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Der Besuch

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15.04.2004
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Der Besuch

An diesem Tag brachte die Mutter Kuchen mit nach Hause.
"Für Papa. Wir müssen unserem Gast doch etwas anbieten können."
Marlene nahm sich des Kuchens an, schnitt ihn in angemessene Stücke, legte ihn auf einen hübschen Teller und nahm sich schonmal eine der leckeren Schokoladenecken.
Als Vater später bei ihnen am Tisch saß, machte Marlene Kaffee.
"Und, wie geht's euch?", fragte er.
"Schlecht", sagte Mutter und verzog keine Miene.
"Habt ihr euch das nochmal überlegt mit dem Kabelfernsehen? Da gibt es wirklich tolle Angebote. Wir wollen jetzt etwas neues auf den Markt bringen, das wird dann noch billiger."
Marlene saß ihnen gegenüber und hörte zu. Wartete auf den Moment, da das Gesprächsthema auf sie schwenken würde.
"Hat Marlene dir schon erzählt, dass ich das Auto habe reparieren lassen?", fragte Mutter.
"Nein, hat sie nicht. Aber ich dachte, das wollten wir zusammen erledigen. Bei mir in der Garage."
Marlene schenkte Kaffee ein und teilte Kuchen aus. Natürlich hatte sie es Papa schon erzäht.
"Sag mal", setzte Mutter an. "der Herr Kant, der über uns neu eingezogen ist. Stimmt es, dass er bei euch in der Firma arbeitet?"
Vater nahm einen Schluck Kaffee und dachte kurz nach.
"Ja, da gibt es einen Herrn Kant."
"Der spielt ein doppeltes Spiel!", triumphierte Mutter mit erhobenem Zeigefinger und Marlene wusste, was jetzt folgen würde. Vater war dies neu: "Tatsächlich?"
"Hier bei uns im Haus, da hat er Frau und Kind. Aber seltsamerweise ist er fast nie anwesend. Man trifft ihn kaum im Treppenhaus an... Ich glaube, dass er ein Doppelleben führt. Er hat ein zweites Haus mit einer zweiten Frau und bei denen ist er dann. Das ist damit er doppelt wählen gehen kann. Um seiner Partei einen Vorteil zu verschaffen." Mutter war kaum zu stoppen in ihrem Redefluss. Sie sonnte sich in ihrer Rolle als Aufdecker. Vater wurde nun deutlich skeptisch und sah Marlene an. "Marlene, glaubst du auch, dass es so ist wie Mama sagt?"
"Nein", sagte Marlene und rutsche ein bisschen tiefer in ihren Sessel.
"Sein Bruder kommt auch manchmal," fuhr Mutter fort "um sich als er auszugeben, damit niemand Verdacht schöpft."
"Er hat also einen Bruder! Warum sollte er so tun wollen, als ob er hier wohnt und gibt nicht offen zu, dass er zwei Wohnungen hat? Soetwas ist doch zulässig und kein Verbrechen." Marlene vergrub die Hände unter dem Po. Die kleinen Finger zitterten. Mutter schien befriedigt, dass Vater ihr zuhörte und fühlte sich bestätigt wieterzureden.
"Frag mich nicht. Ich weiß nur, dass die Polizei einmal hier war und auf ihn gewartet hat. Im Treppenhaus. Sie sahen aus, wie eine Spezialeinheit, wie im Fernsehen!" Mutter hatte manchmal seltsame Tagträume.
"So so..." Er nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse. "Marlene, Schatz, bringst du mir noch etwas Kaffee?"
Marlene stand auf und holte die Kanne aus der Küche.
Dann goss sie den Kaffee über den Kuchen.
"Was tust du denn da!", rief Mutter und nahm ihr entsetzt die Kanne aus der Hand.
"Ist schon gut, mein Schatz", sagte der Vater und holte Küchenpapier, um den Kaffee aufzuwischen. Marlene standen die Tränen in den Augen. "Macht doch nichts, das passiert schonmal", sagte Vater und klopfte Marlene auf ihre kleine Schulter.
Sie wischten den Kaffee ab, warfen den Kuchen weg und setzten sich wieder beruhigt an den Tisch.
Vater drehte sich eine Zigarette und zündete sie an. Eigentlich rauchte Mutter aus Rücksicht vor Marlene nur auf dem Balkon, aber heute war eine Ausnahme.
"Was wolltest du mir Wichtiges über Marlene sagen? Warum bin ich heute hier?" Vater schien nun merklich nervös zu werden.
"Reden. Ich wollte einfach nur reden."
Und als Vater nur die Stirn kraus zog, sagte sie: "Ich wollte darüber reden, wie wichtig es ist, dass wir uns öfter mal zusammen setzen, um über Marlene zu reden." Nun trat ein trauriger Ausdruck in Vaters Gesicht.
"Ihr wisst, dass ich nicht viel Zeit habe, heute. Nicht wahr, du hast es Mutter erzählt, Marlene. Ich muss gleich gehen."
"Nein, Marlene hat es mir nicht erzählt." Und das stimmte.
"Trotzdem. Es war gut, dass wir geredet haben. Ich habe es leider sehr eilig. Wie sieht es aus mit dem Geld? Kommt ihr klar?"
"Ja, Papa, wir kommen aus. Das ist wirklich kein Problem", warf Marlene mit Tränen in den Augen schnell ein, bevor Mutter etwas sagen konnte. Doch Vater griff schon in die Tasche und holte sein Portmonnaie heraus.
"Hier. Zwanzig Euro, mehr habe ich im Moment nicht dabei."
Er reichte Mutter das Geld. Dann kramte er noch ein paar Münzen hervor. "Und das ist für dich, meine Kleine."
An der Tür umarmte er Marlene. "Machs gut, ich hab dich lieb", sagte er. Dann sah Marlene ihn gehen und fühlte sich verlassen. Wie jedes Mal.
"Grüß deine Frau von mir!", rief Mutter ihm nach und schloss die Tür.
Dann herrschte Stille im Haus.

