gerade so, als wären sie schon immer ein Bestandteil dieser idyllischen Landschaft gewesen.
In der Zwischenzeit sammelten die beiden jungen Frauen trockene Zweige und Holz für das Lagerfeuer, sodass noch ehe die Dunkelheit vollständig über die Tannenwälder kommen konnte, erste Flammen sich in das Halbdunkel emporhoben.
Nachdem die beiden Pärchen ihre Würstchen am Feuer gegrillt und verspeist hatten, kam Alex mit einigen Flaschen Bier vom nahe gelegenen Bach zurück, wo sie im blubbernden Quellwasser schön kühl gehalten wurden.

Alexander und Julia kannten sich erst einen knappen Monat, und dieser Campingausflug, zusammen mit seinem besten Freund Andreas und dessen langjähriger Freundin Silke, sollte eine erste, genauere Standortbestimmung ihrer zukünftigen Beziehung sein. Wenn es nach Alexander ginge, auch eine erste genauere Einschätzung, wie weit er in sexueller Beziehung wirklich bei ihr gehen konnte. Denn außer ein bisschen rummachen, lief bis jetzt noch nicht allzu viel – das gab Alex mit ernst darüber sinnierendem Gesichtsausdruck gegenüber seinem besten Freund schon zu, als sie sich über derartig wichtige Angelegenheiten einmal in einem reinen Männergespräch unterhielten.
Alexander teilte das Bier unter ihnen auf, bevor er Selbst einen kräftigen Schluck davon nahm, und sich genüsslich eine Zigarette ansteckte. Julia, die neben ihm Platz genommen hatte, schaute ihn erwartungsvoll von der Seite an.
„Was ist jetzt mit dieser Geschichte“, säuselte sie ihm schließlich ungeduldig ins Ohr.
„Genau, was ist jetzt damit“, augenblicklich stimmten Silke und ihr Freund fast gleichzeitig, und wie aus der Pistole geschossen mit ein, denn selbst Andreas der Sportskamerad von Alex aus der Fußballmannschaft, kannte die Story auch nur ziemlich abstrakt von Hörensagen.
Nach einem weiteren Schluck aus der Pulle, wohl wissend die volle Aufmerksamkeit der restlichen, ums knisternde Feuer versammelten Zuhörer auf sich gezogen zu haben, begann er zu lächeln – schien aber auch gleichzeitig wieder ernst zu werden.
„OK, ihr wollt die Geschichte also hören, aber sagt hinterher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!“
„Bitte aber keine Gruselgeschichte“, flehend schaute Silke zu Alex hinüber, der Widerschein des Lagerfeuers ließ ihr ängstliches Gesicht erahnen, und Alex merkte mit gewisser Genugtuung, wie sie merklich näher an Andreas heranrückte.

„Was soll ich sagen“, raunte Alex theatralisch. „Es ist vielleicht eine etwas unheimliche Geschichte, aber“ - er machte eine Pause, um seinen nächsten Worten noch mehr Gewicht zu verleihen, „sie ist wahr und hat sich wirklich hier ganz in de Nähe ereignet“. Andreas, der es zu schätzen wusste, wenn Alex in Erzähllaune war, rutschte ungeduldig auf seinem Hosenboden herum; er kannte niemand, der auch nur im Entferntesten eine Begebenheit so fesselnd nacherzählen konnte, wie sein Freund. Und diese Geschichte schien gerade wie dafür gemacht worden zu sein, sie am nächtlichen Lagerfeuer wiederzugeben.
Alexander schaute wie gebannt in die gierig züngelnden Flammen, und gerade als die anderen schon dachten, er hätte es sich womöglich doch noch anders überlegt, da fing er mit leiser, aber eindringlicher Stimme zu erzählen an.

Vor fast 200 Jahren lebte ein Schustergeselle bei seinem Lehrmeister und seiner Familie. Anfangs waren alle noch ein Herz und eine Seele. Hans, der Geselle war nach relativ kurzer Zeit fast schon zu einem festen Familienmitglied geworden. Doch der fleißige Gehilfe, der in Nullkommanichts das erlesenste Schuhwerk mit seinen geschickten Händen zauberte, hatte ein Auge auf Anna - die hübsche Tochter des Hauses - geworfen. Anna, die aber ihrerseits nichts von den plumpen Annäherungsversuchen des Burschen wissen wollte, versetzte ihrem Freier eines schönen Tages ein paar schallende Ohrfeigen, als dieser ihr wieder mal an die Wäsche gehen wollte.
Der Schustermeister, der diese Szene durch das Fenster seiner Werkstatt beobachtet hatte, stellte seinen Vorzeigegesellen unverzüglich zur Rede, und als der nur flapsige Antworten von sich gab, versetzte ihm sein Meister einen Tritt in den Allerwertesten, warf ihm den Beutel mit seinen Habseligkeiten nach, um ihm schließlich noch ein paar aufgebrachte Worte hinterher zurufen, - was er doch für ein undankbarer Taugenichts war.

