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Der Aufbruch

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19.03.2007
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Der Aufbruch

Exakt 157 Schritte sind es von Herbert Winkelmeiers Wohnung zu seiner Bushaltestelle. Diese trifft er jeden Morgen an, um mit dem Bus nach sieben Haltestellen an seinem Arbeitsplatz zu gelangen. Herbert Winkelmeier arbeitet in einer großen Fabrik. An einem Fließband schraubt er stets täglich die gleichen Teile an die vorbeirollenden Autos an. Er beherrscht es wie kein anderer mit seinen 30 Jahren Berufserfahrung. Nach der Arbeit macht er es sich zu Hause vor dem Fernseher gemütlich und schläft dann irgendwann ein.
Auch heute, denkt er, wird sein Tag nach dem ständigen gleichen Muster vorübergehen. Und die Freude auf den Sonntag, den Urlaub und die Rente erfüllen seinen Tag. Noch vier Tage bis zum Wochenende, noch drei Monaten bis zum Urlaub, zwei Wochen, die er zum Ausspannen von der Arbeit nutzen will. Der Bus fährt die Haltestelle an, Herbert W. steigt ein, löst seine Fahrkarte und sitzt sich in einen leeren Platz am Fenster. Sieben Stationen, dann muss er aussteigen und die Arbeit wird beginnen und enden, wie jeden Tag. Der Bus schaukelt sanft über die glatte Straße, es ist nicht zu heiß und nicht zu kalt. Im vorderen Teil unterhalten sich zwei alte Herren mit gleichfließender, monotoner, dunkler Stimme. Der Bus ist bis auf ein paar vereinzelt sitzende Fahrgäste leer. Das summende Laufen des Motors setzt Winkelmeier schläfrig zu. Er rettet sich ein paar mal vor dem drohenden einnicken seines Kopfes, doch er kann es nicht mehr verhindern. Er fällt in einen sanften und leisen Schlaf ohne an irgendetwas zu denken oder irgendetwas zu fühlen.
Plötzlich fährt ein Ruck durch seinen Körper. Es reißt ihn in die Höhe. Völlig ungewohnt fällt er in Panik, Angst und Aufruhr zugleich. Er war eingeschlafen, wie konnte das ihm, der immer diesen Weg fährt, nur passieren. Wie soll er jetzt noch pünktlich zur Arbeit kommen. Was werden der Chef und die anderen Mitarbeiter über sein Fehlen sagen. In seinem inneren Aufruhr erblickt er den Fahrkartenkontrolleur. Jetzt ist es aus. Er ist viel zu weit gefahren und seine Karte ist nicht mehr gültig. Er muss hier raus. Der Bus hält an einer Haltestelle an und Herbert Winkelmeier verlässt den Bus überstürzt durch die Hintertür. Da stand er nun, alleine und zu einer Zeit, in der er eigentlich bereits in der Arbeit sein soll. Zu seinem Unglück bemerkt er, dass er seine Brieftasche und seine Verpflegung in der ganzen Aufregung im Bus liegengelassen hatte. Er schafft es nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit und seine ganzen Wertsachen und Papiere sind weg. Jetzt ist nur noch er und die Welt. Er beschließt den zuweitgefahrenen Weg zur Arbeit zu Fuß zurückzugehen. Er schlägt die Richtung ein und setzt marschierend einen Fuß vor den anderen.
Nach einer Weile kommt er an einem großen Mietshausblock vorbei. An der Eingangstür haben sich ein paar Leute versammelt und unterhalten sich bedauernd und leicht klagend. Herr Winkelmeier geht langsamer und bleibt schließlich stehen um dem Inhalt des Gesprächen zu lauschen: „Man hat ihn eigentlich kaum gekannt“; „sah ihn nur morgens in die Arbeit gehen und abends wieder zurück kommen, dann ging er kaum noch raus“; „man hörte bei ihm immer den Fernseher laufen“; „jetzt ist er tot“; „er ist eigentlich nie in die Welt rausgekommen, war immer daheim oder in der Arbeit“; „jetzt ist er tot, einfach so.“
Da kommen die Leichenträger mit dem Sarg herab, schieben ihn in den Wagen und fahren weg. Es dauert noch eine Weile, dann löst sich die kleine Gruppe der Anwohner auf und Winkelmeier bleibt alleine zurück. Er beginnt nachzudenken. Gemeinsamkeiten mit dem Toten kommen auf. Sein Leben besteht auch nur aus Arbeit und Fernsehen. Zu mehr ist er nicht mehr bereit. Zu erschöpf ist er von der Arbeit am Abend. Was hat er schon von der Welt gesehen? Wird er auch mal so enden? Er denkt nach. Je mehr er sich seinem Arbeitsplatz nähert um so mehr denkt er über sein Leben nach. Seit 30 Jahren arbeitet er jetzt schon, 30 Jahre seines Lebens ist sein Lebensinhalt seine Arbeit. Er war immer für die Arbeit dar und nicht für sich. Jetzt steht er vor seinem Betrieb und er hat sich entschlossen. Jetzt ist Schluss mit seinem bisherigem Leben. Von jetzt an nimmt er sein Leben selbst in die Hand und lebt es für sich und nicht für andere. Nicht für den Gewinn seines Chefs und nicht für die Einschaltquoten der TV-Sender. Er beschließt sich die Welt zur Heimat zu machen und sie sich anzuschauen. Er eilt nach Hause. Packt seine nötigsten Sachen ein und macht sich auf eine große Reise die Welt zu erkunden. Seine letzte Reise und sein letzter Weg, aber einer der sich lohnen wird.

 

Hej Felix Fosilio,

willkommen auf Kg.de!

Du hast Dir da ein schwieriges Thema vorgenommen: darzustellen, wie jemand aufbricht, ein neues Leben anfängt.

Ich kann den Aufbruch Deines Prots leider nicht nachvollziehen. Die Idee, dass er zunächst im Bus einnickt, seine alltäglche Routine gestört wird, finde ich gut, vielleicht würde sie ausreichen, um den Aufbruch zu bewirken.
Nicht ausreichend finde ich die Beschreibung seiner Gefühle und Gedanken, seines Handelns.

Plötzlich fährt ein Ruck durch seinen Körper.

Woher kommt der Ruck? Oder ist er aufgewacht? Haben sich seine Muskeln entspannt und drohte er, vornüber zu kippen? Hat der Bus gebremst?

Völlig ungewohnt fällt er in Panik, Angst und Aufruhr zugleich
Müsste er nicht zuerst feststellen, dass er zu weit gefahren ist und dannunruhig, panisch oder was auch immer werden?

Er war eingeschlafen, wie konnte das ihm, der immer diesen Weg fährt, nur passieren.
Du könntest diesen Gedanken noch ausbauen. Wie konnte es ihm passieren? Es passiert doch sonst nie.

Was werden der Chef und die anderen Mitarbeiter über sein Fehlen sagen
Hier könnte mehr darüber gesagt werden, wie unbehaglich er sich möglicherweise fühlt, bei dem Gedanken, zu spät zu kommen.

Was mir sonst noch aufgefallen ist:

Diese trifft er jeden Morgen an
Die Bushaltestelle ist keine Person.

stets täglich
doppelt und außerdem unnötig, weil er ja "jeden Morgen" zur Arbeit fährt.

an die vorbeirollenden Autos an
ein "an" genügt

Herbert W.
Warum nicht mehr Winkelmeier?

zwei alte Herren mit gleichfließender, monotoner, dunkler Stimme.
Zwei Herren unterhalten sich mit einer Stimme?

Da stand er nun,
Warum nicht mehr in der Gegenwart?

