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Der Daemon in der Eiche
"Wir werden den Baum mit dem Daemon niemals finden", jammerte der sechsjährige Tino.
Er und seine beiden Schwestern waren verschwitzt und abgekämpft. Immer wieder sahen sie sich ängstlich um.
Magda, die Älteste starrte mit verkniffenem Gesichtsausdruck auf die meterdicken Stämme aus dunklem Metall vor sich.
"Es ist nicht mehr weit", presste sie hervor, und schob sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. "Wir haben das Buch mit den Namen und wir haben Fijajansche."
"Dafür bringt er uns alle langsam um. Wir hätten das nie tun sollen", jammerte Tino weiter.
"Fijajansche wird uns beschützen." Gina hob die magische Waffe hoch, welche sich in eine Schlange verwandelt hatte. Sie riss ihr Maul auf und zeigte funkelnde kleine Zähne.
"Und wenn wir erst den Daemon beschworen haben, können wir den Meister für immer vertreiben", sagte Gina und ging entschlossen voran.
Sie gingen an den Stämmen der Stopperbäume vorbei. Zwischen ihnen wuchs nichts. Der Boden war genau so schwarz und hart wie die Rinde der Bäume. Über ihnen ließen die Blätter keinen einzigen Lichtstrahl durch. Es wurde so dunkel, dass sie kaum noch die Stämme erkennen konnten.
Magda blieb plötzlich stehen und lauschte.
"Hörst du die Hunde?", fragte Gina.
Magda schüttelte den Kopf.
"Wenn sie uns finden, bevor wir den Baum gefunden haben?"
Keine der Schwestern antwortete Tino.
Die Drei hatten das Ende der Stopperbaumgruppe erreicht. Vor ihnen wog eine Mauer aus Blättern in allen Farben. Nur an wenigen Stellen war an ein Durchkommen zu denken. Gina, fasste den magischen Speer fester und kniff die Augen zusammen. Magda trat einen Schritt vor und schob ein großes blaues Blatt zur Seite. Seine Oberfläche war hart wie Stein. Sie kannte die Pflanze nicht, doch blaue Blätter waren die Zeichen der Sammler.
Tino blieb stehen. Eine Träne rann aus seinem linken Auge.
"Ich will wieder nach Hause. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich euch nie geholfen das Buch und den Speer zu stehlen."
"Du kannst ja umdrehen und nach Hause laufen. Glaubst du, er würde dich verschonen? Hat er je jemand verschont?", erwiderte Magda.
Über ihnen schwebte etwas durch das dichte Blätterdach. Goldene und silberne Lianen schwankten hin und her, einige Vögel krächzten und dann stürzte etwas mit voller Geschwindigkeit auf sie nieder.
Tino schrie auf, doch Gina schwang Fijajansche mit einer gewandten Bewegung nach oben und schon flog sie dem Ding entgegen. Die Kinder erhaschten einen Blick auf etwas Scharfes mit einem spitzen Schnabel. Dann blitzte es auf und das Ding war verschwunden. Der Speer drehte sich um und stürzte sich vor Gina in den Boden.
"War das eine Killerbiene?", fragte Tino.
"Gut möglich", sagte Magda und nahm Fijajansche an sich. Sie starrte nach oben.
"Sie sind immer in Schwärmen unterwegs. Gehen wir lieber in eine andere Richtung."
Magda führte sie ein Stück zurück und ging dann weiter auf eine Fläche voller niederer grüner Blattpflanzen zu. Ab und zu fiel ein Sonnenstrahl durch das dichte Dach der blauen Blätter. Dort, wo er auftraf, bildeten sich aufragende Inseln aus grünen Halmen und Blättern.
Tino sah auf das Dickicht und bemerkte die dicken schwarzen Lianen, die langsam zwischen den Pflanzen dahinschlichen. Wer ihnen zu nahe kam, wurde erbarmungslos erwürgt. Zum Glück bewegten sie sich langsam.
Sie umgingen die Stelle in einem weiten Bogen. Unter einer weiteren Gruppe von Stopperbäumen blieben sie stehen, um zu essen und zu trinken.
Gina blätterte im Buch des Meisters.
„Ich wusste, dass es nicht schwer ist! Wir brauchen nur seinen Namen, das Passwort und den Baum, in den er gebannt worden ist“, rief sie.
"Gehen wir weiter. Sicher haben die Hunde schon unsere Spur gefunden", trieb sie Magda an.
