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Der gestiefelte Vater

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09.09.2004
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Der gestiefelte Vater

Der gestiefelte Vater

„Meine Herrschaft ist noch nicht zu Ende!“
Mary Shelley, FRANKENSTEIN

Den wirklichen, den wahrhaftigen Grund, warum ich damals diese Tat beging, könnte ich heute nicht mehr nennen. War es schlicht der Suff? Oder war es lange gehegter, in mich hineingefressener Groll?
Nein und wieder nein. Weder hatte ich – wie so oft – einen meiner Blackouts gehabt, sondern ich kann mich sogar bis heute glasklar und minutiös an jede Einzelheit dieses Ereignisses erinnern. - Noch hatte ich auch nur für einen Augenblick so etwas wie Zorn verspürt. Im Gegenteil. Tiefster innerer Friede und Seligkeit erfüllten mich an jenem Abend. Ich kann hierzu nur sagen, dass mir diese Idee von Anfang an als absolut schlüssig und selbstverständlich erschienen war. Und für einen verkannten Künstler, der ich damals war und heute noch bin, sollte das schon etwas heißen.
Zugegeben, es war nicht gerade mein Tag gewesen, und ich hatte in meiner Stammkneipe schon einiges über den Durst getrunken. Jedenfalls betrachtete ich dann eine Weile lang gedankenvoll und mit gesenktem Kopf die nagelneuen Doc-Martens-Stiefel an meinen Füßen (ein Grund zur Freude, immerhin) und stieß dabei in Gedanken irgendwie auf meinen Stiefvater.
Ein Zusammenhang drängte sich mir schlagartig auf: Ein Stiefvater ist ein Vater, der gestiefelt werden muss.
Ich begoss diese erfreuliche Inspiration sogleich mit einem weiteren (etwa fünfzehnten) Ouzo. Der Schnaps glitt weich meine Kehle hinab wie geschmolzene Butter, und der Einfall erschien mir umso verlockender. Als aber der Ouzo heiß in meinem Magen explodierte wie ein Silvester-Feuerwerk, erschien er mir nicht mehr nur verlockend, sondern fast zwingend, ja, geradezu unvermeidlich. In meinem Kopf begann ein dumpfes Dröhnen, das zusehends anschwoll und schließlich seinen Höhepunkt fand in einem gewaltigen inneren Gongschlag. Die Gewissheit durchzuckte mich wie eine heftige Welle elektrischer Energie: Heute war der Tag. Heute musste es getan werden!
Augenblicklich schienen meine Bewegungen wie von einem gleichmäßig ruhig tickenden, inneren Uhrwerk angetrieben. Ich rutschte mit mechanisch minimalistischem Schwung vom Barhocker, bezahlte kurz angebunden die Zeche und brach auf.
Zielstrebig wie noch nie fühlte ich meine Schritte zum Elternhaus hin gelenkt. Noch nie in vergangenen Jahren – bevor ich erleichtert von daheim ausgezogen war –, hatte ich mich so emsig und sehnsüchtig auf den Weg dorthin gemacht. Die tiefstehende Abendsonne warf ihre Strahlen über einen Herbsthimmel, der aussah, als hätte jemand eine große Flasche Rotwein darüber ausgekippt. – Es war ein bedeutungsschwangerer Abend. Und ich war glücklich.
Zwar war mir die rein körperliche Überlegenheit meines Stiefvaters bewusst, sogar schmerzlich bewusst in Erinnerung an frühere Jahre, doch wusste ich mich auch im Vorteil des Überraschungsmoments – und im Besitz einer wirkungsvollen Waffe. Außerdem hatte ich schon einen Plan gefasst, um den Stiefvater zu überwältigen. Ein großes Stück Ast, das ich am Wegesrande fand, schien mir wie von einem Engel der Vorsehung dorthin gelegt ...
Ich erreichte das elterliche Einfamilienhaus, schlich mich durch den sorgfältig gepflegten Vorgarten zur Rückseite und bestieg den Treppenabsatz auf das Podest, wo die Eingangstüre sich befand. Für einen Augenblick genoss ich das überwältigende Deja Vu-Gefühl – das schmiedeeiserne Geländer, die ganze Anlage wie ein einziges großes Wohnzimmer, der Rasen wie ein grüner Teppich, die Bäume und Sträucher wie Zimmerpflanzen, das gesamte Haus wie eine barocke Schrankwand –, bevor ich auf die Klingel drückte mit dem typisch schlesischen Namenszug auf dem Schildchen darüber.
Erwartungsgemäß öffnete mein Stiefvater die Tür, denn, wie ich wusste, gehörte dies zu seinen Privilegien als Hausherr, wenn er daheim war.
„Was führt dich hierher, mein Sohn?“, fragte er mit rauer, dunkler Stimme und seiner gewohnten Haltung von Würde und Autorität.
Doch waren dies die einzigen wohlartikulierten Laute, die ich ihn an jenem Abend (und je seither) von sich geben hörte. Ich feuerte ihm mit meiner neu erworbenen Gaspistole mitten ins Gesicht. Er hatte gerade noch Zeit, mich mit weit aufgerissenen Augen ungläubig anzuglotzen und überrascht zusammenzuzucken. Denn noch bevor das Gas seine volle Wirkung entfalten konnte und er begonnen hätte zu schreien und umherzuzappeln, hieb ich dem taumelnden Familienoberhaupt meinen Stock über den Schädel. Benommen kippte er vornüber zur Türe hinaus.
Während das CS-Gas sich allmählich in der lauen Abendluft verlor, betrat ich, mich seitlich am Körper des Stiefvaters vorbeidrückend, halbwegs die Türöffnung und fasste den Stiefvater an den Füßen. Dann drehte ich den stämmigen Stiefvater ganz aus der Türöffnung heraus und zerrte ihn zur Treppe hinab.
Einer inneren Eingebung folgend legte ich seinen Kopf mit geöffnetem Mund genau auf die Kante jener Treppenstufe gepresst, ließ ihn also in die Stufe hineinbeißen, wo einer der Maurer nach Erbauung des schönen Eigenheims zum Richtfest einen Glückspfennig einbetoniert hatte. Getreu nach dem Motto: Tritt hinein, bring Glück herein!
Mit aller Inbrunst und Liebe trieb ich dem Stiefvater meinen Stiefelabsatz in den Nacken. Die Mundwinkel platzten, und sein imposanter schwarzer Vollbart verfärbte sich purpurrot. Die Kieferknochen krachten. Die herausgesplitterten Zähne des Stiefvaters glitzerten in der untergehenden Sonne.
„Andreas, wer ist denn dort draußen?“, vernahm ich jetzt eine vertraute weibliche Stimme aus dem Innern des Hauses, zudem das noch vertrautere Geklapper von Geschirr. Hierbei handelte es sich zweifelsfrei um meine Mutter, und für einen kurzen Augenblick war meine Ausgelassenheit völlig dahin. Ich würde sogar sagen: Ich fühlte mich gerade so ernüchtert, als wäre mir während einer besonders zärtlichen Liebesnacht ein schrecklich lauter, feuchter und stinkiger Furz entfahren.
Ich ward aber zur Eile gemahnt. Ohne weiter zu zagen, trat ich noch einmal freudig und kraftvoll zu. Diesmal auf den kahlen Hinterkopf. Das Nasenbein machte kroack. Die Backenknochen machten krounk. Und eine ansehnliche Menge von Blut floss nun in langen Strömen die Treppenstufen hinab. Wellen von konvulsivischen Zuckungen rollten über den Körper des Stiefvaters hinweg. Nur sein in der Treppenstufe verbissener Kopf verharrte starr wie einbetoniert. Dann hörte ich das alberne Getrappel der sich eilig nähernden Schritte meiner Mutter.
Leider hatte ich keine Zeit mehr, mein Werk großzügiger mit dem Blick des Meisters zu würdigen. Rasch wandte ich mich zum Aufbruch und verließ das elterliche Terrain auf dem schnellsten Wege.
Mit dem Bewusstsein etwas Großes, Sinnvolles und Nützliches geschaffen zu haben, begab ich mich zum Zwecke eines fortgesetzten Besäufnisses zurück zu meiner Stammkneipe. – Mochte doch meine Mutter den gestiefelten Vater von der Treppe kratzen. Immerhin verfügte sie über eine genügende Anzahl von Spaten und Schaufeln in der wohlausgestatteten elterlichen Heimwerkstatt. Reproduktions- und Aufräumarbeiten waren schon immer ihre größte Stärke gewesen.
Bevor ich meine Stammkneipe betrat, klopfte ich mir noch den Schmutz von den schönen neuen Stiefeln.

Einige Wochen später erfuhr ich durch meinen jüngeren Halbbruder, dass der Stiefvater von seinen Verletzungen genesen war. Jedoch sollte seine schöpferisch abstrakte Um- und Neugestaltung von fortwährender Dauer bleiben. Dasselbe galt für seine Stimme und Sprache. Letztere war offenbar nicht mehr von dieser Welt.
Zwar hatte ich nichts für die Ewigkeit geschaffen, jedoch wenigstens für die restlich verbliebene Lebenszeit des Stiefvaters.
Ich dachte gerade über eine posthume Konservierung oder gar Ausstopfung des gestiefelten Vaters nach, um mein Werk für die Nachwelt zu erhalten, als mein Bruder mir zu erklären versuchte, dass der Vater sich seit diesen Ereignissen innerlich viel ausgeglichener präsentiere und nun augenscheinlich zu seinem „wahren Selbst“ gefunden habe.
Da dies von Anfang an meine Überzeugung gewesen war, hakte ich nicht weiter nach, um Näheres über die Bedeutung der Worte des Bruders zu erfahren. Fest überzeugt bin ich auch heute noch, dass der gestiefelte Vater die Rettung seines Lebens – und somit auch seine Läuterung – jenem Glückspfennig verdankte, welcher in die bewusste Treppenstufe einbetoniert war. Mein Vertrauen auf innere Eingebungen ist dadurch in mir - der ich nach wie vor ein verkannter Künstler bin - erheblich gewachsen.

 

Folgendes schrieb Old Splatterhand über den Text:

Anstelle eines Datums, wie sonst von mir üblich an dieser Stelle:

Dieser Text stammt von irgendwann Ende der 80er. Ich kann nicht mal das Jahr genau sagen, ist ein unbeholfenes, antikes- mittlerweile überarbeitetes - Frühwerk, das ich damals ohne Anregung und Motivierung von Freunden nie zu Ende gebracht hätte.

Jeder von Euch, der schon mal versucht hat, solch ein Relikt zu überarbeiten, kennt vielleicht die Windmühlen der Betriebsblindheit, gegen die er oder sie ankämpfen muss. Ein schier hoffnungsloses Verfahren.

Trotzdem konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, es hier zu posten, da ich etwa 12 oder 13 Jahre später regelmäßig mit dem Schreiben angefangen habe, nur weil ich dieses alte Ding aus einer Schublade exhumiert und mit einem PC-Schreibprogramm vermählt habe. - Ebenfalls durch fremde Anregung. Dies nur als weitere Erklärung für die Widmung an M.Shelley. Außerdem muss ich immer noch bei der irrwitzigen Vorstellung lachen, mein Stiefvater könnte durch Zufall diese Geschichte lesen. (Lesen kann er ja noch. Seinen Augen ist nix passiert.)

Jedenfalls bildet dieser Text meine Genese als verkannter Autor. Vielleicht entdeckt ja Horni hier den lange vermissten "Biss", und ich hoffe, er hat diesen allegorischen Witz verstanden.

@Splat: Kommentare zum Text bitte immer in ein Extra-Posting!

