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Der grüne Jäger

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30.06.2004
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Der grüne Jäger

Der grüne Jäger

Mein Vater ist kein schlechter Mensch. Ganz egal, was Mutter sagt, ganz gleich, wie oft Lucia über ihn schimpfte, ich weiß, dass er nicht von Grund auf böse ist. Bis vor kurzem glaubte ich, dass niemand auf dieser Welt von Grund auf böse sein kann.
Es ist dunkel geworden und der Wind fegt durch die Schlucht. Er riecht nach Schnee. Bald schon wird es Winter sein, hier oben sicher noch viel schneller als bei uns im Tal. Ich ziehe das Tuch enger um meine Schultern und denke an zu Hause.
Wenn bei uns die ersten Flocken fallen, ist dies immer ein Zeichen dafür, dass nun die gemütliche Jahreszeit beginnt. Im Winter geht der Vater nur selten zum Holzschlagen und auch die Schafe bleiben im Stall. Bei tiefem Schnee ist es unmöglich, ins Dorf zu kommen, und so kuscheln wir uns oft zu viert in die Stube an den Kamin. Lucia und ich spinnen Wolle, während die Mutter strickt oder näht und der Vater Talgkerzen fertigt. Im Winter spielt es keine Rolle, dass wir arm sind. Im Winter, so scheint es mir oft, sind wir wirklich eine Familie.
Der Wind beißt sich durch mein Wolltuch und mahnt mich, dass ich verlorenen Zeiten nachtrauere. Das kleine Haus mit dem Kamin steht nicht mehr und in dem Gutshof habe ich mich nie wohl gefühlt. Vater sagte immer, ich würde mich schon noch daran gewöhnen, aber ich weiß, dass das nie geschehen wäre. Nicht, so lange ich am Leben und er im Haus war.
Regen gesellt sich zum Wind und ich kann zwischen den Schleiern in einiger Entfernung das Ende der Schlucht erahnen. Ich schleppe mich weiter aufwärts, auch wenn sich das Wetter mir entgegen wirft, als wolle es mich aufhalten. Meine bloßen Füße schmerzen vor Kälte und weil ich sie mir an den scharfen Felsen blutig gestoßen habe. Es erscheint mir nur gerecht, dass ich leide. Denn ich alleine trage die Schuld an dem, was geschehen ist, das weiß ich nun.
Eine Schotterhalde erstreckt sich vor mir, als ich das Ende der Schlucht erreiche, sie führt weiter bergan. Als ich meinen Fuß auf den ersten Felsbrocken setze, löst sich der Stein und ich verliere das Gleichgewicht. Im Fallen noch ziehe ich die Hände ein und drehe mich so, dass der Sturz von meinem gerundeten Bauch aufgefangen wird. Hart schlage ich auf und muss aufschreien vor Schmerz. Das Kind regt sich und tritt. Also lebt es noch. Ich muss noch höher hinauf. Mühsam rappele ich mich auf und mache mich an den Aufstieg.
Ich bin mir sicher, mein Vater wollte nur das Beste für uns.

***

So lange ich denken konnte, lebten wir – das waren meine Mutter, mein Vater, meine kleine Schwester Lucia und ich – in einem kleinen, etwas windschiefen Blockhaus, etwa eine Stunde entfernt von Ettilino im Winterforst. Als ich noch klein war, fragte ich mich oft, warum unser Wald Winterforst hieß, wo doch eigentlich nur drei Monate im Jahr Winter war. Ich erklärte es mir damit, dass der Winter immer die schönste Jahreszeit bei uns war.
Tatsächlich war es vor zwei Jahren, wenige Wochen bevor der Winter begann, als ich dem grünen Jäger das erste Mal begegnete. Mein Vater war wieder einmal vom Holzschlagen nicht heimgekehrt, und als es draußen vor dem Fenster zu dämmern begann, sah meine Mutter von ihrem Strickwerk auf, blickte zu Lucia und mir und seufzte laut. Wir kannten diesen Seufzer und wussten, was er zu bedeuten hatte. Lucia zog ein finsteres Gesicht und mir war klar, was in ihrem Kopf vorging. Gleich würde sie wieder anfangen, auf Papa zu schimpfen.
„Ich gehe schon, Mutter“ Rasch sprang ich auf und warf mir meinen Mantel um die Schultern, bevor Lucia Zeit hatte, etwas zu sagen. Ich streifte meine Holzschuhe über und stopfte Lappen herein, denn die Nächte waren schon sehr kalt. Dann schlüpfte ich ins Freie. Eine Lampe hatte ich nicht, denn das Öl war teuer, aber den Weg nach Ettilino hätte ich im Schlaf gefunden. Eine dünne Reifschicht lag über den Zweigen und Blättern des Winterforstes, wie die zarten Spitzendecken in den Schaufenstern des Webers, die ich immer bewunderte, wenn ich nach Ettilino kam. Ich konnte meinen Atem sehen, während ich den Waldweg entlang eilte.
Die Leute sagten immer, der Winterforst sei verwunschen, und das Böse ginge darin umher. Ich weiß nun, dass das die Wahrheit ist, aber damals konnte ich die Dorfbewohner nicht verstehen, die den Forst fürchteten und hassten. Sogar meine eigene Schwester Lucia wünschte sich oft, in Ettilino zu wohnen.
Ich dagegen liebte den Wald und genoss es geradezu, an diesem Herbstabend durch den Reif zu laufen, der die toten Blätter unter meinen Füßen knirschen ließ. Jede Kehre des Weges war mir bekannt und vertraut. Ich passierte den alten verfallenen Brunnen, von dem die Leute sagten, er sei ein Wunschbrunnen und folgte dem Pfad aufwärts bis zu der Ruine des Herrenhauses, das einst den Wald überblickt hatte. Dort hielt ich einen Moment lang inne, um etwas Luft zu schnappen. Von hier aus fiel der Weg stetig ab bis zum Dorf, und ich konnte schon die warmen Lichter in den Fenstern ausmachen. Im Hintergrund erhoben sich majestätisch die Silhouetten der Berge.
Ich schnupperte in den Wind, der von den Bergen kam und in dem schon die erste Ahnung des kommenden Winters lag. Einige Augenblicke lang genoss ich die Ruhe des Abends. Gerade wollte ich mich wieder auf den Weg machen, als ich bemerkte, dass sich mir ein Licht näherte. Jemand kam den Weg herauf. Rasch blickte ich an mir herab, um sicher zu stellen, dass mein Rock nicht in Unordnung war, erst dann betrachtete ich den einsamen Wanderer.
Es war niemand aus dem Dorf, denn ich hatte ihn noch nie gesehen. Auch war er viel zu elegant gekleidet, für jemanden aus unserer Gegend. Er trug schmucke schwarze Lederhosen, darüber ein enges dunkelgrünes Schnürhemd, eine grünes Lederjacke mit Pelzkragen und eine grüne Fellkappe. Selbst seine Wildlederschuhe waren grün eingefärbt. Über seiner Schulter hingen ein beinahe mannsgroßer Bogen aus einem edlen roten Holz und ein gut gefüllter Köcher. Ein fuchsrotes Eichhörnchen turnte an seinem Arm. Er selber war schlank und drahtig, sein Gesicht braungebrannt und fein geschnitten. Ein paar schwarze Locken ringelten sich unter seiner Kappe hervor. Es fiel mir schwer, sein Alter zu schätzen, aber er musste der schönste und edelste Mann gewesen sein, den ich je gesehen hatte.
Verlegen schlug ich meine Augen nieder und versuchte einen Knicks, als er sich mir näherte. Ich dachte, er würde vorbei gehen und tun, was immer er in unserm Wald zu tun beabsichtigte. Wahrscheinlich war er ein Edelmann auf der Jagd, so glaubte ich. Stattdessen blieb er nahe vor mir stehen und zog höflich grüßend seine Mütze.
„Zum Gruße, schöne Maid. Wohin seid Ihr denn alleine noch unterwegs an einem kalten Abend wie diesem? Solltet Ihr nicht schon lange zu Hause sein?“
Ich spürte, dass ich rot wurde. Noch niemand hatte mich als schön bezeichnet, vor allem nicht ein so feiner Herr. Zudem war der Grund, warum ich unterwegs war, ja nicht gerade ruhmvoll. Ich blickte vorsichtig auf, direkt in seine dunklen Augen und ein Schauder lief mir über den Rücken. Es war, als hätte mich eine kalte Hand unmittelbar am Herz berührt, obwohl sein Blick freundlich und warm war.
„Ich … ich bin unterwegs, meinen Vater abzuholen. Er ist im Wirtshaus, und es wird allmählich dunkel.“ Dabei sprach ich ruhig und gefasst, als sei es völlig normal, dass sich ein hart arbeitender Mann abends im Dorf noch ein Gläschen gönnte. Im Grunde genommen war es das ja auch.
„Ah, dann wohnt ihr also in diesem schönen Wald.“ Er klang etwas überrascht und erfreut. „Das trifft sich ja hervorragend. Sagt einmal, Euer Vater kennt sich bestimmt in dieser Gegend gut aus?“
Ich nickte, etwas verwundert, auch wenn ich mich bemühte, das nicht zu sehr zu zeigen. Vater hatte mir beigebracht, immer höflich gegenüber Edelleuten zu sein. „Mein Vater ist Holzfäller“, antwortete ich folgsam.
„Wunderbar! Sagt einmal, Maid, hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich euch ins Dorf begleitete? Ich muss da etwas sehr Wichtiges mit Eurem Vater besprechen.“ Er lächelte offen und freundlich. Das Eichhörnchen keckerte leise und streckte sich auf seiner Schulter, um mein Haar beschnuppern zu können.
Wieder spürte ich eine seltsame Kälte, die sich langsam in meinem ganzen Körper ausbreitete. Ich schüttelte sie ab. Ich hatte jetzt keine Zeit für Hirngespinste. Der Mann wollte meinen Vater sprechen und er war ganz offensichtlich ein Adeliger. Wer war ich, dass mich diesem Wunsch widersetzen wollte?
Ich versuchte einen weiteren Knicks, dabei hielt ich den Blick weiter zur Erde gesenkt und vermied es möglichst, dem Mann nochmals in die Augen zu blicken. „Natürlich mein Herr, wenn Ihr mir folgen wollt … “ Damit wandte ich mich um und ging, den Kopf immer noch gesenkt, voran den Weg zum Dorf hinab. Ab und zu warf ich einen Blick über die Schulter zurück. Der Fremde folgte mir mit großen, federnden Schritten. Seine Füße schienen kaum den gefrorenen Boden zu berühren. Das Eichhörnchen verließ seine Schulter und sprang uns voran, eine kleine rote Flamme in der Dunkelheit.
„Und wie ist Euer Name, schöne Maid? Falls Ihr ihn nicht vor mir geheim halten wollt.“
Er sprach zu mir, als stände mit ihm auf derselben Stufe. Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin Maleika.“
Er hielt inne und zwang mich damit, auch stehen zu bleiben. Er vollzog einen komischen kleinen Diener vor mir. „Sehr angenehm Maleika, mein Name ist Fortunato. Ich freue mich, Euch kennen zu lernen.“ Damit griff er nach meiner Hand und führte sie zu seinen Lippen. Der Kuss kitzelte ein wenig und schien auf meinem Handrücken nachzubrennen. Verlegen steckte ich die Hand in die Kitteltasche und eilte hastig weiter. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich mich geschmeichelt fühlte.

