Der Dackel
Ich hasse Dackel. Auch Jagddackel. Sie sind zu nichts nütze. Degeneriert sind sie und haben kurze Beine. Wie Lügen.
Dackel sind so verfressen, dass sie sich totfresssen.
Neulich bat mich ein Bekannter doch für das Wochenende auf seine Wohnung und seinen Hund aufzupassen. Der Kühlschrank sei voll und ein Fernseher gäbe es auch.
Ich freute mich auf das Wochenende. Am Freitag Abend kam ich. Ich wurde sogleich herzlich an der Tür empfangen. Von meinem Bekannten und seinem Dackel. Wir sahen uns misstrauisch an. Sein Dackelblick war zugleich flehend und doch provozierend. Es handelte sich offenbar um ein Dackel mit Selbstbewusstsein. Mein Bekannter verabschiedete sich mit gut gemeinten Ratschlägen und nun war ich allein mit ihm in der Wohnung.
Ich wurde sogleich angebellt. Da der Dackel den Wasserhahn im Badezimmer anbellte, schloss ich, dass er was saufen wollte. Das Badezimmer war groß und geräumig. Zur Wandseite der Badewanne war eine breite Ablage. Das Zahnputzglas war zu klein. Unter dem Waschbecken befand sich ein Papierkorb, der mit einer durchsichtigen Plastiktüte ausgelegt war. Ich füllte ein wenig Wasser hinein und stellte sie dem Dackel hin. Für ihn war der Papierkorb natürlich zu hoch, dass ich ein wenig nachhelfen musste.
Der Dackel steckte jetzt ganz in dem Papierkorb. Man sah nur noch die Hinterbeine aus dem Papierkorb hängen. Ich stürzte mich auf den Papierkorb, riss die Tüte samt Dackel heraus und hob beide in die Höhe. Die dünne Plastikhaut legte sich wie eine Rindswurstpelle um den langen fetten Körper. Er aber blieb ruhig und soff.
Ich beschloss ihn wieder abzusetzen. Die Badewanne, die ich mir eingelassen hatte, war langsam am überlaufen. Dem Hund wurde es zu nass. Ich hob ihn auf die Ablage. Wir schauten uns an, uns trennte nur die Badewanne. Hier bemerkte ich zum ersten Mal, dass er jung war. Er knurrte mich an. Ich schubste ihn. Meine Hand hielt ich gerade so über das Wasser, dass er mich gerade nicht beißen konnte. Wie erhofft, glitt er aus und rutschte in die Wanne. Er schwamm recht gut, wenn ich ihn nicht von Zeit zu Zeit ein wenig unter das Wasser gedrückt hätte und er hustend wieder an die Oberfläche kam. Mit viel Mühe gelang es ihm dennoch die Wannenwand zu erklimmen.
Das Wasser hatte in zwischen das Badezimmer vollständig überflutet. Das Waschpulver, welches in der Ecke stand, machte das Wasser unansehnlich und schleimig. Die milchige Brühe hatte inzwischen auch den Wasserhahn überflutet, sodass ich denselben nicht mehr fand um das Wasser abzustellen. Mit lautem Gebell stürzte sich der Dackel in die Fluten und verschwand.
Er war untergegangen.
Mutig entschloss ich mich das undurchsichtige Wasser nach ihm abzutasten. Jeden Augenblick erwartete ich seinen Biss. Ich stellte mir vor wie seine Zähne meine Hand durchbohrten. Doch nichts dergleichen geschah.
Wenn er nun tot war?
Ich schrie. Wie konnte ich meinem Bekannten und dem Rest der Welt erklären, dass der Dackel sich selbst umgebracht hatte. Außerdem war er doch viel zu jung zum sterben ! Ich stürzte mich in das milchig heiße Wasser. Ich stieß mir den Kopf. Immer wieder. Das Waschpulver brannte mir in den Augen. Er musste irgendwo sein, sicherlich lebte er noch !
Ein lautes Krachen ließ mich meinen Kampf unversehens unterbrechen. Das Holz der Badezimmertür barst unter mächtigen Axthieben. Dann war die Tür frei. Das Wasser floss ab in die Wohnung. Mein Bekannter und Männer der Feuerwehr standen vor mir.
Ich sah zum Fenster: Auf dem Fensterbrett saß der Dackel mit zufriedenem Blick und hechelte.
(jg 28. Mai 1991)