 

Hallo Old Splatterhand,

bis zu dem Punkt, wo dein Protagonist frohen Mutes das Lokal seines Besäufnisses verlässt und dem elterlichen Haus zuströmt, fand ich deine Geschichte noch munter und locker geschrieben und ich war erwartungsfroh, wann denn nun der point of interest, nämlich die Satire endlich loslegt.
Bis zu dem Punkt hab ich also nix zu meckern.
Aber dann ging es auf eine Weise weiter, die mir am Ende dieser Geschichte die Frage hinterlässt, was du nun kritisieren wolltest.
Etwa, dass ein Sohn im Suff endlich genügend Umneblung um und Mut in sich hat, um seinen Stiefvater fast umzubringen?
Was ist daran satirisch? Oder wo hab ich was übersehen?

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Lakita,

tja, was soll ich sagen? M.E. enthält diese Geschichte so viel Anspielungen auf bürgerlich patriarchalische Familienstrukturen, dass man sie eigentlich gar nicht überlesen kann. Hinzu kommen noch einige Anspielungen auf die schwäbische Mentalität der Häuslesbauerei, die dir als Hamburgerin vielleicht nicht so geläufig sein dürfte, jedenfalls nicht in der nervigen Form wie mir, der ich hier im "Ländle" aufgewachsen bin.

Der Prot ist - unschwer zu erkennen - ein Punk der 80er Jahre, der noch nicht lange diesen Verhältnissen entwachsen ist und nun endlich damit abrechnet - ohne auch nur einen Anflug von schlechtem Gewissen. Er tut dies aus rein künstlerischer Ambition und gibt keine weiteren Erklärungen für seine Handlungsweise ab, ist sich selber nicht ganz klar drüber, warum er so handelt. Seine albern flappsige Reaktion auf die Verhältnisse , aus denen er stammt, ist ein weiterer satirischer Faktor.

Darüber hinaus will die Story einfach unterhalten.

Gar nicht aufgefallen ist Dir außerdem, dass ich den barocken Schreibstil der "Gothik novel" des auslaufenden 19. Jh. nachahme, was einen krassen Widerspruch zur eigentlichen Handlung und zum "Draufsein" des Prot bildet.

Als Satire hab ich den Text außerdem gepostet, weil ich ihn doch recht lustig und schwarzhumorig finde. Dir wars wahrscheinlich zu krass, sodass die satirischen Spitzfindigkeiten schlicht an Dir vorbeigerauscht sind. Schade.

Gruß: Splat

 

Moin, Splat!

Fällt Dir was auf? Das, was Du da oben weitschweifig erklärst, müsste der Text eigentlich von ganz alleine transportieren. Leider tut er eben genau das wenig bis gar nicht. Im Grunde ist er lediglich die sprachlich etwas süffisant verpackte Schilderung einer sinnlosen und sehr unappetitlichen Gewalttat, die zudem im Text nur vollkommen unzureichend motiviert ist. Es fehlen Charakterisierungen, ein Spannungsbogen, kurzum: Eine echte Geschichte. Es baut sich nichts auf, nirgendwo wird das Sujet, das Du angeblich satirisch bearbeiten wolltest, wirklich ausgearbeitet, es wird im Grunde absolut nichts erzählt außer der Hergang dieser Verstümmelung eines Menschen. Das ist für eine Satire leider zu wenig. Und für eine gut durchdachte Geschichte auch.

Ergo: Sorry - nix Biss, nix schwarzhumorig, nix Satire auf Häuslebauer und verkannte Genies. Ich find's leider nur öde und übertrieben gewalttätig...

Gruß,
Horni

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Horni,

... "eine echt Geschichte" ... wa wohl n Schreibfehler von Dir. Was Du eigentlich schreiben wolltest war sicherlich: eine schlechte Geschichte.

In einem Punkt hast Du Recht: Das ist eine süffisant ezählte Geschichte über eine unmotivierte, sinnlose Gewalttat. ("Wieso gibt es nicht viel mehr Gewalt in dieser Zivilisation? Gewalt ist von so unwiderstehlicher Plausibilität, dass wir sie jederzeit und überall verüben." - T.C. Boyle)

Mein erster Eindruck hat sich nunmehr komplettiert: Wenns n bisschen anarchisch daherkommt, verstehst Du überhaupt keinen Spaß: Nix Biss. Nix Schwarzhumor. No fun. No future.

Gabs rein handwerklich gar nix auszusetzen? Sorry, aber das bestätigt mich erst recht.

Schönen Gruß: Splat

PS: Meine "weitschweifige" Erklärung im ltzt. Beitrag hat mir selber weh getan. innerhalb meiner lokalen, analogen Lesergemeinde war das niemals nötig.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin!

Old Splatterhand schrieb:
... "eine echt Geschichte" ... wa wohl n Schreibfehler von Dir. Was Du eigentlich schreiben wolltest war sicherlich: eine schlechte Geschichte.
Nö. Schrieb ich doch: "Es fehlen: [...] Eine echte Geschichte." Aber Du hast Recht: Eine schlechte Geschichte ist es natürlich auch...

Ansonsten: Ich war eigentlich der Ansicht, hinreichend auf gerade die handwerklichen und erzählerischen Mängel der Geschichte hingewiesen zu haben. Aber vielleicht hab ich mich auch einfach nicht deutlich genug ausgedrückt. Deshalb noch mal im klarsten Klartext:

Dieser Text ist inhaltlich platt, hat schwerste Mängel in Bezug auf Charakterisierung und Motivation der Figuren, einen extrem dürftigen Spannungsbogen, das Thema ist unklar und die Satire finde ich selbst beim mit der Lupe suchen nicht so wirklich.

Natürlich ist das schriftliche Ausleben irgendwelcher Gewaltfantasien, das anschließende Behaupten, es sei Satire und das schlussendliche sich Hinstellen als mißverstandener Anarchie-Künstler ungefähr so cool, wie eine Baseballmütze verkehrt rum aufzuhaben, aber lass Dir gesagt sein: Ich hab keine Probleme damit, wenn jemand so anarchistisch ist, dass es ihm/ihr zum Hintern wieder rauskommt - solange er/sie/es dabei eine gute Geschichte resp. Satire erzählt. Und das tust Du nun mal leider nicht (s.o.).

Gruß,
Horni

PS: Hast Du vor, noch weitere Deiner Schubladen-Exponate hier abzufeiern? Sind die alle so? Ich kann's gar nicht erwarten... :dozey:

 

Hi Horni!