Bis nach Ettilino war es nicht mehr weit und bald schälte sich die vertraute Silhouette des Wirtshauses aus der Dunkelheit. Mit einem letzten Seitenblick auf den Fremden stieß ich die Tür auf. Die Stube war angenehm warm und es roch nach heißer Suppe. Schon auf den ersten Blick entdeckte ich meinen Vater in seiner Lieblingsecke, den Weinkrug fest umklammert. Ich wollte gleich zu ihm eilen, als Fortunato mich sanft am Arm fasste.
„Haltet einen Moment inne, Maleika. Gönnt Euch auf meine Kosten eine warme Suppe und lasst mich mit Eurem Vater sprechen, Seid so gut!“
Ich hatte das Gefühl, dass Widerspruch sinnlos gewesen wäre, außerdem verspürte ich auf einmal tatsächlich großen Hunger. So ließ ich mir von Nicola, dem Wirt, eine Tasse Suppe reichen, kauerte mich in die Nähe des Kamins und beobachtete, wie Fortunato zu meinem Vater herüber ging, einen weiteren Krug Wein orderte und dann begann, leise auf ihn einzureden. Es war mir klar, dass mein Vater schon einiges getrunken haben musste, doch je länger Fortunato mit ihm sprach, desto mehr schien sich sein Geist zu klären. Er setzte sich gerade auf und seine Augen begannen zu leuchten, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Er stellte Fragen und Fortunato lachte und nickte immer wieder. Schließlich schüttelten sie sich die Hände. Papa erhob sich und kam zu mir herüber.
„Maleika, Engelchen, lass uns nach Hause gehen!“ Seine Zunge war immer noch etwas schwer, doch er schien zu wissen, was er sagte.
Gehorsam erhob ich mich und legte ihm einen Arm um die Hüfte, da ihm das Gehen doch etwas schwer fiel.
„Heute habe ich unser Glück getroffen, mein Engel“, murmelte mein Vater, als ich ihn sanft zur Tür hinaus beförderte. Im Herausgehen blickte ich mich noch einmal um. Fortunato lächelte und zwinkerte mir zu. Das Eichhörnchen fixierte mich mit seinen dunklen Knopfaugen. Dann fiel die Tür hinter uns ins Schloss.

Danach wurde alles anders bei uns. Nicht sofort natürlich, obwohl es schon sehr auffällig war, dass mein Vater in den nächsten Tagen sehr gute Laune hatte, ohne auch nur einen Tropfen zu trinken. Wir bereiteten uns alle auf den Winter vor. Mutter kochte Gemüse und Obst ein und Lucia und ich waren ständig mit Vater unterwegs, um einen möglichst großen Vorrat an Brennholz zu beschaffen. Fortunato tauchte zuerst nicht wieder auf und Papa sprach auch nicht von ihm oder seinem vermeintlichen Glück, ihn getroffen zu haben. Aber er pfiff fröhlich vor sich hin, wenn wir Holz schlagen gingen, und immer wieder lächelte er mich wohlwollend an.
Ich weiß noch, dass Mutter misstrauisch war. Einmal schickte sie sogar Lucia hinter meinem Vater her, als dieser nach Ettilino ging, um Vorräte zu besorgen. Ich glaube, sie dachte, er hätte eine Geliebte gefunden. Als ob sich jemand für einen alten, verbrauchten Holzfäller interessiert hätte. Ich selber freute mich nur, dass es ihm so gut ging. Er kaufte auch keinen Schnaps für den Winter ein. Es war beinahe so, wie früher. Doch nicht für lange.

Kurz bevor es endgültig Winter wurde, verlief sich eines von unseren Schafen im Winterforst. Es war ein gutes Mutterschaf, das trotz der Jahreszeit trächtig geworden war, und als mein Vater den Verlust bemerkte, wurde sein Gesicht finster vor Zorn. Plötzlich war alles wieder beim Alten. Von irgendwoher kramte er doch noch eine Flasche Schnaps hervor, schon ganz verstaubt, leerte sie über den Vormittag und tobte dabei. Nacheinander beschuldigte er meine Mutter, Lucia und mich, das Gatter offen gelassen zu haben, obwohl wir es fest verschlossen vorgefunden hatten. Niemand konnte sich erklären, wie das Schaf entkommen war.
Ich verkroch mich in meiner Ecke neben dem Ofen und wartete, bis das Unwetter vorüber war, doch Lucia keifte zurück, was meinen Vater noch wütender machte. Gegen Mittag wurde Papa ruhiger. Er setzte sich an den Tisch und ließ sich von mir Suppe servieren. Lucia schnaubte nur verächtlich und Mutter würdigte ihn keines Blickes, aber ich wusste ja, dass er es nicht böse meinte. Die Mutterschafe waren eben das Wertvollste, was wir besaßen.
Als er sich endlich entschloss, das entlaufene Schaf zu suchen, war es bereits nach Mittag. Statt Zorn stand nun Verzweiflung in seinen Augen, als er sich die Pelzstiefel überstreifte.
„Lass nur, Engelchen!“, sagte er, als ich meinen Mantel anziehen wollte, um ihn zu begleiten. „Ich wird’ das Vieh schon finden. Kann mir gut vorstellen, wohin es gelaufen ist. Will wahrscheinlich zur Sommerweide, das verfluchte Stück. Bleib’ du mal da und hilf deiner Mutter!“ Damit stapfte er entschlossen hinaus in die Kälte.
Ich half meiner Mutter Einkochen und setzte mich danach zu Lucia ans Spinnrad. Der Nachmittag verging schnell und bald wurde es draußen dunkel. Immer öfter warf meine Mutter einen besorgten Blick zum Fenster.
„Bald wird der erste Schnee fallen“, sagte sie ein ums andere Mal. „Hoffentlich kommt er rechtzeitig nach Hause“
„Wahrscheinlich ist er sowieso ins Gasthaus gegangen. Da sitzt er nun warm und zufrieden und lässt dich warten.“ Lucias Stimme war hart. „Du glaubst doch nicht, dass er wirklich das Schaf suchen gegangen ist. Du kennst ihn doch.“
„Aber er hat sich so sehr gebessert, in letzter Zeit“, verteidigte ich Papa. „Ich glaube nicht, dass er wieder im Dorf ist.“
„Ja, und wenn er dir erzählt, er hat eine goldene Stadt gesehen, dann glaubst du das auch. Ehrlich, Maleika, wie doof bist du eigentlich?“
Ich wollte nicht mit Lucia streiten. Allmählich machte ich mir auch Sorgen um Papa. Er hatte keine Laterne mitgenommen, was, wenn er sich jetzt im Wald verirrt hatte. Der Winterforst war an einigen Stellen sehr dicht. Es wurde immer dunkler vor dem Fenster.
Ich stand auf, warf mir meinen Mantel über und wollte gerade nach der Klinke greifen, als es vernehmlich klopfte. Ich öffnete. Da stand Fortunato, in einer Hand einen Strick, den er um den Hals unseres Schafes geschlungen hatte, mit der anderen sein grünes Mützchen lüpfend.
„Zum Gruße. Ich denke, dieses Schaf ist Euch abhanden gekommen?“ Wieder fühlte ich in seiner Gegenwart einen kühlen Lufthauch. Mein Blick wanderte von seinem Gesicht zu dem Schaf. Es war nass und sah verängstigt aus und ich konnte deutlich sehen, dass es sein Lamm verloren hatte, aber es lebte, und es würde wieder Lämmer haben.
„Gott sei Dank, dass Ihr es gefunden habt!“ Meine Mutter kam zur Tür geeilt und nahm Fortunato einfach den Strick aus der Hand. „Es wäre ein großer Verlust gewesen. Wie kann ich Euch danken? Habt Ihr vielleicht zufällig auch meinen Mann gesehen? Er ist schon vor Stunden in den Wald gegangen und wir machen uns schon Sorgen, müssen Sie wissen.“
Fortunato ließ ihren Redeschwall lächelnd über sich ergehen. Dann nickte er ernsthaft. „Dank ist nicht nötig, verehrte Dame. Ich verstehe, dass Ihr euch sorgt. Euer Mann jedoch liegt hier hinter dem Holzstoß. Ich glaube, er hat etwas getrunken.“
Von Lucia kam nur ein verächtliches Schnauben, während meine Mutter und ich ins Freie eilten, um meinen Vater herein zu holen. Offensichtlich hatte er eine Flasche zwischen den Holzscheiten versteckt gehabt, und jetzt schnarchte er friedlich vor sich hin.
An diesem Abend verzieh ich Fortunato seine seltsame Art und stempelte das merkwürdige Gefühl, das ich in seiner Gegenwart hatte, als unsinnig ab. Er hatte Papa und unser Schaf gerettet, das alleine zählte.

Dann kam der Schnee und mit ihm trat Fortunato endgültig in unser Leben. An dem Tag, an dem die ersten Flocken wirbelten, klopfte er an unsere Tür und verlangte Einlass. Er lüpfte die Mütze vor Lucia und mir, küsste die Hand meiner Mutter und ließ sich dann mit meinem Vater am Tisch nieder, während sein Eichhörnchen in die Dachbalken sprang.
Fortunato hatte Wein mitgebracht und eine alte Karte, die er jetzt vor meinem Vater ausbreitete. Ich spürte genau, dass meine Mutter sich nicht sicher war, ob sie ärgerlich sein sollte, wegen des Weines, oder erfreut, weil der Grund für die gute Laune meines Vaters doch keine Geliebte gewesen war. Sie stellte etwas unwirsch die Tonbecher auf den Tisch und zog sich dann mit einem stillen Lächeln zu ihrer Näharbeit zurück. Lucia wollte sich zu meinem Vater und Fortunato setzen, doch die scheuchten sie weg, nicht unfreundlich, aber bestimmt.
„Das ist nichts für Mädchen“, sagte Papa und Lucia sah sehr beleidigt aus. Mit missmutiger Miene setzte sie sich zu mir und starrte in den Kamin.
Die beiden Männer saßen den ganzen Nachmittag zusammen, und erst, als dunkel wurde, verließ uns Fortunato wieder. Er ließ den Wein da, und einen Beutel, in dem es vernehmlich klingelte. Die Karte nahm er mit. Papa aber war den ganzen Abend über guter Dinge.

