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Der Himmel über Sonnenstraße 7

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12.03.2018
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Der Himmel über Sonnenstraße 7

Der Himmel war hell und klar. Ein wunderschöner Abend eines wunderschönen Tages. Der Wind hauchte seinen frischen, aber behaglichen Atem über den Großbau.

Es hätte der perfekte Tag sein können. Wäre da nicht die ärgerliche Sache mit Weltuntergang und dem Ende allen Seins.

Ein Haus, ein Wohnblock, ein Bunker. 2000 m², 62 Personen und deren Gäste, und alle erleben ihre letzten Minuten.

Apartment 104: Eine Menschenmenge versammelt. Die Boxen dröhnen. Die Menschen noch mehr. Die Stimmung beschissen. Der versprochene Alkohol und die ganzen Drogen, als ob es kein Morgen geben würde, gingen vor zwei Stunden schon aus. Außerdem spielt der DJ nie die gewünschten Lieder. Vielleicht weil er ein Arschloch ist. Vielleicht auch weil er mit verschränkten Händen in der Ecke sitzt und weint.

Apartment 402: Ein alter Mann sitzt am Fenster. In der einen Hand das zweite Glas Wein, das er sich all die Jahre selbst verwehrt hat. In der anderen ein altes, vergilbtes Hochzeitsfoto. Eine Träne rinnt seine Wange hinab, während eine Vorfreude seinen Körper hinaufsteigt. Ein hoffnungsvolles Grinsen fährt über sein Gesicht, während der fast genauso alte, graue Labrador neben ihm mit einem scheelen Blick auf ihn leise winselt.

Apartment 801: Ein nackter Mann steht am Fenster. Die teure Champagnerflasche in der Hand. Es ist schon die zweite. Die erste liegt halb in Scherben auf dem Boden, halb im 85“ Fernseher, für die nicht vorhandene Nachwelt auf eine nicht vorhandene Ewigkeit eingerammt.

Apartment 303: Verlassen. Das Essen noch halb auf dem Tisch. Die Schränke offen, der Herd auf Stufe 5, vergessen auszuschalten. Die Tür doppelt abgesperrt, weil man es so schon tausendmal gemacht hat. Den Mercedes aus dem wohnungsinbegriffenem Doppelstellplatz mit Frau und Kind in aller Früh losgefahren, auf dem Weg nach nirgendhin. Den Blick im Abendrot auf das Unausweichliche gewandt. Melancholie im Stau auf der A3.

Apartment 501: Ein Mann hängt von der Decke. Sein letzter Gruß liegt am Teppich unter ihm. Im Eck, im Schatten seines Körpers, zwei kleine Kinder. Beide weinen. Das kleine tröstet das ältere.

Apartment 103: Eine Frau schlägt mit dem Besenstiel gegen die Wand neben ihr. Ein bisschen Ruhe vor der Ruhe einfordernd. Anschließend kniet sie sich am Bett nieder, einen Gott anflehend, der sie entweder ignoriert oder auch einfach nur hasst.

Apartment 70: Ein Mann und eine Frau vögeln gegen das Armageddon um die Wette. Er gewinnt. Sie nicht mehr.

Apartment 201: Eine Frau raucht die nun wirklich, wirklich allerletzte Zigarette am Fenster. Ein nackter Mensch fällt plötzlich aus dem Nichts herab vor ihre Füße. Ein lautes, unappetitliches FLATSCH, dann kurze Stille. Plötzlich aus ihrem Mund ein leises Lachen. Was soll man auch sonst machen, außer Lachen. Das immer lauter und länger werdende Lachen schwillt langsam an zu einem wundervollem Crescendo, bittersüß endend in einer infernalen Hysterie.

Und der Himmel scheint weiterhin über der Sonnenstraße 7. Die Wände beginnen langsam zu beben. Es wird unerträglich warm. Und ein schwarmintelligenter, letzter Gedanke: War es das wirklich wert? Sonnenstraße 7. 2000m². 62 Personen und deren Gäste. Und alle unglaublich einsam.