Eine Woche später schickte der Schuster seine Tochter mit einem Paar kunstvollen Reiterstiefeln ins Nachbardorf, um sie pünktlich seiner vornehmen Kundschaft abliefern zu können.
Als Anna an einem späten Novembernachmittag sich auf den Rückweg machte, führte sie ihr Weg durch ein Wäldchen mit einer Abzweigung. Zwar hatte ihr Vater ihr ausdrücklich verboten diese Abkürzung zu nehmen, doch der Tag war kalt, es begann zu schneien und Anna fröstelte trotz ihres dicken Wollumhangs. Nicht lange nachdem sie die Gabelung hinter sich gelassen hatte, hob sie plötzlich den Kopf, den sie zum Schutz gegen die Kälte und das Schneegestöber tief gesenkt hatte. Sie erblickte mit verängstigten Rehaugen eine hagere, düstere Gestalt, die wie aus dem Nichts mitten auf dem Weg auftauchte. Ihr erster Instinkt war, die Beine in die Hand zu nehmen und wegzulaufen. Doch als Anna die Stimme erkannte, blieb sie stehen.
„So trifft man sich wieder!“ Hans, der ein unverschämtes Grinsen von einem Ohr zum anderen zur Schau trug, kam einen Schritt auf Anna zu.

„Lass mich in Ruhe, oder mein Vater wird sich um dich kümmern!“ Die Schustertochter versuchte so fest zu sprechen wie sie konnte, dennoch war ein Zittern deutlich in ihrer Stimme wahrzunehmen. Hans kam einen weiteren Schritt auf sie zu, sein Grinsen trug er unvermindert im Gesicht, und Anna konnte deutlich die schlechten Zähne erkennen und auch die weit geöffneten Augen, die nichts weiter widerspiegelten als die blanke Gier. Seine Hände schossen blitzschnell nach vorne und packten das verängstigte Mädchen am Rock. Anna versuchte auszuweichen, - stolperte, verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings auf die steinhart gefrorene Erde.
Als Anna nach einer gewissen Zeit durch den Schleier ihrer Benommenheit nach oben blickte, nahm sie nicht war, wie die Schneeflocken auf ihrem Gesicht schmolzen, und ihr wie falsche Tränen die Wangen herabzufließen begannen. Sie sah nur die düstere Gestalt, die direkt über ihr stand... dann beugte diese sich wie in einem schlechten Traum langsam – ganz langsam zu ihr hinab.

Ein Holzscheit explodierte krachend in der Glut. Andreas der regungslos zugehört hatte blinzelte, und schien allmählich wieder zum Leben zu erwachen. “Und – weiter, hat er sie – du weißt schon - vergewaltigt?“ Silke die wegen dieser Reaktion ihres Freundes erbost hochfuhr, aber immer noch sichtlich von der Erzählung mitgenommen war, boxte ihm in die Seite. „He, denkst du immer nur an das Eine.“ Alexander, der noch ein paar Sekunden die Spannung verlängern wollte, die die kleine Geschichte bei seinem Publikum immer noch auslöste, blickte zur Seite auf Julia, die immer noch gebannt zu ihm aufschaute.
„Vergewaltigt und erwürgt“, flüsterte Alex schließlich in die noch immer warme Sommernacht hinaus.
„Was für eine Geschichte“, wisperte Julia. „Was für eine Geschichte kam das Echo von Silke, nicht ohne viel sagend die Augäpfel ein wenig nach oben zu verdrehen.
„Moment mal!“ Andreas hob die Hand, als ob ihm die alles entscheidende Frage, wie zum Beispiel: „Was ist der Sinn des Lebens“, gerade mal eben so eingefallen wäre.
„Was ha hat...ich meine...“.
Listig blickte Alexander, der sich dabei der vollen Aufmerksamkeit seiner neuen Freundin gewiss war, seinem Spezi in die Augen, der ins stottern geriet.
„Du willst sicher Fragen, was hat diese ganze Geschichte mit dem Wegweiser von heute Nachmittag zu tun, der – wie ihr alle sicher schon vermutet habt – an der Stelle steht, wo damals diese schändliche Tat begangen wurde?“. Andreas, der nicht im Geringsten merkte, dass Alex mit seiner Wortwahl viel zu dick auftrug, antwortete mit fast überschnappender Stimme „genau!“
„Nun“, sagte Alex „die Leiche des Mädchens wurde am nächsten Tag nicht weit von der Weggabelung entdeckt, der Mörder wurde aber nie gefunden bis auf“ – wieder eine von Alexanders Kunstpausen – „seinen Arm“. Abermals explodierte ein Scheit, und Funken stoben nach oben, als ob das geplant, und zu Alexanders Inszenierung dazugehören würde.
„Seinen Arm!“ Andreas Stimme schnappte diesmal endgültig über, und als er versuchte sich auf die Schenkel zu klopfen verschüttete er reichlich Bier auf Hose und Schuhe. „Seinen Arm“, wiederholte Andreas wie eine völlig zerkratzte, gesprungene Schallplatte, „die mit Abstand beste Geschichte!“ Andreas blickte viel sagend zu Julia hinüber, „und der Typ da“ - er deutete mit der halbleeren Flasche auf Alex - „hat wirklich nur supiii Storys auf Lager, wenn er erst mal so richtig in Fahrt kommt.

