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Der Dirigent

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22.11.2005
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Der Dirigent


Eine Geschichte im Imperativ

Na, wie geht’s? Mir ganz gut, ich habe einiges vor. Es wird Zeit für dich; mach den Computer jetzt aus, du hast genug gelesen für heute, es ist schon spät. Du riechst es doch auch, du riechst es schon länger. Es kommt von draußen, ja. Es riecht nicht streng, nur etwas nach Verwesung. Steh auf. Geh durch dein Zimmer. Das sind die Dielen, die so knirschen. Und das war nur der Wind? Bist du so naiv? Oder versuchst du schon, es dir einzureden?
Sieh aus dem Fenster, sieh in die kalte und tote Nacht, die sich draußen der Welt bemächtigt hat, während du gelesen hast. Da, im Lichtkegel der Laterne, die ihr schwaches Licht auf die Straße spuckt, um dessen Quelle sich die Insekten tummeln, da liegt etwas, nicht war? Ja, du siehst es. Es ist klein und bewegt sich nicht, doch es ist auch für dich offensichtlich, nicht war? Eine Katze, noch jung und die Gedärme quellen heraus. Vielleicht wurde sie überfahren und auf den Bürgersteig gelegt.
Ja genau: Zieh dir deine Schuhe an, einen Pullover über und zünd dir eine Zigarette an, genau so hab ich es geplant. Du bist zu neugierig, das ist dein Fehler. Aber wer kann es dir verübeln? Lass die Tür ruhig einen Spalt offen stehen, jawohl, du kommst ja sofort wieder, nicht war? Ansonsten hätte ich auch auf Plan B zurückgreifen müssen. Wäre nicht schlimm gewesen, aber so macht es mir mehr Spaß und ist viel einfacher.
Geh zur Laterne und beug dich über das stinkende Tier. Kann ganz schön miefen, so ein Vieh, nicht war? Schade um das Tier, noch so jung und klein, ein Kind aus der Nachbarschaft wird morgen bitterlich weinen. Die Straße ist still. Es schlafen schon alle. Wirf einen Blick die Straße hinunter bis du an der nächsten Laterne hängen bleibst. Da liegt doch auch was, stimmts? Trau dich nur näher ran. Es ist schon etwas merkwürdig, oder nicht? Zwei Unfälle wird es ja wohl nicht gegeben haben, verwirf den Gedanken mal schnell wieder. Wenn nicht der Katzenkiller von Potsdam hier unterwegs war, dann kann es sich nur um halbstarke Jugendliche handeln. Würde ich auch denken. Und vielleicht sind die noch in der Nähe. Du hast die Tür offen stehen lassen. Geh lieber schnellen Schrittes wieder rein.
Drinnen angelangt zünde dir noch eine Zigarette an, setz dich unruhig auf dein Sofa. Du denkst nach.
Ich sehe dich! Schön hast du es hier, richtig gemütlich. Das wird die Mordkommission auch denken, mein Freund.
Meine Klinge ruft schon deinen Namen. Hörst du sie? Das war wieder der Wind. War das wieder der Wind?
„Hallo!“, sage ich leise in deinen dich beschützenden Raum hinein. Du bleibst ruhig sitzen. Ich hatte gedacht, du würdest aufspringen, so wie all die anderen vor dir. Sieh ruhig aus dem Fenster, aber wir wissen doch beide, dass du bereits weißt, dass es aus deinem Zimmer kam.
„Ich bin hiiiieeeeeer“, rufe ich wie ein Vater der sein suchendes Kind orientieren möchte.
Jetzt springst du endlich auf. „Wer ist da?“ Ich kann die Angst in deiner Stimme hören. Dreh das Licht heller.
Nichts. Sieh in allen Ecken nach. Nichts. Du beruhigst dich etwas, aber du hast wahnsinnigen Schiss, ich weiß. Nimm das Telefon. Manche Leute wählen schon mal die 11. Du wartest also noch. Im Schrank hast du noch nicht nachgesehen.
Das musst du jetzt wohl machen. Willst du dich nicht lieber erst bewaffnen, bevor du einen Blick in den Schrank wirfst?
Du reißt beide Schranktüren gleichzeitig auf.
Nein, da bin ich nicht. Wir sind doch in keinem schlechten achtziger Film.
Ich kratze mit den Fingernägeln über die Dielen. Vielleicht doch die Polizei? Die Wohnungstür stand kurz offen, ganz richtig.
Unter dem Bett hast du noch nicht nachgesehen. Trau dich nur, du wirst nicht drum herum kommen. Bück dich jetzt und sieh nach. Ist da etwas?
Wo denkst du hin? Ich mache uns lieber mal das Licht aus, ist schöner.
Schrei! „Schrei so laut du kannst!“ Das wollte ich schon immer mal sagen. Meine Klinge sehnt sich nach dir. Renn zum Lichtschalter, renn zu mir, renn in meine Klinge.
Ich habe nicht so ganz getroffen. Mehr in die Schulter. Da muss ich wohl noch mal ran.
Schlag ruhig um dich, das wird dir nicht helfen.
Durchstochen fällst du aufs Bett. Ich bin schnell und präzise. Ich habe ja auch geübt.
Du keuchst noch etwas. Schreien bringt jetzt auch nichts mehr, sehr richtig. Ich kann ja das Licht wieder anmachen.
Deine Augen sind riesig und sehen mich an. Weinst du etwa? Du bist der erste, der sich in die Hosen gepisst hat. Ich muss gut gewesen sein.
Du hast ein hübsches Foto von einem Mann auf dem Nachttischchen stehen. Vielleicht warte ich hier noch auf ihn. Oder ich packe dich als Geschenk ein und gehe jetzt was trinken. Du bist noch wach, liegst auf dem Rücken und spuckst dein Blut immer wieder aus dem Mund. Ich werde noch eine Zigarette rauchen. Darf ich eine von dir nehmen? Danke, das ist nett. Ich werde dich als Aschenbecher verwenden.
Du kennst mich nicht, nein. Hast mich noch nie gesehen. Aber du hast immer meine Geschichten gelesen und kommentiert. Warum war ich wohl nie bei einem Treffen? Warum hab ich dir nie gesagt, wie ich richtig heiße? Vertrau niemandem aus dem Internet. Wenn man Namen und Adresse hat, … Was glaubst du, wo all die Leute hingehen, die hier so verschwinden?
Da wirst du auch gleich sein. Es dauert nicht mehr lange. Der Rest regelt sich von alleine, die Wunden sind groß genug.
Du hast mich nie empfohlen! Hättest du mal machen sollen.