 

Hallo @Wollsocke,

willkommen hier bei den Wortkriegern. Du hast dir hier ein wundervolles Forum ausgesucht, allerdings mit durchaus strengen Kriegern. Wir lernen, indem wir uns der Kritik stellen, an unseren Texten arbeiten und auch, indem wir uns bei den Texten anderer beteiligten.

Insofern lass dich von anschis Kritik motivieren, nicht entmutigen. Vielleicht hilft sie dir, besser zu werden.

Hier im Forum ist es üblich, entdeckte Fehler gleich im Ursprungsposting zu korrigieren (dafür gibt es die Funktion 'Bearbeiten'). Und du wirst dich gleich daran gewöhnen, dass Texte eigentlich immer einen Feinschliff benötigen. Testleser, Lektoren oder - wie hier - Wortkrieger. Ein berühmter Autor soll mal gesagt haben, er sei eigentlich schlecht darin, Geschichten zu schreiben, aber er sei brilliant im Überarbeiten. Das wäre hier auch möglich.

Du wirst noch mehr Feedback zu deinen Texten bekommen (vor allem, wenn du auch zurück gibst und die Texte anderer kommentierst), aber ich fange schon 'mal an:

Du hast geschrieben:

Der Himmel war hell und klar. Ein wunderschöner Abend eines wunderschönen Tages. Der Wind hauchte seinen frischen, aber behaglichen Atem über den Großbau. Es hätte der perfekte Tag sein können. Wäre da nicht die ärgerliche Sache mit Weltuntergang und dem Ende allen Seins.
Hm ... ich verstehe, den Bruch zwischen der Beschreibung des Wetters und dem drohenden Ende. Andererseits soll der erste Satz ja schon 'mal in die Stimmung einführen. Und hier bin ich gestolpert. Was willst du eigentlich erzählen? Dass das Leben sinnlos ist, das wir es nicht vergeuden sollen? Das Einsamkeit tötet?

Ich finde die Idee tatsächlich interessant, in kaleidoskop-artigen Fragmenten zu erzählen, wie eine Welt endet. Und du wählst hier einen distanzierten Ton mit einem Hauch Absurdistan. Das könnte funktionieren, aber im Moment funktioniert das noch nicht richtig. Vielleicht, weil mir die Figuren zu blass wirken, ich finde keine emotionale Bindung. Oder, weil ich manchmal das Gefühl habe, dass du als Autor die Protagonisten vorführst, dich über sie lustig machst. Das ist eine schwierige Gradwanderung, denn du willst uns ja mitnehmen (wohin auch immer).

Geschichten leben davon, dass wir mit den Protagonisten mitfühle, dass sie als "Stellvertreter" für uns Dinge erleben und ausprobieren können. Hier könnten wir ausprobieren, wie es wohl wäre, in einer Stunde zu sterben. Der Funke springt aber nicht so richtig über. Daran solltest du eventuell noch feilen.

Und der Himmel scheint weiterhin über der Sonnenstraße 7. Die Wände beginnen langsam zu beben. Es wird unerträglich warm. Und ein schwarmintelligenter, letzter Gedanke: War es das wirklich wert? Sonnenstraße 7. 2000m². 62 Personen und deren Gäste. Und alle unglaublich einsam.
Hier kommt eine Zusammenfassung und du greifst den Himmel aus deinem ersten Absatz auf, das gefällt mir. Streich das "weiterhin", es ist ein unnötig altmodisches Wort.

"Die Wände beginnen langsam zu beben?" Das kannst du besser, oder? So funktioniert das nicht, zumal du uns ja im unklaren lässt, was da eigentlich passiert. Auch hier wünsche ich mir eigentlich, mehr mitgerissen zu werden.

Und der "schwarmintelligente" Gedanke funktioniert auch nicht, weil er das Gegenteil von Einsamkeit voraussetzt. Und genau das erzählst du ja im letzten Satz. "Alle unglaublich einsam."

