Was ist neu

Der Kofferraum

Mitglied
Beitritt
07.08.2005
Beiträge
18

Der Kofferraum

An einem Parkplatz an einem grauen Abend im August vor einer alten Fabrik, von der es hieß, dass darin schon fünf Menschen auf seltsame Weise ums Leben gekommen seien, stand ein großer, gelb besprenkelter Golf.
In diesem Golf saßen zwei äußerst nett wirkende junge Leute, die sich plaudernd auf eine längere Wartezeit eingestellt zu haben schienen. Der Fahrer trug einen Sonntagskirchenanzug komplettiert durch eine leuchtend gelbe Krawatte. Die Beifahrerin hatte sich ebenfalls ausgehfein in ein hübsches gelb geblümtes Kleid gehüllt. Aus ihrem Radio tönte eine Mischung aus Zucchero und Baccardisongs und ihnen schienen die Gesprächsthemen nicht auszugehen.

Zur gleichen Zeit, nur einige Schritte entfernt, hielt ein Streifenwagen, in dem ein Streifenpolizist namens Detlefska einen Platz zum Halten suchte um seinen neben ihm liegenden und herrlich duftenden Abendsnack einzunehmen. Als nun dieser Polizist auf dem Gelände der alten Fabrik hielt und gerade in sein köstliches, vor Majonäse triefendes Sandwich beißen wollte, entdeckte er den Wagen auf dem Parkplatz.

Nun muss eine Charaktereigenschaft des Detlefska kurz beschrieben werden, vielleicht sogar die Eigenschaft, die ihm den Beruf des Polizisten beschert hatte. Detlefska war nämlich furchtbar neugierig und kam ihm auch nur eine Kleinigkeit an einer Person, einer Sache, einem Ort oder irgendeiner Situation merkwürdig vor, so benutzte er seine Dienstmarke dazu diese Merkwürdigkeiten zu ergründen.

So entschloss sich Detlefska auszusteigen und trabte mit seinen nun mehr als 100 schwerfälligen Kilo zu dem Parkplatz. Dafür musste er über den Vorplatz der Fabrik, der mit seinen alten Schildern im Dämmerlicht schon leicht erschreckend wirken konnte.

Angelangt an dem Wagen der beiden durchaus für das Vorstellen der Schwiegereltern geeigneten Herrschaften klopfte er an die Scheibe des Fahrers. Sofort kurbelte dieser verantwortungsbewusst im Angesicht der Staatsgewalt sein Fenster herunter und schaute in das dickliche Gesicht des Polizisten. „Ja?“, fragte der gutaussehende und dem Polizisten sofort sympathische junge Kirchengänger- Detlefska war es inzwischen peinlich so unbeholfen ohne Grund an das Fahrzeug getreten zu sein.
„ Ich wollte nur nach dem Rechten schauen. Meine Pflicht, verstehen sie.“, antwortete Detlefska.

„ Oh, gab es Beschwerden? Schatz ich hab es dir gleich gesagt.“, mischte sich in diesem Moment die junge und ebenfalls sehr adrette Beifahrerin mit einem besorgten, aber dennoch strahlendem Lächeln ein. Ein Lächeln, das Detlefska verlegen machte.
Zu allem Überfluss stieg sie auch noch unmittelbar nach ihrer Frage aus dem Wagen. Auch die Fahrertür sprang auf und Detlefska machte einen Schritt zurück. Beide lächelten einnehmend.
„Sagen sie uns doch, Herr Polizist, weswegen sie uns belästigen müssen?“, sie kamen ihm immer näher und Detlefska hatte Mühe Abstand zu halten.
„ Ich wollte nur fragen, was sie hier zu erledigen haben.“, ein leichtes Stammeln kündigte sich bei dem Polizisten an.
„ Ach das wollten sie erfragen?“, der Fahrer war bedeutend größer und muskulöser als Detlefska, lächelte aber immer noch bedrohlich freundlich.
Als beide schließlich direkt vor ihm standen, drehte die Beifahrerin sich kurz in Richtung ihres Begleiters und sagte beschwichtigend: „Schatz, ich glaube, es wird der Gestank gewesen sein. Ich habe gewusst, dass wir den Kofferraum mit einem Dufterfrischer aussprühen hätten müssen.“. Sie wandte sich daraufhin besorgt und mit ihrer sanften Stimme an Detlefska und fügte hinzu: „Entschuldigen sie den entsetzlichen Gestank. Sie müssen wissen, dass die aufgeschlitzte Leiche in unserem Kofferraum schon ein paar Tage alt ist und wir nur auf die Müllabfuhr warten, die gegen neun hier eine Pause einlegen wird. Wir haben zur Vermeidung des Gestanks zwar Duftkerzen in Gehirn und Magendarmtrakt gestopft, aber scheinbar hat das nicht gereicht. Sehen sie doch von einer Aufnahme einer Anzeige ab.“, sie tätschelte ihm fürsorglich die Schulter. Der irritierte Polizist stotterte nur ein „Na schön“ in sein Doppelkinn und verabschiedete sich brav, indem er eine angenehme Weiterfahrt nach Entsorgung der Unannehmlichkeiten wünschte.
Zurück im Streifenwagen konnte sich Detlefska nicht erklären, was er gerade vernommen, jedoch nicht aufgenommen zu haben schien. Nur eines tat er fast automatisiert: Den Wagen von innen verriegeln und das Sandwich ins Seitenfach legen. Ihm war aus für ihn unerfindlichen Gründen der Appetit vergangen.

 

Hallo choc,

ja, die beste aller Tarnungen ist immer noch die Wahrheit. Das wusste auch Max Frisch schon in "Biedermann und die Brandstifter".
Die Erzählweise ist etwas langsam für diesen Text, dies auch, weil du mit Hilfe vieler Füllwörter eher schilderst. Dadurch verschleppst du das Tempo.
Ansonsten wirft mich der Text zwar nicht um, liest sich aber angenehm.
Die Idee samt Pointe ist sicherlich nicht neu, aber solide.

Lieben Gruß, sim

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom