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Der Grund, warum Helge Schneider kein Abi hat
Abiturient zu sein ist ein schweres Los! Eigentlich wollte ich es halten wie Helge Schneider. Der hat nämlich mal auf die Frage, ob er Abitur habe, geantwortet: „brauchnich!“
In endlosen Lernmarathons pfeife ich mir zur Zeit Evolutionsfaktoren, Geschichtsdaten und Matheformeln in die Birne. Und Kopfschmerztabletten. Die sind besonders zuträglich, wenn ich z.B. lernen muss, wie einer Kuh bei künstlicher Besamung fröhlich die Eileiter ausgespült werden. Vom perversen Bauer.
Als ob das nicht genug wäre, werde ich bereits ab Klasse 12 mit allerlei buntdoofen Berufswahl-Magazinen belästigt. Die legt mein dynamischer Geschichtslehrer pünktlich zum Erscheinungstermin völlig unaufdringlich auf jedes einzelne Schülerpult. Ich will diese vermaledeiten Dinger nicht haben! Ich hasse sie! Schenkt sie meinetwegen Fastfood-Ketten, die könnten wenigstens leckere Burger draus basteln. Aber im ganz großen Stil. Denn diese Abi-Ratgeber erscheinen in äußerst unvernünftigen Auflagen. Auf jeden Schüler kommen ca. fünf bis zehn Hefte.
Der Inhalt dieser dummdreisten Lektüren ist schlichtweg zum Kotzen, um es vorsichtig auszudrücken. Finanziert wird der Kram wahrscheinlich durch Studiengebühren. Mit den Heftchen, die die Herausgeber (z.B. Bundesagentur für Arbeit) „Abi Magazin“ oder „Abi News“ nennen, wollen sie Studenten angeln. Am liebsten BWL. Mit wahnsinnig sympathischen Grinsefressen sollen dem Leser beschissene Studiengänge schmackhaft gemacht werden. Alle grinsen! Ich will aber trotzdem kein Hydrologe werden, und auch kein Sensorsystemtechniker!
Auch nicht, wenn ein Grinsefressen-Schnappschuss von einem pfiffigen Sensorsystemtechnik-Student abgebildet ist. Auch nicht, wenn ein wohlklingender Satz drunter steht: „Thorsten Springmann schraubt eine Messplatine in den Füllstandmesser.“
Grinsend!
Wenn ich meine Messplatine in den Füllstandmesser schrauben würde, wäre Grinsen das Letzte, was ich nebenher machen würde.
Bei der Auswahl an Studiengängen, die in derartigem Lesewerk warm gekocht werden, ist sowieso nichts für mich dabei. Ich habe den Eindruck, dass sich in diesen Blättern die absurdesten Berufe zusammenrotten, nur um den Berufssuchenden zu quälen. Plötzlich heißt es: „Kristallographie - das Traumstudium für Sie und Ihn."
Auch versuchen die Herren Verfasser, den geneigten oder abgeneigten Leser mit schnucken Anglizismen zu umschmeicheln. Hauptsache trendy. Das, was man früher Gesundheitsamt nannte, gibt’s jetzt als sexy Studiengang: Agricultural Sience Food Security. Wenn man in Sachen Weltraum begabt ist, immatrikuliert man sich einfach für Aeronautical and Astronautical Technology. Elektriker sollten Electrical Power Engineering studieren. Das klingt gleich viel angesagter. Menschen mit Hang zum Alleinunterhalter werden European Media Master. Diejenigen, die Anglizismen hassen, können sich immer noch für Etudes Francophones einschreiben.
Da bleibe ich doch lieber bodenständig wie Tilman Rügheimer. Er hat ein Stipendium für eine Hochbegabten-Eliteschule ergattert. Grinsend! Sein Lebensmotto ist: „Ich lasse es nicht raushängen!“
Bei allem Respekt, aber das ist armselig: Nix da mit „nutze den Tag“. Tilman lässt es nicht raushängen! Das ist der neue Trend; Es bloß nicht raushängen lassen! Wer es raushängen lässt, hat schon verloren!
Auch Martina Dörr grinst. Bis über beide Ohren. Sie ist Chemielaborantin. Mensch, muss das schön sein. Salzsäure plus Ethanol gleich Grinsefresse. Oder ähnlich. Unter ihrem blitzenden Gebiss ist vermerkt: „Sie war in der FDP tätig, aber auch im Sportverein.“ Und wo bitte ist der Unterschied?
Nach der Lektüre dieser Schundheftchen kommt mir regelmäßig ein Gedanke: Wenn ich das Abi bestehe und anfange zu studieren, muss ich mich dann auch ablichten lassen? Müssen meine werten Zähnchen dann auch herhalten und einen Studiengang bewerben? Jetzt weiß ich zumindest, warum Helge Schneider kein Abi gemacht hat. Er grinst ungern.