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Der Einzige

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12.05.2010
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Der Einzige

Sie stand in der Küche, die Augen weit geöffnet, der Blick erschrocken. Sie setzte sich und begann, den Brief noch einmal zu lesen. „Ich kann es nicht glauben“, dachte sie, während sie die Worte wieder und wieder anstarrte. Drei Jahre hatte sie auf diesen Brief gewartet. Drei lange Jahre. Und jetzt, ohne es zu erwarten, bekam sie dieses Lebenszeichen. Tom lebte noch. Und er hatte sich an sie erinnert.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sollte sie lächeln und sich freuen, weil er geschrieben hatte? Sollte sie wütend sein, weil er ihr bis jetzt nichts von seinem Leben erzählt hatte und sie ihn schon für tot erklärt hatte? Oder sollte sie traurig sein, weil jetzt all die Erinnerungen wiederkamen? Die wunderschönen und doch so schmerzvollen Erinnerungen ...
Ob sie wollte oder nicht, sie wurde traurig. Ihre Gedanken spielten verrückt, und sie sah Tom und sich auf einer Bank mitten im Central Park. Es war Herbst, die Blätter fielen von den Bäumen und es war kalt, aber nichts von all dem schien eine Bedeutung zu haben, denn Tom war bei ihr. Er saß neben ihr, hielt ihre Hand und flüsterte leise „Ich liebe dich.“ Alles schien so perfekt. Dass ein Schein trügen kann, interessierte sie nicht. Sie war naiv, und vielleicht auch blind vor Liebe.
Tom war der perfekte Mann für sie, und sie tat alles, damit es so blieb. Sie war sich sicher, es würde beiden gut tun, wenn sie jeden Tag bei ihm war, wenn sie ihn jedes Mal anrief, wenn sie sich nicht sehen konnten, wenn sie ihm so oft es ging sagte, dass sie ihn liebte, wenn sie jedem auf der Welt zeigte, dass er ihr gehörte. Er war der Einzige für sie.
Und dann, auf einmal, war er nicht mehr da. Sie konnte ihn nicht zu Hause finden, er war nicht erreichbar, und niemand konnte ihr sagen, wohin er verschwunden war.
Ein Jahr lang konnte sie nicht schlafen, essen, trinken, Musik hören oder weinen, ohne an Tom und die wunderschöne Zeit, die sie hatten, zu denken. Und sie konnte nichts tun, ohne sich zu fragen, warum zur Hölle Tom gegangen war. Einfach so, ohne jemandem etwas zu sagen. Sie ging nicht aus, machte nichts mit ihren Freunden und erschien auf keiner Party mehr, denn nichts gab ihrem Leben einen Sinn.
Und dann, ganz plötzlich, sah sie, dass es das nicht wert war. Tom würde nicht wiederkommen. Er hatte sie verlassen, und sie wusste nicht warum. Wenn er sie wirklich geliebt hätte, dann hätte er ihr etwas gesagt. Und das war nie passiert. Sie wusste, dass all die kostbare Zeit, die sie damit verbracht hatte, an Tom zu denken und wegen ihm zu weinen, es einfach nicht wert war. Sie begann, ihr Leben neu zu ordnen. Ein Leben ohne Tom.
Und jetzt musste sie kein Lächeln mehr vorspielen und auch keine heile Welt vortäuschen, denn sie fühlte sich wieder lebendig. Sie hatte es geschafft. Sie lebte ein glückliches Leben. Ohne Tom.

Und nun, in dieser guten Zeit, bekam sie diesen Brief. Ein Brief von Tom. Es war nur eine Zeile, unordentlich geschrieben.
Liebe Maria, ich bin wieder in der Stadt. Ich habe dich vermisst.
Tom

Eine Träne rollte ihr über die Wange. „Ich habe dich auch vermisst“, flüsterte sie.

 

Ja, JuleEifersucht,

so ist das mit der Sucht. Ein Tropfen macht wieder abhängig.
So wie du es beschreibst, verwechseln viele Sucht und Liebe und treiben ihre Liebsten in die Flucht, weil sie sie um jeden Preis halten wollen.
Ich vermisse das Besondere an diesem Text, denn die Sucht erscheint mir eher wie eine ungewollte Metaebene und von "Flucht" steht ja nicht wirklich etwas da, es ist also nur spekulative Interpretation. Eine Assoziation, die mir bei solcher Einseitigkeit häufig kommt.
Der Text endet leider da, wo die Geschichte anfangen würde. Wozu ein Rückblick, wenn die Gegenwart nur aus einem Brief besteht, zu dem es keine weitere Handlung als eine Träne gibt?
Und warum steht so viel Liebeskitsch nicht in Romantik/Erotik?
Von Tom erfährt man leider gar nichts, so lässt sich das tiefe Gefühl für ihn nicht nachvollziehen, gleichzeitig verstärkt es aber den Eindruck, dass eher Sucht als Liebe im Spiel ist. Um ihn geht es dabei gar nicht.

Sie wusste, dass all die kostbare Zeit, die sie damit verbracht hatte, an Tom zu denken und wegen ihm zu weinen
seinetwegen zu weinen - Genitiv.

Gruß
sim

 

Hallo JuleJealousy udn herzlich willkommen,

das ist wahrhaft eine tragische Geschichte von zwei emotionalen Krüppeln. sie klammert und besitzt so wenig Einfühlungsvermögen, dass sie nicht merkt, dass die Gefühle immer einseitiger werden.
Er kriegt es nicht mal auf die Reihe, zu sagen, er brauche etwas Abstand und mehr Zeit für sich - stattdessen schmeißt er Wohnung, Job, sonstige Sozialkontakte, alles hin, nur um ihr (oder irgendetwas anderem, von dem wir nicht erfahren) zu entgehen.

Am Ende sind beide Protagonisten nicht gereift, sondern fallen in ihr altes Verhaltensmuster zurück.

Daraus kann man schlimme Psychodramen stricken, Horrorgeschichten oder eine Satire, nur eines nicht: eine Story über die wahre große Liebe. Ich hoffe, dass nicht gerade letzteres Deine Absicht war.

Die Geschichte steht auf reichlich dünnen Beinen, da man nur den gröbsten Abriss über die paar Jahre erfährt. Keine Szene, in der man die zwei miteinander erleben darf, und anhand der man als Leser die Verhaltensweisen besser verstehen könnte. Kaum ein Settign, wenig Athmosphäre, vom Großstadtlokalkolorit ganz zu schweigen.

Als Leser wöllte ich wissen, was gerade diesen Mann in Marias Augen so besonders macht, warum sie so stark klammert (ist sie unsicher, gefühlsblind, vereinsamt oder eine Psychopathin?), wie Toms Umfeld auf sein Verschwinden reagiert - allein die Traumatisierung, die so etwas bei Familie, Freunden und Kollegen auslöst, könnte einen Roman füllen - warum er so ein Typ ist, der sich in Luft auflöst ... kurz und gut, das ist ein spannendes Thema, braucht aber viel mehr Fleisch auf den Knochen.

LG, Pardus

 

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