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Der gescheiterte Schritt ins neue Leben

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20.10.2005
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Der gescheiterte Schritt ins neue Leben

„Jetzt ist Schluss mit der Sauferei. Es ist Zeit mein Leben grundlegend zu ändern“, denkt er, während er mit einem lauten „Plopp“ die letzte Flasche seines Biervorrates öffnet und hastig einen kräftigen Schluck aus der Pulle nimmt.
Nachdem er arbeitslos geworden und seine Frau ihn mitsamt den Kindern von heut auf morgen verlassen hatte, stürzte er sich in den Alkohol. Seit diesem Tag, nachdem er alles verloren hatte, war der Alkohol sein neuer Freund, sein einziger Freund. Die Typen, mit denen er ständig vor der Getränkequelle, vorn an der Ecke, dem gemeinsamen Hobby nachging, dem bis zur Besinnungslosigkeit exzessiven Alkoholkonsum, waren nicht seine Freunde. Er kannte nicht einmal ihre richtigen Namen. Probleme hatte hier jeder, das war allen klar, doch man redete nicht darüber. Er merkte nicht wie der Alkohol, langsam aber bestimmt, die völlige Kontrolle über ihn erlangte. Aber wie hätte er es auch bemerken sollen, es verging schließlich kein Tag an dem er nicht sternhagelvoll in die sanften Federn seines Bettes glitt.
„Damit ist jetzt nun endgültig Schluss“, versucht er sich ständig klar zu machen, während er hastig die letzten Tropfen des kostbaren Rohstoffes aus der Flasche saugt. Die Erkenntnis, sich nach einer langen und innigen Beziehung vom Alkohol zu trennen, traf ihn wie ein Blitz als einer seiner Saufbrüder, den alle nur Kutte nannten, nach einer lebensbedrohlichen Alkoholvergiftung unter Blaulichtgewitter abgeholt wurde.
Als er am darauf folgenden Tag, während die Sonne gerade im Zenit steht, das Bett verlässt und er beim automatisierten Griff in den Kühlschrank ins Leere greift, wird ihm langsam klar dass sein Vorhaben ernste Züge annimmt.
„Du musst stark sein. Kein Alkohol mehr“, sagt er um sich selbst ein wenig Mut zuzusprechen und öffnet eine Packung Orangensaft, die er nach längerem Suchen verstaubt hinter einigen leeren Bierflaschen im Schrank gefunden hat. Ein längst vergessener Geschmack entfaltet sich wie ein sich entpuppender Schmetterling in seinem Mund, während er einen schnellen Schluck aus dem Glas nimmt. „Schmeckt ja gar nicht so übel“, denkt er und nimmt einen weiteren kräftigen Schluck, der das Glas vollends leert.
„Was mach ich denn jetzt“, fragt er sich, „ich brauche irgendeine Beschäftigung.“ Normalerweise würde er sich jetzt seinen „Aldi-Stoffbeutel“ schnappen, diesen mit leeren Bierflaschen füllen und sich dann auf den Weg zur Getränkequelle machen. Aber diese Zeiten, so hatte er es sich ja vorgenommen, sind nun endgültig vorbei.
„Ich könnte ja mal den Keller entrümpeln, oder die Fenster putzen, das hab ich ja schon seit Jahren nicht gemacht“, denkt er, denn er wusste durch einige seiner Gleichgesinnten, welche auch schon einige kläglich gescheiterte Entzugsversuche gestartet hatten, dass man eine Beschäftigung braucht um sich abzulenken und nicht durch aufkommende Langeweile an den Ort der Abgestürzten zurückgespült wird. Nach einigen Überlegungen entscheidet er sich für das Fensterputzen. Er kramt einen alten Eimer, Lappen und ein Handtuch hervor, holt eine Leiter aus dem Keller und macht sich daran die verschmierten und schmutzigen Fenster in neuem Glanze erstrahlen zu lassen. Als er fast fertig ist bemerkt er, dass seine Hände anfangen zu zittern und erinnert sich wie einer seiner Trinkkumpanen davon sprach, dass Entzugserscheinungen den steinigen Weg zum trockenen Alkoholiker sehr erschweren. Er beschließt daraufhin eine kleine Pause einzulegen um bei einem kühlen Glas Orangensaft neue Kräfte zu erlangen. Während er von der Leiter steigt überkommt ihn ein Schwindelgefühl, ihm wird es schwarz vor Augen und er kann sich gerade noch so mit letzter Kraft an der Leiter festhalten, was durch das Zittern seiner Hände nicht gerade erleichtert wird. Mit Mühe und Not erreicht er den so ersehnten festen Boden unter seinen Füßen und wirft sich in den in der Nähe stehenden Fernsehsessel. Das hatte er sich einfacher vorgestellt. Als er einige Zeit später langsam wieder zu Kräften kommt und das Schwindelgefühl allmählich nachlässt, klingelt das Telefon. Seine Exfrau ist dran. Sie spricht davon dass seine Kinder, die er seit über 3 Monaten nicht mehr gesehen hatte, sich dafür entschieden haben ihn nie wieder sehen zu wollen und den Kontakt zu ihm abbrechen. Geschockt hält er den Telefonhörer noch einige Zeit, obwohl sie schon längst aufgelegt hat, am Ohr und legt dann mit erneut zitternden Händen auf. Er war wie gelähmt. Nachdem er noch einige Minuten im Sessel sitzend ins Leere starrt, beschließt er seinen Frust zu ersäufen.

