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Der Drang
Der Drang
Dieses Licht. Dieses verdammte Licht. Wieso muss es erst 11 Uhr sein? Wieso bring ich es nicht gleich hinter mich? Noch 13 Stunden. Diese Warterei macht mich wütend.
Bleib ruhig. Warte ab. Deine Zeit wird kommen.
Seit vier Tagen sitze ich hier auf diesem Stuhl, an diesem Tisch, in diesem Raum. Wenn mich meine Mutter so sehen könnte, würde sie mich wahrscheinlich wieder zu Vater bringen und der würde mich in den Keller sperren. Der Gedanke daran macht mich wütend.
Dann denk nicht daran. Ich bin bei dir.
Ich war zeitweise schon mehrere Tage in diesem Keller. Keine Fenster, kein Licht, keine andere Person. Das Einzige war dieser kleiner Briefschlitz, der aber etwas größer war als ein normaler Briefschlitz, durch den meine Mutter ab und zu etwas zu Essen durchschob.
Denk nicht darüber nach. Bei mir bist du gut aufgehoben.
Nein. Das stimmt überhaupt nicht. Schau dich doch mal um. Schwarze Stühle, schwarzer Tisch, dunkler Parkettboden, dunkle Wände. Sogar ich bin schwarz angezogen. Das ist genau das Gleiche wie im Keller meines Vaters. Außer diesem Licht. Wieso muss es überhaupt hell werden? Manchmal wünsche ich mir, dass meine Eltern mich nie im Heim abgeholt hätte. Vielleicht wäre es mir besser ergangen, wenn mich meine leiblichen Eltern nicht zur Adoption freigegeben hätten. Ich weiß gar nicht, wieso ich das verdient habe. Wenn ich es mir so überlege, habe ich gar nicht so schlimme Sachen gemacht. Auch nicht mehr als die anderen Kinder.
Ha Ha.
Der einzige Unterschied bestand darin, dass, wenn ich was angestellt hatte, ich immer alleine war. Bei den anderen hat sich der Ärger auf mehrere verteilt. Ok. Ich gebe es ja zu, dass ich nicht immer der Geselligste war.
Selber Schuld.
Halts Maul! Ich konnte nichts dafür. Sie haben mich ja immer ausgelacht. Angespuckt haben sie mich. Fettes Schwein haben sie mich genannt. Und du machst dich auch noch darüber lustig. Aber was verstehst du schon davon.
Hör auf, dich selbst zu bemitleiden. Das hast du doch überhaupt nicht nötig. Du brauchst nur einen Freund und der bin ich. Immer wenn du mich gebraucht hast, war ich für dich da.
Ich würde nicht sagen, dass du für mich, sondern mit mir da warst.
Hör ich da ein wenig Sarkasmus in deiner Stimme?
Du hörst gar nicht, verdammt. Das Einzige, was du hörst, sind meine Gedanken und ich höre deine Stimme in meinem Kopf, die mich so langsam wahnsinnig macht.
Langsam? Manche Menschen würden behaupten, dass du jetzt schon wahnsinnig bist.
Aaahhh! Sei doch einmal still!
Ich bin erst still, wenn du das hier zu Ende gebracht hast. Und merk dir eins, du bist nicht in der Lage mir Befehle zu erteilen oder Forderungen zu stellen. Wenn das jemand kann, dann bin ich das. Haben wir uns verstanden?
Ja ist ja schon gut.
Bist du noch da? Hallo? Ist wohl gerade mit jemand anderem beschäftigt. Kommt nicht oft vor, dass er mich mal in Ruhe lässt. Oh Mann, erst 17 Uhr. Ob sie schon da ist? Obwohl sie ja noch diesen Termin bei diesem Fernsehsender hatte, müsste sie eigentlich schon in ihrem Hotelzimmer sein. Auf diesem Plakat von ihrem neuesten Film, sieht sie besonders gut aus. Ich kann mich noch genau an die achte Klasse erinnern. Schon damals hatte sie ihre Pläne für ihre Filmkarriere geschmiedet. Die anderen haben sie auch ausgelacht. Aus dir wir doch sowieso keine Schauspielerin. Du bist doch viel zu hässlich, haben sie ihr nachgerufen. Heute wären sie froh, wenn sie überhaupt mit ihnen reden würde. Wahrscheinlich wären sie froh, wenn sie überhaupt mit jemandem reden könnten. Oh Mann. Das ist ganz schon lustig. Ich frage mich, was daran so lustig ist. Die Tatsache, dass sie alle tot sind oder auf welche Art und Weise sie gestorben sind? Aber Cyndia hat es nicht verdient. Wir waren zwar keine besten Freunde, doch blöd angemacht hat sie mich auch nicht. Sie hat ihr Ding gemacht und ich meins.