Nach einer Weile sagte Julia etwas zu Alex, mit dem keiner gerechnet hatte:
„Und mit diesem Märchen willst du mich also rumkriegen?“ Andreas und Silke senkten betroffen ihre Blicke. Alex saß wie aus Stein gemeißelt nur da, und Julia bereute die Worte auch schon wieder, die sie da eben ausgesprochen hatte. Vielleicht hatte sie ja das Bier etwas vorlaut werden lassen.
„Zeit schlafen zu gehen!“ Andreas erhob sich unvermittelt, um der etwas peinlichen Situation zu entgehen, und zog seine Freundin fast gegen ihren Willen mit sich. „Nacht ihr beiden“, im nu waren die zwei auch schon in ihrem Zelt verschwunden.
„Hör mal“, begann jetzt Julia unsicher „das wollte ich so nicht sagen“. Doch Alex gab nur – fast schon trotzig - zur Antwort:„Es ist kein Märchen, die Geschichte hat sich genau so zugetragen wie ich sie erzählt habe“. Mit einem Ruck stand auch er auf, und marschierte in Richtung des zweiten Zeltes. Julia blickte seufzend in die allmählich erlöschende Glut und dachte:„Männer, erst wahnsinnig wichtig tun und dann den Beleidigten markieren“.

Im Osten schob sich ein filmreifer Vollmond über die schwarzen Skelette der Baumwipfel. „Fehlt nur noch Wolfsgeheul“, dachte Julia sarkastisch, als sie die blitzblanke Silberscheibe noch ein wenig bewunderte.
Als sie ins Zelt kroch, lag Alexander schon zur Seite gerollt in seinem Schlafsack.
„Schläft er schon?“ Sie glaubte es nicht. Wenn er unbedingt den Eingeschnappten mimen wollte – bitte schon. Gerade als sie sich ebenfalls in ihren Schlafsack einrollen wollte, merkte sie den Druck auf ihrer Blase.
„Blödes Bier“, dachte sie beiläufig, als sie gleich darauf wieder auf die Waldlichtung trat. Jetzt stand sie aber dumm da, denn die Lichtung war wie von einem gedämpften Scheinwerfer mit Mondlicht überzogen, und es kam Julia mehr als unpassend vor, sich einfach auf die freie Fläche der Wiese zu hocken. Die nächsten Bäume waren gut 500 Meter weit entfernt.
„Auch egal“, dachte sie frustriert und ging in Richtung der Tannen.

