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Der blaue Strich
Der blaue Strich
Sollten Sie mit dem Titel dieser Geschichte ersteinmal nichts anfangen können, so möchte ich sie beruhigen indem ich sie wissen lasse, das es mir nicht anders erging.
Dieser blaue Strich jedoch sollte mein Leben und auch das Leben meiner Frau nachhaltig verändern.
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern als mir meine Frau aus heiterem Himmel mitteilen musste:
“Er ist blau!“
Aber der Reihe nach.
Alle weiblichen Leser werden sich nun sehr wahrscheinlich verwundert die Augen reiben, weil Sie auf ein männliches Wesen zu treffen scheinen das sich an einen für beide Seiten wichtigen Tag erinnern kann.
Eigentlich kennen wir das Wort Mann doch als Pseudonym für das vergessen der einfachsten Termine wie Hochzeit, Verlobung, Geburtstag, Valentinstag, Namenstag etc.
Nicht bei mir, ich kann mich an diesen Tag bestens erinnern.
Es war ein sehr frühlingshafter Samstag im April, ein verirrter kleiner Sonnenstrahl weckte mich bereits gegen halb acht und ärgerte mich bis halb neun.
Ich schälte mich aus meinem Schlafanzug und verließ wie jeden Samstag die Wohnung, ohne mich gewaschen zu haben geschweige denn mir die Haare gekämmt zu haben.
Mit den Sachen vom Vortag bekleidet und meine zerwuschelten Haare unter einer alten Baseball Kappe versteckt, bewegte ich mich in Richtung Auto.
Am Ziel meiner morgendlichen Reise sollten, hoffnungsweise, Brötchen auf mich warten die ein wenig frischer waren als ich.
Der Tag verlief eigentlich wie jeder andere, wir frühstückten in aller Ruhe, unternahmen danach einen kleinen Bummel durch die Stadt und erstanden - ein paar Schuhe für meine Frau.
Insgeheim freute ich mich bereits seit gestern auf den heutigen Tag, denn er bedeutete Wochenende, Freizeit , kein Stress und das Wichtigste von allem war - heute spielten meine Schalker gegen einen Provinzklub aus Bayern.
Kurz gegen halb vier, alle Männer können mit dieser Uhrzeit etwas verbinden, lief meine Gattin mehrfach zwischen mir und, meinem „halb vier bis viertel nach fünf Freund“, dem Fernseher, hin und her.
„Hast du etwas?“, wollte ich wissen und ich bekam sofort die obligatorische Gegenfrage gestellt: „Bin ich dir eigentlich zu dick?“
Ich liebe diese spezielle Frage, denn hat man eine reelle Chance sie zur vollsten Zufriedenheit der Gattin zu beantworten?
Sagt man schlicht und ergreifend: “nein“, so fühlt sich die Holde oberflächlich behandelt und man läuft Gefahr eine endlose Diskussion über das Thema „Es interessiert dich überhaupt
nicht wie ich aussehe“, anzuzetteln und das kann ich gegen halb vier am Samstag genauso wenig gebrauchen wie einen totalen Stromausfall.
Antworte ich hingegen mit: „Ja“ ist das Wochenende komplett ruiniert und ich werde als taktloses Wesen betitelt womit ich den gemütlichen Teil dieses Tages getrost vergessen kann.
Ich frage sie also, wie um alles in der Welt soll der Mann von heute antworten?
Ich überlege kurz und antworte, obwohl ihre Maße zu diesem Zeitpunkt das komplette Olympia Stadion verdeckten: „Nein, warum? Ich finde du hast eine sehr frauliche Figur“
Die Tatsache, dass ich alle möglichen Verrenkungen bei meiner Antwort anstellen musste um einen Blick auf das Spiel erhaschen zu können, nahm meine Holde zum Anlass die Antwort nicht wirklich ernst zu nehmen und sie kurz entschlossen auch nicht gelten zu lassen.
Wider ihrer Natur verließ sie kommentarlos den Raum um in der Küche Kaffee und Kuchen zuzubereiten.
Das ich zum ersten Mal das letzte Wort hatte ist mir erst heute richtig bewusst geworden, so das ich dieses Erlebnis damals nicht gänzlich genießen konnte.
Das leicht störende Geräusch im Hintergrund, von der arbeitenden Kaffeemaschine und das klirren der Teller und Tassen, wurde nur noch durch das Gemurmel meines Eheweibes übertroffen.
Mit jeder Minute wurde der Geräuschpegel nervender bis endlich der Zeitpunkt erreicht war wo ich einfach reagieren musste.
Auf der einen Seite ließen meine Nerven ein gemütliches verweilen auf dem Sofa nicht mehr zu und auf der anderen Seite musste ich versuchen, dass seit drei Generationen in unserer Familie befindliche Kaffeeservice vor der willkürlichen und völlig ungerechtfertigten Zerstörung zu schützen.