Dein Ding. Ist ja nett, dass du dein verpfuschtes Leben dein Ding nennst.
Wie soll ich es denn sonst nennen? Ich habe mir meine Eltern nicht aussuchen können. Ich habe meinen Freundes-, oder besser gesagt, Schulkreis nicht wählen können. So wie ich hier sitze, bin ich das Endprodukt eines Menschen, der von der Gesellschaft ausgestoßen wurde.
Und jetzt zahlst du ihnen als Dank alles zurück. Ich weiß gar nicht, was du hast. Das Leben besteht aus geben und nehmen.
Ich sag dazu gar nichts mehr.
Jetzt hör auf rumzuheulen und schau, ob Cyndia schon da ist. – Und?
Nein, noch nicht.
Wieso nicht?
Woher soll ich das wissen? Das Fernglas hier ist auch nicht unbedingt das beste. Steht 40x Vergrößerung drauf. Kann ich mir aber nicht wirklich vorstellen.
Konzentriere dich lieber auf deine Aufgabe, anstatt dich andauernd über irgendetwas aufzuregen.
Ist ja schon gut. Vergiss nicht. Sie alle haben mich gehänselt und nicht dich.
Dafür haben sie alle mit ihrem Leben bezahlt, bis auf Cyndia. Ist sie schon da?
Tatsächlich sie ist schon da.
Jaa.
Sie sieht gestresst aus.
Jaaa.
Aber trotzdem irgendwie süß.
Jaaaa.
Jetzt sei doch mal ruhig. Ich überlege mir gerade, wie viel Geld wohl ein Reporter bezahlen würde, um diesen Ausblick zu bekommen. Jetzt geht sie ins Badezimmer.
Na, wie sieht sie denn nackt aus?
Keine Ahnung! Ich bin doch kein perverser Spanner.
Wenn du willst, kannst du sie ja vorher....
Sei ruhig!
Ist ja auch egal. Du kannst sie auch besteigen, nachdem du sie umgebracht hast. Ich weiß ja nicht, auf was du so stehst.
Oh Mann. Du verstehst gar nichts, oder? Ich will sie überhaupt nicht besteigen, geschweige denn umbringen. Das war doch alles deine Idee. Ich glaube ich nehme mal eine von diesen blauen Pillen, damit ich dich wenigstens ein paar Stunden los bin.
Das kannst du ruhig machen. Mir ist das egal. Ganz los bist du mich damit auch nicht.
So, jetzt bin ich ihn erst mal los. Das war zwar die letzte Pille, die mir Dr. Hauser gegeben hat, ist jetzt aber auch egal. Ich schau mal, was sie macht. Gott, sie sieht so gut aus. Sie hat es echt nicht verdient. Sie hat im Gegensatz zu mir noch ein schönes Leben vor sich. Mein Leben ist voll im Eimer. Ich höre auf eine Stimme in meinem Kopf, die überhaupt nicht existiert. Aber wenn er spricht, ist es wie ein Drang, dem ich unbedingt folgen muss. Vielleicht haben meine Eltern und meine ehemaligen Klassenkameraden den Tod verdient, aber wieso musste ich sie umbringen. Ich bin eigentlich gar nicht aggressiv. Und wenn das hier vorbei ist, bin ich mir ziemlich sicher, dass er weiterhin in meinem Kopf sein wird und mich zu anderen Sachen zwingen wird. Aus diesem Grund muss dieser Brief Cyndia erreichen. Hoffentlich denkt sie nicht, dass es einfach nur ein verrückter Fan ist, der ihr wieder schreibt und nimmt die Warnung ernst. Aber ich kann ja nicht einfach zu ihr rübergehen und den Brief in ihre Hand drücken. Dann könnte ich es ihr ja auch gleich sagen. Ich glaube, ich schicke einfach den Hotelpagen rüber. Genau der soll ihn ihr geben. Ich ruf ihn mal an. „Hallo? Hier ist Zimmer 23. Könnten Sie mir bitte einen Pagen hochschicken? Vielen Dank.“ Hoffentlich beeilt er sich. Hab nicht mehr so viel Zeit. Wenn er was davon mitbekommt, wird er mich höchstwahrscheinlich umbringen. Da ist er schon. „Hallo. Sie müssen mir unbedingt einen Gefallen tun.“
„Alles was in meiner Macht liegt, Sir.“
„Könnten Sie diesen Brief bitte in das Hotel Paradise auf der anderen Straßenseite bringen?“
„Wenn das alles ist, Sir.“
„Geben Sie den Brief bitte Ms. Miller persönlich.“
„ Meinen sie Cyndia Miller, Sir?“
„Genau die. Ich weiß Sie denken sicherlich, wie Sie das anstellen sollen.“
„Genau, Sir.“
„ Sie gehen rüber in das Hotel. Steigen in den Fahrstuhl und begeben sich in den dritten Stock. Dort ist es das Zimmer 333. Wenn Sie an der Tür geklopft haben, wird höchstwahrscheinlich ein großer, breiter, schwarzer Typ die Tür aufmachen. Das ist ihr Bodyguard. Wenn er Sie fragt, was Sie wollen, sagen Sie einfach, dass Sie Post für Ms. Miller haben. Und sagen Sie, dass der Brief von Patrick ist. Er weiß dann schon Bescheid. Dann geben Sie ihm den Brief, drehen sich um und gehen einfach wieder.“
„Ok. Das müsste ich machen können, Sir.“
„Moment, hier haben Sie noch was, damit Sie vergessen, wer Ihnen den Brief gegeben hat.“
„Sie sind sehr großzügig, Sir.“
Das könnte klappen. Er sah zuverlässig aus.