Das war übrigens gestern. Du hast sie gut gekannt.

Und jetzt, mein Freund, mach den Computer aus, du hast genug gelesen für heute. Es ist Zeit für dich!

 

Hallo Aris!

Klasse! Die Umsetzung Deiner auf mangelnde/intolerabele Kritiken bezogene Idee halte ich für sehr gelungen. *immer noch lach*
Gefällt mir!
Was mir auf den ersten Blick editierenswert erschien:

Da muss ich wohl noch mal rann.
... ran.

Mehr fällt mir momentan nicht ein. Oder auch nie mehr ... :thumbsup:


Ciao
Antonia

 

Hallo ihr beiden. Und danke ihr beiden.

Leider wurde mit von den "Aufsehern" :D verboten, die Geschichte allabendlich anzuküdigen. Was schade ist. Es ist sicherlich das Problem, dass dieser Effekt als Werbung verstanden wird, und nicht als Spiel mit dem Forum, und daher kann ich das akzeptieren.

besten Gruß

 

ja cool!

ein winzigkeit:

und spuckst dein Blut immer wieder aus dem Mund.
das fand ich nicht so geschickt, da man immer aus dem Mund spuckt. vielleicht "über dein schwabbeliges Kinn" hehe

der rest ist 1a deluxe. geil temporeich formuliert und schön fies. auch von mir einen dicken daumen!

und du wirst es nicht glauben, in meinem geschichtenordner verwest so langsam der anfang einer horrorgeschichte im imperativ. wahnsinn.
wir zwei und unser stoff. jetzt weiß ich ja, was ich damit anstellen werde, wird verschoben in einen ordner namens papierkorb.

dickes lob mit juckendem finger richtung daumen.

besten gruß, hab jetzt noch ein paar essen zu kochen, kacke.
krilliam

 

Hi krill

Die Stelle wird demnächst verbessert! Danke.

Und auch danke für den dicken Daumen!

Tja, ich hab die Idee ja auch aus deinem PC gehakt!

Nummer 1 von der Liste gestrichen. Schade, denn du hast so schön nah dran gewohnt.

besten Gruß

 

Hi Aris,
ich wollte ja mithalten. Hab ich ja versprochen. Da brauch ich keine Drohungen zu. *g*

Ja, nette Idee. Erst die Werbung, dann eine Horrorgeschichte mit persönlicher Ansprache.

Du kennst mich nicht, nein. Hast mich noch nie gesehen. Aber du hast immer meine Geschichten gelesen und kommentiert. Warum war ich wohl nie bei einem Treffen? Warum hab ich dir nie gesagt, wie ich richtig heiße?
:lol: Übrigens, hast du mir. Psst. Ach nee, du, der Autor.*g*

Sprachlich eher enttäuschend.

Du beruhigst dich etwas, aber du hast wahnsinnigen Schiss, ich weiß.