Mann, das war ja ne schnelle Reaktion!
Anscheinend bin ich Dir auf n Schlips getreten.
Dass "Der gestiefelte Vater" ne schlechte Geschichte ist, ist natürlich nur Deine Meinung. Meine Meinung ist das u. a. nicht. In meinem Bekanntenkeis hab ich damit schon Erstickungsanfälle (vor Lachen) ausgelöst. Echt wahr. Hängt vielleicht damit zusammen, dass es sich dabei um Leute dreht, die mich kennen ...

Indem Du behauptest, ich würde mich als missverstandener, anarchistischer Künstler hinstellen, verwechselst Du mich offenbar mit dem Protagonisten der Story. Meine diesbezügliche Anmerkung im Anhang der Story war nur n joke, genau wie die Bemerkung, dass mein Stiefvater noch lesen kann ...

Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Du schlecht damit umgehen kannst, wenn jemand sich selbst und seine Story nicht so ganz ernst nimmt bzw. meint und einfach n bisschen rumalbert. Will sagen: Du hast keinen Spaß dabei. Kochst Du ohne Salz? Autsch, das war schon wieder n Tritt auf n Schlips. Würdest Du mich kennen, wärst Du jetzt nicht beleidigt; ich mein das alles nicht so ernst.

Keine Angst übrigens: Ob ich hier noch was veröffentliche, muss ich mir schwer überlegen, und das ist ausnahmsweise echt ernst gemeint. Vermutlich antwortest Du mir jetzt, dass ich bloß nicht so lange überlegen soll.

Gruß: Splat

 

Old Splatterhand schrieb:
In meinem Bekanntenkeis hab ich damit schon Erstickungsanfälle (vor Lachen) ausgelöst. Echt wahr.
In welchen Zuständen man sich befinden muss, um diese Form von Brutalität zum Totlachen zu finden, will ich mal nicht spekulieren. Wahrscheinlich ein typischer Fall von "Muss man dabei gewesen sein..." :dozey:

Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Du schlecht damit umgehen kannst, wenn jemand sich selbst und seine Story nicht so ganz ernst nimmt bzw. meint und einfach n bisschen rumalbert.
Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Du nur schwer beurteilen kannst, womit ich so umgehen kann oder nicht. Immerhin geht es hier lediglich um Textkritik. Ich unterstelle Dir schließlich auch nicht, für was für eine Sorte Mensch man jemanden halten könnte, der die explizite Darstellung der brutalsten Verstümmelung eines Menschen als besonders ausgeprägte Form von schwarzem Humor betrachten kann... :rolleyes:

Was ich allerdings sage: Das hat für mich absolut nichts mit Satire oder auch mit Anarchie (Ist Dir überhaupt klar, was der Begriff wirklich bedeutet?) zu tun! Und mit Spaß schon gar nicht!

btw: Was mich allerdings nervt: Wenn man meine Zeit verplempert. Zum Beispiel mit miesen Texte, die auf der Grenze zur Gewaltverherrlichung balancieren und anschließend durch irgendwelche "War doch nur Spaß"-Kommentare relativiert werden sollen. Spaß ist anders.

Nuff said,
Horni

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Horni,

Du lässt ja nix anbrennen.

Ich wollte Dich echt nich beleidigen. Natürlich hab ich keine Ahnung, womit Du umgehen kannst und womit nicht. Ich habe mich nur auf Deine bisherigen Kritiken auf meine Texte bezogen und den dadurch bei mir entstandenen Eindruck. Offenbar hab ich Dich ernsthaft verärgert. Das wollt ich nich.

Der Text, um den es geht, ist als Schmankerl gemeint egal , was Du jetzt persönlich von mir halten magst. Ich selbst verabscheue Gewalt. Leider ist sie in unserer Gesellschaft durchaus präsent, und ich halte es für legitim, das zu thematisieren. Ich verherrliche hier gar nix. Klar ist die Geschichte bitterböse, Spannungsbogen und Dynamik des Textes transparent, wenn auch nicht gerade bequem, appetitlich oder leicht verdaulich. War nie meine Ambition, was leicht Verdauliches abzusondern. Wozu denn sonst der Aufwand? Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Du nicht beurteilen kannst, ob ich meine "Gewaltfantasien" hier auslebe.

Sorry, dass ich Deine wertvolle Zeit vergeudet habe. Gruß: Splat

PS: Mit M. A. Bakunin bin ich durchaus mehr als vertraut. Dass Du mich offenbar für völlig verblödet hältst, könnte ich jetzt persönlich nehmen, tue ich aber nicht. Auch nicht, dass Du meinen Text als mies bezeichnest. das spricht gegen Dich und nicht gegen mich. Ich bin in diesem Thread niemals persönlich geworden, jedenfalls nicht absichtlich. Ganz im Gegensatz zu Dir.

 

Guten Abend, alle, und insbesondere Old Splatterhand

Ich würde mich der Meinung von lakita anschließen, das der Anfang der Geschichte recht vielversprechend geschrieben wurde. Ich muss ehrlich sagen, das sich bei mir wegen der Logik des Prots die Vermutung durchaus aufkam, es handle sich um einen Punk der Achtziger. Allerdings kann ich durchaus nachempfinden, warum andere Menschen deine Geschichte derart negativ betrachten: Der gelungene, gemütliche Anfang verleitet einen Freund leichter Geschichten zum weiterlesen, die deine Geschichte aber ist keine Fernsehshowsatire, sondern eine der schockierendsten, die mir je untergekommen sind: Ich nämlich habe sie als einen Pfahl in das Herz der nur zu oft beschönigten Punkkultur („wenigstens sind die keine Nazis“) aufgefasst. Jeder Leser, vorausgesetzt er ist ein geistig gesunder Mensch, verspürt zwangsläufig eine starke Widerwart gegenüber diesen „lockeren“ Menschen, die einen alten Mann auch totschlagen können, nur weil sie gerade Lust dazu haben. Das Lächeln, mit dem man den Anfang der Geschichte liest, die Sympatie, die man für den tollpatschigen Prot empfindent, bleibt einem im Halse stecken, nachdem im selben heiteren Stil beschrieben wird, wie das „Stiefeln“ aussieht – Befremdung ist immer unangenehm, aber es wirkt. Eine der wenigen Satiren, bei denen ich hier stutzen musste. Sicherlich nichts zum totlachen, allerdings!!!