Ich schau mal, ob er schon dort ist. Verdammt, ich sehe ihren Bodyguard nicht. Aber sie scheint nervös zu sein. Wenn ich ehrlich bin, wäre ich es an ihrer Stelle auch. Da schwirrt irgendwo ein geisteskranker Serienmörder herum und tötet die 87er Abschlussklasse. Und die einzige Person, die übrig geblieben ist, ist Cyndia. Wenn ich Cyndia wäre, würde ich wahrscheinlich zehn weitere dieser Bodyguards einstellen. Ich weiß noch nicht einmal den Namen von dem armen Schlucker, der an meiner Stelle sterben musste, damit die Polizei nicht auf die Idee kommt, mich zu beschatten oder zu verdächtigen. Ich glaube, er ist dort. Sie hat sich zur Tür herumgedreht. Gut, es kann jetzt noch ein bisschen dauern bis die den Brief untersucht haben. Es könnte ja eine Briefbombe sein. Wenn ich mir es mal so richtig überlege, ist es eigentlich eine sehr lustige Situation. Ein Brief der an Person A gerichtet ist, wird erst von Person B untersucht, weil anscheinend das Leben von Person A wichtiger ist als das von Person B. Person B kann ruhig sterben, dafür ist er ja da. Was ist denn das für eine Logik? Wer oder was bestimmt denn den Wert einer Person? Sein Geld? Sein Aussehen? Sein Ansehen? Jeder hat so seine Vor- und Nachteile. Ach, eigentlich sollten sie alle in der Hölle schmoren . Ich habe noch keine Person kennen gelernt, die es Wert war, Sauerstoff auf dieser Erde zu atmen. In der Hölle können sie meinem Freund wenigstens Gesellschaft leisten.
Was ist mit mir?
Was? Du bist schon wieder da?
Wieso? Hab ich etwas verpasst?
Nein, nein. Ich beobachte gerade nur Cyndia.
Was macht sie gerade?
Ach nichts besonderes. Sie sitzt nur da.
Da stimmt doch was nicht. Du lügst mich doch nicht an oder?
Nein. Wie kommst du denn dadrauf?
Du weißt ich kann es spüren, wenn du mich anlügst. Was hast du gemacht in der Zeit, als ich weg war?
Nichts. Ich saß nur da.
Du lügst. Und wie du lügst. Du zitterst ja am ganzen Körper. Sag mir jetzt die Wahrheit.
Ja, ist ja gut. Ich habe Cyndia einen Brief zukommen lassen.
Was? Ich glaube, ich höre nicht recht. Seit wann machst du irgendetwas ohne meine Erlaubnis? Was stand in diesem Brief drin?
Ich habe sie vor ihrem Tod gewarnt. Hör mir zu. Ich will nicht, dass sie stirbt.
Was bist denn du für ein Weichei. Ich will nicht, dass sie stirbt. Hör doch einmal auf mich und mach deine Sache richtig.
Ich soll einmal auf dich hören? Ich habe schon 16 mal auf dich gehört und habe meine Aufgaben immer erledigt. Tu mir bitte einmal diesen einen Gefallen und lass Cyndia am Leben.
Es ist ja nicht so, dass ich mir, sondern dir helfen will. Du musst dich rächen an denen, die dich nicht gemocht haben und mögen.
Aber Cyndia mag mich bestimmt.
