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Der Künstler

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21.05.2006
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Der Künstler

Der flackernde Schein einer Kerze wirft den zuckenden Schatten eines Mannes an die Wand.
Wie in Trance zieht er Linien, manche senkrecht, manche quer, bis die Zeichenfläche fast vollständig mit ihnen bedeckt ist.

Es ist schon traurig, denkt er sich, dass es keinen Markt für diese Kunst gibt.

Seine Gedanken schweigen, während weitere Striche auf seinem neuesten Werk erscheinen. Bald beginnt er wieder, in Gedanken zu schwelgen:

Es gäbe aber sicherlich auch keinen Kritiker, der sich an ein solches Werk wagen würde, schließlich kann man doch nur kritisieren, was man versteht – und das, was er hier schafft, hat keinen tieferen Sinn, den man verstehen könnte.

Eine weitere Linie.

Kunst ist mehr, als nur ein paar schnurgerade Linien zu ziehen. Man braucht Motive, braucht Farbe, Inspiration und nicht zuletzt Ästhetik.

Motive. Er müsste wohl lachen, wenn ihm nicht so nach Heulen zumute wäre. Sein Werk enthält nicht ein identifizierbares Motiv, nicht ein einziges.
Auch farblich ist sein Werk nicht eines Künstlers würdig. Trotzig zieht er eine weitere Linie in leuchtendem Rot, wobei er es mit der Farbe zu sehr übertreibt, sodass einige Linien auf der Zeichenfläche verwischen.
An Inspiration mangelt es ihm jedoch nicht. Je mehr Linien er zieht, desto mehr Erinnerungen drängen sich in sein Bewusstsein, Erinnerungen, die stark genug sind, als Inspiration zu dienen.
Wenn es aber um Ästhetik geht, wird ihm schier schlecht.

Sein Werk ist so übel und abstoßend, dass er es am liebsten zerreißen und zerknüllen, es in den Papierkorb werfen oder verbrennen würde, wenn er denn wenigstens die Möglichkeit hätte, dies zu tun.
Traurig und zugleich wütend über seine unglaubliche Torheit legt er sein scharfes Malwerkzeug zur Seite und betrachtet sein abscheuliches Werk mit Ekel.

Urfassung schrieb:
Musik strömt aus den Lautsprechern und verteilt sich im ganzen Raum, doch ER nimmt nur noch wenig von ihr wahr. Wie in Trance zeichnet er mehr und mehr Linien, bis die Zeichenfläche fast vollständig mit ihnen bedeckt ist.
Kein Kunstkritiker würde etwas an seinem Werk aussetzen können, denn sie würden es einfach nicht schaffen, es auseinander zu nehmen, um jedes Element einzeln zu betrachten. Wie denn auch? Es gibt ja schließlich keine Elemente, die man analysieren könnte.

Er zieht eine weitere Linie.
Seine Gedanken schweigen eine Weile. Weitere Striche erscheinen auf dem Werk.

Zudem würde sich kein Kritiker, der noch bei klarem Verstand ist, seiner Kunst annehmen. Das wäre doch reinste Zeitverschwendung.

Erneut eine Linie.
Die Lautsprecher tönen inzwischen ein anderes Lied. Den Wechsel bemerkt er nicht.
Wieder legt sein Hirn eine kurze Pause ein.

Kunst ist schon etwas mehr, als einfach nur ein paar gerade Striche zu zeichnen. Man braucht Motive, braucht Farbe, Inspiration und schließlich Ästhetik.

Motive.
Mit Erstaunen entdeckt er eine Linie weit ab von den anderen. Kann man das ein Motiv nennen?
Weitere Linien verbinden sie bald mit dem Rest des Werkes.

Farbe.
Ein weiterer, besonders kräftiger Strich wird auf die Zeichenfläche gesetzt.

Inspiration.
Er hält inne und lauscht der Musik. Eine langsame, düstere Melodie erfüllt den Raum. Inspiration genug.

Ästhetik aber kann sein Werk nicht bieten. Eine wahre Schande. Zwar hatte er sowieso nicht vor, es jemandem zu präsentieren, aber dennoch...

Es sieht einfach schrecklich aus. Am liebsten würde er es zerreißen, zerknüllen und in den Papierkorb werfen - wenn man es denn zerreißen, zerknüllen und wegwerfen könnte.
Traurig legt er seinen scharfen Metallpinsel zur Seite und betrachtet sein Werk mit Ekel.

