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Der Junge mit dem Stachel in seinem Magen

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12.06.2007
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Der Junge mit dem Stachel in seinem Magen

"Kennst du eigentlich die Geschichte von dem Jungen mit dem Stachel in seinem Magen?",fragte mich eines Tages jemand, den ich kannte, ein Freund von mir. Ich steckte mir langsam eine Zigarette in den Mund, drehte das Feuerzeug in meiner Hand und zündete sie an.
"Ne. Glaub nicht", gab ich gleichgültig zu. "Muss ich denn?"
"Müssen musst du nichts", schmunzelte er. Unwissend was ich sagen sollte, schaltete ich den Fernseher ein. Es war ein Flatscreen Hi-Def.......schiess mich tot, was sonst noch alles.
Er war groß und modern, wie der Rest seiner Wohnung. Stilvoll, farblich abgestimmt und ein schönes Bild bietend, genau wie der Rest seiner Wohnung. Ich genoß es mit meinen Fingern über die Lehne des schwarzen Ledersofas zu fahren, während ich die dreiundvierzig Sender durchzappte. Mein Freund betrachtete das Szenario in aller Ruhe und wartete still bis ich den Fernseher enttäuscht über das schlechte Programm wieder ausschaltete.
"Und willst du sie hören?"
"Hören?"
"Na, die Geschichte, du vergesslicher Idiot." Er lachte leise.
"Geschichte?" Manchmal hat mein Gedächtnis wirklich herbe Aussetzer.
"Die von dem Jungen mit dem Stachel in seinem Magen."
"Wenn du sie mir erzählen willst, dann tu es." Im Fernsehen lief eh nichts gutes und ich hatte gerade kein besseres Thema parat.
"Gut", sagte er und lehnte sich in seinem ledernen Sessel zurück.
"Es ist eine kurze oder eine lange Geschichte. Je nachdem wie man sie erzählt. Er wurde geboren, er lebte, er starb. Wobei ob er bereits verstorben ist, weiss ich gar nicht. Dies sind jedoch die Säulen einer jeden Lebensgeschichte."
"Das war's jetzt?", fragte ich ein wenig ironisch.
"Nein, nein, ich erzähle dir die lange Fassung.", sagte er in einem für ihn ungewöhlich ernsten Tonfall.
Er schenkte sich Scotch nach, nahm einen Schluck und stellte das Glas auf den rechteckigen, natürlich farblich abgestimmten Wohnzimmertisch. Was seine Wohnug angeht, ist mein Freund wie ein Patrick Bateman des 21. Jahrhunderts, bloß pingeliger, ein wenig.
"Wie schon gesagt, er wurde geboren. Welcher Mensch wurde das nicht? Die Anekdoten seiner langweiligen Kindheit spare ich mir und erzähle ich dir gleich von seinem Verhängnis, dem Stachel in seinem Magen."
Mir war nicht bewusst, was er mit Stachel in seinem Magen meinte. Ich nippte an meinem Glas und hörte meinem Freund schweigend zu.
"Es war vor einigen Jahren, da besuchte der Junge eine Schule für Gestaltung. Er war zeichnerisch nicht sonderlich begabt. Der Wirtschaftszweig für den er sich ursprünglich beworben hatte, war jedoch schon vollbesetzt. In seine Klasse gingen solche und solche Leute. Seine Aufmerksamkeit erregte lediglich ein Mädchen. Sie war in etwa in seinem Alter, vielleicht ein Jahr jünger oder älter. In den ersten Wochen und Monaten spielte sie für ihn keine Rolle. Er schenkte ihr keinen Gedanken. In seiner Freizeit hörte er Musik, schaute Fern oder machte sonst irgendetwas, ganz normale Hobbys halt für einen Jungen seines Alters. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, der Herbst kam und ging und es folgte ein sehr warmer Winter. Irgendwann im neuen Jahr überkam ihn das Wissen",..... Mein Freund stockte, als würde er überlegen, wie die Geschichte weitergeht. Er lächelte kurz und blickte mir in die Augen. "Langweilt dich die Geschichte?"
"Keineswegs", antwortete ich kurz und knapp. Sie langweilte mich wirklich nicht. Sie weckte sogar aufrichtige Neugier in mir. "Es ist mein Ernst, erzähl bitte weiter.", bat ich ihn.
"Gut, wo war ich? ....... Irgendwann im neuen Jahr überkam ihn dann das Wissen, dass sie seine große Liebe ist."
"Auf eimal? Einfach so?"
"Ja. Es überkam ihn einfach. Wie ein Schlag ins Gesicht, eiskalt und unvorbereitet. Und es war keine unbedeutende Schwärmerei oder derartiges. Der Junge war jedoch zu unbeholfen und zu schüchtern, um sie darauf anzusprechen. Versetz dich in seine Lage. Sollte er zu ihr hingehen und sagen: "Hey du, wie geht's........schönes Wetter..ähm.....hast du mal ne Kippe.........ach übrigens, ......... bevor ich es vergesse..ähm....du bist meine große Liebe."?"
"Naja, er hätte mit der Tür ja nicht gleich dermaßen ins Haus fallen müssen. Ein normales Flirten wäre sicher ein effektiver Schachzug gewesen." Ich klang wie ein arroganter alkoholisierter Professor.
"Ich weiss. Doch er brachte nichts brauchbares über die Lippen. Vielleicht kennst du das. Neben Erregung ist da noch dieses andere Gefühl, ein seltsames."
Mein Freund griff in seine Tasche und holte eine zerknitterte Schachtel Zigaretten hervor.
"Verstehst du, was ich meine?"
"Hmmmmm, ich denke schon." Das war ein ausgesprochen langes Hmm, bemerkte ich.
Mein Freund zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch genüsslich aus. Sein Gesicht verharrte in einer nachdenklichen Pose und wie ich ihn betrachtete, wusste ich nicht, ob es in Ordnung wäre, ihn zum Weitererzählen zu animieren. Die Sekunden verstrichen im Minutentakt und der Junge mit dem Stachel in seinem Magen offenbarte mir innerlich sein wahres Gesicht. Ich denke nicht, dass es sich dabei um meinen Freund handelte. Keineswegs.
"Und", ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, er wirkte so verdammt konzentriert, dass man Angst haben musste, er könnte beim kleinsten Ton explodieren, "hat er ihr jemals seine Liebe gestanden?"
"Gute Frage", sprach mein Freund langsam erwachend. "Ich denke schon."
"Ich dachte du kennst die Geschichte?.?"
"Es ist nicht von Bedeutung."
Fabelhaft. Verlor mein Freund gerade vor meinen Augen den Verstand?
"Doch, doch hat er." Mein Freund zündete sich wieder zu sich gekommend eine weitere Zigarette an.
"Und?"
"Sie wollte nichts von ihm wissen. Er wurde älter, er lebte vor sich hin, er schrieb und er schrieb."
"Was macht er jetzt? Tot? Lebendig?"
"Er schreibt.", sagte mein Freund und begann zu lachen und ich lachte ebenfalls.
Wie die Sonne im Dunkel verging, tat es auch der Nachmittag. Der Abend trat ein und mein Freund und ich leerten mit der Zeit auf unserer Seite eineinhalb Flaschen Glenfiddich. Wir scherzten über banales und dachten an die Riviera, wie Fitzgerald sie entdeckte, bevor die Leute im Sommer hingingen.

 

das mit den satzzeichen war eine alte marotte, die ich mittlerweile abgelegt habe.
die geschichte hat keinen spannungsbogen, sie ist langweilig. ich könnte sie jetzt deuten, aber das würde dem lesen den reiz nehmen.

 

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