 

Hallo,

dies ist meine erste Kurzgeschichte die ich auf dieser Seite veröffentliche. Über Verbesserungsvorschläge und Anregungen würde ich mich sehr freuen.

Danke im Vorraus

 

Hallo bokko84,

willkommen auf KG.de.

Dein Erstling gefiel mir teilweise recht gut. Du beschreibst plastisch, wie dein Prot den Kampf gegen den Alkohol aufnimmt, und findest farbige Worte dafür. Einiges ist allerdings für mich zu berichthaft, zu abgehoben, hinterlässt den Eindruck, dass du (zum Glück) keine eigenen Erfahrungen beschreibst.

Vor allem das Ende kommt zu kurz und trocken daher, fast wie ein Zeitungsbericht. Hier, wo der Knackpunkt ist, hätte es mir besser gefallen, du hättest, wie vorher, weiter gezeigt, nicht nur berichtet. Lass seine Frau sprechen, lass die beiden streiten, lass ihn bitten. Nicht seitenlang, aber einige Zeilen könntest du dafür spendieren. Dann sitzt er erschlagen da, starrt vor sich hin. Schließlich greift er nach seinem Aldi-Beutel und seiner Geldbörse und tappt zur Haustür, wo die leeren Flaschen stehen. Und jeder weiß, was nun kommen wird.
So eine direkte Erzählweise geht dem Leser mehr unter die Haut. Und das ist umso mehr nötig, als dieses Thema kein neues ist, jeder hat darüber schon etliches gelesen. Schadet zwar gar nicht, es in Erinnerung zu bringen, da es so aktuell wie eh und je ist, aber dementsprechend lebendig und originell muss es dann sein.

Deine Geschichte spielt in der Gegenwart, aber du rutscht manchmal in die Vergangenheitsform oder benutzt bei Rückblicken das Plusquamperfekt statt Perfekt:


Nachdem er arbeitslos geworden und seine Frau ihn mitsamt den Kindern von heut auf morgen verlassen hatte, stürzte er sich in den Alkohol. Seit diesem Tag, nachdem er alles verloren hatte, war der Alkohol sein neuer Freund, sein einziger Freund. Die Typen, mit denen er ständig vor der Getränkequelle, vorn an der Ecke, dem gemeinsamen Hobby nachging, dem bis zur Besinnungslosigkeit exzessiven Alkoholkonsum, waren nicht seine Freunde. Er kannte nicht einmal ihre richtigen Namen. Probleme hatte hier jeder, das war allen klar, doch man redete nicht darüber. Er merkte nicht wie der Alkohol, langsam aber bestimmt, die völlige Kontrolle über ihn erlangte. Aber wie hätte er es auch bemerken sollen, es verging schließlich kein Tag an dem er nicht sternhagelvoll in die sanften Federn seines Bettes glitt.

Dieser ganze Absatz z.B. spielt in der Vergangenheit, im Gegensatz zum Rest der Geschichte. Nur, weil er Rückblicke enthält, kannst du ihn nicht einfach in die Vergangenheitsform setzen, sondern musst von der Gegenwart ausgehen:

"Nachdem er arbeitslos geworden ist und seine Frau ihn mitsamt den Kindern von heut auf morgen verlassen hat, stürzt er sich in den Alkohol (Klischeehafte Formulierung). Seit diesem Tag, nachdem er alles verloren hat, ist der Alkohol sein neuer Freund, sein einziger Freund. Die Typen, mit denen er ständig vor der Getränkequelle, vorn an der Ecke, dem gemeinsamen Hobby nachgeht, dem bis zur Besinnungslosigkeit exzessiven Alkoholkonsum (entweder bis zur Besinnungslosigkeit betrieben oder exzessiv; beides auf einmal geht nicht), sind nicht seine Freunde. Er kennt nicht einmal ihre richtigen Namen. Probleme hat hier jeder, das ist allen klar, doch man redet nicht darüber. Er hat ("sehr lange" würde ich noch anfügen,schließlich, nun weiß er es) nicht gemerkt wie der Alkohol, langsam aber bestimmt, die völlige Kontrolle über ihn erlangt hat. Aber wie hätte er es auch bemerken sollen, es ist schließlich kein Tag vergangen, an dem er nicht sternhagelvoll in die sanften Federn seines Bettes geglitten ist. (klingt in dieser Zeitform natürlich saublöd)"


Die Erkenntnis, sich nach einer langen und innigen Beziehung vom Alkohol zu trennen, traf ihn wie ein Blitz als einer seiner Saufbrüder, den alle nur Kutte nannten, nach einer lebensbedrohlichen Alkoholvergiftung unter Blaulichtgewitter abgeholt wurde.

Gleich nach dem Rückblick auf seine bisherige Säuferkarriere würde ich hiermit weitermachen, nach dem Motto: " ... bis zu dem Tag, an dem sein Saufkumpan ..." und dieses Erlebnis vielleicht noch etwas farbiger ausgestalten, damit der Leser fühlen kann, warum der Prot sein Leben ändern will.

Als er fast fertig ist bemerkt er, dass seine Hände anfangen zu zittern und erinnert sich wie einer seiner Trinkkumpanen davon sprach ("gesprochen hat"), dass Entzugserscheinungen den steinigen Weg zum trockenen Alkoholiker sehr erschweren.

Hmmm ... dass man bei Alkoholentzug Entzugserscheinungen kriegt, wissen sogar Nichtsäufer, und einem Alkoholiker fällt das wohl als erstes ein, wenn er beschließt, aufzuhören. Händezittern erlebt so einer außerdem auch mal zwischendurch, wenn ihm der Stoff ausgeht. Überhaupt würde ich das hier etwas ausbauen: Was fühlt er, während er die Scheiben blankputzt? Denkt er an schäumendes Bier? Versucht, die Gedanken zu verdrängen, sich schöne Bilder vorzuhalten, vielleicht Erinnerungen an früher, dann wird auch das Ende plastischer? Und kommt dann doch wieder das Bier? Und, Scheiße, jetzt zittern ihm die Hände, so früh schon ...

Wie er den Orangensaft trinkt und schmeckt, gefällt mir. Wie ein kleiner Hoffnungsstrahl - leider doch umsonst.

Viele Grüße
Pischa

 

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