Der Dichter und kein Henker
Der Dichter und kein Henker
Also hier, extra für Sie, gleich mal eine kleine Exposition:
Ich bin Dichter, besser gesagt Gedichteschreiber. Mir liegt das Verdichtete in Wort und Satz eher, als die Irren und Wirren der Romanciers, bei denen man nie weiß, welche Information nun unabdingbar für die innere Beweglichkeit der Geschichte ist, welche überflüssiger Käse. Kurzgeschichten sind da kaum besser. Ein Drahtseilakt, auf wenigen Seiten eine Figur zu erschaffen, die verdichtet – pardon – lebhaft ist, und diese dann nach ein paar Komplikationen und einer Schlusspointe zuzuklappen. Autor und Leser, Hand in Hand, bringen mehr interessante Figuren um, als pro Tag ein Mensch auf der Welt Geld dafür erhält, ein Gedicht geschrieben zu haben.
Auf dem Lennestädter Weihnachtsmarkt versuche ich mein Glück dennoch. Es gibt Druckereien, die gegen horrende Summen Autoren die Möglichkeit geben, Verleger und Herausgeber ihrer eigenen Gedichte zu spielen. Meine kleinen Schätze waren es mir wert, diese umständlich zwischen zwei Pappdeckel zu bannen. Verlage haben mich stets nur ausgelacht. Freilich, im Internet, in den Gefilden der schnellen Klicks, wo hypertextuell und sekundenschnell ein Text gegen den nächsten gestellt werden kann, in dieser transgenerischen Subkultur also, dort kamen meine Werke stets hervorragend an. Doch die Eitelkeit der Autoren macht auch vor dem dichtenden Volk keinen Halt. Also stehe ich vier Wochen jährlich auf dem Lennestädter Weihnachtsmarkt, um aus meiner Holzbude heraus das ein oder andere Buch zu verkaufen.
Pech nur: Was ich im Internet erreiche – eine Leserschaft zu generieren – bleibt mir hier verwehrt. Viele sehen mich hinter den etwas zu hohen Stellagen sitzend, einzig damit beschäftigt, den einen oder anderen Glühwein zu trinken. Viele schauen, noch mehr gehen vorbei. Stehen bleibt keiner.
Tja, jetzt sitze ich hier rum und versuche mich frustriert an einer Kurzgeschichte. Und schwinge ich mich auch in meinen Elegien in die höchsten Sphären der metaphorischen Künste im Elfenbein Turm der Sprache, so fällt mir jetzt nichts Besseres ein, als über mich zu schreiben, wie ich hier herumsitze…
Zweiter Tag meiner Aufzeichnungen. Ich hab memoriert, dass Literaturkritiker gerne hervorheben, wenn Aspekte der Geschichte unzureichend in ihrer äußeren Beschaffenheit dargelegt werden. Gute Autoren kritzeln dies in einen attributiven Nebensatz. Meine bitte gilt dem günstigen Leser, mir nachzusehen, dass dies nun in dieser unmittelbaren Form geschieht:
Mein Name ist Gustav Murrmann. Ich bin 42 und halte mir zu Gute, das stattliche (wenn auch nicht über alle Maßen vermögende) Erbe meines Vaters gut investiert zu haben, so dass ich meine Tage als freier Autor, Journalist, Kritiker und was auch immer Sie sonst noch in dieses Sozialsystem packen möchten, verdingen darf. Früher habe ich auch einmal studiert. Heute sitze ich mit meinem Laptop (ebay) auf dem Weihnachtsmarkt und tippe ein wenig darauf herum.
Nun ein bisschen story Entwicklung:
Neulich kamen Studenten, wie ich vielleicht auch mal einer gewesen bin, und zeigten aufrichtiges Interesse. Sie rieten mir, meinen Stand in naher Zukunft auf Märkten in Universitätsstädten aufzurichten, da dort der Geist der Menschen vielleicht bereiter für meine Art der Künste sei. Sie selbst waren nur zum Wäschewaschenlassen da. Sie stellten sich mir als Germanisten vor. Auch sagten sie, dass sie zwar Gedichte sehr schätzten (gekauft haben sie leider nichts), aber aufgrund ihres Studienganges sich darauf verstünden, womit sich Geld verdienen lässt, da nichts diese Erkenntnis besser schult, als wenn das eigene Leben aufzeigt, womit man es nicht verdient. Der eine hatte sich gerade ein älteres Kehlmann-Buch geleistet: gesammelte Kurzgeschichten. So müsste man es machen, sagt er, wenn man nur ein paar Ideen hätte. Ja, gestand sein Freund, irgendwie könnten ja viele Worte halbwegs gut zusammenpanschen, aber auf den Ebenen von story und discourse – verfluchte Germanisten! – gestaltet es sich eben schwer, wenn man das gewisse Etwas nicht hat.
Und genau das ist mein Problem. Natürlich hat es was tragikomisches, wenn die einzigen Leute, die sich länger als eine halbe Höflichkeitsminute mit meinem Werk beschäftigten, sich keine Ausgabe leisten mögen, da sie sich erst kurz zuvor einen Kurzgeschichtenband gekauft hatten. Mit ein bisschen Larifarigeschwätz davor kommt diese Ironie sogar hinter dem verrußten Ofen hervor. Aber nun? Ist das eine Pointe?
Klar liegt es auf der Hand, dass ich deswegen hier sitze und so was wie eine Kurzgeschichte schreibe. Doch ist es überhaupt eine Kurzgeschichte? Oder ähnelt es nur einer in ihrer Form, da sie (grob gesagt) so
Jsdfölkjasdölfjasdkölfjasdkölfjsadkölfjsadklöfjklöasdfjsadköljfslakdöjfasdklöjflköasdjflköasdjfkölasdjfölkasdjflköasdjflkösadjföklsadfjsadkölfjkslaödfjklösadjfleköwrioöjvölksjfoisjrioöejfslfsdfasdkfjösadfjsdl.
Jfsdajfkölsadjfölkasdjfölksadjfklöasdjfölkasjdflkösdjaflksdjfl
„sfdökasjdföklsdajfkölsdjf“, kasöjdföasd, „kfasjödfjksaödjfksdöljfsdlköfjsd.“
aussieht, und nicht so:
fjksadöf
ksdjöfkasjödkfjsadökf
jfkasödf
kfaösdjkf
jskföjasfkjasföjsaf
Ich könnte jetzt noch etwas über meinen Ausblick schreiben. Vor mir ist eine Bäckerei, aber um Geld zu sparen, kaufe ich mir nichts von den überteuerten innerstädtischen Backwaren. Viele Menschen wuseln umher, es geht ein leichter Wind. Der Winter ist sittlich, die Temperaturen kaum unter 10 Grad. Ein Glühwein wärmt mich zusätzlich.
Aber ist das der Ausstaffierung genug? Fehlt ein pointierter Schuss Schluss?