Gruß
A.v.M.

 

@Splat:

Es ist strategisch ziemlich ungeschickt- böse Zungen könnten auch sagen: hinterhältig - bestehende Postings Tage später durch irgendwas zu ergänzen. So bin ich nur durch Zufall drauf gestoßen.... :rolleyes:

Dazu ein paar Anmerkungen:

- Niemand hält Dich für blöd. Aber ich frage mich ernsthaft, ob Du den Grundgedanken der Anarchie wirklich richtig interpretierst. "Ich kann jeden zu Klump schlagen, der mir nichts passt..." ist es mE nämlich nicht.

- Es ist jederzeit mein gutes Recht, diesen Deinen Text mies zu finden und das auch zu kommunizieren. Das hat absout nichts mit persönlichem Angriff zu tun. Das ist Textkritik, dafür sind wir hier. Ich bitte Dich, da sehr genau zu differenzieren.

- Zumal ich Dir bereits sehr genau auseinander gesetzt hatte, warum ich Deinen Text mies finde: Er ist in meinen Augen absolut nicht satirisch, sondern lediglich gewaltverherrlichend, da er einen Akt brutalster Verstümmelung eines Menschen nonchalant als gangbare Lösung eines nicht einmal näher spezifizierten Konfliktes präsentiert. Sorry, mit sowas erntet man bei mir (und vielen anderen) nun mal keine Lorbeeren.

Gruß,
Horni

 

Also ich finde den Text einfach nur gewaltverherrlichend. Keine Spur von lustig oder gar satirisch.
Und komm mir nicht mit Bakunin:

Der Revolutionskatechismus/Pflichten des Revolutionärs gegen sich selbst schrieb:
§ 7. Die Natur des wahren Revolutionärs schließt jede Romantik, jede Empfindsamkeit, jeden Enthusiasmus und jede Hinreißung aus; sie schließt sogar persönlichen Haß oder Rache aus. Die revolutionäre Leidenschaft, bei ihm zu einer alltäglichen und beständigen Gewohnheit geworden, muß mit kalter Berechnung gepaart sein. Immer und überall muß er nicht seinen persönlichen Trieben, sondern nur dem gehorchen, was ihm das allgemeine Interesse der Revolution vorschreibt.

Meiner Meinung nach sit die Geschichte ein Fall für die Tonne.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Horni!

An meinem letzten Beitrag hab ich noch ein paar Mal rumgemurkst, weil mir noch irgendwas dazu eingefallen ist. Wusste nicht, dass das nicht üblich ist. Hab ich auch bei meiner letzten Story gemacht. (Einen Beitrag geändert und Dich sogar drauf hingewiesen. Erinnerst Du Dich?)
In diesem Beitrag erinnnere ich mich an meine letzte Aktivität, "Was bedeutet: Nuff said" gelöscht zu haben. Habs zuerst auf Deutsch gelesen, klang irgendwie arabisch für mich. Später ging mir auf, dass "nuff" eine mir unbekannte Abkürzung für "enough" sein könnte, vielleicht aus einem Hip-Hop Text, oder so. Ich hab aber auch im Vorfeld manches geändert oder zugefügt. Hab weder heimtückische noch überhaupt (nicht mal rechtschaffene) strategische Ziele dabei verfolgt, wollte nur meine Meinung zum Ausdruck bringen. Wusste wirklich nicht, dass ich mich dadurch noch weniger salonfähig mache. Für solche Spielchen bin ich nicht verkrampft genug. Glaubs oder halt nicht.

Ich hab jetzt auch keinen Bock mehr, mich mit Dir rumzustreiten, wer von uns zu wem unkorrekt war. Unsere ganze Kommunikation auf diesem Thread hat sich irgendwie von "ganz locker" in ein "total wütend auf einander" hochgeschaukelt. Wir hatten gerade angefangen "Tennis" zu spielen, als ich dann auch noch Besuch bekam und eher unkonzentriert weiter gemacht hab, weil ich den Ball einfach zurückschlagen wollte. Ich war also mit Sicherheit nicht gerade unschuldig an dieser Entwicklung. Scheiße fand ich sie trotzdem.

Im Nachhinein denke ich, wirklich geärgert hat mich nur, dass meine Story so unsubtil aufgefasst wurde.

Natürlich ist der Prot ein Verrückter. Er handelt nach einer zugleich plumpen wie bizarren Logik, die trotzdem für ihn stimmig ist. Das Ergebnis seines Handelns bestätigt ihn dann sogar noch in seiner Verrücktheit!

Als ich schrieb, dieser Text käme anarchisch daher, meinte ich doch nicht die Handlungsweise des Prot. !Ich wollte das doch nicht zur Nachahmung empfehlen! Der Text kommt anarchisch daher, weil er Regeln der Erzählkunst einfach vernachlässigt oder bricht. Es wird weder ein Hintergrund noch irgendeine Motivation für diese Tat angeführt. Sie geschieht einfach aus der Perspektive des Prot, hinter dessen Ausgelassenheit und verklärter Freude man nur Leere vermuten kann. Am Ende stellt sich die bange Frage, ob solch ein Ungeheuer schlicht der typisch deutschen Häuslesbauer-Spießigkeit entschlüpft ist.

So, ich denk, jetzt hab ich genügend tief die Hosen runter gelassen , indem ich meine Story erkläre.

Als Du irgendwann geschrieben hast, was alles in diesem Text fehlt (eine schl/echte Geschichte) und wie übertrieben gewalttätig sie sei, dachte ich: SCHEISSE! DER KAPIERT JA ÜBERHAUPT NIX!! Und so gings dann los ...

Lassen wirs jetzt. Ich schätz, wir können halt nicht miteinander. Zuviel Missverständnisse.