Von da an verging kein Tag, an dem Fortunato uns nicht besuchte. Ganz gleich, wie hoch der Schnee lag und wie sehr es draußen stürmte, Punkt zwölf stand er vor unserer Tür und um Punkt sechs ging er wieder. Anfangs brachte er noch Wein mit, den er selber niemals anrührte, dem mein Vater jedoch ausgiebig zusprach. Nach und nach wurden diese Art der Geschenke immer weniger, doch mein Vater schien das gar nicht zu bemerken. Und immer wieder betrachteten sie die Karte.
Meine Mutter und Lucia waren skeptisch über diese neue Freundschaft, das merkte ich wohl. „Wenn er so viel Geld hat, warum besucht er dann ausgerechnet uns?“, hörte ich Lucia einmal fragen. „Warum beschenkt er uns? Was will er?“
„Ich weiß es nicht, Kleine, aber es ist doch ganz angenehm, endlich mal Geld im Haus zu haben“, erwiderte meine Mutter, und damit war die Sache erledigt.
Als es dann zu tauen begann, und wir wieder ins Dorf gehen konnten, musste auch Lucia zugeben, dass es schön war, Geld zu haben. Schließlich bekam sie nun das rote Kleid, das sie sich immer heimlich gewünscht hatte, das mit den weißen Borten, aus feiner Baumwolle. Und dazu noch neue Schuhe, richtig aus Leder. Ich erhielt einen neuen warmen Mantel, dass ich nicht mehr den alten meines Vaters tragen musste, und wir aßen einmal in der Woche Fleisch. Immer noch kam Fortunato regelmäßig bei uns vorbei.

Die Frühlingsblumen öffneten gerade ihre Knospen, und die ersten Blätter zeigten sich an den Bäumen, als Fortunato eines Tages mit einem großen Rucksack und einem Paar stabiler Wanderschuhe für meinen Vater aufkreuzte. „Es wird Zeit für unser Unternehmen“, sagte er nur, und die Augen meines Vaters begannen, zu leuchten.
„Ich werde für einige Tage fort sein, macht euch keine Sorgen!“ Er schlüpfte in die neuen Schuhe und schulterte den Rucksack. Dann küsste er mich auf die Wange, und Mutter auf den Mund. „Bald werden wir nicht mehr hier wohnen müssen, das verspreche ich dir.“ Er wollte auch Lucia küssen, doch die machte sich steif und wand sich aus seiner Umarmung.
„Und wie das?“ wollte sie wissen. Fortunato lachte.
„Indem dein Vater mir erlaubt hat, auf seinen Namen ein Stück Land zu kaufen, junge Dame, ein Stück Land, das sehr viel versprechend aussieht.“ Damit machte er noch mal einen Diener vor Lucia, küsste meine Hand, wie er es immer zum Abschied tat und folgte meinem Vater zur Tür hinaus. Er drehte sich nochmals um und schwenkte fröhlich die Mütze, bevor die beiden im Wald verschwanden.

Wir warteten über eine Woche. Dann, am zehnten Abend schwang die Tür der Hütte auf und Papa und Fortunato kamen herein, die Rucksäcke prall gefüllt, die Gesichter gerötet wegen der kühlen Abendluft und vom langen Wandern. Meines Vaters Augen glitzerten vor Freude. Er ließ seinen Rucksack auf den Boden gleiten, öffnete ihn und leerte den kompletten Inhalt auf den Holzdielen aus. Ein wahrer Strom aus Gold ergoss sich in unsere Stube, alte, schwere Münzen, die in alle Richtungen davon rollten.
Meine Mutter, die schon zu einer Standpauke angehoben hatte, als die beiden Männer herein kamen, schnappte nach Luft. Lucia hatte es die Sprache verschlagen und auch ich stand nur da und starrte auf den unverhofften Geldsegen.
„Und wo das herkommt, gibt es noch mehr!“, verkündete mein Vater stolz. „So viel, dass wir auf immer in Freuden leben können. Wir sind reich, Engelchen!“ Plötzlich wurde mir bewusst, dass er mich dabei ansah, und nicht meine Mutter. Und nicht nur er. Ich spürte Fortunatos Blick auf mir ruhen, und als ich vom Gold aufsah, blickte ich mal wieder direkt in seine Augen. Ein Kribbeln durchlief meinen Körper und ich sah schnell wieder weg. Doch das Interesse in seinem Blick konnte ich nicht vergessen.

Wir blieben nicht mehr lange in unserem Haus. Schon am nächsten Tag ließ Papa uns die Sachen zusammen packen und wir zogen nach Ettilino in das beste Zimmer des Gasthofes. Und in der darauf folgenden Woche gingen Baumeister und Maurer bei uns ein und aus. Mein Vater hatte es sich in den Kopf gesetzt, das alte Herrenhaus im Wald wieder aufzubauen. Er meinte, wir sollten dem Wald treu bleiben, der uns so reich beschenkt hatte. Fortunato jedoch zog davon, über die Berge, seine Familie besuchen, wie er sagte.
Jetzt, wo wir reich waren und nicht mehr arbeiten mussten, wusste ich auf einmal nicht mehr, was ich mit all meiner Zeit anfangen sollte. Anfangs ging ich noch jeden Tag durch das Dorf und überlegte mir, was ich alles haben wollte, denn Papa erfüllte uns nun jeden Wunsch. Doch bald wurde mir das langweilig. Ich begann, im Winterforst spazieren zu gehen, was ein merkwürdiges Gefühl war, denn früher war ich nur in den Wald gegangen, wenn ich dort Arbeit hatte.
Immer öfter ging ich zu der Baustelle, die einmal unser Haus werden sollte. Es kam mir seltsam vor, aber ich mochte das Bauwerk nicht. Jedes Mal, wenn ich stehen blieb, und es betrachtete, beschlich mich ein ungutes Gefühl, als wäre es nicht aus Steinen und Mörtel errichtet, sondern aus Knochen und Blut. Je größer es wurde, desto stärker wurde meine Abneigung. Schließlich blieb ich ihm ganz fern. Stattdessen zog ich unsere alte verfallene Hütte vor, wo ich oft stundenlang saß und grübelte.
Der Sommer kam früh, und er wurde sehr heiß. Die Arbeiter auf der Baustelle stöhnten unter der Hitze und nach draußen zu gehen, war beinahe unerträglich. Dennoch zog ich mich so oft es ging, in den Wald zurück. Und dort traf ich auch Fortunato wieder.

Es war der letzte Tag im Juli, schon morgens war es drückend heiß gewesen. Ich saß auf einem Findling im Schatten einiger ausgedörrter Bäume an einem fast vertrockneten Bächlein, als ich leise Schritte hinter mir vernahm. Erschöpft von der Hitze blickte ich auf, verwundert, wer sich außer mir noch in den Wald wagte. Fortunato kam federnden Schrittes um eine Wegbiegung, er sah frisch und ausgeruht aus, als störe ihn die Wärme nicht im Geringsten. Wieder trug er grün, diesmal ein Gewand aus leichter Seide. Sein Eichhörnchen turnte neben ihm durch die Äste.
Als er mich erblickte, hielt er für einen Moment inne, dann lächelte er, vollführte seinen knappen Diener und kam gemächlich zu mir herüber geschlendert. Diesmal empfand ich den kühlen Hauch, der von ihm ausging, beinahe als angenehm.
„Maleika, wie schön, dass ich ausgerechnet Euch als erstes hier wieder treffe! Darf ich mich zu euch setzen?“ Seine Stimme war voller Heiterkeit.
Ich nickte und rutschte ein Stück auf meinem Stein beiseite, so dass er neben mir Platz nehmen konnte. Er setzte sich näher, als nötig gewesen wäre, so dicht, dass sein Arm den meinen berührte. Ein schwacher, sehr angenehmer Duft nach Anis ging von ihm aus. Ich spürte, wie mir etwas Blut in die Wangen stieg. Ich erwartete, dass Fortunato etwas sagen würde, doch er saß nur schweigend neben mir. Nach einigen Minuten empfand ich die Stille als drückend.
„Wo seid Ihr gewesen?“, fragte ich, nur, um irgendetwas zu sagen. Eigentlich wusste ich ja, dass er seine Familie hatte besuchen wollen.
„Über den Bergen“, erwiderte er leichtfertig. Beinahe unmerklich rückte er noch ein Stück näher. Der Anisduft wurde stärker. Seine Süße war überwältigend, fast wurde mir schwindelig. Ein leichtes Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus. Auf einmal fragte ich mich, warum ich Fortunatos Gegenwart jemals als unangenehm empfunden hatte. Er war höflich und hatte unserer Familie Reichtum gebracht. Und er roch so gut! Zudem war er ganz offensichtlich an mir interessiert. Das erkannte selbst ich, obgleich ich nie viel mit den jungen Männern im Dorf zu tun gehabt hatte, im Gegensatz zu Lucia.
Ich sah einen Moment zur Seite und bemerkte, dass sich sein Gesicht ganz nahe an meinem befand. Rasch blickte ich wieder zu Boden. Ich konnte mein Herz schlagen spüren.
„Erzählt doch, was habt Ihr auf der Reise erlebt?“ Meine Stimme war nur ein Flüstern und die Frage kam so stockend, dass es ihm klar sein musste, dass ich sie nur als Vorwand gebrauchte, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen.
Er zuckte mit den Schultern. Ich konnte die Bewegung an meinem Arm spüren. „Nichts besonders Erwähnenswertes. Nichts, dass ein junges Mädchen wie Euch interessieren würde.“ Er hielt einen Moment lang inne. Ich spürte einen kühlen Finger, der meine Wange entlang strich. Er hinterließ eine brennende Spur.
„Wisst Ihr eigentlich, wie hübsch Ihr seid, Maleika? Ich habe Euren Anblick sehr vermisst auf meiner Reise.“
Mein Herz schlug nun so fest, dass ich glaubte, er müsse es hören. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich erwidern sollte, und fixierte nur weiterhin stur den Boden. Doch er schien überhaupt keine Antwort zu erwarten. Sein Finger zeichnete nun die Linie meines Wangenknochens nach.
„Wollt Ihr mich nicht ansehen?“, sein Atem war kühl an meinem Ohr. Es war nicht mein eigener Wille, der mich meinen Kopf drehen ließ. Ich sah Fortunato an. Seine Augen waren pechschwarz, nicht braun, wie ich immer gedacht hatte, und ich hatte das Gefühl, in ihnen ertrinken zu müssen. Er lächelte, hob nochmals die Hand, um mir eine Haarsträhne aus den Augen zu streichen, und nickte dann, als sei er sehr zufrieden, mit dem, was er sah.
„Ihr seid wirklich schön. Und ein so anständiges, ehrbares Mädchen. Ich habe Euch wirklich lieb gewonnen in den letzten Monaten. Wenn Ihr damit einverstanden seid, möchte ich Euren Vater um Eure Hand bitten, wenn ich ins Dorf zurück kehre.“ Er strahlte mir ins Gesicht.
Ich fühlte mich für einige Momente wie gelähmt. Ich, heiraten? Und einen so feinen Herren wie Fortunato? Das konnte doch nicht sein. Ich war doch nur die Tochter eines Holzfällers. Warum um alles in der Welt wollte er mich heiraten? Diese Fragen und noch viel mehr lagen mir auf der Zunge, aber dann spürte ich Fortunatos kühlen Hauch, eine Wolke Anisduft hüllte mich ein, und auf einmal erschien mir alles völlig klar. Warum sollte ich ihn auch nicht heiraten? Wir waren schließlich nun auch wohlhabend. Und Fortunato war ein gut aussehender junger Mann in seinen besten Jahren. Ich fühlte mich sogar von seiner Aufmerksamkeit geschmeichelt.
Langsam nickte ich. Fortunato brach in ein helles fröhliches Lachen aus und sprang auf seine Füße.
„Dann werde ich sogleich zu Eurem Vater eilen. Ich mag nicht länger abwarten. Ich hoffe, Euch so bald als möglich wieder zu sehen, Maleika.“ Mit diesen Worten hatte er sich bereits abgewandt und war den Pfad hinunter geeilt, so in Eile, dass er sogar seinen üblichen Handkuss vergaß. Immer noch verwirrt von dem, was gerade geschehen war, blickte ich ihm nach, bis er hinter der nächsten Wegbiegung verschwand.