„Wahre Namen! Seitenweise wahre Namen“, rief sie entzückt und setzte sich langsam in Bewegung. "Wenn du einen Daemon finden willst, dann brauchst du seinen wahren Namen: Exsbenzu, Njahachtneungex, Geixcetwufor. Es sind Tausende. Jetzt muss ich nur herausfinden, wo ich sie beschwören kann."
Sie wanderten zwischen hüfthohen Farnbüscheln in Gold und Grün, die von metallisch schimmernden Bäumen überragt wurden. Sonnenlicht brach an mehreren Stellen durch das Blätterdach.
"Die Daemonen wurden in Eichen gebannt, wo sie rasteten, bis sie ihre Herren riefen und die Kräfte der Daemonen auf die Welt losließen", las Gina vor.
"Aber der vom Meister ist in keiner Eiche", warf Tino ein.
"Er hat auch nur einen niederen Daemon", erklärte Magda. "Unser Daemon wird ihn besiegen."
"Am Ende des letzten Krieges entließen unsere Ahnen einige Daemonen in die Freiheit. Ohne Meister wurden die Daemonen wahnsinnig. Sie verheerten die Welt ringsum und töteten alles, was sie fanden. Als es niemand mehr zum töten gab, fielen sie in einen Schlaf voller Albträume. Werden sie geweckt, so gibt es keine Macht, die ihrem Zorn widerstehen könnte."
„Sieh dort!“
Magda hatte die Eiche gefunden. Ihr Stamm war dicker als der Turm des Meisters. Kerzengerade, ohne Verzweigungen ragte das schwarze Ungetüm in den Himmel. Oben verzweigten sich die zwei Äste und bildeten die beiden schillernden Blätter aus, die weit über den Dschungel ragten.
Eine Seite wies eine Einkerbung auf. Als die Kinder näher kamen, bemerkten sie, dass dort ein tiefer Krater von mehreren hundert Metern Durchmesser lag.
"Vor langer Zeit hat ihn ein anderer Daemon angegriffen, aber er lebt noch. Ich habe es genau gespürt", sagte Magda.
Warum hat ihn der andere Daemon angegriffen?", fragte Tino.
"Weil sein Meister es so wollte.
"War es unser Meister?"
"Nein. Er hat sich nicht an dem Krieg beteiligt. Sein Daemon hat ihn während des Krieges versteckt. Als alle anderen tot waren, kam er heraus und wanderte durch die Welt, um Überlebende so wie ihn zu finden. Statt dessen fand er unser Dorf. Und da ihn der Daemon unsterblich gemacht hat, werden wir niemals von ihm erlöst. Außer wir beschwören den Daemon in der Eiche."
"Was ist, wenn dieser Daemon wahnsinnig ist?"
"Tino, jetzt halt endlich den Mund. Wir werden den Meister verjagen, oder umbringen. Dann wird in unserem Dorf wieder alles so wie früher."
Sie gingen um den Baum und begutachteten ehrfürchtig die tiefen Risse im schwarzen Metall.
Plötzlich blieb Magda stehen und lauschte.
"Die Hunde!"
Ihr lang gezogenes Bellen klang noch ganz leise, doch es wurde schnell lauter.
"Sie werden und zerfetzen, so wie den alten Roberto." Tino zeigte auf einen Sammlerbaum, dessen Äste sie hochklettern konnten.
"Nein", sagte Gina und zerrte Tino zur Eiche.
Gina holte holte tief Luft und begann mit der Beschwörung:
„Daemon Seettup Hegatz bubuio....“
Ein Teil des Stammes begann milchig blau zu glühen. Jetzt kam der wichtigste Teil: der Name:
Seitenweise standen die Namen im Buch, und Gina verkündete sie mit lauter Stimme. Nichts geschah. Name um Name, ihre Stimme wurde leiser, Unsicherheit mischte sich ein, war die Betonung richtig, sprach sie zu schnell oder zu langsam?
Derzanforfive, Ideelmen, Assoneone, Illthilli, Gexojek, Threevorghak, schließlich: Milsphoneleight
„MILSPHONELEIGHT."
"Jet dar Seettup“
Die Stimme dröhnte in ihren Ohren schien von ringsum zu kommen, war tief, rauchig und erzeugte ein Prickeln auf ihrer Haut.
"Oh nein, nicht Milsphoneleight", flüsterte Magda.
"Du kennst ihn?"