 

Rackergen, es wäre schön, wenn du die Geschichte wieder einstellst, anderenfalls wird dieser Thread gelöscht.
Schließlich soll hier über Geschichten diskutiert werden, nicht über fantasierte Charaktere von Autoren.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Rackergen,

ich fange mal mit Textdingen an:

„Der flackernde Schein einer Kerze wirft den zum Wind wippenden Schatten eines Mannes an die Wand“

- „Wind“ brauchst du nicht, passt auch nicht in ein Zimmer. Wenn die Kerze flackert, bewegt sich auch der Schatten. Wippen ist eine gleichförmige Bewegung, Flackern erzeugt eine unruhige (vielleicht `zuckenden´ Schatten).


„Er nimmt nur sehr wenig von der langsamen Musik wahr, die den Raum, wenn auch in einem trüben Ton, zusätzlich zum Kerzenlicht erhellt.“

- Musik erhellt den Raum - kann man als Aufmerksamkeits-Paradoxon schreiben, da die Musik nicht der Schwerpunkt der Geschichte ist, fragt man sich warum dies herausgestellt wird.


„Eine weitere Linie. Aus den Lautsprechern tönt nun ein anderes Lied, der Künstler bemerkt den abrupten Wechsel nicht.“

- Wiederum: Man weiß jetzt, der Künstler bemerkt den Wechsel nicht, doch der abrupte Wechsel scheint später keine Bedeutung mehr zu haben.


„Traurig und zugleich Wütend“

- wütend.

„scharfen Metallpinsel“

- scharfes Malwerkzeug fände ich günstiger, man wird doch stark verführt, an einen Metallpinsel zu denken. (Interessant ist es im Englischen: Der Malerspachtel, der bei manchen Maltechniken angewandt wird, heißt `knife´).

Ich finde, deine Geschichte ist gut konstruiert: Wenn man rückwärts vorgehend sich fragt, warum der Künstler wie beschrieben denkt/handelt, klären sich Dinge auf (zum Beispiel: „Wenn es aber um Ästhetik geht, wird ihm schier schlecht.“). Beim `hinwärts´ Lesen wundert man sich über solche Aussagen.

Ein Manko deiner Geschichte ist, dass ich nach dem Lesen weiß, hier malt jemand auf leidvolle Weise, mehr nicht. Es ist einfach die Mitteilung eines Sachverhalts, der Aspekt `Kunst´ ist ungewöhnlich, doch wird der ihm innewohnende Konflikt nicht weiter ausgeführt (er verspürt „Ekel“, denkt an „Torheit“, war zu erwarten). Ich denke, man bräuchte einen echten Konflikt, mit der Kunst, der Außenwelt oder eine schicksalhafte Erkenntnis über das eigene Tun.


L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

danke für deine Ausführungen und Hinweise. Ich habe sie so gut als möglich bearbeitet und z.B. die Musik komplett aus der Geschichte genommen.

Wie ich das Manko aufarbeiten soll, weiß ich aber nicht.

 

dass er es am liebsten zerreißen und zerknüllen, es in den Papierkorb werfen oder verbrennen würde, wenn er denn wenigstens die Möglichkeit hätte, dies zu tun." sind einfach ungeschickt.
Gerade die Stelle ist eine jener, bei denen mir zum Beispiel das Licht aufgegangen ist. So ungeschickt kann sie also wohl nicht sein.

Hallo Rackergen!

Für eine ausführlichere Kritik habe ich leider gerade keine Zeit, denn wenn ich eine Kritik schreibe, dann soll die auch konstruktiv sein, d. h. zu einem Verbessern beitragen. Außerdem würde ich dafür gern noch einmal die ursprüngliche Version lesen, da ich die zuerst auch gelesen hatte, und diese hier schon ziemlich verändert ist.

So gebe ich Dir nur mal diesen Tip mit auf den Weg:

arrogante Keiferei
Da Du ja schon recht gut erkannt hast, worum es sich bei Aris' Kommentaren handelt, ärgere Dich nicht weiter drüber.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

ich habe die Urfassung dem ersten Post angefügt.

Im Voraus Danke für die Mühe,
Rackergen

 
Zuletzt bearbeitet:

Der Künstler
....also, ich fand die Geschichte schlicht und ergreifend, vom dritten Absatz an, genial. Ich ahnte komischer Weise schon von diesem Zeitpunkt an, worauf es hinaus läuft. Kompliment. Ich glaube, du schreibst nicht trotz deines jungen Alters so (gut) sondern gerade wegen dieses Alters. Was man leider auch an deinen Antworten erkennt. Halte dich nicht für zu jung, zu gut, zu wild und zu exzentrisch genial um gute Ratschläge von den Leuten hier anzunehmen. Ich habe bis jetzt nur Leute kennengelernt, die es wirklich gut mit Neuusern meinten. Also, spring über deinen Schatten und setze bitte noch viele Geschichten von dir hier rein. Denn deine Story hat mich seit langer Zeit mal wieder begeistert.
Grüße, Artsneurosia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rackergen!