Am selben Abend noch war meine Hochzeit mit Fortunato beschlossene Sache. Mein Vater war außer sich vor Freude, und wenn ich zuvor noch irgendwelche Bedenken gehabt hätte, dann wären sie spätestens jetzt verflogen. Der Termin wurde auf das Wochenende festgelegt, nachdem unser neues Haus fertig gestellt sein würde. Fortunato würde dann mit mir in einen der Flügel ziehen.
Gerade, als all diese Details besprochen waren, begann es draußen zu regnen, ein leichter, sanfter, lang anhaltender Sommerregen, der die Luft erfrischte und die Natur aufatmen ließ. Die nächsten Tage wurden merklich kühler und die Bauarbeiten an unserem Haus schritten nun schneller voran.
Jetzt, da Fortunato offiziell um mich geworben hatte, war es mit meinen einsamen Spaziergängen im Wald vorbei. Alle möglichen Vorbereitungen mussten getroffen werden, Einladungen wurden den anderen Dorfbewohnern überbracht, Vorräte eingekauft, Zuckerbäcker und Köche bestellt. Es sollte eine herausragende Hochzeit werden. Zwischen allen Vorbereitungen, flanierte ich an Fortunatos Seite durchs Dorf, genoss die Aufmerksamkeit, die man mir schenkte, und auch die eifersüchtigen Blicke der Dorfmädchen. Ich war sehr stolz, einen so ansehnlichen, jungen und reichen Verlobten zu haben, der mich zudem noch offensichtlich aus vollem Herzen liebte.
Die einzige, die nicht eifersüchtig war, war Lucia, meine Schwester. Sie war misstrauisch, wie immer.
„Du weißt doch gar nichts über diesen Mann, Maleika“, wiederholte sie ein ums andere Mal. „Wer weiß, was er bezweckt?“ Doch ich hörte ihr gar nicht zu.
„Ich weiß, dass er ein guter, ehrlicher Mann ist, und dass er mich liebt“, erwiderte ich immer wieder ruhig und wandte mich dann von ihr ab.
Fortunato indessen tat alles, um mir auch nur den kleinsten Wunsch zu erfüllen, den ich haben konnte. Schließlich gab Lucia es auf, ihn mir auszureden. Allerdings weigerte sie sich strikt, meine Brautjungfer zu sein. Ich fragte schließlich Claudia, die Tochter des Schmiedes, da ich die anderen Dorfmädchen praktisch nicht kannte.

Es war schon Oktober, als das Haus schließlich fertig gestellt war. Ehrfurcht gebietend ragte es auf dem Hügel über dem Wald auf, die kleinen Türmchen am Ende jedes Flügels gewährten einen Ausblick bis zu den Bergen in der Ferne. Papa hatte es weiß verputzen lassen, so dass es in der Herbstsonne strahlte wie ein Himmelspalast. Die Fensterbrüstungen und das Geländer der Freitreppe waren so blank poliert, dass sie aussahen, als seien sie aus Gold.
Ich mochte es nicht.
Ein drückendes Gefühl schlich sich in meinen Magen, als wir einzogen, als ich die Verteilung der Möbel in unserem Flügel überwachte, und als ich schließlich in dem schmalen Bett neben dem meiner Mutter lag, das für die letzte Woche vor meiner Heimat meine Schlafstatt sein sollte. Ich konnte nicht schlafen in dieser ersten Nacht, wälzte mich immer nur von einer Seite auf die andere und fragte mich, was es war, das mir ein so schlechtes Gefühl gab. War es der fremde, frische Geruch der Möbel und der Bettwäsche? War es Fehlen der vertrauten Holzgeräusche aus unserer Hütte?
Hirngespinste. Aber ich vermochte mich dennoch nicht zu beruhigen.
Nach zwei weiteren wachen Nächten suchte ich den Medicus auf und ließ mir Schlafkräuter geben. Es konnte doch nicht angehen, dass ich völlig übernächtigt zu meiner Hochzeit antrat. Danach wurde es etwas besser, auch wenn ich das Gutshaus immer noch nicht leiden konnte.

Die Hochzeit war gewaltig. Noch nie hatte ich so viele Menschen auf einem Fleck gesehen. Das ganze Dorf war anwesend. Papa hatte jede einzelne Seele im gesamten Umkreis eingeladen. Fortunatos Familie war von jenseits der Berge angereist und hatte den anderen Flügel unseres Hauses bezogen. Da waren seine drei Brüder und zwei Schwestern, unzählige Cousins und Cousinen, und natürlich sein Vater und seine Mutter.
Einer seiner Brüder war Priester und Fortunato hatte darum gebeten, von ihm getraut zu werden, ein Wunsch, den wir ihm natürlich nicht abschlagen konnten. Die Zeremonie fand unter freiem Himmel statt, im großzügig angelegten Park hinter unserem neuen Haus. Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite, die Sonne strahlte und es ging ein lauer Wind. In der Luft flirrten Spinnfäden und der Geruch von Äpfel hing schwer über Fortunato und mir, als wir uns zwischen den neu gepflanzten Obstbäumen das Jawort gaben. An einem Tag wie diesem sollte jeder heiraten, ging mir durch den Kopf und eine unbändige Freude erfüllte mich.
Wir tanzten bis spät in die Nacht zwischen den sorgfältig angelegten Blumenbeeten und den Bäumen. Zwischendurch wurde das opulenteste Mahl serviert, das ich je in meinem Leben gegessen hatte. Ganze Ochsen drehten sich am Spieß, wagenradgroße Laibe Weißbrot und Platten voller Gemüse wurden aufgetischt. Unsere Hochzeitstorte hatte fünf Stockwerke. Einen ganzen Nachmittag lang war ich das glücklichste Mädchen der Welt.
Ich bemerkte überhaupt nicht, dass Lucia sich den ganzen Tag nicht blicken ließ.

Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen, doch es war tatsächlich die Hochzeitsnacht, die mein früheres Unbehagen in Fortunatos Gegenwart wieder aufleben ließ. Ich weiß natürlich, dass jedes Mädchen sich ein bisschen vor diesem Moment fürchtet, in dem es zur Frau wird. Selbstverständlich hatte ich diese Angelegenheit mit meiner Mutter beraten, und mit anderen Frauen im Dorf. Es war eigentlich nichts, worüber man offen sprach, aber für ein Mädchen in meiner Situation zeigte man immer Verständnis, und es gelang mir, ihnen einige Kleinigkeiten zu entlocken.
Ich wusste also in ungefähr, was mich erwartete.
Aber es war auch nicht das Ungewohnte, die neue Erfahrung, die mir Angst machte. Es waren die Umstände. Nicht, dass Fortunato unsanft gewesen wäre. Es ist keineswegs so, dass er mich unter seinen Willen gezwungen hätte. Im Gegenteil jede seiner Berührungen war äußerst behutsam. Er streichelte mich sehr zärtlich. Alles, was er tat, war rücksichtsvoll.
Und dennoch stimmte etwas nicht. Sollten seine Finger auf meiner Haut so brennen, wo seine Hände doch kühl waren wie Schnee? Mussten die Ecken des Zimmers von lebendigen Schatten erfüllt sein, wenn ich zur Seite sah, wo wir doch kein Licht in unserer Kammer hatten? War es normal, dass ich nichts empfand, als er in mich eindrang? Ich empfand keine Schmerzen, aber auch nichts anderes. Beinahe unbeteiligt lag ich da und wartete auf eine Reaktion meines Körpers.
Dann spürte ich, dass mein Herz jagte. Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass es Angst war, die mich erfüllte. Angst vor etwas Unbestimmtem, etwas, worauf ich keinen Finger legen, das ich nicht beschreiben konnte. Und doch, vielleicht musste das ja so sein? Was wusste ich schon, schließlich hatte ich keinerlei persönliche Erfahrung.
Ich ließ es vorübergehen. Aber die Angst blieb. Noch als Fortunato neben mir eingeschlafen war, lag ich lange Zeit wach und zitterte am ganzen Körper. Schließlich stand ich auf und braute mir aus meinen Schlafkräutern einen Tee. Dann erst gelang es mir, einzuschlafen.

