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Der gestresste Mann
Der gestresste Mann
Er stand am Bahnhof.
Es war, wie jeden Morgen, das Gleiche.
Die gleichen Leute, die sich jeden Tag gehetzt ihren „Coffee to go“ holten, die gleichen Gerüche aus den vielen Shops, die immer währende gehetzte Atmosphäre...
Das alles war nicht neu für ihn. Doch trotz alledem, fühlte er sich an diesem Morgen merkwürdig anders. „Connor! Hey Connor, hier bin ich!“,rief eine Frauenstimme. Connor drehte sich um, weil er seinen Namen gehört hatte. Aber die Frau hatte er noch nie zuvor gesehen. Nun erkannte er, dass sie einen anderen Mann rief, der zufällig auch „Connor“ hieß.
Gedankenverloren starrte er auf die anhaltenden Züge, aus denen immer wieder Leute ausstiegen und mit gehetzten Mienen auf ihre Uhren schauten.
Dann fiel es ihm wieder ein. Er hatte noch einen Termin.
Schnell suchte er die große Uhr, die über dem Bahnhof hing.
„Mist, schon zwanzig nach elf!“, dachte er.
Er rannte die zum Ausgang führenden Treppen hoch und kam verschwitzt oben an.
Er blickte erneut auf die Uhr, doch die Zeiger schienen schneller zu laufen als für gewöhnlich.
Verzweifelt suchte er den Ausgang und rannte immer den Pfeilen entlang, die einen durch das Labyrinth des Bahnhofs führen sollten. Doch am Ziel angekommen, fand er nur eine gesperrte Treppe vor, die ihn nicht weiterbringen würde.
Der Schweiß perlte von seiner Stirn herab und er schaute sich verwirrt nach der großen Bahnhofsuhr um.
„Jetzt ist es schon fünf vor eins! Wie kann das nur sein?“, schrie er verzweifelt.
Plötzlich sah er alles verschwommen. Die gehetzten Mienen um ihn herum, nahmen ihn nicht wahr und keiner sah, wie er zu Boden fiel.
Er wachte in einem abgedunkelten Zugabteil auf.
Er fühlte sich furchtbar und alles tat ihm weh.
Langsam sah er sich im Abteil um. Durch das schwache Licht konnte er kaum etwas erkennen. Wo war er nur gelandet? Er konnte sich nur noch an kleine Fetzen seiner Gedanken erinnern. Er erinnerte sich langsam daran, dass er zu Boden gefallen war, und daran, dass die Zeiger der großen Uhr sich ungewöhnlich schnell fortbewegt hatten.
Er blinzelte. In seinem Kopf drehte sich alles und ihm war schlecht. Er sah sich noch genauer in dem abgedunkelten Zugabteil um. Dann erkannte er sie. Schlafende Menschen ohne „Coffee to go“ in der Hand und ohne gehetzte Mienen! Diese neue Umgebung war fremd für ihn. Es war nicht wie jeden Morgen am Bahnhof, wo er die gestressten Gesichter beinahe schon auswendig kannte.
Plötzlich kam jemand zur Tür herein. Es war ein Schaffner, der anscheinend die Fahrkarten kontrollieren wollte. Schnell kramte Connor nach seiner Fahrkarte. Doch ihm fiel auf, dass er keine dabei hatte. Er geriet in Panik und wollte sich am liebsten aus dem Fenster des fahrenden Zuges stürzen. Ihm fiel auf, dass die anderen Fahrgäste seelenruhig weiter schliefen. Etwas verwirrt aber immer noch hastig, durchsuchte Connor seine Taschen. Er merkte, wie sich jemand neben ihn stellte und stehen blieb. Connors Herz begann zu pochen, so aufgeregt war er. Noch nie hatte er etwas verbotenes getan, wie das Fahren ohne Ticket. Außerdem wusste er überhaupt nicht, wie er in diesen Zug gekommen war. Ihm fiel auf, dass keiner einen „Coffee to go“ bei sich hatte. Auf den Tischen, neben den schlafenden Menschen, lag auch kein vollgeschriebener Terminplaner. Nur ein paar Lampen, die schwach leuchteten, zierten die Tische. Connor spürte wie er nach und nach ruhiger wurde. Woran das wohl lag? Vielleicht lag es an der entspannten Stimmung, die ihn umgab. Und auch der Termin, den Connor hatte, war wie vergessen. Die Person neben ihm räusperte sich leise. Es war der Schaffner, der neben ihm stand und er sagte: „Guter Mann, sie hatten einen Termin? Nun, sie sind ziemlich pünktlich. Um hier mitfahren zu können, braucht man nur Geduld. Also sparen sie sich ihre Energie für die wirklich wichtigen Dinge im Leben auf – einer gehörigen Mütze voll Schlaf. Gute Fahrt!“. Und auf Einmal verschwand alles um Connor herum. Er nahm nur noch die ruhige Atmosphäre des abgedunkelten Zugabteils wahr.