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- 01.07.2006
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Der Herr des Fleisches
Ich von Gott! Mein ist das Fleisch, das lebende und das tote! Vieh seid ihr, in den Gassen am Fluss hört man euer brünstiges Brüllen, in den Kerkern stöhnt und kreischt ihr. Ich sehe euren Unrat, wenn ihr euch nackt zur Dirne legt, ich sehe euren Unrat, wenn ihr eure Verbrechen gesteht. Mir gehört euer Fett, euer Blut, eure Knochen! Auf den Straßen der Stadt weicht ihr mir aus, ich aber rieche euer brandiges Fleisch, euren stinkenden Atem, eure fauligen Säfte. Jedem von euch hängt die Schneide des Allmächtigen schon über dem Nacken, ihr könnt Ihn nicht täuschen mit euren kostbaren Gewändern. Auch ihr seid Fleisch aus Fleisch, meines Schwertes ohne Ausnahme würdig. Ich kenne eure Gebrechen, euren Kleinmut, eure falschen Lüste. Ihr flüstert sie mir ins Ohr und erhofft Hilfe von mir, von mir, dem Geächteten. Ich soll die Hinfälligkeit eures Leibes lindern. Aber glaubt mir, aus dem Fleisch kommt nichts Gutes, das beste Heilmittel ist die scharfgeschliffene Klinge.
Ich bin des Todes! Noch bevor die Sonne untergeht, werde ich vor Ihn treten und demütig Sein Urteil erwarten. Ich habe das Richtige getan, aber eine Todsünde begangen. Es bedeutet nichts mehr für mich, ich weiß nur noch, dass es gerecht war. Ich spüre keinen Durst und keinen Hunger, sie haben meinen Körper gequält, bis er alles vergaß. Auch die Sehnsucht meiner Lenden ist weg, diese tollwütige Sehnsucht nach ihr. Sie wird weiterleben. Er nicht, er ist tot. Die Magd lebt und der Herr ist tot. Er wird nicht mehr auf ihr liegen können. Das macht mich ruhig. Er war mein Onkel, aber sie war mein Alles. Wenn der Henker sein Schwert hebt, ich werde es spüren, auch wenn sie mir die Augen verbinden, dann werde ich an das Mädchen denken. An diesen Moment werde ich denken, als sie sich auf der Straße nach mir umwandte, das grobe Tuch ihres Gewandes ließ ihre erhitzte Haut noch mehr glänzen, ihre Wimpern waren wie die Flügelspitzen der Raben, ihre Zähne wie Perlen zwischen rotem Atlas. Ich zittere, aber der Henker wird seine Arbeit verrichten, seine Arme sind rund und stark. Ist sie da unten, mitten unter der brodelnden Menge? Ich kann nichts mehr sehen, ich höre ein Sausen …
Ich von Gott! Nicht die Pfaffen, die am Tag die Hände falten und die Sprache Gottes sprechen, während sie des Nachts saufen und fressen und huren. Ich rede nicht, ich hebe mein Schwert und es ist endgültig. Auf diesen Nacken des Jünglings werde ich nur einen einzigen roten Buchstaben schreiben und es wird mehr bedeuten als alles Geschwätz der Kirchenleute. Jetzt berührt die Klinge die Haut, dann ein leises Knirschen, niemand hört es. Der Kopf fällt in den Korb, die Büttel können die Menge kaum halten, viele wollen das rote Bündel berühren. Als ob das mehr wäre als ein Pferdekopf, den ein Metzger auf seinen Torpfosten steckt. Ich stoße mit dem Fuß gegen den leeren Sack Fleisch neben mir, viel ist nicht dran, und ziehe ihn dann an den Rand, damit das Blut in den Krug fließen kann, es gehört mir. Das Greifbare gehört mir, die Seele Gott, oder dem Teufel.
Ich habe Hunger. Schon dieser Geruch nach fettem Schweinebauch und starkem Bier treibt mir das Wasser in den Mund, und ja, auch in die Augen. Ich will mich nur endlich hinsetzen und hier in der Wärme essen, ganz nahe am prasselnden Feuer. Muss nichts mehr tun, muss nicht mehr durch die Gassen schleichen und mir zwischen Abfällen meine Nahrung suchen, ich bin ein geschnürtes Bündel, muss mich nicht mehr um mich selbst kümmern, jetzt gehör ich jedem. Ich hätte mich nicht so nahe an die Hauswände drücken müssen, nachdem mich die Herrin fortgejagt hat, ich war ein Nichts, niemand sah mich. Hier sind alle Blicke auf mich gerichtet, sie tasten mich ab, sie werden keine Freude an mir haben, die Knochen stechen durch mein Fleisch. Wieso hat er ihn getötet? Wieso nur? Vom hübschen Gesicht und den süßen Worten eines Jünglings allein wird man nicht satt. Ich hatte es doch gut, mein Herr nahm sich nur, was ihm ohnehin gehörte, er nährte mich und gab mir Obdach. Ich kann die Leute in der Wirtsstube kaum erkennen, nur den einen, der ganz hinten sitzt, der, durch dessen starken Arm sein Mörder starb, den sehe ich. Er ist mein neuer Herr, er wird mir zu essen geben.
Ich von Gott! Mein ist dieses Mädchen, sie bringen sie mir, zurichten soll ich sie, damit die Männer sich an ihr das Fleisch sauber reiben können. Ich nehme ihr den Knebel aus dem Mund und zerschneide ihre Fesseln. Sie ist sehr jung, ihre Augen sind klar, sie hat noch alle Zähne, die Haut zeigt keine Spur von Blattern oder Aussatz, die Brüste sind zu hart und klein, die Hüften knochig, ich hebe den Rock, ihre Scham ist eng und heiß. Zuerst muss sie essen, sie leert zwei Schüsseln und trinkt Bier, bis ihr Blick glasig wird. So wird es leichter gehen. Sie muss geduldig werden. Ich drücke sie zurück auf die Bank, halte sie am Hals fest, lege ihre Scham bloß, öffne mein Beinkleid und mache ihr Fleisch zu meinem. Ich lasse sie so liegen. Schatten huschen über sie, sie stöhnt nicht und sie weint nicht, die Luft wird stickig, die Bank ist weiß besudelt. Ich zähle die Schatten, sie wird gutes Geld bringen. Der Bursche bringt mir einen frischen Krug Bier, im Vorbeigehen zwickt er sie in die Brust. Ich gebe ihm einen Tritt.
Sie sieht mich an.