„War da nicht ein Geräusch?“ - natürlich war da ein Geräusch, eine ganze Armee Grillen hatten den ganzen Abend einen Höllenlärm veranstaltet, und selbst jetzt war noch ein vereinzeltes, langsam ersterbendes Zirpen zu hören. Julia hielt schlagartig den Atem an... Da, keine Grille - ganz eindeutig hatte irgendwo ganz in der Nähe ein Ast geknackt. Ihr Herz klopfte jetzt wie wild und das Blut rauschte ihr in den Ohren; dennoch versuchte sie unwillkürlich den Atem anzuhalten, damit ihr auch nicht das kleinste verdächtige Geräusch entging.
„Jetzt mach dich bloß nicht verrückt“, sie versuchte die immer stärker aufkommende Panik im Zaum zu halten, indem sie sich selber Mut zusprach. Sie ging weiter, obwohl sie nicht mehr richtig einschätzen konnte, aus welcher Richtung sie eigentlich gekommen war. Als sie nach wenigen Metern abrupt stoppte, hätte sie fast hysterisch aufgeschrieen. Die Silhouette eines knochigen Armes schob sich vor die blasse Mondscheibe. Halb wahnsinnig, und doch vor Erleichterung begann sie aufzulachen, als sie merkte was das war.
„Wer kommt bloß auf so eine makabere Idee, solch einen unheimlichen Wegweiser im Wald aufzustellen, der harmlose Spatziergänger zu Tode erschrickt“. „Oder kleine Mädchen, die mitten in der Nacht an einem einsamen Ort mal dringend Pipi müssen“, sagte eine gehässige Stimme in ihrem Hinterkopf.
„OK, Hose runter bevor noch ein Unglück passiert; dem ausgetrockneten Waldboden eine kleine Ölung verpasst, und dann so schnell wie möglich weg von h...“.
Wieder dieses knacken, als ob sich jemand heranschleicht - und diesmal schon ein ganzes Stück näher. Als Julia mit zusammengekniffenen Augen in Richtung des Geräusches schaute, sah sie ihn - den dunklen Umriss eines Mannes.

„War das Alex?“ - er musste es sein. Dieser Kindskopf war ihr einfach nachgestiegen, um sie vielleicht doch noch zu überreden für heute Nacht ein böses Mädchen zu sein. So waren Jungs eben, da konnte man machen was man wollte. Wenn es um das Eine ging, legten sie eine Beharrlichkeit an den Tag, die sie in fast allen anderen Belangen sträflich vermissen ließen. Sichtlich erleichtert ging sie auf ihren Freund zu, als ihr plötzlich durch den Kopf schoss“, irgendetwas stimmt nicht mit Alex, wo ist sein anderer...
Julia blickte in die Fratze des Wahnsinns, als sich der ehemalige Schustergeselle zum Mondlicht drehte und ein teuflisches Grinsen preisgab, indem er ihr zwei Reihen
verfaulter Zähne entgegenbleckte.

Seine weit geöffneten Augen, die nichts weiteres widerspiegelten als die blanke Gier

Als Alex noch vor nicht all zu langer Zeit genau diese Passage - die sie leichtfertig als Ammenmärchen abtat – erzählte, erschauderte sie. Jetzt blickte sie der, zum Alptraum
gewordenen Fratze direkt ins Gesicht, und etwas in ihr zerbrach unwiderruflich.
„ÄMM“.
Julia zuckte zurück.
„Was“ - keuchte sie, obwohl sie genau wusste was dieses Scheusal von ihr wollte, und erkennend, dass sich ihr letzter Rest gesunder Menschenverstand gerade von ihr verabschiedete.
„ÄRMM!“.
Das Wort kam ekelerregend durch die verunstalteten Hauer, wie das pfeifen des Windes durch einen uralten Friedhof.
„ARRMM!!“
Die Todesfratze zuckte urplötzlich vor und Julia spürte, wie sie mit nicht menschlichen Kräften am Arm gepackt wurde. Den Urin, der ihr kurz darauf heiß die Beine hinab strömte, nahm sie schon nicht mehr wahr.

© winterspiegel

 

winterspiegel schrieb unter seine Geschichte:

winterspiegel schrieb:
Anmerkung des Verfassers

Diese kleine Geschichte, die mir lange Zeit nicht aus dem Kopf ging, ist nach Motiven entstanden, die durchaus der Wahrheit entsprechen, und lauten in ihrem überlieferten Text in etwa folgendermaßen: Die Justizakten berichten, dass 1823 die Kräuterfrau Anna Völme auf dem Heimweg vom Markt durch einen Schustergesellen niedergeschlagen und beraubt wurde. Er versteckte sie notdürftig unter einem Laub- und Reisighaufen. Im Todeskampf muss das Opfer seine Hand ausgestreckt haben. Durch den totenstarren Arm kamen die Leiche und die furchtbare Tat bald ans Licht. Der Schustergeselle fiel durch Geldausgeben auf, wurde verurteilt und „vom Leben zum Tode befördert“. Wie damals üblich wurde seine Leiche für wissenschaftliche Forschung in das Anatomische Institut der Tübinger Universität „verbracht“.