Er beschließt den zuweitgefahrenen Weg zur
Er beschließt den Weg zur

Er schlägt die Richtung ein und setzt marschierend einen Fuß vor den anderen.
Das erklärt sich von selbst, wenn er zurück läuft.

um dem Inhalt des Gesprächen zu lauschen
Warum? Eben dachte er noch daran, was Chef und Arbeitskollegen sagen werden, wenn er zu spät kommt. Du verrätst nicht, wie es zu seinem plözlichen Interesse kommt.

Gemeinsamkeiten mit dem Toten kommen auf.
Gemeinsamkeiten fallen ihm auf.

Je mehr er sich seinem Arbeitsplatz nähert um so mehr denkt er über sein Leben nach. Seit 30 Jahren arbeitet er jetzt schon, 30 Jahre seines Lebens ist sein Lebensinhalt seine Arbeit. Er war immer für die Arbeit dar und nicht für sich.
Zuviele Wiederholungen und keine einleuchtende Erklärung für seinen Sinneswandel.

Grüße von
Ane

 

Hallo Felix,

und herzlich Willkommen auf KG.de.

Es tut mir leid, doch er gefällt mir nicht, Dein Erstling. Am besten finde ich dabei noch die Moral, Veränderung gehört zum Leben und die Hinwendung zu dem, was wichtig ist.
Leider erzählst Du sie wie eine Moralpredigt, ohne Augenzwinkern, ohne Subtilität, ungefiltert und platt.
Herberts Leben - und damit die Basis Deiner Moral - baust Du aus bekannten Versatzstücken zusammen, sein Leben ist monoton, er hangelt sich von
Wochenende zu Urlaub bis zur Rente, das freudlos vor dem Fernseher und ist halt der Archetyp des deutschen Michels, fleissig, pünktlich, gewissenhaft. Das alles erzählst Du, statt es entstehen zu lassen vor Deinem Leser, und dadurch wird es platt. Show, dont tell, zeigen, nicht erzählen lautet eine der wesentlichen Regeln für Geschichten, lass ein Bild entstehen, umschreibe ihn und die Situationen so, daß sie im Leser entstehen.
Und im gesamten letzten Absatz habe ich mich beim lesen mit der Moralkeule geprügelt gefühlt, bloss nichts falsch verstehen, die Gespräche der Nachbarn des Toten sind sehr direkt auf seine Katharsis ausgerichtet, die dann auch prompt kommt, mit einem ehrlich zu pathetischen Schlussatz.

Diese trifft er jeden Morgen an, um mit dem Bus nach sieben Haltestellen an seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
Er trifft die Bushaltestelle jeden Morgen an ? Besser vielleicht : Herbert trifft an der Bushaltestelle ein.
Zu seinem Unglück bemerkt er, dass er seine Brieftasche und seine Verpflegung in der ganzen Aufregung im Bus liegengelassen hatte.
Verpflegung ist noch glaubwürdig, doch seine Brieftasche... Vielleicht hat er seine Jacke mit Brieftasche liegen gelassen ?
Er beginnt nachzudenken. Gemeinsamkeiten mit dem Toten kommen auf.
Gemeinsamkeiten kann man entdecken und Stürme kommen auf.
Er schafft es nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit und seine ganzen Wertsachen und Papiere sind weg. Jetzt ist nur noch er und die Welt. Er beschließt den zuweitgefahrenen Weg zur Arbeit zu Fuß zurückzugehen. Er schlägt die Richtung ein und setzt marschierend einen Fuß vor den anderen.
Das liest sich unschön, wie eine Aufzählung.
Seine letzte Reise und sein letzter Weg, aber einer der sich lohnen wird.
Wenn er dreissig Jahre in seinem Unternehmen tätig ist, und offenbar nur dieses kennt, dann dürfte er so zwischen Ende 40 und Mitte 50 sein, da ist sein letzter Weg vielleicht etwas verfrüht ?!

Grüße,
C. Seltsem

 

Danke für die Kritiken. Wenn auch etwas verspätet. Aber bin heute zufällig wieder darauf gestoßen:)

 

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