Von meiner Seite zu diesem Thema zwischen uns: "Nuff said." (An diesem Beitrag werd ich auch im Nachhinein nix mehr ändern nicht mal, wenns mich juckt. Versprochen.)

Gruss: Splat

 

Old Splatterhand schrieb:
An meinem letzten Beitrag hab ich noch ein paar Mal rumgemurkst, weil mir noch irgendwas dazu eingefallen ist. Wusste nicht, dass das nicht üblich ist.
Das Problem ist ein rein technisches, weil man über Änderungen in Beiträgen keine Benachrichtigung bekommt und demzufolge neue/geänderte Diskussionsbeiträge u.U. einfach nicht mitbekommt. Deshalb ist es in jedem Fall sinnvoller, wenn einem noch was einfällt oder so, das in ein neues Posting zu packen (oder halt in ner PM, wenn's jetzt nicht von sooo grandiosem öffentlichem Interesse ist)
Unsere ganze Kommunikation auf diesem Thread hat sich irgendwie von "ganz locker" in ein "total wütend auf einander" hochgeschaukelt.
Ich weiß nicht, wie's Dir geht, aber ich bin nicht wütend. Für mich sind solche Diskussionen vollkommen alltäglich. ;)
Im Nachhinein denke ich, wirklich geärgert hat mich nur, dass meine Story so unsubtil aufgefasst wurde.

Natürlich ist der Prot ein Verrückter. Er handelt nach einer zugleich plumpen wie bizarren Logik, die trotzdem für ihn stimmig ist. [...]

Das Problem ist, dass dies und anderes vom Text her bei mir absolut nicht ankommt - selbst, wenn Du drauf hinweist, sehe ich mich außerstande, viele Dinge am Text nachzuvollziehen. Deshalb finde ich den Text halt nach wie vor ziemlich mißlungen, sorry.

Man bedenke aber, dass über jeglicher Aussage meinerseits immer ein dickes (und nicht jedes Mal neu ausgesprochenes) "IMO" (In My Opinion) steht! Bzw. hat man - besonders wenn man jeden Tag soundsoviel an Text in sich reinballert, und nicht nur auf KG - hin und wieder auch mal ein Brett vorm Kopp. Ich bin ja auch nicht vor Fehlern gefeit. Vielleicht können dieser Text und ich halt einfach nicht miteinander. ;)

Am Ende stellt sich die bange Frage, ob solch ein Ungeheuer schlicht der typisch deutschen Häuslesbauer-Spießigkeit entschlüpft ist.
Wie schon erwähnt: Dass dieses Sujet (zumindest bei mir) nicht transportiert wird, ist einer der großen Schwachpunkte des Textes. Weil er dadurch ohne Basis bleibt. IMO.

Gruß,
Horni

 

Hi Anton von Mi,

Hab Deinen Beitrag gerade erst entdeckt, dachte Hornis Beitrag wär ne Antwort direkt nach meinem Beitrag gewesen.

Uff! Wenigstens hat einer was kapiert!

Nur so viel dazu: An keiner Stelle des Textes wird erwähnt, dass der gestiefelte Vater ein alter Mann ist. Schließlich handelt es sich um den Stiefvater des Prot. Der muss gar nicht so viel älter sein als der Prot selbst. Wenn der Prot ein 20 jähriger Punk ist, ist der Stiefvater vielleicht 40. Bin selber mittlerweile 42. Also, ich muss schon seeehr bitten ...

Ansonsten: Danke! Kann nur an den vorigen Beitrag verweisen, zum besseren Verständnis. Habs aber nicht als Kritik an der Punk-Kultur gemeint, sondern eher als Satire darauf, wie harmlos und flappsig sich menschliche Abgründe auftun können, aus scheinbar nichtigen Gründen.

Die Abneigung gegen meinen eigenen Stiefvater hat mir damals beim Schreiben der Story natürlich schon einigen Rückenwind verschafft. Aber selbstverständlich (ich kanns nur immer wieder sagen) hb ich sie trotzdem nicht gewaltverherrlichend gemeint.

Gruß: Splat

 

Hi Old Splatterhand,

ich habe im Herbst diesen Jahres mal versucht, eine Geschichte aus der Perspektive eines Hooligans zu erzählen. Die Verabredung im Internet, die freudige Erwartung, die Fahrt zum Spiel, die Spannung, wann die Keilerei endlich losgeht, die Exzesse der Gewalt und die Erregung daran.
Irgendwann habe ich abgebrochen, weil ich die Geschichte nicht erzählen konnte, ohne dass es zu Missverständnissen kommen würde.
Schließlich wollte ich keine rühselige Geschichte über die ach so traurigen psychologischen Hintergründe eines einzelnen erzählen, sondern mich dem Phänomen einer Masse nähern, die sich den Kick aus uns sinnlos erscheinener Gewalt holt.
Was das mit deinem Text zu tun hat?
Auf der Ebene einer Stiefvater/Stiefsohn Beziehung hast du mit dieser Geschichte etwas ähnliches getan. Vielleicht ist es dieser private Ansatz, der in deiner Geschichte für das Missverständnis der Gewaltverherrlichung sorgt. Die alltägliche und nach "Boyle" plausible Gewalt wird auf den familiären Mikrokosmos der Häuslebauer gebrochen, das Phänomen der Massengewalt bleibt so außen vor. Die Motivation wird zwangsläufig in einer gestörten psychologischen Beziehung gesucht und der Text entsprechend auf Hinweise darauf, um sich den Exzess plausibel zu lesen.
Aber genau das verweigert uns dein Text. Dein Prot geht einfach los, fröhnt seiner persönlichen Orgie, berauscht sich an ihr.
Dein Abstand als Autor zu dieser Gewalt dokumentiert sich lediglich in der Wahl der Rubrik. Mehr Hinweise gönnst du uns nicht. Mehr Hinweise sind mE auch nicht nötig, wenn man die Geschichte nicht in der Form liest, dass der Autor die Gewaltbeschreibung selbst als "lustig" empfindet.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass du das satirische in der Beschreibung des stumpfen Greuels siehst. Eher hatte ich den Eindruck, dass du es in der nonchalanten Darstellung desselben siehst, in der kalten und gleichgültigen Art, in der dein Prot seine Tat als die eines verkannten Künstlers betrachtet.
Die üblichen Zusammenhänge werden dissoziiert, der Ekel wird zur noch nicht einmal zur Lust am Splatter, lediglich zum Kick für den Augenblick. Wie bei Hooligans.