Soweit die nackten Fakten aus dieser Zeit. Diese Wahre Begebenheit habe ich zugegebener Weise etwas umgemodelt, sodass es mir etwas besser in den erzählerischen Kram passte. Der Wegweiser mit dem ominösen hölzernen Arm steht tatsächlich ganz in der Nähe, wo damals die Tat begangen wurde, und auch ein Hinweisschild mit oben beschriebenen Tatsachen, wurde gleich daneben angebracht.
Diese Geschichte hörte ich zum ersten Mal als kleiner Junge von meinem Vater, und er jagte mir damit einen gehörigen Schrecken ein.

 

Hi winterspiegel und herzlich Willkommen auf KG.de!
Hast dir ja gleich die beste Rubrik ausgesucht! :D

Fleischklumpen:

Julia erstarrte, als sie das bizarre Hinweisschild ungläubig erblickte und rief zu den anderen.
Der erste Satz, und der liest sich nicht gut.
1. erblickte. Wer zum Teufel benutzt dieses Wort? Es ist nur erlaubt, wenn der Prot allgemein gern affektiert spricht, oder man anders einer Wortwiederholung nicht aus dem Weg gehen könnte.
2. rief zu den anderen. Meinst du nicht: rief den anderen zu. ?

fragte Andreas, mit einer nickenden Kopfbewegung Richtung hölzerner Wegmarkierung, die in der Art eines Armes geformt war, und sich gruselig gegen die hereinbrechende Dämmerung abhob
Warum ist es gruselig? Was ist an einem Weg gruselig? Weil er wie ein Arm aussieht? Was ist an einem Arm gruselig?

Doch sein Kumpel Alexander meinte nur, dass sie sich lieber beeilen sollten, um noch rechtzeitig ihre Zelte aufzustellen zu können, solange es noch einigermaßen hell ist.
Vermeide die indirekte Rede, sofern es sich nicht um eine kurze Rückblende handelt. Es liest sich unglaublich hölzern.

Alex war der einzige vom Quartett, der die Geschichte vom Arm vollständig kannte, oder zumindest klaubte sie zu kennen.
*g*
glaubte ;)
klauben = aufheben, aufsammeln

Schon als kleiner Steppke hatte ihm sein Vater von dieser Begebenheit erzählt, die im Laufe der Jahrzehnte in der Gegend zu einer richtiggehenden, kleinen Legende heranwuchs.
klingt komisch, und ist überflüssig

Das Endergebnis davon war, dass Klein-Alex mehrere Nächte hintereinander höllische Alpträume gehabt hatte, und Daddy von seiner Mutter wegen dieser Angelegenheit noch ordentlich was zu hören bekam.
Sind wir in Amerika oder Deutschland? Ich denke, letzteres, also Papa.

Nachdem die beiden Pärchen ihre Würstchen am Feuer gegrillt und verspeist hatten, kam Alex mit einigen Flaschen Bier vom nahe gelegenen Bach zurück, wo sie im blubbernden Quellwasser schön kühl gehalten wurden.
Tempus! worden waren

„Was ist jetzt mit dieser Geschichte“, säuselte sie ihm schließlich ungeduldig ins Ohr.
Ungeduldig säuseln?

„Genau, was ist jetzt damit“, augenblicklich stimmten Silke und ihr Freund fast gleichzeitig, und wie aus der Pistole geschossen mit ein, denn selbst Andreas der Sportskamerad von Alex aus der Fußballmannschaft, kannte die Story auch nur ziemlich abstrakt von Hörensagen.
Uninteressant für den Leser.
Streichen

“Und – weiter, hat er sie – du weißt schon - vergewaltigt?“ Silke die wegen dieser Reaktion ihres Freundes erbost hochfuhr, aber immer noch sichtlich von der Erzählung mitgenommen war, boxte ihm in die Seite. „He, denkst du immer nur an das Eine.“
Warum reagiert sie so? Hat sich Andreas etwa "geil" drauf angehört, oder wie?

„Seinen Arm!“ Andreas Stimme schnappte diesmal endgültig über, und als er versuchte sich auf die Schenkel zu klopfen verschüttete er reichlich Bier auf Hose und Schuhe. „Seinen Arm“, wiederholte Andreas wie eine völlig zerkratzte, gesprungene Schallplatte, „die mit Abstand beste Geschichte!“ Andreas blickte viel sagend zu Julia hinüber, „und der Typ da“ - er deutete mit der halbleeren Flasche auf Alex - „hat wirklich nur supiii Storys auf Lager, wenn er erst mal so richtig in Fahrt kommt.
Hier kann ich dem Geschehen nicht mehr folgen.