Von da an kam mir mein Leben immer merkwürdiger vor. Tagsüber war Fortunato der perfekte Ehemann, stets freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit. Und während das so war, konnte ich beinahe die Nächte vergessen, vor denen ich mich fürchtete. Doch so sehr ich ihn schätzte, seit der Hochzeitsnacht war da wieder dieses fremde Gefühl. Manchmal fühlte ich mich, als wäre ich nie alleine, selbst, wenn er sich in einem völlig anderen Teil des Hauses aufhielt.
Auch begann ich, das Haus zu hassen. Ein Stein legte sich in meinen Bauch, sobald ich den Fuß über die Schwelle setzte. Nach einiger Zeit begann es dann, in meinem Schädel zu pochen, nicht schmerzhaft, aber immer unterschwellig anwesend. Ich glaubte, das Haus beobachte mich. Immer öfter flüchtete ich tagsüber in den Wald. Fortunato duldete es schweigend.
Doch meine Angst vor dem Haus wurde noch überlagert von der Angst vor Fortunato, je weiter der Tag voranschritt. Sobald die Nacht näher rückte, begann mein Herz zu rasen, und ich wäre am liebsten draußen im Wald geblieben, statt mich dem zu stellen, was mich in unserem Schlafzimmer erwartete, und von dem ich nicht verstand, warum es mir solche Angst machte.
Mein Mann verbrachte seine Tage oft bei seinen Brüdern, die nach der Hochzeit nicht mehr abgereist waren, sondern sich Arbeit in unserer Gegend suchten. Sie bewohnten noch immer den leer stehenden Flügel des Gutshof. „Sie wollen sich einfach nicht von mir trennen“, sagte Fortunato einmal, und lachte dabei. Sein Lachen war mir unangenehm geworden.
Einmal versuchte ich, mit meinem Vater über meine Ängste zu sprechen. Ich wusste natürlich nicht, was er gegen die Sache unternehmen konnte, aber ich hoffte einfach, es gäbe irgendeine Lösung. Doch Papa lächelte nur wohlwollend, als ich von Fortunato anfing. „Ein guter Mann“, sagte er im Brustton der Überzeugung.
Danach konnte ich ihm natürlich nicht mehr meine Bedenken mitteilen.

Lucia bekam ich immer seltener zu Gesicht. Sie war am Morgen meiner Hochzeit krank geworden, und wollte sich einfach nicht erholen. Die meiste Zeit lag sie mit hohem Fieber im Bett, zu anderen Gelegenheiten sah ich sie im Garten umher gehen. Sie war schmal geworden und sehr blass, gar nicht mehr das fröhliche Mädchen von früher. Die Ärzte gingen bei uns ein und aus, aber niemand konnte feststellen, was Lucia wirklich fehlte. Ich vermisste sie, und ihre spitze Zunge.
Während einem ihrer Fieberschübe, als ich mit Mutter an ihrem Bett saß, fuhr sie einmal hoch und starrte mich voller Angst an. Ihre Augen waren glasig, und Schweiß rann von ihrer Stirn.
„Er hat dich verkauft, Maleika“, sagte sie, und ihre Stimme war so klar, wie schon seit Tagen nicht mehr. „Verkauft für ein bisschen Wohlstand. Du musst ihm entkommen!“ Ich erschrak, und Mutter versuchte, Lucia wieder auf ihr Lager zu drücken.
„Du redest im Fieber, Kleines“, beschwichtigte sie, doch Lucia riss sich los. Sie wies auf die oberste Schublade ihrer Kommode.
„Da!“, sagte sie, an mich gewandt. „Das musst du nehmen!“ Dann gelang es Mutter endlich, sie zurück in die Kissen zu drücken. Sie zog die Decke fast bis zu Lucias Nase hoch, und schickte mich mit einer ungeduldigen Handbewegung aus dem Zimmer.
Tags drauf war wieder der Arzt da und niemand durfte mehr in Lucias Zimmer. Als es ihr endlich wieder ein bisschen besser ging, und es mir gelang, in ihrer Kommode nachzusehen, fand ich dort nur einige vertrocknete Kräuter, die ich nicht mehr bestimmen konnte. Lucia selber konnte sich nicht mehr daran erinnern, was sie mir damit hatte sagen wollen.
Sie starb am 21. März. Frühlingsanfang.
Am selben Tag bemerkte ich, dass ich schwanger war.

Trotz der Trauer um Lucia, begann ich mich während der Schwangerschaft besser zu fühlen. Das Haus drückte nicht mehr so sehr auf mein Gemüt und zu meiner großen Freude ließ mich Fortunato des Nachts nun auch in Ruhe.
„Du musst dich schonen, Liebes“, sagte er. Ich weiß nicht, ob er ahnte, was er mir für einen Gefallen damit tat.
Ich selber konnte es noch gar nicht fassen. Immer wieder strich ich über meinen Bauch, in dem noch gar nichts zu spüren war und wunderte mich, wie bloß ein Kind da hinein gekommen sein könnte. Doch der Medicus hatte es mir eindeutig bestätigt. Ein Kind. Wenn es ein Mädchen würde, wollte ich es Lucia nennen, einen Jungen Mauro, nach meinem Vater.
Papa freute sich beinahe so sehr wie ich. Immer wieder kam er in unserem Flügel des Hauses vorbei, um mit mir eine Tasse Tee zu trinken, und seine „große Tochter und meinen Enkel zu besehen“, wie er sagte. Für ihn war es klar, dass ich einen Sohn bekommen würde. Lucia erwähnte er schon eine Woche nach der Bestattung nicht mehr. Ich fand das etwas merkwürdig, aber ich nahm an, dass ihn der Gedanke zu sehr schmerzte, und so drang ich nicht weiter in ihn.
Fortunato war völlig aus dem Häuschen. Er behandelte mich fortan, als sei ich etwas furchtbar Zerbrechliches und bediente mich von vorne bis hinten. Ich muss zugeben, dass ich die Aufmerksamkeit genoss. Gemeinsam machten wir lange Ausflüge mit der Kutsche in ferne Städte, so dass ich auch endlich einige Zeit von dem unangenehmen Gutshaus fort kam.
„Pass nur auf, dass du nicht zu hoch hinaus kommst!“, warnte mich meine Mutter vor jedem dieser Ausflüge. „Höhenluft ist nicht gut für Schwangere. Du könntest dein Kind verlieren.“ Ich nickte artig und versprach es ihr.
So verstrichen beinahe sieben Monate. Eine glückliche Zeit, was mich anging.

Dann kam der Tag, der alles veränderte.
Ich war im Wald spazieren gegangen, wie so häufig in der letzten Zeit. Der Ort, an dem unsere alte Hütte gestanden hatte, war immer noch mein Lieblingsplatz. Ich wanderte oft den alten Pfad entlang, umrundete das inzwischen verfallene Häuschen und spazierte dann tiefer in den Wald hinein zu unserem früheren Holzschlag. So auch an diesem Tag. Es war eine Strecke, die ich auch mit rundem Bauch noch gut bewältigen konnte.
Es war ungewöhnlich warm für den späten Oktober, beinahe wie am Tag meiner Hochzeit. Die goldenen Blätter der Bäume hingen schlaff in der Hitze herab, Sonne fiel zwischen ihnen hindurch und malte leuchtende Flecken auf den Weg. Es war Mittag und der gesamte Wald schwieg.
Ich hatte kaum den halben Weg zurück gelegt, als ich merkte, dass mir etwas schwindelte. Ich hatte nicht mit einer solchen Wärme gerechnet. Der Schweiß lief mir in Bächen von der Stirn, ich konnte ihn salzig auf meinen Lippen schmecken. Besorgt um die Gesundheit meines Kindes beschloss ich, früher als geplant umzukehren. Noch bevor ich unser Häuschen erreicht hatte, machte ich mich auf den Rückweg.
Als ich am Gutshof angekommen war, war das Schwindelgefühl so stark geworden, dass ich, ohne noch einem Dienstmädchen Bescheid zu sagen, oder mich am Haupttor anzumelden, sofort zum Hintereingang eilte, durch den ich in die Küche gelangte. Dort pumpte ich mir frisches Wasser hoch, trank in tiefen Zügen und wischte mir anschließend mit einem angefeuchteten Tuch die Stirn ab. Ich genoss das erfrischende Gefühl auf meiner Haut und verweilte einige Zeit einfach mit geschlossenen Augen.
Erst, als ich mich etwas besser fühlte, bemerkte ich, dass aus dem Rauchzimmer zwei Türen weiter leise Gesprächsfetzen zu mir drangen. Ich vermeinte, Fortunatos Stimme zu erkennen und es kam mir in den Sinn, ihn zu überraschen. Ganz gewiss rechnete er nicht damit, dass ich schon zurück war.
Ich streifte meine Wanderschuhe ab, schob leise die Küchentür auf und schlich auf bloßen Füßen in Richtung Rauchzimmer. Während ich näher kam, erkannte ich noch weitere Personen, zwei von Fortunatos Brüdern, einer davon der Priester, der uns getraut hatte, und – gelegentlich – meinen Vater. Mit einem Lächeln auf den Lippen pirschte ich mich näher, als ein Satz von Fortunato mich innehalten ließ.
„Wenn das Kind erst einmal geboren ist, dann werde ich Eure Familie in Frieden lassen, das habe ich Euch doch gesagt, Mauro. Ich breche niemals einen Schwur.“
Meine Familie in Frieden lassen? Was sollte das denn heißen. Urplötzlich war ich nicht mehr besonders versessen darauf, die anderen zu überraschen. Statt dessen schob ich mich leise näher an die Tür, um noch mehr aufzuschnappen. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen dabei, schließlich hatte ich meinen Vater noch nie hintergangen.
„Aber was ist, wenn sie es nicht verkraftet? Ich habe schon meine Lucia verloren.“ Papas Stimme war so weinerlich, wie ich ihn gar nicht kannte. Entweder war er gut gelaunt, oder wütend, und das nur, wenn er getrunken hatte.
„Das Mädchen war einfach zu neugierig, sie hätte eben ihre Nase nicht in unsere Angelegenheiten stecken sollen, dann wäre ihr gar nichts passiert.“ Der Priester. Ein kurzes Lachen von dem zweiten Bruder, dann sprach wieder Fortunato wieder.
„Maleika ist eine einfache Seele. Sie wird es überstehen, wenn ihr Kind, sagen wir mal, stirbt. Und ich? Ich komme eben bei einem Jagdunfall ums Leben. Wenn ich das Kind habe, seht Ihr mich nie wieder, das schwöre ich! Und das Mädchen kann sich neu verheiraten. Mit jemandem, der ihre Unterwürfigkeit zu schätzen weiß, so wie ich.“ Er lachte.
Ich erschrak. Mein Kind, sterben? Und Fortunato? Was war das für ein Unsinn, träumte ich etwa? Ich musste mich überzeugen. Leise, ganz leise schob ich die Tür zum Rauchzimmer auf, während das Gespräch drinnen noch weiter ging. Zuerst konnte ich durch den Türspalt nur schemenhafte Gestalten vor der leuchtenden Fensterfront erkennen. Der Sonnenschein blendete mich und tauchte ihre Figuren in einen strahlenden Glorienschein. Meinen Vater sah ich im Profil, Fortunato stand mit dem Rücken zum Fenster, seine beiden Brüder fläzten sich links und rechts davon in bequemen Sesseln. Irgendwas stimmte nicht mit den dreien, ich konnte nur nicht sagen, was.
Dann verschwand die Sonne hinter einigen Wolken und Schatten fiel durch das Fenster. Und nun konnte ich es auch vom dämmrigen Gang aus erkennen. Ihre Gesichter, seltsam eingefärbt, rot und blau bei meinen Schwägern, dunkelgrün mit leuchtend gelben Augen bei Fortunato. Seine Haare, Flammen, die sich lohend um sein Gesicht ringelten und beinahe die beiden kurzen spitzen Hörner verbargen, die aus seiner Stirn wuchsen.
Da endlich wurde es mir klar: Malefizio, der grüne Jäger, der verdammte König alter Zeiten, der durch einen Fluch zum Dämon wurde, und der erst wieder auf der Erde wandern durfte, wenn eine willige Frau ihm ein Kind geboren hatte. Unglücksbote, Tyrann, Verführer, der, dessen Wiederkehr das Land in Verderben stürzen würde. Wie hatte ich jemals so blind sein können?
Mit einem leisen Aufschrei wich ich von der Tür zurück. Sofort hörte ich, wie drinnen das Gespräch verstummte. Stühle wurden gerückt, Schritte eilten auf mich zu. Ich stand wie gelähmt, als vor mir die Tür aufgerissen wurde. Das entsetzte Gesicht meines Vaters starrte mir entgegen.
„Engelchen!“ Er war blass wie der Tod. Hinter ihm tauchten Fortunato und seine Brüder auf, nun wieder in ihrer menschlichen Gestalt. Ein irrsinniger Gedanke schoss mir durch den Kopf. War ich überhaupt verheiratet, wenn kein Priester die Trauung vollzogen hatte? Oder konnte der Dämon gleichfalls ein Priester sein? Ich spürte, wie ein Kichern in mir aufstieg und schluckte es im letzten Moment hinunter. Was geschah nur mit mir?
Mein Vater hob an, etwas zu sagen, vielleicht sich zu erklären, doch plötzlich war die Starre von mir abgefallen. Ich wandte mich auf dem Absatz um und eilte in die Küche zurück, um durch die Küchentür zu fliehen. Nur fort von diesem verfluchten Haus, von dem Dämon darin, von meinem Vater, der mich hintergangen hatte. Weit weit fort.