Die Gewaltbereitschaft der Masse bei gleichzeitiger politisch korrekter Entrüstung derselben ist ein gesellschaftliches Phänomen.
Vielleicht war es aus zwei Gründen nicht geschickt, sie an diesem Einzelbeispiel darzustellen.
Daraus ergibt sich auch ein Logikfehler. Dein Prot würde in unserer Gesellschaft genauso unweigerlich zur Verantwortung gezogen werden, wie die Reizüberflutung zur Eskalation von Gewaltpotential führt.
Erst Recht, wenn es noch Halbbrüder gibt, würde seine Tat juristische Konsequenzen haben.
Oder wolltest du uns mitteilen, dass die Gewalt schon so sehr in uns steckt, dass wir sie nicht einmal mehr anzeigen?
Dem stünde gesellschaftlich schon der Boom an Prozessen (und an Gerichtsshows) entgegen.

Ob ich deine Geschichte und ihren Plot wirklich gelungen finde, weiß ich nicht. Da ich die Diskussion zu deiner Geschichte gelesen habe, kann ich nicht mehr beurteilen, ob ich meine Interpretation eher aus der Geschichte, als aus der Debatte darüber ziehe. Wenn ich die Geschichte aber nach deinen Erläuterungen lese, lassen sich die Punkte auf alle Fälle darin finden.

Lieben Gruß, sim

 

Hi Sim,

danke erstmal, dass Du meine Story so aufmerksam gelesen und Dir tatsächlich Gedanken gemacht hast. Danke vor allem, dass Du mir nicht prompt und schlicht simple "Gewaltverherrlichung" unterstellst oder mich mit Zitaten politischer Philosophen bombardierst.Das Lustige und Anarchische an der Story hab ich natürlich nicht in der Handlungsweise des Prot gesehen, sprich im rein splatterigen Aspekt der Story. Als anarchistisch hab ich angesehen, dass zugleich explizit und lakonisch eine Gewalttat aus der Sicht des Gewalttäters geschildert wird, die durch Nichtigkeiten motiviert scheint. Das Ganze wird einfach so im Raum stehengelassen, ohne dem Leser einen Hinweis zu geben, nach dem er sucht, den er braucht. Der Leser wird schlicht nicht erlöst sondern in seinem Schreck alleine gelassen.

Das Lustige an der Story war für mich natürlich die völlige Weggeschossenheit des Prot, da hast Du völlig Recht; der ist doch aber auch echt schräg drauf, oder? Natürlich bleibt einem irgendwann das Lachen im Halse stecken, sobald einem klar wird, dass dies kein Monty-Python-Sketch ist, sondern tatsächlich passieren könnte und tatsächlich passiert, irgendwo ...

Und ab diesem Punkt scheiden sich unsere Geister. Erinnerst Du Dich genau an das Boyle-Zitat am Anfang dieses Threads? ... Gewalt ist von so unwiderstehlicher Plausibilität, dass wir sie jederzeit und überall verüben.

Es war nie meine Absicht, Massengewalt in einen Mikrokosmos zu transportieren. Ich hatte auch nie die Absicht, die Gewaltbereitschaft der Masse anhand einer einzigen Person darzustellen. Dazu ist doch der Typ viel zu abgedreht! Mir gehts um die Gewalt, die sich im Stillen innerhalb vier Wänden abspielt. Jeder kennt das typische Extrembeispiel: der Bäcker, der 30 Jahre lang morgens um 3 aufsteht und seine Arbeit macht; und eines Tages setzt er sich mit seiner Familie an den Mittagstisch und schlachtet alle ab einschließlich sich selber. Die meiste Gewalt, die stattfindet in Häusern und Wohnungen hat aber weder tödliche noch juristische Folgen. Noch findet sie überhaupt öffentliches Interesse. - Es sei denn, es kommt was im Fernsehen darüber. Aber auch dort wird der Zuschauer erlöst.

Apropos juristische Folgen: Es gab keine Zeugen für die Tat. Das Opfer - der gestiefelte Vater - kann sich verbal nicht mehr äußern. Vielleicht könnte er noch schreiben. Aber aus irgend einem Grund gibt er keine Auskunft. Auch damit wird der Leser alleine gelassen.

Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass der Halbbruder irgendwas über die Ursache der Veränderung seines Vaters weiß. Er scheint nicht mal neugierig, sondern sogar angetan von der Veränderung des Vaters zu sein.

Was red ich lang! In Deinem Denken musst Du irgendeinen toten Winkel übersehen haben, als Du einfach vorausgesetzt hast, dass ich über die Gewaltbereitschaft der Masse schreiben wollte. Weil der Prot ein Punk der 80er ist? Die Story stammt aus den 80ern. Und ich war damals selbst ein Kind der Punk-Kultur. Am besten schreibt man doch über das, was man kennt. So wirds authentisch.

Vielleicht hat Dich aber auch einfach die aufgegebene Hooligan-Story noch nicht losgelassen. Falls dem so ist, kann ich dir zur Inspiration eine gute Lektüre über Hooligans, andere Typen, über öffentliche (Massen-)Gewalt, private Gewalt und authentische abgründige Schicksale empfehlen. Der Roman heißt "Klebstoff" und ist von Irvine Welsh. Gerade das, womit Du Schwierigkeiten hattest - dieser feine Balance-Akt zwischen Nähe und Distanz zu seinen Figuren - meistert Welsh geradezu genial. Vielleicht hab ich mich jetzt auch blamiert, weil für jeden hier dieses Buch Schnee von gestern ist.

Jedenfalls hoff ich noch von Dir zu lesen, wie es zu diesem Missverständnis kam.