Zeitgleich mit meinem erscheinen in der Küche verstummte das Murmeln von Flüchen.
Ich nutzte die eingetretene Stille um meiner Gattin erneut mitzuteilen das ich sie genau so liebe wie sie ist und ich sie für sehr gutaussehend halten würde.
Vielleicht hätte ich mir den Satz: “ Ich bin der Meinung das du genau richtig proportioniert bist“, schenken sollen aber es entsprach und entspricht immer noch der Wahrheit.
Diese Antwort war in meinen Augen richtig gut, die Augen meiner Liebsten sprachen eine wesentlich deutlichere Sprache.
„Du brauchst gar nicht zu denken, dass du damit jetzt aus dem Schneider bist! Gehe ruhig zu deinem Spiel zurück, es gibt gleich Kuchen“.
Wie soll ich oder irgend ein anderer Ehemann ruhig zurückgehen können, wenn einem ein solcher Satz entgegengebracht wird.
Ganz automatisch hängt einem ein schlechtes Gewissen nach, weil man bei der Wortwahl wieder versagt zu haben scheint.
Alleine das schlechte Gewissen hing mir exakt bis 15.33 Uhr, nämlich bis zur 3.Spielminute, nach ab dann gesellte sich noch das ärgerliche Gefühl eines Rückstandes hinzu.
Etwas schmollend und auch mit meiner Situation nicht sonderlich glücklich dauerte es bis 15.44 Uhr als sich die Stille in unserer Wohnung durch meinen Aufschrei fluchtartig verabschiedete.
Schalke schoss das 1 – 1!
Enthusiastisch rannte ich zu meiner Frau um ihr das, was ich durch einen lauten Aufschrei verbal ankündigte in Worte zu fassen um sie sowohl für die Zeitlupe alsauch gegen ihren Willen vor den Fernseher zu zerren.
Vor dem Bildschirm positioniert, ignorierte sie zum einen das schönste Tor der gesamten Saison und zum anderen mich.
Das Einzige was sie sagte kam mir wie ein deja vue vor:
„Er ist blau“
„Natürlich ist er blau aber er ist nicht nur einfach so blau, um genau zu sein ist er königsblau. Blau ist eine wunderschöne Farbe findest du nicht auch? Viel schöner als rot oder schwarz-gelb oder grün-orange“, brachte ich ihr fröhlich und, zugegebener Weise, ein bisschen von Sinnen entgegen.
Dieses Szenario wiederholte sich um 16.33 Uhr sowie um 17.01 Uhr in fast genau derselben Form: jubeln, zur Frau laufen, sie vor den Bildschirm stellen, Gleichgültigkeit ernten und jedes Mal die Feststellung:
„Er ist blau“!
Um 17.15 Uhr war das Spiel beendet und mein Verein hatte 3 – 1 gewonnen.
Fünf Minuten nach dem Abpfiff betrat meine Gattin das Wohnzimmer. Sie kam leichten Schrittes und mit einem sich ständig wiederholenden: „Er ist blau, er ist blau, er iiiissst blllaau“, pfeifend daher.
Jetzt reichte es mir, ziemlich genervt von ihrem andauernden Farbenspiel und mittlerweile auch etwas neugierig darauf was sie damit meinen könnte, brach es aus mir heraus: „Was in drei Teufelsnamen versuchst du mir eigentlich die ganze Zeit zu sagen?“, herrschte ich sie an.
„Nicht in diesem Ton! Mit einer Frau in meiner Situation muss man vorsichtig umgehen man muss sie umsorgen und schonen!“, bei diesen Worten streckte sie mir ihre Füße für eine Massage entgegen.
Meine, momentan, geistige Überforderung spiegelte sich in der Tatsache wieder, das ich mich daran machte meiner Gattin wirklich eine Pediküre samt Massage angedeihen zu lassen und mich dabei ertappte nachzufragen, welche Situation sie denn meinte.
„Mein lieber Schatz“, setzte mein Weib an: „mein Schwangerschaftstest ist blau das bedeutet wir werden in nicht allzu ferner Zukunft zu dritt sein!“
Bei diesen Worten setze die Pediküre und die Massage schlagartig aus und meine Ohnmacht spontan ein.
Wieder bei Bewusstsein wurde mir klar was gerade geschehen ist.
Ich werde Papa!
Aber ich bitte sie, wie sollte ich auch erahnen können das die andauernde Aussage meiner Frau: „Er ist blau“, sich auf den Strich ihres Schwangerschaftstests bezog und ihr eindeutig zu verstehen gab, dass sie schwanger ist und sie sich nicht auf den Torschützen meines Vereins bezog?
P.S: Für alle die es Interessiert die Tore schossen: Jancker (3. Minute) 1-0
Sand (14. Minute) 1-1
Sand (48. Minute) 1-2
Sand (76. Minute) 1-3
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