***

Ich erreiche das obere Ende der Schutthalde. Meine Hände sind nun auch blutig und schmerzen furchtbar. Der Wind ist nun so stark, dass ich mich nicht auf den Beinen halten kann. Auf Knien und Händen krieche ich weiter, ziehe mich an einem gezackten Felsvorsprung hoch, taste mich weiter daran entlang und gelange schließlich in einen engen Hohlweg, durch den der Wind pfeift. Die ersten Regentropfen verwandeln sich in flockigen Schnee. Die ersten Flocken in diesem Jahr.
Der Weg führt steil bergauf. Gut so. Ich muss höher. Immer höher.
Höhenluft ist nicht gut für Schwangere, dröhnt die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. Du könntest dein Kind verlieren. Gut. Dieses Kind, das ich mir so sehr wünschte darf nicht leben. Niemals. Ich muss es loswerden in den Bergen, und danach kann ich weiter leben wie früher. Denn leben will ich, das ist mir noch geblieben. Also immer stetig bergan, auch wenn die Füße bluten und die Finger schmerzen.
Als ich in der Dunkelheit schließlich nicht einmal mehr den Weg vor meinen Füßen erkennen kann, lasse ich mich einfach niedersinken, hinter einem Felsvorsprung, der etwas von dem schneidenden Wind abhält. Ich ziehe die bloßen Füße unter meinen Rocksaum, kringele mich zusammen, wie, um das Wesen in meinem Bauch zu schützen, das doch nie geboren werden darf. Keine Wärme dringt in meine Glieder, mein Körper ist nicht mehr in der Lage, welche abzugeben. Ich weiß nicht, ob es Schlaf ist, oder Bewusstlosigkeit, die mich schließlich davon trägt.

Ich träume von Fortunato. Seinem fröhlichen Lächeln an diesem Sommertag, an dem er mir den Antrag machte. Alles Lüge? Die Freude in seiner Stimme, als ich zustimmte, Betrug? In meiner Erinnerung ist jener Tag besonders warm, mit wunderbar goldenem Licht und voller Vogelstimmen. Dann unsere Hochzeit, meine Schwangerschaft. Mein Glück. Das Wunder des Lebens in meinem Leib. Bilder ziehen in rascher Folge vor meinem geistigen Auge vorbei. Herrliche, betörende Bilder. Das grüne Gesicht verblasst hinter ihnen.
Sicher habe ich mir die Gestalten im Rauchzimmer nur eingebildet. Eine Täuschung des Lichtes in dem Moment, in dem die Sonne verschwand. Ein Hirngespinst, hervorgerufen durch mein eigenes schlechtes Gefühl. Mein Mann, ein Dämon? Mein Vater ein Mitwisser? Nein, das kann einfach nicht sein. Niemals würde Papa mich derart verraten. Er ist ein guter Vater, trotz allem. Ich habe das alles geträumt. Vielleicht in der Aufregung über die Schwangerschaft.

Ich wache auf, und weiß nun, was ich tun muss. Ich richte mich auf und atme ein-, zweimal kräftig durch. Der Wind hat nachgelassen und es schneit nun in ruhigen, großen Flocken. Das Kind in meinem Bauch bewegt sich unruhig. Gott sei dank, es ist noch am Leben. Noch einmal tief Luft geholt, dann mache ich mich mit großen Schritten wieder auf den Weg zurück ins Tal. Sie werden sich schon Sorgen um mich machen dort unten.
Wie konnte ich mir das alles nur einbilden?
Mein Vater ist doch kein schlechter Mensch.

 

Ja, sie ist lang. Nein, ich habe keine Möglichkeit gesehen, sie zu kürzen.

Ich habe fast ein Jahr an dieser Story gesessen und gefeilt, und geändert, und gehangen. Nu hoff ich natürlich, dass sie auch ein bisschen gefällt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Felsenkatze,

Ich fand die Geschichte kein bisschen zu lang, dafür aber fast schon druckreif. Obwohl man eigentlich schon ahnt, dass mit dem Jäger irgend etwas nicht stimmt, habe ich mich nie gelangweilt. Auch das Ende gefällt mir außerordentlich gut, weil ich es realistischer finde als irgendeinen heroischen Showdown auf dem Gipfel. Ich habe mich zwischendurch auch mal gefragt, ob ich mich in so einer Situation wirklich als Retterin der Menschheit aufspielen oder nicht doch alles über mich ergehen lassen würde, wenn ich weiß, dass mir nichts geschehen wird. Vielleicht würde man dann doch eher das Übernatürliche oder das Böse in Frage stellen oder irgendwie verdrängen.

Wenn man hier auf KG.de liest, ist man aber natürlich immer am Hinterfragen, und deshalb haben mich zwei Sachen stutzen lassen. Erstens hast du, glaube ich, ein zweimal beschrieben, wie irgend etwas im Dunkeln (oder in der Dämmerung) farbig leuchtet oder sonstwie durch Farbe hervorsticht. Das Eichhörnchen zum Beispiel, und der Bogen des Jägers. Und da dachte ich mir, dass das eigentlich seltsam ist, weil man die Farben doch eigentlich nicht mehr so deutlich wahrnehmen kann im Zwielicht.

Ja, und dann habe ich mich noch gefragt, warum ein trächtiges Schaf mitten im Winter die Herde und die Wärme des Stalls verlässt, um in den kalten Wald zu rennen. Das kam mir irgendwie unlogisch vor, aber vielleicht irre ich mich da. ;)

Du siehst, das sind eigentlich nur Kleinigkeiten, die nicht der Rede wert sind und mir bei einer gedruckten Geschichte vielleicht gar nicht aufgefallen wären.

Ansonsten war das ein sehr stimmungsvolles, schön und anschaulich geschriebenes Märchen, das ich um Gottes Willen nicht kürzen würde. ;)

LG,
Megries

P.S.: Ich muss gestehen, dass ich zunächst dachte, das wird eine nur leicht veränderte Variante deiner "Drachenjäger"-Geschichte: Junges, etwas naives Mädchen trifft mysteriösen Fremden und verfällt ihm, ländliche Mittelalter-Atmosphäre etc. Deshalb war ich ein bisschen skeptisch, zumal mich der Titel auch nicht unbedingt neugierig gemacht hat. Und der gutaussehende, ominöse Adlige als Unheilsbringer, Dämon oder Verführer unschuldiger Mädchen erinnert mich einfach auch sehr an die sentimentalen Klischees des 19. Jahrhunderts, da bin ich vielleicht vorbelastet.

Trotzdem hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen und absolut überzeugt. Du musst also irgend etwas beim Erzählen richtig gemacht haben. :thumbsup:

 

Hallo Megries,

*freu* Meine erste Kritik - und dann gleich eine positive. Freut mich ungemein, dass die Geschichte nicht "zu" lang geworden ist, iregndwie wuchs und wuchs sie bei Schreiben und ich bekam immer mehr Bammel. Jetzt bfällt mir ein Stein vom Herzen.

dafür aber fast schon druckreif.

Wow, ich fühle mich geehrt :)

Mit den Farben hast du mich ertappt. Da werde ich mir wohl oder übel was einfallen lassen müssen. Mir waren die Farben aus verschiedenen Gründen sehr wichtig, vielleicht hab ich sie deswegen so eindrücklich geschildert.

Das Mutterschaf ist nicht von alleine weggelaufen. Ich hatte doch extra erwähnt, dass das Viehgatter geschlossen war, oder nicht? Der grüne Jäger hat es entführt, um seine Position in der Familie zu stärken, quasi, um als Held dazustehen. Mal sehen, ob ich das noch deutlicher machen kann.

Und der gutaussehende, ominöse Adlige als Unheilsbringer, Dämon oder Verführer unschuldiger Mädchen erinnert mich einfach auch sehr an die sentimentalen Klischees des 19. Jahrhunderts,

Hehe, ich muss zugeben, hier war das Klischee Absicht (genauso wie das Eichhörnchen und die Farbe grün.) Ich hab in die Deutsch-LK-Kiste gegriffen und alle Symbolik rausgekramt, die ich finden konnte. Aber in der Geschichte steckt ja noch ein bisschen mehr - hoffe ich.