Vielleicht hatte sie ja das Bier etwas vorlaut werden lassen.
Ja, es ist auch unglaublich vorlaut, wie ein minderwärtiges Wesen so etwas zum Übermenschen sagen kann, nicht wahr? Ich meine, das ist so eine vollkommen unberechtigte Frage ... diese Weiber! Was fällt denen ein?
Vorlaut ist es nicht. Es ist, wenn überhaupt, hemmungslos

Und was ist eigentlich mit seinem Arm? Es muss ja irgendeinen Grund geben, warum er ihn nicht mehr hat.
Allgemein hatte ich teilweise das Gefühl, dass ich dem Ganzen nicht mehr oder nur noch kaum folgen konnte. Zu durchwachsen.
(Oder hab ich es überlesen?)


Du merkst schon, wirklich gefallen konnte mir deine Story nicht. Die Prots sind kaum charakterisiert, sie sind ein Klischee aus alten Lagerfeuergeschichten, die letzendlich alle die eine Moral vermitteln wollen:
SEX IST BÖSE! ;)
Spannung existiert dadurch natürlich kaum. Lagerfeuer, Zelten, Gruselstory - da braucht man dem Leser kein Bild mehr zu malen.


Zudem sind unzälhlige Kommafehler drin, vor allem grenzt du Nebensätze nicht korrekt ab. ;)
Auch Großundkleinschreibung:

Das Wort kam ekelerregend durch die verunstalteten Hauer, wie das pfeifen des Windes durch einen uralten Friedhof.
funktioniert nicht richtig.
Auch wenn man außer Acht lässt, dass das Pfeiffen des Windes durch einen uralten Friedhof auch nicht anders klingt, als durch einen neumodernen. Oder: durch überhaupt irgendetwas.
Das Pfeiffen des Windes verändert sich nicht, weil die Gruselstimmung es von ihm verlangt.

Fazit: Überarbeiten! RS-Fehler, Komma-Fehler und ungelenke Formulierungen raus! Und gib der Story Atmosphäre, Wald, Mondlicht und eine emotionslose Gruselgeschichte erzeugen eine solche nämlich nicht. (Auch wenn die Geschichte sich tatsächlich so zugetragen haben soll.)

Nun, ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen und du hast noch viel Spaß hier. :)


Liebe Grüße
Tamira

 

Servus winterspiegel!

Zuerst mal die positiven Aspekte:

Deine Geschichte hat eine ansprechende Länge und einige atmosphärische Beschreibungen sind dir gut gelungen. Der Einstieg ist plötzlich und mit dem merkwürdigen Hinweisschild auch recht spannend gelöst. :)

So, jetzt aber zur Kritik:

Tamira hat vollkommen recht, wenn sie die fehlende Charakterisierung deiner Prots bemängelt. Du beschreibst sie indirekt über ihre Einstellungen und Ansichten, eine klare Beschreibung anhand von Aussehen oder Sprache wäre für den Leser ungemein hilfreich gewesen.

Auch verstehe ich nicht, warum es ein Quartett sein muss, ein Pärchen hätte doch denselben Zweck erfüllt. :confused:

Die Gruselgeschichte am Lagerfeuer klingt eher wie eines von Grimms Märchen und wird von Alexander auch genauso altbacken erzählt. Glaubwürdige Monologe und Dialoge sind schwer hinzukriegen, keine Frage aber eine gruselige Stimmung kommt hier nicht auf, sorry.

Was mich aber wirklich gestört hat, ist die Sache mit dem Arm. Warum, weshalb, wieso verliert der Schustergeselle seinen Arm? Du präsentierst das als Schockeffekt aber ich habe mich einfach nur gefragt: Äh ... ja und?


Stilistisch finde ich, das du selber es schon sehr gut formuliert hast:

Andreas, der nicht im Geringsten merkte, dass Alex mit seiner Wortwahl viel zu dick auftrug, antwortete mit fast überschnappender Stimme „genau!“

Genau, du trägst viel zu dick auf!

Fazit: Bin auch nicht sehr angetan von deiner Lagerfeuer/Grusel-Kg, aber Übung macht bekanntlich den Meister, also bis zum nächsten Mal!


Gruß, Marvin

 

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