Der kleine Dämon in Ein Traum
Der kleine Dämon saß alleine in der Dunkelheit und rauchte einen Traum. Der erste Zug war noch wundersam, der zweite nur noch beeindruckend, der dritte hingegen gerade mal seltsam. Je länger er daran zog, umso gewöhnlicher wurde der Traum und endete schließlich unter der Schuhsohle des kleinen Dämons.
Er begann, durch die Dunkelheit zu irren, mal nach oben, mal nach unten, mal nach rechts, mal nach links. So genau wusste er eigentlich gar nicht, ob es ein oben, unten, rechts oder links gab. Der kleine Dämon nahm es einfach an. Nach einer ganzen Weile oder auch einer kurzen, denn auch Zeit war für ihn ohne Bedeutung, traf er auf jemanden, der ebenso wie er durch die Dunkelheit irrte.
Dieser jemand war eine Sie und diese Sie war ein schönes Biest, der Sehnsucht eines Spiegelbildes entsprungen und aus gutgemachtem Schlechten und schlechtgemachtem Guten geformt. Er konnte noch den Hauch eines kalten, abgebrannten Traumes wahrnehmen, der sie umgab und an ihren Schritten haftete die Erinnerung an das Geräusch einer aufsetzenden Katzenpfote. Kleine Flammen kräuselten sich an ihren Lippen, als sie dem kleinen Dämon ein Lächeln schenkte, das die Dunkelheit für einen Herzschlag auseinander riss. Er lächelte zurück und er lächelte wirklich gut, dafür das es sein erstes Lächeln war, seit er in Dunkelheit lebte. Wie lange er schon hier war, wusste er nicht mehr. Vielleicht wusste er es noch nie, aber selbst dessen konnte er sich nicht entsinnen.
Im Moment war das sowieso unwichtig und überflüssig und er vergaß sogar sich darüber Gedanken zu machen, als er mit dem schönen Biest gemeinsam durch die Dunkelheit irrte. Manchmal ging sie einen anderen Weg als der kleine Dämon, manchmal stieg sie nach oben und er nach unten, manchmal ging er nach rechts und sie nach links. Doch irgendwann kreuzten sich ihre Wege wieder, manchmal ahnten sie es, doch meistens völlig unerwartet. Dann gingen sie wieder ein Stück gemeinsam, Seite an Seite.
Sie redeten so viel, das sie auf ihrer Reise ganze Sprachen erfinden mussten, um sich alles sagen zu können, was sie dachten und fühlten, was sie träumten und fürchteten. Doch als ihnen nichts mehr einfiel, entdeckten sie im Schweigen eine Vertrautheit, die weit über das gesprochene Wort hinausging und sie in den tiefsten Tiefen ihrer Seelen berührte. Die urtümliche Stille, die vor dem Anfang herrschte, vor dem Wort, lehrte sie zu verstehen, ohne zu hören und zu wissen, ohne zu lernen.
Darum trennten sie sich auch in aller Stille voneinander, ließen alle Worte aller Sprachen hinter sich und umarmten einander. Hinter den Brillengläsern des kleinen Dämons stand eine Frage in seinen Blick mit Tränen geschrieben, als das schöne Biest ihn ein letztes Mal ansah. Ihre Lippen berührten seine Stirn, so sanft wie ein seidener Windhauch und so heiß wie das Herzblut eines gefallenen Engels. Sie brannte einen Kuss zwischen seine Hörner und der süße Schmerz erfüllte ihn ganz und gar, niemals zuvor fühlte er sich so lebendig, im selben Augenblick glaubte er sterben zu müssen. Durch einen blutigen Tränenschleier sah der kleine Dämon dem schönen Biest hinterher, wie es in der Dunkelheit verschwand. Er ließ sich nieder, da wo er gerade war, ganz egal wo es war.
Der kleine Dämon saß alleine in der Dunkelheit und steckte sich einen Traum an. Er sah dem Feuer zu, wie es den Traum verschlang, ihn auffraß und verdunsten ließ. Er begann in einer Erinnerung zu schwelgen. Anfangs war es sanft, dann wurde es schön und schließlich so bittersüß, das sich ihm die Nackenhaare wie Soldaten in Reih und Glied aufstellten. Das Feuer erlosch erst, als der Traum inmitten seiner beiden Fingerspitzen abbrannte und in die Dunkelheit rieselte. Er blies die aschgrauen Flocken fort und sah ihnen nach, wie sie auf einem Windhauch umhertanzten. Der kleine Dämon stand auf, strich sich sachte über die Stirn und folgte dem Windhauch. Er wusste nicht, wohin. Er wusste nur eines, oder anders, er erinnerte sich an eines. Er erinnerte sich, zu Lächeln.