Freut mich ungemein, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hi Ronja,

kaum aus dem Urlaub zurück und schon die erste Geschichte!

Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Sie ist sehr flüssig erzählt und ohne Holperer.

Obwohl ich die Geschichte interessiert gelesen und mich auch nicht gelangweilt habe, würde ich sagen, dass man sie ein wenig kürzen könnte. Ich schätze, das könnte der Geschichte gut tun und Tempo/Spannung noch zusätzlich erhöhen. Das ist allerdings nur mein persönlicher Eindruck - "zu" lange ist sie nämlich wirklich nicht.

Inhaltlich:
Auf den ersten Blick - junges, naives Mädchen verliebt sich etc... Da du die Farbe grün so nachhaltig erwähnt hast und ich sie schon als Wortwiederholung anmeckern wollte dachte ich, dass sie etwas zu bedeuten hat. Grün ist ein Symbol für Unsterblichkeit. Würde Sinn machen, denn Fortunato muss ja ein Kind bekommen, um selbst unsterblich zu werden. Den Namen hast du ja auch geschickt gewählt - mich zumindest hat er an "Fortuna" erinnert. War sicherlich Absicht, oder?

Das Eichhörnchen gilt als Begleiter des Teufels, was auf das dämonische hindeutet, dass deine Prot. an ihrem Mann bemerkt.

Das Ende scheint auf den ersten Blick offen. Das fand ich gut. Wenn man allerdings die Symbole mit einbezieht scheint mir, dass ihr Mann wohl tatsächlich nicht von dieser Welt ist.

Ein drückendes Gefühl schlich sich in meinen Magen, als wir einzogen, als ich die Verteilung der Möbel in unserem Flügel überwachte, und als ich schließlich in dem schmalen Bett neben dem meiner Mutter lag, das für die letzte Woche vor meiner Heimat meine Schlafstatt sein sollte.

Du meinst "Heirat?", oder?

LG
Bella

 

Hallo Felsy,
ich muss mich Megries da anschließen. Ich fand den Text auch außergewöhnlich dicht und gut geschrieben, wenn auch die Ortographie deutlich zu wünschen übrig lässt. Du hattest dich doch schon so sehr verbessert, Kind, bist du krank? :shy:
Etwas unausgeprägt finde ich den Verdrängungsmechanismus der Protagonistin. Einerseits ist da dieses "ich muss zugeben, dass ich xxx sehr genoss", das wirkt, als würde sie über ihre früheren Gefühle und Taten reflektieren. Andererseits ist da ihr völlig zusammenhangsloses Umdrehen, ihr Vater ist kein böser Mensch, etc. Sie weiß doch, was Fortunato vorhat, trotzdem geht sie zurück und ergibt sich in ihr Schicksal. Ihr Charakter wirkt nicht glaubwürdig auf mich. Ist sie so abgestumpft, dass der Tod ihrer Schwester sie so völlig kaltlässt? Was hat sie dazu gebracht, überhaupt in die Wildnis zu laufen? Diese kleinen Widersprüche zehren an ihrer Glaubwürdigkeit, aber ich bin sicher, das kannst du noch ausbügeln. Vielleicht einfach, indem du schreibst, wie sie sich selbst ihre Furcht ausredet oder so.

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Bella, hallo vita,

vielen lieben Dank fürs Lesen und kritisieren. Da bin ich nochmals erleichtert, dass sich keiner durch die Länge gestört fühlt.

@Bella: hm, Kürzen, da sprichst du einen schwachen Punkt von mir an. Die Geschichte hat sich so lange entwickelt, ich hab bestimmt zehnmal drüber gelesen.... mal sehen, vielleicht fällt mir ja dann noch was ein
Grün gekleidete Jäger werden in der Literatur auch gerne als Symbol für den Teufel verwendet. Aber Hoffnung passt natürlich auch.
Die Namen sind größtenteils mit voller Absicht gewählt (Maleika heißt Engelchen, Lucia die Erleuchtete)

Freut mich, dass sie dir gefallen hat.

@vita: Orthografieprobleme? Echt? Oh Mann, peinlich.
Wirkt die Verdrängung der prot wirklich so unplausibel? Die ganze Geschichte über ist sie damit beschäftigt, sich einzureden, dass ihr saufender Vater, der sie an einen Dämonen verkauft hat, gar nicht so schlecht ist. Für einen Moment (ihre Flucht) gelingt es ihr - aus Schock - da auszubrechen. Aber dann findet sie eher wieder in ihren alten Trott zurück. Sie ist ihrem Vater zu hundert Prozent ergeben. Vielleicht mach ich das "selber Überreden" noch deutlicher.
Der Tod der Schwester lässt sie nicht völlig kalt. Aber er liegt eben in einer Zeit, zu der es ihr selber schon wieder etwas besser ging, und sie schwanger wurde. Der Vater spricht nicht über Lucia, also tut Maleika das auch nicht. Für sie gibt es nur den Glauben an das Gute, vor allem in ihrem Vater.
Hm, und ich hatte mir solche Mühe mit der Charakterisierung gegeben.

Trotzdem schön, dass es dir gefallen hat.

Liebe Grüße,

Ronja

 
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Erste Szene: Klasse. Du legst den Köder beinahe perfekt aus und ich schlucke ihn:). Atmosphärisch komm ich super in die Story rein und durch die offenen Fragen möchte ich unbedingt weiterlesen.

Mutter“ Rasch
Fehlt da nicht was;)

wird’
ist das wird extra gemeint?

Moment, das ist noch nicht fertig. Falscher Knopf...

So, nun bin ich am Ende angelangt. Man, oh, man. Es hat mich zwiegespalten gelassen. Nein, nein, nur das Ende. Der Rest ist phantastisch. Also das Ende passt eben perfekt zum Anfang und kommt unerwartet. Aber würde sie es wirklich machen? Beim drüber Nachdenken, sehe ich, wie du eine Spur legst, um ihr Verhalten davor zu erklären. Entweder ist es genial oder nicht gut. Ich glaube, ich entscheide mich für das erste :D .
Ansonsten kann ich nur sagen, top erzählt. Ohne scheiß. Eine Geschichte, die eine richtig tolle Atmosphäre hat uns dazu auch noch spannend ist. Toll gemacht, auch wenn sie mich ein kleines bisschen an die Drachenjägerin, oder wie sie heißt, erinnert. Aber das geht klar. Super gemacht. Kind, aus dir wird nochma wat;).

Lg

Thomas

Nachtrag: Da ich es bei Vita auch grad seh. Mach diesen Ergebenheitsteil doch stärker.

Noch ein Nachtrag: Was ich sehr cool finde: Es ist eine sehr "fundierte" Story. Die Symbole die du benutzt, die Hintergrundstory. Das hat Stil, das wirkt professionell und macht die Geschichte noch einmal lebendiger!!

 

heya, ronja!

eine alles in allem sehr gelungene erzählung, die ich mehr oder weniger so weggelesen habe. einige kleinigkeiten wurden ja schon erwähnt - was mich persönlich spontan gestört hat: dass du den eigentlichen konflikt ein bisschen spät etablierst, bis dahin tröpfelt die geschichte auf fast drei seiten ein bisschen vor sich hin. vielleicht findest du einen weg, da ein bisschen länge rauszunehmen.

ansonsten gab es noch etliche kleinigkeiten, die ich mir nochmal anmarkern muss, wenn ich den text ein zweites mal lese. wollte aber schon mal fietbäcken: gefällt mir gut - mit noch ein bisschen bügeln hier und da wird das sicherlich nicht nur eine gute sondern eine exzellente geschichte!

gruß,
theoneandonlynörgelhorn

 

Moin zusammen,

@Tommy: Wow, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich dein Lob freut. Ich hab gerade an der Hintergrundstory und dem Ambiente sehr hart gearbeitet, ich würde sagen, härter als bei jeder anderen Geschichte. Insofern freu ich mich natürlich doppelt und dreifach, dass das auch irgendwie angekommen ist.
Ich werde den Entscheidungsprozess wahrscheinlich wirklich noch etwas länger machen, aber, wie du schon sagtest, ich habe die Geschichte über die Persönlichkeit von Maleika so auszuarbeiten versucht, dass das die einzige Entscheidung ist, die sie treffen kann. Ich versuche, das noch deutlicher zu machen.
Ansonsten sehr vielen lieben Dank fürs Lesen und das dicke Lob, ich freu mich irre :kuss:

@Horni: Na, Nörgelhorn, so viel nörgelst du ja gar nicht. Im Gegenteil, ich fasse deine Kritik einfach dreist als Lob auf ;)
Hm, Länge am Anfang rausnehmen. Mir war schon ziemlich klar, dass das von irgendjemand kommen würde. Mein Problem dabei ist, dass ich nicht recht sehe, wie. Vielleicht hab ich das Ding zu oft überarbeitet...
Ich sehe ein, dass der eigentliche Konflikt erst recht spät beginnt, war aber der Meinung,dass ich den Vorlauf brauche, um Charaktere und Stimmung aufzubauen. Ich werde mir das nochmal ansehen, bin aber auch offen für "Betriebstipps" :)
Danke auch dir fürs Lesen und für das Lob :)

Liebe Grüße,

Ronja

 
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Ich finde, du solletst den Anfang so lassen.
Genau wie du es selbst sagst, brauchst du den Platz um Charaktere und Atmopshäre aufzubauen. Ich finde, du deutest auch schon viel von dem Konflikt am Anfang an, so dass es dadurch interessant genug ist, dass man weiterlesen möchte.

Nachtrag: ...damit zum Schluss nur noch die eine Möglichkeit bleibt. Bau das Verhältnis zum Vater aus, zeige sie als noch viel labiler. Kann sie davor nicht schon einmal an der Realität zweifeln oder so? Oder spinnt vor sich hin, ob es wirklich die Reatlität ist, in der sie lebt. Allerdings auf eine sehr naive Art und Weise. Und rückte die Szene, als sie lauscht, vielleicht noch stärker ins Surreale Licht. Denn gerade das ist glaube ich der Konflikt. Der Leser hat diese Szene als völlig real im Kopf und dann kommt dieses Mädchen, dass daran zweifelt und ins Verderben rennt, was ja aber so cool ist, weil es so vollkommen tragisch und unabwendbar wäre/ist.