 

Hallo babelfish!

ich möchte meinen zweihundertsten beitrag in kgde doch angemessen begehen, deshalb einige Kleinigkeiten:

An diesem Tag brachte die Mutter Kuchen mit nach Hause.
Ein Tag ist lang - und vielleicht ist es besser, wenn man weiß, ob es vormittags oder abends war. Ich stelle mir momentan eine berufsätige Mutter vor, die abends abgekämpft mit dem kuchen ankommt.
"Für Papa. Wir müssen unserem Gast doch etwas anbieten können."
Marlene nahm sich seiner an, schnitt ihn in angemessene Stücke, ...
Wen schnitt sie in Stücke, den Papa, den Gast (ist das die gleiche Person? Also eine Teilfamilie?

Als sie später zu dritt am Tisch saßen, machte Marlene Kaffee für den Vater
Eher wohl vorher, denn sie sitzt ja offensichtlich mit am Tisch.

"Was wolltest du mir Wichtiges über Marlene sagen? Warum bin ich heute hier?" Vater schien nun merklich nervös zu werden.
"Reden. Ich wollte einfach nur reden."

In diesem Satz kommt die ganze Ausweglosigkeit der Situation zum Ausdruck. Die drei können nicht miteinander reden, weil ihre Bedürfnisse zu unterschiedlich sind. Und Marlene (ihr Alter würde ich nach ihrem Verhalten zwischen fünf und neun ansiedeln) wird dazwischen aufgerieben.

Die deprmierende Hoffnungslosigkeit dieser Situation wird deutlich, aber doch recht verschwommen. Letztlich habe ich am Ende der Geschichte den Eindruck, dass mir etwas fehlt. Und wenn es nur ein "Dann also in drei Monaten .." ist, um die wiederkehrende Ausweglosigkeit zu verdeutlichen.

Die Charaktere sind sehr undeutlich, kaum erkennbar. Ich denke, die GEschichte lässt sich weiter ausbauen, dass noch deutlicher wird, warum sich die Eltern auseinandergelebt haben und letztlich beide keine wirkliche Beziehung zu ihrem gemeinsamen Kind haben.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo jobär!
und danke für die Widmung deines 200sten Beitrags :shy:

Danke für die Hinweise, die Logikfehler habe ich direkt berichtigt. Den Anfang habe ich so gelassen, da mir "An diesem Abend" aus irgendeinem Grund nicht gefällt. Ich glaube, ich finde es besser, wenn alles ein wenig "unbestimmbar" bleibt.
Genauso die Charaktere.
Du hast es richtig erkannt, dass ich die depressive Atmosphäre, das "Ins-Nichts-Rudern", die "Worte ohne Kommunikation" darstellen wollte.

Scheint so, als wären die Schilderung drumherum und der Kontext deiner Ansicht nach nicht ausreichend für eine Kurzgeschichte :(

Schade, ich dachte, ich könne die Aufmerksamkeit des Lesers besser auf die Ignoranz und das "Augen-Schließen" der Eltern lenken, indem ich das ganze Geschehen aus eben einer solchen Sicht beschreibe.

Ist es denn wirklich nötig für die Aussage der Geschichte, welchen Hintergrund die Beziehung der Eltern hat? *grübel*
Wahrscheinlich nicht unbedingt, aber wahrscheinlich macht es die Geschichte dann wenigstens für den Leser interessanter...
werde mal versuchen das zu ändern.

lg, Babelfish

 

Hallo Babelfish!

Vielleicht liegt das Problem darin, dass die Tochter sehr farblos bleibt. Es bleibt ja völlig offen, welche Probleme sie eigentlich hat, worüber eigentlich zu reden wäre. Es bleibt aber eben auch offen, um wen es eigentlich geht. Du musst nicht die Beziehung der Eltern näher darstellen, wenn es Dir um die Tochter geht. Dann würde ich aber die Teile, wo sie 'dran' ist, noch ausbauen und etwa ihre Konfliktsituation deutlicher machen. Dass dort eine ist, wird ja in manchen Sätzen von ihr und deinen Ergänzungen dazu, schon sichtbar.

Lieben Gruß

Jo

 

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