Der Gesang im Käfig
Der Gesang im Käfig
Viele Jahre saß der Gefangene schon in seiner Zelle, isoliert von der Außenwelt wie ein Lebender ohne Existenz. An einem Wintertag lag ein erschöpfter Spatz auf dem Sims des einzigen Fensters und fror im Schnee. Der Mann öffnete die Glasscheibe und holte den kleinen Vogel zwischen den Gitterstäben in sein kahles Zimmer hinein. Er wickelte ihn in den ausgerissenen Fetzen einer Wolldecke und gab ihm von seiner Wasserration zu trinken. Nach einigen Tagen hatte sich der Spatz erholt und begann zu zwitschern. Fröhlich beseelte er die Einsamkeit innerhalb der trüben Mauern. Der Mann hatte Freude an der Gesellschaft und genoß die Vielfalt der Melodien. Aus Dankbarkeit baute er dem Piepmatz einen großen geräumigen Käfig, damit dieser ein eigenes Heim in der Tristess des Raumes haben konnte. Wohl fühlen sollte er sich in der neuen Welt und ein angenehmeres Leben erhalten als in der Kälte der Naturgewalten. Doch der Spatz hörte auf zu singen und verkroch sich im Käfig. Er aß keine Brotkrümel mehr und trank nicht, sondern saß nur still in der Ecke herum. Daraufhin öffnete der Gefangene die Scheibe vor der Vergitterung und entließ seinen einzigen Freund in das Wohl der Winde. Der Spatz drehte eine Extrarunde um die Zelle, sang noch einmal seine Arie und flatterte vondannen. Am nächsten Morgen kam er wieder und klopfte mit dem Schnabel an die Scheibe.