War das nun als Spiel gedacht oder ernsthaften Schreibversuch? Oder beides?

Gruß, Elisha

 

Hi Elisha

Anscheinend brauchst du doch Drohungen. :D Denn meine Sahneliteratur ließt du ja nicht. Aber egal, danke für deine Meinung.

Sprachlich eher enttäuschend sehe ich in so fern richtig, als dass der Prot, (Ich) ja auch direkt spricht. Gerade, wenn es schneller wird gegen Ende.

Ich mein die Geschichte schon ernst. Mehr als Lacher als als Schocker, aber schon ernst. Halt mal was anderes, wie immer.

Hab dank.

Du bist die nächste!

 

hallo nochmals,

zu dem sprachlich eher enttäuschend muss ich einwenden, dass sich sprache doch immer der begebenheit anpassen sollte. ich finde die sprache vemittelt hier genau das was sie soll, sie ist bedrohlich und intensiv. augenzwinkernd natürlich.

soweit ich

adios amigos
krilliam Bolderson

 

Ach Willy. Zuckerbrot UND Peitsche. Eins alleine funktioniert nie.

Hi Blackwood

Ich kenne nicht einmal einen Jack Torrance, nein. Ein link zu der Geschichte wär nett, dann kann ich mit das ganze mal anschauen, wie andere so was schreiben.

Ohne den Imperativ wäre die Geschichte nicht die, die sie ist und zu plump und langweilig.

Dass das hier kein Schocker, sondern ein Lachen werden sollte, ist dir wohl leider nicht klar geworden.

Ich glaub schon, dass der Plan so funktionieren könnte. Auch wenn du von toten Tieren nicht rauszulocken bist, ... ich wäre es. Und dein eigenes Empfinden ist übrigens nicht mit Logik gleichzusetzen.
Aber ich weiß, was du meinst. Es ist ja auch der Plan A. Einen Plan B hätte der Prot hier ja auch noch gehabt.

Es gibt Stadtteile in so manchen Städten, die sind so überbevölkert, und trotzdem kannst du schreien wie am Spieß, interessiert da keinen.

Zur Sprache hat der krilliam über dir schon richtig angemerkt, dass sich die Sprache der Begebenheit anpasst. Und da es hier halt ein Gag sein soll ...

Und nein, deine Adresse brauch ich nicht. Lohnt sich nicht.

Gruß

 

@Mirf

Ach Willy. Zuckerbrot UND Peitsche. Eins alleine funktioniert nie.
Die Peitsche krieg ich schon von Lea. ;)

Ich kenne nicht einmal einen Jack Torrance, nein.

Die Bildungslücke muss man füllen.

Gruß, Willy

 

Hi

Also bei mir funktioniert der link! Hab Dank dafür.

Ist mir auf den ersten Blick zu Humorlastig, der Typ. Aber ich werd natürlich mal was lesen. nett wäre noch, wenn mir jemand sagen könnte, welche Geschichte gemeint ist, die auch diesen Imperativstil aufweist.

Gruß

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aris,

ah, sieh da, du bist jetzt zur Pointologie gewechselt. Fand ich sehr kurzweilig mit einer guten Schlussidee. Du hast dich auch sprachlich richtig entschieden, hast also dieses Mal einen ganz anderen und für diesen Plot passenden Stil gewählt. Das war genau richtig. Hat Laune gemacht zu lesen.

Grüße von Rick

 

Hi rick

Als ich die Idee der Geschichte im Kopf habe, habe ich sofort an dich gedacht, also an deine Pointenreichen Geschichten. Nimm es als Kompliment!

Und daher freut es mich natürlich sehr, dass es dir gut gefällt.

Gruß

 

Hi Aris

Sehr schön, hat mir gut gefallen die Geschichte und ich fand sie auch gut umgesetzt, völlig egal wer sonst schon vor dir auf so eine Idee gekommen ist (BTW: Muss man vor jedem Thema scheuen, dass ein anderer schon gut umgesetzt hat? Hoffentlich nicht, sonst gibt es bald keine Bücher mehr).

Die Sprache passt m.M.n. perfekt zur Form der Story.

Einige Dinge sind mir beim Lesen noch aufgefallen:

Aris Rosentrehter schrieb:
Du schauderst dich.

Müsste das nicht "Dich schaudert" heißen? Bin mir unsicher, aber "Du schauderst dich" hört sich ganz falsch an :D

Durchstochen fällst du aufs Bett.

Dieser Satz hat mich etwas aus dem Lesefluss gebracht, da er von der Form her nicht richtig passt. Etwas in Richtung "Fall aufs Bett, während du langsam ausblutest" oder so würde sich evtl. besser einfügen.