Ok, wenn du es nicht auf die freundliche Art und Weise haben willst, bekommst du es auf die harte Tour. Du nimmst jetzt den Baseballschläger da neben der Tür und gehst zu ihr rüber.
Ok.
Hast du ihn?
Ja.
Um mir zu zeigen, dass du das machst, was ich dir sage, schneidest du jetzt mit dem Messer, in der Küche, in deine Hand. Blutest du?
Ja.
Gut. Jetzt räume die Zeitungsartikel, die überall auf dem Boden liegen weg. Da dies mein letzter Akt wird, brauchen wir auch nicht mehr zu wissen, wie weit die Polizei ist.
Ja. Mach ich.
Geh jetzt rüber.
Bist du da?
Ja.
Du klopfst jetzt an die Tür und so bald dieser zu groß geratene Affe die Tür aufmacht, ziehst du ihm den Baseballschläger über den Kopf.
Ja.
„Ja, bitte. Was wollen Sie?“
Er liegt jetzt auf dem Boden.
Wie sieht sein Kopf aus?
Rot.
Wie genau?
Weiß ich nicht. Ich sehe nur seinen Hinterkopf. Da strömt Blut heraus.
Jaa. Dreh ihn um. Sag, was siehst du?
Ein Stück seiner Schädeldecke ist aufgeplatzt. Man sieht etwas Rosafarbiges. Es ist warm.
Sehr gut. Geh näher ran, damit ich es riechen kann.
„Jack? Ist alles Ok?
Wer war das?
Cyndia.
Steh jetzt wieder auf und geh zu ihr. Wenn du sie siehst, dann haust du ihr auch eins über. Aber nicht so fest. Sie soll noch leben. Du wolltest ja noch was von ihr.
Ja.
„Wer sind sie?“
Darf ich ihr antworten?
Ja, mach, wenn du unbedingt willst.
„Ich bin Patrick.“
„Du? Oh mein Gott. Du hast doch jetzt nicht vor mich..... Jack! Jack! Schnell!“
„Jack hört dich nicht mehr.“
„Wieso ? Was hast du gemacht?“
Sag ihr, sie soll die Schnauze halten.
„Halt die Schnauze.“
„Patrick. Bitte nicht. Was hab ich dir denn getan?“
„Cyndia!“
Was soll das? Wer hat dir erlaubt zu sprechen? Du gehst jetzt zu ihr und erwürgst sie. Hast du mich verstanden?
Ja
„Nein. Patrick. Komm nicht näher. Patrick, bitte.“
„Es tut mir Leid, Cyndia.“
Bist du schwer von Begriff. Du sagst jetzt gar nichts mehr ohne meine Erlaubnis.
„Bitte nicht Patrick.“
Drück fester.
„Patrick, ich bekomme keine Luft.“
Jaa.
„Ich kann nichts dafür. Er zwingt mich dazu.“
„Patrick. Patrick, bitte.“
Du kannst dich wehren, wie du willst, aber du wirst sie doch töten.
„Patrick.“
„Es tut mir Leid.“
„Pat..“
„Es tut mir wirklich Leid, Cyndia.
Hast du es jetzt endlich geschafft?
„Cyndia? Cyndia!“ Du Bastard. Du hast sie umgebracht.
Ich? Du hast sie umgebracht. Ich habe dir nur ein bisschen dabei geholfen.
Ich werde dem Ganzen jetzt ein Ende bereiten.
Was hast du vor?
Ich schicke dich dahin, wo du herkommst.
Du Narr. Du kannst mich nicht töten. Aber ich kann dich umbringen, wenn ich will.
Dann mach doch endlich, du verdammtes Schwein. Ich ertrage es nicht mehr.
Das hättest du wohl gerne. Aber den Gefallen tue ich dir nicht.
Dann muss ich es selber machen.
Du willst dich selber töten? HA HA HA. Du kannst ja nicht einmal ein Fliege umbringen ohne meine Hilfe.
Das werden wir ja sehen.
Wenn du stirbst, dann nehme ich mir einfach einen anderen Körper. Das ist für mich kein Problem. Vielleicht nehme ich mir zur Abwechslung mal ein Frau. So eine richtig hübsche. Nicht so ein fettes Schwein wie dich. HA HA. Hörst du Patrick? Mit dem Schweine meine ich dich. Patrick? Das hast du nicht wirklich getan oder? Patrick?
Mein Gott, wie soll ich es bloß in die Cheerleadermannschaft schaffen? Die sind alle so schlank und beweglich. So wie die werde ich wohl nie tanzen können.
Hallo Sabrina.
„Was? Wer ist da?“
Kein Angst. Ich will dir nur helfen.
„Wer ist da, hab ich gefragt?“
Ein Freund.