"Der Meister hat von ihm erzählt, während ich bei ihm sein musste. Milsphoneleight war einer der mächtigsten Kriegerdaemonen. Er tötete Millionen von Menschen."
„Ah-no-niehm“ antwortete Gina.
„Falsch“
Gina erschauerte.
„Ah-no-niehm!“ rief sie verzweifelt noch einmal. Sie war völlig sicher gewesen mit Ah-no-niehm richtig zu liegen und jetzt das:
„Falsch!“
Das Bellen der Hunde klang jetzt schon ganz nahe.
„Hilfe!“ schrie Tino, „du musst uns helfen. Verjag nur die Hunde des Meisters. Bitte!“
„Du bist nicht berechtigt."
Tino wollte weglaufen, doch Magda hielt ihn fest.
„Ich kann dich nicht verstehen aber ich bin sicher, du kannst meine Gedanken lesen. Du kannst alles von mir haben, wenn du mir hilfst. Sag mir, was du willst!“, schrie Gina.
"Du weißt das Passwort nicht."
„Ah-no-niehm.“
„Falsches Passwort. Du hast noch zwei Versuche.“
„Ich weiß es doch nicht!“
„Falsches Passwort.“
„Milsphoneleight, sag mir, was du willst. Ich brauche nur einen einzigen Dienst.“
„Falsch.“
Die Hunde stürmten aus dem Dschungel hervor und bildeten einen Kreis um sie. Die drei Kinder drückten sich in den mächtigen Stamm der Eiche.
"Ergebt euch dem allmächtigen Meister, Gewürm", schnarrte der Anführer der Hunde. Er war viel älter als die anderen und ihm fehlte ein Auge. Die mächtigen Metallkiefer der Hund schnappten drohend auf und zu.
Magda richtete Fijajansche auf den Anführer.
"Stirb", rief sie und ließ den Speer in seine Richtung fliegen. Fijajansche verbiss sich sofort in seinen Nacken. Eine schwarze Rauchwolke schoss aus der Wunde. Es stank fürchterlich und der Anführer heulte schrecklich. Zwei andere Hunde kamen ihm zu Hilfe. Die Schläge und Bisse waren so schnell, dass sie ein einziges, verschwommenes Gebilde entstand, aus dem immer mehr Rauch und Gestank aufstieg. Weitere Hunde stürzten sich in den Kampf, doch drei blieben ihm fern und schnappten sich die Kinder.
"Schade, dass ich euch nicht umbringen darf", schnarrte der Hund, der Ginas Hand eingezwängt hatte, wie ein Amboss. "Ich hoffe, der Meister wird euch auf Jahre in den Folterturm sperren."
Gina zog ihr Kampfmesser. Die leuchtende Klinge fuhr in das Metall der Hundeschnauze und schmolz einen Teil des Unterkiefers. Als Reaktion schlug er mit der Vorderkralle zu, sodass ihr Arm der Länge nach aufgerissen wurde. Der Hund hob die Pfote noch einmal, doch plötzlich blieb er erstarrt stehen.
"Ist das ein Notfall?", hörten sie die Stimme des Daemons. Ringsum waren die Hunde und selbst Fijajansche festgehalten, als hätte jemand die Zeit angehalten.
"Ja, bitte hilf mir, oder ich werde sterben." Mit letzter Kraft bot ihm Gina ihr Blut an, welches in Strömen aus ihrem zerrissenen Unterarm rann.
„Nimm, soviel du willst!"
Plötzlich war die Stimme anders. Sie konnte etwas in sich spüren, dass direkt in ihr war und sprach:
„Du bist verletzt. Ich werde dich heilen.“
Die Wunde schloss sich. Gina wusste nichts mit den vielen Stimmen in ihr anzufangen. Es war, als säße sie in einer schnatternden Menschenmenge. Der Daemon stellte so viele Fragen auf einmal und sie sollte alle sofort beantworten, dabei wusste sie gar nicht, was er meinte.
"Die Hunde, mach die Hunde weg."
Es flimmerte kurz, und die Hunde waren verschwunden.
"Hunde sind gelöscht", sagte eine der Stimmen in ihr.
Gina erkannte, dass sie nur denken musste, nicht sprechen.
"Ich möchte fliegen", dachte sie.