Soweit mein Senf :)

Gruß Pesse

 

Hallo Pesse

Sicherlich ist es egal, ob die Idee schon mal umgesetzt wurde. Der Hinweis für mich ist aber insofern interessant, als dass ich schauen kann, wie andere die Idee umgesetzt haben.

Schön, dass es dir gefällt.

Mit deinen Hinweisen hast du Recht. Ich werde es verbessern. Danke.

und Gruß

 

Hi Goldene Dame

Bekomme ich jetzt doch wieder Kommentare von dir? :D

Ja, ob gruselig oder witzig empfindet jeder wohl anders. Du hättest es vielleicht nachts lesen sollen. Aber es sollte ja auch eher lustig als gruselig sein.

Gruß

 

Hallo Aris,

ich staune. Diese Geschichte war GUT. Wirklich. Kann ich ja sonst nicht von deinen behaupten. Das Ende mag wohl als kg.de-Insider angesehen werden, das tut der Geschichte in meinen Augen - zumal ich kg.de-Insider bin - aber keinen Abbruch.
Ich hatte eigentlich vor, nur noch gute Kritiken zu schreiben, und nicht wieder so was Kurzes hier, aber über deine Geschichte kann ich einfach nicht mehr schreiben, als dass sie mir gefallen hat, und das sogar sehr!

Ach ja ... Wieso heißt die Geschichte "Der Dirigent"? :confused:

Du hast mich nie empfohlen! Hättest du mal machen sollen.
Ok, ok, hast mich überzeugt. Kein Problem. Alles cool. Kein Grund, jemanden umzubringen, zum Beispiel mich. [EDIT in der Bib: Hab grad gesehn, dass es schon empfohlen wurde. Hätts aber auch gemacht.]

Tserk!
Gefundene Fehler:

die ihr schwaches Licht auf die Straße spuckt, um dessen Quelle sich die Insekten tummeln, da liegt etwas, nicht war?
wahr
Es ist klein und bewegt sich nicht, doch es ist auch für dich offensichtlich, nicht war?
wahr; ist immer so
Wenn nicht der Katzenkiller von Potsdamm hier unterwegs war
Potsdam

 

Hallo Aris Rosentrehter,
"Eine Geschichte im Imperativ"... Was du hier selbst als bezeichnend für deine Geschichte angibst gereicht ihr leider zumindest indirekt zum Nachteil. Du scheinst dich ein wenig zu sehr auf dieses recht originelle aber eben nicht völlig neue Stilmittel zu verlassen und tatsächlich vermag es zunächst einmal von den Schwächen der Geschichte abzulenken, als da wären:
- Die sehr einfache Handlung. Stellt man sich die Geschichte mal in anderer Form vor (etwa als Erzählung in der 3. Person) so sticht dieser Makel sehr ins Auge, Scream Teil 1-138 lassen Grüßen.
- Der recht lieblose Stil. Dieses Thema wurde hier ja schon erörtert, doch finde ich, dass du es dir mit der Begründung der angemessenen Sprache ziemlich einfach machst, bedenkt man, dass zu Anfang noch atmosphärische Beschreibungen wie diese hier

Da, im Lichtkegel der Laterne, die ihr schwaches Licht auf die Straße spuckt, um dessen Quelle sich die Insekten tummeln,
zu lesen sind. Darüber hinaus sollte man sich, wenn die zweckmäßige Sprache den Anforderungen des jeweiligen Genres nicht genügt, überlegen, ob man diese Zweckmäßigkeit nicht anders erfüllen oder eben den Rahmen ein wenig ändern könnte. Zumal es sich hier ja offenbar um die Gedankenwelt des Killers handelt, warum kann der nicht schöner denken? ;)
Die Pointe ist wieder so eine Sache. Sie versucht die Geschichte aus ihrer Unoriginalität zu reißen, vermag dies, aufgrund ihrer durch die Festlegung auf kg.de begrenzten Gültigkeit, aber nicht wirklich. Tja, und um die Geschichte letztlich aus dem Horrorbereich in den des Gags zu evakuieren, war mein Lächeln nach der Lektüre, wenn auch vorhanden, nicht ausgeprägt genug.

Ich hoffe, du siehst dies nicht als Verriss, das lesen hat sich durchaus gelohnt, doch nach einigen sehr positiven Kritiken hielt ich es für unnötig, die gelungenen Aspekte noch einmal aufzulisten. :D
Solltest du nun dennoch enttäuscht sein, sag per PN bescheid, Addresse und Name kommen dann als Antwort.


Gruß,
Abdul

 

:thumbsup:
Yeah!
Mehr davon!
Selten soviel Spaß beim Lesen einer Kg gehabt!
Da fällt mir "leider" nicht viel konstruktiveres zu ein. Schätze aber, du kannst mit diesem "leider" leben? ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

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