 
Zuletzt bearbeitet:

man müsste eigentlich auch nicht viel verändern, denke ich. im grunde würde es evtl. reichen, den grünen jäger früher in erscheinung treten zu lassen. dann könnte man die spannung um seine rätselhafte person und die charakterisierung/atmoaufbau etc. schön miteinander verweben, der leser würde früher mit dem eigentlichen geheimnis der story konfrontiert und die geschichte bekäme in dem part etwas mehr dichte. in einer kg sollte man halt immer versuchen, möglichst ökonomisch zu basteln - bei nem roman hat man nun mal einfach mehr zeit.

 

Hi wolfine,

Danke dir fürs Durchlesen. Tut mir leid, wenn ich dabei nicht ganz deinen Geschmack getroffen hab, aber zumindest bestätigst du mir ja den guten Stil, das ist auch schon was... :)
Ich werde bestimmt am Schluss noch ein bisschen feilen. Bzw. ihn länger machen, mal sehen.

Im übrigen ist es ganz und gar ihr eigener Entschluss, dass sie umkehrt. Sie hat ihr Leben damit verbracht, auf andere zu hören. Den kurzen Ausreißer bereut sie. Sie ist eben ein sehr... gehorsames Mädchen. Aber ich hab eh schon gemerkt, dass ich das noch mehr klarstellen muss.
Ich muss das Ding allerdings noch ein bisschen liegen lassen, um mir selber über die Fehler klar zu werden. ich hab noch ein bisschen wenig Abstand dazu.

Vielen Dank fürs Lesen und die Kritik auf jeden Fall.

Liebe Grüße,

Vroni

 

Hallo Ronja!

Schon beim Lesen des Titels hatte ich den leisen Verdacht, um was es sich in der Geschichte handeln könnte, aber du hast es geschafft, die Spannung immer aufrecht zu erhalten. Somit habe ich diese lange kg in einem Zug verschlungen. Wie gesagt, leider hat mir der Titel zu viel verraten. Kennst du "Die schwarze Spinne" von Jeremias Gotthelf? Hat mich ein wenig an deinen Text erinnert. Vom Plot her nicht unbedingt neu, aber durch den Schluss wieder wettgemacht.

Der Schluss kommt für mich auch noch ein wenig zu kurz, irgendwie hat es da einen Bruch im Erzähltempo. Ansonsten fand ich, dass dies die sprachlich (abgesehen von den kleinen Fehlerchen) geschliffenste Felsenkatze Geschichte ist, die ich bisher gelesen habe. Du hast ja selber gesagt, dass sehr viel hinter ihr steckt, und das habe ich beim Lesen gemerkt. Die Atmosphäre ist wunderbar dicht und plastisch, ich konnte mich sehr gut in die Geschichte hineinversetzen und habe sie als Leserin hautnah am Geschehen miterlebt.


„Haltet einen Moment inne, Maleika. Gönnt Euch auf meine Kosten eine warme Suppe und lasst mich mit Eurem Vater sprechen, Seid so gut!“
"Seid" klein

Irgendwo waren da noch ein paar Sachen, aber wegen der Länge der Geschichte habe ich sie jetzt vergessen. Was mich noch gestört hat, sind die Wanderschuhe, die Maleika in der vorletzten Szene anhat. Mir kommen da eher so High-Tech-Wanderschuhe aus Gore-Tex in den Sinn.

Ansonsten habe ich deine Geschichte sehr gerne gelesen! :thumbsup:

Liebe Grüsse
sirwen

 

Hi sirwen,

*puh* endlich komm ich mal zu was anderem, als zum Auswerten ;)

Kennst du "Die schwarze Spinne" von Jeremias Gotthelf? Hat mich ein wenig an deinen Text erinnert.

Hehe, du hast es gemerkt? Dann bist du die erste. Ich hab die Figur geklaut, das gebe ich zu, aber nur, weil unser Deutschlehrer damals sagte, grün und Jäger seien die Symbole des Teufels.

Der Schluss kommt für mich auch noch ein wenig zu kurz, irgendwie hat es da einen Bruch im Erzähltempo

Jepp, ich gestehe, noch nix dran gemacht zu haben. Ist in Arbeit. Wenn ich mal zeit hab. Kannst dir Stockhiebe vormerken, und so.

Ansonsten fand ich, dass dies die sprachlich (abgesehen von den kleinen Fehlerchen) geschliffenste Felsenkatze Geschichte ist, die ich bisher gelesen habe. Du hast ja selber gesagt, dass sehr viel hinter ihr steckt, und das habe ich beim Lesen gemerkt.

:D :D :kuss: Danke

Was mich noch gestört hat, sind die Wanderschuhe, die Maleika in der vorletzten Szene anhat. Mir kommen da eher so High-Tech-Wanderschuhe aus Gore-Tex in den Sinn.

Hm, ich hab leider keine Idee, wie ich die sonst nennen könnte.

Danke fürs lesen, die ausführliche Kritik und alles. Freut mich, dass sie dir gefallen hat :)

Liebe Grüße,

Ronja

 

Felsenkatze schrieb:
Hehe, du hast es gemerkt? Dann bist du die erste.
Vergiss nicht, ich komme aus der Schweiz. Da ist Gotthelf Pflichtlektüre ... :D

 

Hallo Ronja!
Gelesen hab ich deine Geschichte schon vor einer ganzen Weile, aber jetzt muss ich auch endlich etwas dazu schreiben. [Muss die letzte freie Zeit vor der Uni ausnützen.]
Ich hab das Gefühl, dass die Namen in der Geschichte bewusst sprechende sind (oder doch Zufall? ;)): Fortunato, der den Wohlstand bringt, Lucia, die "helle" genug ist, den Schwindel zu durchschauen. Zu Maleika hatte ich im Hinterkopf, dass Malaika irgendwelche Schutzgeister sind. Und tatsächlich, Internet sagt (bin zu faul, mein Mythologiewörterbuch abzutippen):

Malaika, which is Swahili for "angel", akin to the hebrew word Malek that has the same meaning

(http://en.wikipedia.org/wiki/Malaika)

Von daher würde mich schon interessieren, ob die Namenswahl Zufall ist - ihr Vater nennt sie ja auch "Engelchen". :D
Interessant fand ich das Setting. Die Namen klingen italienisch und das ist ein schöner Kontrast zu dem Winterszenario, in dem die Geschichte einsetzt.

Ansonsten wurde das Meiste ja schon gesagt und ich kann's nur wiederholen: Maleikas Naivität und Unterwürfigkeit ihrem Vater sind sehr schön herausgearbeitet, für alles findet sie Erklärungen, Entschuldigungen. Sehr lebendig fand ich aber auch Lucia. Insgesamt mal wieder eine sehr schöne Geschichte von dir, die ich sehr gerne gelesen habe. Wie immer sehr atmosphärisch, man spürt den kalten Wind und riecht Fortunatos Anisduft.
Um ein bisschen Textkram kommst du aber nicht herum:


Nicht, so lange ich am Leben und er im Haus war.
später wird einem klar, dass sich das er wohl auf Fortunato bezieht, aber erstmal finde ich den Satz eher seltsam.

"Ich gehe schon, Mutter"
da fehlt ein Satzzeichen

wenn ich euch ins Dorf begleitete?
Euch
lasst mich mit Eurem Vater sprechen, Seid so gut!"

seid

Es war beinahe so, wie früher.
kein Komma

"Ich wird' das Vieh schon finden.
werd
erst, als dunkel wurde,
finde das fehlende Wort ... ;)

"Und wie das?", wollte sie wissen.
Dann, am zehnten Abend, schwang die Tür der Hütte auf
als ich vom Gold aufsah, blickte ich mal wieder direkt in seine Augen.
das mal stört mich vom Stil her - vielleicht: wieder einmal

Dennoch zog ich mich, so oft es ging, in den Wald zurück.
Nichts, dass ein junges Mädchen wie Euch interessieren würde.
das
Sein Finger zeichnete nun die Linie meines Wangenknochens nach.
kurz vorher steht auch schon einmal "nun"

wenn ich ins Dorf zurück kehre."
zurückkehre? vielleicht geht auch beides ...
Zwischen allen Vorbereitungen, flanierte ich an Fortunatos Seite durchs Dorf
Komma weg
der Geruch von Äpfeln
Ich wusste also in ungefähr

die Formulierung find ich nicht schön. ungefähr würde reichen, denke ich.

Sie bewohnten noch immer den leer stehenden Flügel des Gutshofs.

gar nicht mehr das fröhliche Mädchen von früher.

vielleicht würde hier ein Wort wie "lebhaft" besser passen, denn als fröhlich haben wir Lucia bis jetzt gar nicht kennen gelernt. oder ist das bewusst eine Fehleinschätzung von Seiten Maleikas?
Trotz der Trauer um Lucia, begann ich mich während der Schwangerschaft besser zu fühlen.
Komma weg

Ich streifte meine Wanderschuhe ab

Über die Wanderschuhe stolpere ich genauso wie sirwen, können es nicht einfach Schuhe sein?
Statt dessen schob ich mich leise näher an die Tür,
stattdessen

Liebe Grüße
ciao
Malinche

 

Hi Malinche,

sorry für die späte Antwort, ich war bogenschießen...

Mit den sprechenden Namen hast du recht, ich habe sie für diese Geschichte mit Bedacht ausgewählt (es lebe das Namenslexikon meiner Mutter, ich hab mir sofort sowas auch zugelegt).

Ansonsten wurde das Meiste ja schon gesagt und ich kann's nur wiederholen: Maleikas Naivität und Unterwürfigkeit ihrem Vater sind sehr schön herausgearbeitet, für alles findet sie Erklärungen, Entschuldigungen. Sehr lebendig fand ich aber auch Lucia. Insgesamt mal wieder eine sehr schöne Geschichte von dir, die ich sehr gerne gelesen habe. Wie immer sehr atmosphärisch, man spürt den kalten Wind und riecht Fortunatos Anisduft.

Danke :)

lasst mich mit Eurem Vater sprechen, Seid so gut!"

seid

Ehrlich? Ich meine, als quasi höflicher Befehl. Ihr und Euch würde groß geschrieben, ich hätte das jetzt als... na ja, passend empfunden.


Über die Wanderschuhe stolpere ich genauso wie sirwen, können es nicht einfach Schuhe sein?

Sicher, dass es damals keine Wanderschuhe gab? Ich wollte schon klar machen, dass sie sich vernünftig anzieht, sie ist ja ein vernünftiges Mädchen ;) Na ja, ich kann es ändern.

Vielen Dank für die lange Fehlerliste. Irgendwie war ich völlig betriebsblind für die Story.

Freut mich, dass sie dir gefallen hat.

Liebe Grüße,

Ronja

 

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