Gina erhob sich und sah nach unten zu ihren Geschwistern. Zahlenkolonnen beleuchteten alle Pflanzen, zeigten geheime Wurzeln, gaben ihr so viele Informationen, dass sie beinahe vergaß, wer sie war. Eine bekannte Stimme drang an ihr Ohr, doch das innere Rauschen übertönte alles.
Endlich schaffte sie es, die Informationsflut einzudämmen. Nur noch eine tiefe Stimme sprach zu ihr.
"Gina, wie lautet das Passwort?" schrie Magda.
"Er sagt es mir nicht."
In Magdas Zügen machte sich Enttäuschung bereit.
"Das gibt es gar nicht. Er muss dir das Passwort sagen. Frag ihn nach dem Meister-Passwort. Er kann es dir nicht verweigern."
"Er tut es aber."
"Ist der Daemon böse?", mischte sich Tino ein. Er hatte Fijajansche aufgehoben und untersuchte die Kratzer, welche die Zähne der Hunde hinterlassen hatten.
"Halt endlich deinen Mund", fauchte ihn Magda an. "Gina, du musst das Passwort kriegen. Ohne Passwort wird er dir entkommen. Dann macht er, was er will. Versuche ihm ein neues Passwort zu geben, wenn er dir das Alte nicht sagt."
"Warum kennst du dich so gut aus", fragte Tino.
Magda antwortete nicht, sondern schlug zornig gegen den Stamm der Eiche.
"Was ist das?", fragte Tino und zeigte in die Richtung, aus der auch die Hunde gekommen waren.
Gruppen von blassrosa Blasen schwebten zwischen den Bäumen auf sie zu.
"Augen", flüsterte Gina. "Wir müssen hier weg.“
Plötzlich ein ertönte ein helles Sirren und ein dunkler Schwarm sauste durch die Baumwipfel auf sie zu.
„Moskitos“, schrie Gina, doch die kleinen metallenen Wesen wurden von einem blauen Blitz direkt vor ihr vernichtet.
„Squeeze erkannt und terminiert.“
Gina achtete nicht auf die Stimme, denn der Meister flog direkt auf sie zu. Sein weißer Bart wehte hinter seinem Kopf wie ein Schal. Er trug einen spitzen, schwarzen Hut und einen dicken schwarzen Mantel.
„Du nichtsnutzige Kreatur! Was wagst du mich zu betrügen!“ Sie hatte den Meister noch nie schreien gehört. Seine Stimme war heiser und krächzend. Er winkte mit seiner Linken, und das Buch flog aus ihrer Hand auf ihn zu. Gekonnt fing er es auf. Seine Lippen wanderten nach unten, als er den Titel erkannte.
„Ich hab jetzt auch einen Daemon!“, schrie Gina, du kannst mir nichts tun.
„Ha!“ Der Meister lachte gellend. Dann rief er:
„Infernion Hellfurius!“
Feuer hüllte die Kinder ein und ringsum gingen die Bäume in Flammen auf, doch eine blaue Blase schützte ihre Körper. Dann verebbten die Flammen und der Daemon sagte:
„Das, was du verlangst, ist nur mit Passwort erlaubt.“
„Gib mir das Passwort. Sofort!“, dachte sie, doch der Daemon antwortete nur mit unverständlichem Kauderwelsch.
"Töte ihn," dachte Gina, doch der Daemon verlangte wieder nach dem Passwort.
Magda kauerte sich an den Stamm des Baumes. Tino klammerte sich heulend an sie.
Weiße Blitze schlugen nach Gina, doch kurz vor ihrem Kopf prallten sie ab und zerstoben zu weißem Rauch.
„Stimmt das, was er sagt? Hast du das Buch gestohlen?“, flüsterte Milsphoneleights Stimme in Ginas Kopf.
„Der Meister ist ein grausamer Mensch. Wir müssen ihn töten, sonst bringt er alle um?“
„Wie wäre es, wenn du ihm das Buch zurückgibst?“
Gina kniff die Augen zusammen, schien dem alten Mann ein Loch zwischen die Stirne zu starren und dann, mit einer raschen Handbewegung, flog Fijajansche aus Tinos Hand zum Meister. Zwar parierte er den Speer, aber Gina hatte ihr Messer gezogen und sauste auf ihn zu.
Es blitzte kurz rot und blau auf, dann spürte sie wie das Messer in die Schulter des Meisters drang. Im nächsten Moment wurde sie fort geschleudert, hatte sich aber sofort wieder unter Kontrolle. Tino stürmte zu Fijajansche, die zitternd auf dem Boden lag, hob sie hoch, doch der Meister war zu schnell. Er fasste sich an seinen blutdurchtränkten Mantel und riss ihn auf, sodass sie die stark blutende Wunde sehen konnten.