Gruß: Splat

 

Hallo Splat,

ich denke, das Missverständnis beruht tatsächlich auf der (erstmal nach hinten geschobenen) Hooliganstory, die meine Assoziationsketten angesichts der von dir beschriebenen Gewalt in in eine andere Richtung gelenkt hat. Ich suchte eher danach, wo sich Brutalität in dem von dir beschrieben Ausmaß in der Gesellschaft wiederfindet. Da kamem mir die Hooliganszenen der Fußball WM in Frankreich als erste Bilder. Auch die Methode des Bordsteinküssens oder Stiefelns kenne ich eher von Straßenkämpfen, als aus dem Familienumfeld. Das mag ein Grund sein, warum ich eher auf Massengewalt, denn auf Familiengewalt kam, eigentlich erstaunlich, denn letzteres ist in meinen eigenen Geschichten viel eher ein Thema.
Leider kenne ich den Kontext des Boyle Zitats nicht, auch wenn ich schon einige seiner Bücher verschlungen habe. Eventuell wäre ich ja dann auf deine Intention gekommen. ;)
Ich glaube, ich sollte mir die Geschichte in einem halben Jahr unabhängig von aller Diskussion dazu noch einmal durchlesen, um freier in meiner eigenen Lesart zu sein.

Lieben Gruß, sim

 

Auch, wenn Du mir nicht direkt geantwortet hast (sehr nett übrigens), rede ich zurück:

prompt und schlicht simple "Gewaltverherrlichung" unterstellst oder mich mit Zitaten politischer Philosophen bombardierst
Das mit der Gewaltverherrlichung sehe ich nicht als Unterstellung, sondern als Tatsache im Text, da es widerspruchslos und sogar "witzig" als die Lösung dargestellt wird. - Bakunin hab nicht ich ins Gespräch gebracht, sondern habe nur versucht, ein mögliches Mißverständnis (Anarchisten würden so, zu blinder Gewalt bereit, handeln), zu vermeiden, das eventuell nach Sätzen wie "Wenns n bisschen anarchisch daherkommt, verstehst Du überhaupt keinen Spaß" entstehen könnte. Denn die Gewalt in Deiner Geschichte hat weder mit Punk noch mit Anarchismus irgendetwas zu tun. Aus dem Zitat sollte zu erkennen sein, daß es für einen Anarchisten sogar verpönt wäre, so zu handeln.

Der Prot ist - unschwer zu erkennen - ein Punk der 80er Jahre
Ich erkenne ihn nicht als Punk der Achtziger - aber es gab ja immer schon echte und solche, die bloß die Oberfläche nachahmen, von der Ideologie dahinter aber nicht viel mitbekommen haben. Sogenannte blinde Mitläufer, die jeder Bewegung mehr schaden als nutzen, wie zum Beispiel dann, wenn sie derartige Geschichten als "anarchisch" bezeichnen und damit ein völlig falsches Bild produzieren.

Es gehört, meiner Meinung und Erfahrung nach, schon eine gehörige Portion innerer Gewaltbereitschaft dazu, so etwas überhaupt niederzuschreiben.

enthält diese Geschichte so viel Anspielungen auf bürgerlich patriarchalische Familienstrukturen, dass man sie eigentlich gar nicht überlesen kann
Nichts davon kann ich entdecken. Wo ist da eine Anspielung auf Familienstrukturen? Wo erfahre ich Gründe, die es mir als Leser verständlich machen, warum der Protagonist so gewalttätig wird und seinen Stiefvater, mit dem er ja offensichtlich nicht mehr unter einem Dach leben muß, so zurichtet. Kannst Du mir die betreffenden Sätze zitieren, die mir das (psycho)logisch nachvollziehbar machen? Ich finde sie nicht...

Ich finde nur eine Geschichte vor, die offenbar auf einem vom Autor unheimlich witzig empfundenen Wortspiel aufbaut. Ich finde das aber nicht witzig, denn ich finde auch Gewalt nicht witzig, wie Du offenbar.

Und um noch einmal auf die Familiensituation zurückzukommen: Dein Protagonist hätte keinen Grund, nachdem er bereits ausgezogen ist, so zu reagieren. Die Gewalt kommt ohne direkten Anlaß. Ich würde sie glauben, wenn sie direkt aus einem Konflikt entsteht - dann wäre sie nachvollziehbar. Aber doch nicht, wenn er eh schon ausgezogen ist und dann extra noch einmal hingeht, nur um den Stiefvater zusammenzuschlagen - das nennt man dann wohl "vorsätzlich".

Auch ist mir noch nie jemand begegnet, der mit Gewalt gegen seine Eltern oder Stiefeltern derartig locker umging - und ich hab schon mit vielen Leuten gesprochen, die selbst mißhandelt oder mißbraucht wurden.
Einer ist sogar dabei, der jede Nacht um drei wach wird, weil ihn die "Fratze" seiner Mutter mit seinen fünfzig Jahren immer noch im Traum verfolgt, die ihn als Kind immer um diese Zeit mißbraucht hat. Und obwohl seine Mutter bereits tot ist, ist er darüber nicht froh - weil ihm so jede Chance des Ausredens genommen wurde. Niemals hätte er so eine Tat begangen, wie Dein Protagonist.
Selbst hatte ich auch schon eine Geschichte hier, in der ich Mordgedanken gegen meine Mutter hegte - die fanden allerdings auch ausreichend Begründung im Text! -, aber ich konnte so etwas dann gar nicht schreiben, weil es da einen inneren Schranken gibt. In der ersten Version ließ ich die Mordszene aus und wechselte in den Gerichtssaal, innerhalb von zwei Tagen habe ich sie auf Selbstmord der Mutter umgeschrieben.
Ein anderer Autor hat eine Geschichte hier, in der er zwar seinen Vater umbringt, aber anschließend darüber nachdenkt, wie das alles geschehen konnte, und sich erst frei fühlt, nachdem er seine Tat dann abgesessen hat.

Und dann kommst Du mit so einer hingerotzten Geschichte und willst etwas über Familienstrukturen reden? Weißt Du, wie lächerlich das auf mich wirkt? :thdown:

 

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