So, also jetzt mal zu Deiner Geschichte – verzeih die lange Wartezeit.

Als ich sie zum ersten Mal las, das war noch die Urversion, schwankte ich anfangs zwischen den Möglichkeiten, daß das Bild wohl entweder etwas über das Leben des Protagonisten aussagt, oder gar nicht als Malerei auf Papier oder Leinwand zu verstehen ist. Daß es die zweite der Möglichkeiten ist, wurde mir bei der Stelle mit dem Papierkorb klar, und der Rest beim scharfen Metallpinsel.

Allerdings will ich die Geschichte damit noch nicht als gut bezeichnen, dafür wirkt sie mir noch zu skelettartig – womit ich nicht meine, daß es ihr an Handlung usw. fehlt, sondern daß Du die Motive und Gedanken, die Du beim Schreiben hattest, dem Leser noch etwas mehr zugänglich machen solltest. So habe ich zwar zu manchem eine vage Vorstellung, die aber in der Luft hängenbleibt, das heißt: Ich finde sie nicht bestätigt.

Da ist einmal die Musik. Ich fand es gut, daß sie in der ersten Version drin war, aber ich habe nicht erfahren, ob die Musik nur zeigen soll, daß er völlig in sich gekehrt – wie in Trance – ist, oder ob sie vielleicht auch zeigen soll, daß das Leben allgemein an ihm vorüberzieht, also er nicht mehr viel von der Außenwelt mitbekommt.
Ich gehe davon aus, daß Du Dir etwas dabei gedacht hast, deshalb verstehe ich nicht, warum Du nicht versucht hast, Deine Intention stärker herauszubringen, statt die Musik zu streichen.

Statt der Musik stellst Du den Mann jetzt als Schatten dar. Finde ich an sich auch nicht schlecht – er ist nicht er selbst, sondern nur ein willenloser Schatten –, aber warum statt der Musik?

Die geraden Linien sah ich, besonders als ich noch von der Möglichkeit ausging, daß es eine Malerei ist, die sein Leben darstellt, als Zeichen für die Eintönigkeit, das Nicht-Abweichen von der Spur, in die man hineingestellt wurde, Pflichterfüllung, … Und davon so viel, daß man das Darunter, den Menschen, seine Gefühle, seine Wünsche, sein Denken nicht mehr sieht – er vollkommen verschwindet.
Nur paßt das dann nicht mehr so ganz, wenn ich weiß, daß es um Selbstverletzung geht. Denn wenn er sich die Haut aufritzt, verdeckt er ja nichts, sondern öffnet vielmehr die äußere Hülle. Da würde ich an Deiner Stelle also auch noch ein wenig feilen, damit das, was Du eigentlich sagen wolltest, deutlicher wird. Wenn Du nicht weißt, wie, kannst Du ja erst einmal sagen, was genau Du meinst, dann kann man Dir da eher helfen. ;)

Zudem würde sich kein Kritiker, der noch bei klarem Verstand ist, seiner Kunst annehmen. Das wäre doch reinste Zeitverschwendung.
Hier dachte ich sofort: Niemand will mit ihm zu tun haben, weil er so »schwierig« ist, niemand will sich seine Probleme anhören. Nur ist der »Kritiker« dafür nicht wirklich passend, denn jemand, der sich mit ihm beschäftigt, sich für sein Leben interessiert, sollte das ja nicht zum Zweck des Kritisierens tun, sondern aus ehrlichem Interesse, eventuell aus Mitleid oder Nächstenliebe.
Wenn ich das richtig sehe, ist aber genau hier auch Deine gesellschaftliche Kritik versteckt. Das Desinteresse der Leute, die den Menschen hinter seinen Problemen nicht sehen wollen, gar nicht bereit sind, genauer hinzusehen.

So, jetzt warte ich erst einmal auf Deine Reaktion, denn mit den Antworten auf die Fragen, tu ich mir dann auch leichter, weiterzumachen. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Finde deine Geschichte sehr fesselnd irgendwie. Vielleicht weil es vordergründig jedem einmal so geht, der sich fragt, wie er sein Werk verkaufen soll.
Interpretieren würde ich die Situation allerdings anders. Wenn es sich bei diesem Metallpinsel, so wie ich es verstehe, um eine Klinge handelt, ist er gerade dabei sich umzubringen, was auch die roten Linien erklären würde. Sehr fesselnd also. Wir sind bei seinem Suicid-Akt dabei, was mich berührt. Der Künstler scheitert an seiner eigenen Kunst und daran, was andere ihm vormachen oder vorschreiben.

Fette Geschichte. Schreib mir, wenn ichs richtig sehe.
Also bis denne, Till.

 

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