Sein Gesicht war verzerrt vor Hass und dann lachte er.
„Nehmt das!“
Er schleuderte Dutzende Blutstropfen, die sich zu kleinen rotierenden roten Rädern verwandelten und auf die Kinder niedergingen.
Gina bemerkte, dass der Daemon sie nur verlangsamen, aber nicht aufhalten konnte.
„Direkter Angriff. Ich benötige Unterstützung, um ihn aufzuhalten!“
„Wie?“ fragte Gina, obwohl sie es schon wusste. Sich vorstellen, dass die Räder von ihr wegflogen oder zumindest in weiterem Abstand kreisten. Auf der andren Seite hatte der Meister die Vorstellung, dass sie in die Kinder eindrangen und sie zerfetzten und seine Vorstellung war viel stärker. Schon näherten sie sich auf zwanzig Zentimeter, dann zehn.
"Tu kannst uns doch nicht sterben lassen. Bitte! Was willst du, wenn du uns hilfst?, dachte Gina. Dann musste sie alle ihre Aufmerksamkeit wieder auf die wirbelnden Räder vor ihr wenden.
Die Kinder stöhnten, Ginas Nägel gruben sich in ihre Handflächen und dann schrie Tino auf. Die Räder drangen an Hals und Schulter ein, wirbelten Blut auf und dann stürzte er nieder, wurde von den Rädern durchgeschüttelt, bis schließlich nur mehr ein zerfetzter Haufen Fleisch übrig war.
„Nein!“ schrie Gina, und dann verwandelte sich ihre Wut in Entschlossenheit. Die Bilder in ihr wurden zu einer einzigen Flut, die ihren Verstand wegzuspülen drohte.
Die Zeit selbst wurde langsamer. Dann endlich sagte der Daemon:
"Niemand soll sterben, weil ich untätig bin. Du sollst alle Rechte bekommen."
Bilder rasten durch ihr Gehirn. Sie fühlte die Aura des Daemons, fühlte, wie sie zu ihm wurde, wie seine Gedanken in ihr waren.
Sie trieb die Räder zurück, schlug die Hände zusammen und rief:
„Stirb, du elender Kinderschänder!“
Eine hell leuchtende Scheibe sammelte sich zwischen ihren Fingern. Die roten Räder des Meisters zerstoben, und dann raste die glühende Scheibe unaufhaltsam auf ihn zu. Er kam nicht einmal zum Schreien. Die Scheibe traf ihn und zerriss seine Gestalt, sodass nur mehr Unmenge von Blutspritzern übrig blieb.
Gina war geschockt.
„Tino!“ Sie zögerte, näher zu ihrem Bruder zu gehen. Zu schrecklich hatte ihn der Zauber des Meisters zugerichtet.
Magda stand zitternd neben ihm. Ihr Gesicht war bleich und ihre Lippen zitterten.
"Gina, hast du das Passwort erhalten?"
Ginas Lippen presste Lippen und Augen zusammen, während sie versuchte, die Bilder zu verstehen, die ihr der Daemon zeigte.
"Der Daemon. Er sagt, er ist eine Maschine", flüsterte sie zu Magda, während sie langsam zu ihr schwebte.
"Gina. Du musst mir das Passwort sagen. Ich kann dir helfen, damit wir Tino wieder lebendig machen."
"Aber er ist kein echter Daemon. Er ist eine Maschine. Er ist nicht allmächtig."
"Daemons sind Maschinen. Bitte sag mir das Passwort, damit ich es dir erklären kann."
"Warum weißt du soviel über ihn. Das steht doch nicht in dem Buch."
"Bitte frag mich nicht. Du weißt schon, wo ich es mitbekommen habe. Gib mir einfach das Passwort, dann erzähle ich dir alles."
Gina flüsterte Magda das Passwort ins Ohr. Magdas Mine hellte sich auf.
Plötzlich leuchtete der Baum hinter ihnen grell auf.
Gina hörte ihre Schwester eine seltsame Beschwörung denken:
„Slash slash matrix search detect area ex vierfünf ex Bracet zero ist gleich variable...“
Die Worte bewirkten eine seltsame Verwirrung in ihr.
Milsphoneleights Stimme wurde leiser.