Die einzelnen Facetten ließen sich durchaus noch detaillierter betrachten und dazu wird bestimmt noch das eine oder andere Feedback kommen. Betrachte all diese Dinge am besten als Vorschläge und Anregungen. Nicht alles musst du umsetzen.

Liebe Grüße und nochmal herzlich willkommen
Gerald

 

Interessanter Text. Du willst vor allem die Stimmung in diesem Wohnbau darstellen, und die beschreibst du auch recht (zynisch) gut, allerdings fehlt ein wenig der Kontext, um auch tatsächlich mit den größtenteils namenlosen Figuren fühlen (bzw. sich in die Verzweiflung hineindenken) zu können. Wir erfahren über den tatsächlichen Untergang, also was genau passieren wird, fast nichts. Dadurch ist es zum Beispiel auch nicht nachvollziehbar, warum sich da so viele umbringen. Klar, dass Menschen im Angesicht der Sinnlosigkeit von Wahnsinn ergriffen werden, aber man hat das Gefühl, dass du noch etwas anderes ausdrücken wolltest, dass nicht so ganz durchkommt. Außerdem, warum waren alle einsam? Die meisten sind nicht allein gestorben…

Noch ein paar Stil Tipps:

85 Zoll Fernseher würde ich ausschreiben

Das Essen noch halb auf dem Tisch. (würde ich anders formulieren, ist das halbe Essen noch da oder ist das ganze Essen nur noch zur Hälfte auf dem Tisch?)

Was soll man auch sonst machen, außer Lachen. (Fragezeichen fehlt)

Danach verwendest du sehr oft Lachen (Wortwiederholung, evtl Synonyme benutzen)

 

Hey. Ich finde es absolut spitze, wie ihr kommentiert, und sollte es selbst wohl wirklich auch öfter :-/
Hier meine Meinung, Zugeständnisse, Anerkennung und das ganze Restliche :-)

Was willst du eigentlich erzählen?
ich finde keine emotionale Bindung
Geschichten leben davon, dass wir mit den Protagonisten mitfühle
allerdings fehlt ein wenig der Kontext

Ein kleiner Auszug aus dem, dem ich - in dem Fall - auf das heftigste wiedersprechen muss. Im Prinzip gebe ich euch absolut recht, aber in dem Fall ist das genau so gewollt. Man soll sich in die Figuren nicht hineinfühlen, man soll nicht wissen warum und wieso, das ist schon Absicht. Vielleicht nicht immer gut ausgefertigt, aber der Leser soll sich in dem Fall schon als eine Art "Spanner" fühlen.
Er soll eben keine Ahnung haben, was genau passiert, und in die Figuren nicht hineinschauen. Nur ein zynischer Beobachter, entfremdet von dem, was wirklich passiert. Und eure Kommentare zeigen mir, dass das auch der Fall ist :-)

der "schwarmintelligente" Gedanke funktioniert auch nicht, weil er das Gegenteil von Einsamkeit voraussetzt
Das ist super beobachtet! Das wäre mir nie so aufgefallen, aber da gebe ich dir absolut recht. Genau für so etwas liebe ich gutes Feedback :-)
85 Zoll Fernseher würde ich ausschreiben

Guter Punkt. Das liest sich ja sonst wirklich eher wie eine Produktbeschreibung.
Danach verwendest du sehr oft Lachen

Plötzlich aus ihrem Mund ein leises Lachen. Was soll man auch sonst machen, außer Lachen. Das immer lauter und länger werdende Lachen
Ja, das stimmt, das ist wirklich oft, viel zu oft :-D
Außerdem, warum waren alle einsam? Die meisten sind nicht allein gestorben…
Das ist wiederum frei nach dem Sprichwort "Der Mensch wird alleine geboren und er stirbt alleine."

Danke nochmal für eure Antworten, ihr seid Spitze :-)

 

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