"Ja, Meisterin", antwortete der Daemon.
"Magda, was tust du? Warum nennt er dich Meisterin?"
"Ich habe ihn", jubelte Magda.
"Es kann nur einen rechtmäßigen Meister geben." Milsphoneleights Tonfall gefiel Gina überhaupt nicht.
"Entscheidet euch, oder ich werde mich wieder deaktivieren."
"Du gehörst mir", sagte Magda.
"Du willst ihn mir wegnehmen?"
"Ja, Gina. Milsphoneleight soll mir gehören. Der Meister will, dass ich den Daemon zu ihm bringe. Zusammen werden wir die Welt verändern. Überlass ihn mir. Du weißt viel zu wenig, als dass du ihn richtig benutzen könntest."
"Magda, was verheimlichst du mir? Du bist doch meine Schwester."
"Nicht ganz. Wir haben nicht denselben Vater. Hast du dich nie gewundert, warum ich blond bin und du und Tino dunkelhaarig? Der Meister ist mein Vater. Er hat mich nicht so zu sich geholt, wie die anderen Mädchen. Er hat mir von früher erzählt und wie die Welt damals war. Er möchte, dass es wieder so wird."
"Das kann doch nicht dein Ernst sein? Die Erde ist doch schon fast zerstört. Die Daemonen haben nur Unglück gebracht. Willst du ihn etwa dafür benutzen, wofür er gebaut wurde? Zum zerstören?"
"Bitte lass ihn mir. Wir haben alles geplant. Der Meister konnte Milsphoneleight nicht beherrschen, weil er sein Passwort nicht kannte. Darum hat er uns geschickt und dann die Hunde, sowie ein Abbild seiner selbst. Er ist noch immer wohlauf in seinem Turm. Ein genialer Plan, nicht wahr."
"Wie kannst du da nur mitmachen? Auch wenn er dein Vater ist. Du musst ihm jetzt nicht mehr gehorchen."
"Dieser Daemon ist nicht nur ein Zerstörer. Er ist beinahe allmächtig. Wer ihn unter Kontrolle hat, beherrscht die Welt. Der Meister weiß genau, dass er nicht der einzige Überlebende mit einem Daemon ist. Es gibt große Dörfer, weit im Norden. Mit Milsphoneleight können wir sie unterwerfen. Dann wird er die ganze Welt regieren."
Gina bekam keine Luft mehr. Erschrocken fühlte sie ihr Herz aussetzen.
"Was tust du?"
"Lass ihn aus! Der Daemon zieht sich sonst zurück."
"Magda! Milsphoneleight kann dir erzählen, wie es damals war. Die Leute haben sich gegenseitig abgeschlachtet. Ihre Bosheit und Habsucht hat die Welt beinahe zerstört. Er weiß, wie dumm es von uns war ..."
Gina starrte sie fassungslos an.
"Du machst gemeinsame Sache mit dem Meister? Wo du doch genau weißt, wie er uns quält und wie viele er schon umgebracht hat?"
Ringsum begannen die Sammlerbäume zu leuchten. An mehreren Stellen schoben sich kleine schwarze Kegel aus dem Erdboden und begannen mit kleinen Antennen ihre Umgebung zu analysieren. Kleine, grüne Kugeln schossen aus dem Mittelteil der Eiche in alle Richtungen.
"Lass ihn mir!"
Gina konnte nicht mehr feststellen, wessen Stimme es war. Dann stürzte sie tot zu Boden.
Magda stapfte wütend auf. Dann erschuf sie ein Kraftfeld uns stieg darinn hoch. Ihre Augen blickten in eine weite Ferne und dann begann sie zu lächeln.
"Wir sind genauso mächtig, wie ich gedacht habe."
Sie beschleunigte und flog zum Turm des Meisters mitten in ihrem Dorf. Der Meister lag noch auf seinem Lager. Der Zauber hatte ihn stark erschöpft.
Erschrocken richtete er sich auf. Seine Hände zitterten, doch sein Blick war scharf wie immer.
"Hast du das Passwort?", fragte er sie.
Magda grinste.
"Gib es mir", befahl er.
"Löschen", dachte sie nur.
Der Meister hob seine Hand, doch er konnte nichts dagegen unternehmen. Die Luft flimmerte und Magda war alleine.
"Gina hat recht, Vater", sagte sie zum leeren Lager.
"Ich muss dir nicht mehr gehorchen."