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Der Läuterbottich

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03.10.2020
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Der Läuterbottich

Teil I – Ruinen eines Spätsommers

Am Abend radelten sie den Waldrand entlang. Bogen ab durch das Tor, dessen jahresschiefe Angeln beim Aufstoßen quietschten, und folgten dann dem Feldweg in einer Schleife den Hügel hinauf. Heuschrecken flüchteten vor den Reifen, hüpften zu beiden Seiten ins hohe Gras. Es knirschte trocken, wenn sie überrollt und in ihren Chitinpanzern zerdrückt wurden. Melvin achtete darauf, keine zu überfahren, die noch lebte.
An gewissen Stellen mussten sie absteigen, weil der Weg zugewachsen war. Dornen kratzten über Melvins Waden. Einmal blieb er an einem Ast hängen und fiel beinahe hin. Zum Glück war Gerrit damit beschäftigt, einen sicheren Weg durch das Dickicht zu finden. So blieb Melvin für den Moment von seinen Sprüchen verschont.
Am Gepäckträger von Gerrits Rad wippte an einem langen Stab eine blaurote Flagge auf und ab. Melvin dachte, wenn er diese Flagge nicht aus den Augen verlor, käme er sicher oben an, ohne sich hoffnungslos in dem wuchernden Unkraut zu verheddern. Moskitos sirrten und sammelten sich zum Hochzeitsflug in dichten Schwärmen. Melvins Herz pumpte gegen die Brust und Schweiß stand auf seiner geröteten Stirn. Der Rest des Spätsommertages schwelte am Horizont.
Melvin trat auf seinen offenen Schnürsenkel, weil er sich zu sehr auf die Flagge konzentrierte. In diesem Moment drehte sich Gerrit um. Dank eines beherzten Griffs zum Lenker konnte Melvin den Sturz abfangen.
„Ganz schön anstrengend, was Schwabbel?“, sagte Gerrit. Wegen des Lichts glich sein Kopf kurz einem schwarzen Oval, ohne erkennbare Merkmale oder Struktur. „Du machst ein Gesicht wie bei Herrn Kleboth, als er dich heute Morgen beim Gaffen auf Danas Arsch erwischt hat.“
„Ich hab ihr nicht dahin gegafft.“
„Du bist verknallt, gib’s zu.“
„Nein Mann, bin ich gar nicht.“

Melvin redete sich ein, dass Gerrits Sprüche kumpelhaft gemeint waren, doch diese Zuversicht hielt meist nicht lange. Besonders unter Leuten fühlte sich Gerrits Gesellschaft an, als hätte er Melvin bis auf die Knochen durchschaut, seine innersten Widersprüche und Sonderlichkeiten sichtbar für die ganze Welt herausgekehrt. „Es ist nur ein Spaß, nimm’s nicht so ernst“, sagte er dann, wenn sie zu zweit waren.
Gerrit kam aus Boston in Amerika, und Melvin verstand, dass er anders war. Seine Mutter hatte sich über Gerrits Mutter aufgeregt, weil sie den Müll zu früh an die Straße stellte, weil Fischabfälle im Klo runtergespült und nicht in die Tonne gehörten, aber das seien eben andere Länder und andere Sitten. Vielleicht war Gerrits Art einfach eine dieser Sitten und er konnte gar nichts dafür.
Dennoch drehten sich Melvins letzte Gedanken vor dem Einschlafen häufig darum, wieso Gerrit diese Seite an sich hatte und ob sie nur Freunde waren, weil er nicht mehr in Amerika wohnte. Gerrit musste sich doch jemanden suchen, mit dem er abhängen konnte, weil er ja niemanden kannte, und da sie seit sechs Monaten Nachbarn waren, traf es eben Melvin. Zumindest so lange, bis Gerrit jemanden Interessanteres finden würde.
Das letzte Stück zur Ruine gingen sie zu Fuß. Schoben die Räder neben sich her, bedacht darauf, dass sich die Pedale nicht verfingen. Ein Platzregen begleitete sie, der beide bis auf die Haut durchnässte. Danach war die Luft schwer und drückend, erfüllt vom Geruch nach Moos und Erde. Gerrits Rucksack hing tropfend von seinen Schultern. Melvin überlegte fieberhaft, was er mitgebracht haben könnte.
Ein blassfarbener Regenbogen zeigte sich vor ihnen, ein Ende hinter dem Hügel, das andere zwischen Wolkenbäuchen vergraben. Das schief stehende Silo neben dem Brauereigebäude hob sich dunkel vom Orange des Horizonts ab. Ein tiefes Glühen lag auf dem verrosteten Metall. Als sie den rissigen Beton des Vorhofs betraten, fielen die letzten glänzenden Regentropfen, zerplatzten auf ihren Baseballkappen.

Dieser Spätsommer hatte einen langen und heißen Atem. In seinen letzten Wochen waren sie jeden Tag direkt nach der Schule mit den Rädern losgefahren, um das Geisterdorf zu erforschen. Von den meisten Gebäuden war nicht mehr übrig als zerfallene Mauern oder von Pilzen bewachsene Bretterhaufen. In der Schulbibliothek hatten sie eine verstaubte Karte gefunden, auf der alle Gebäude des Geisterdorfs eingezeichnet waren. Die Brauerei hatten sie sich als Letztes aufgehoben.
„Ganz schön cool, was?“, sagte Gerrit und ließ sein Rad ins Gebüsch fallen. „Bestimmt finden wir ein paar alte Bierflaschen.“
„Ja“, antwortete Melvin und schnaufte.
„Du bist so ruhig. Stimmt was nicht?“
„Nee, alles gut. Mir ist nur warm.“
„Sorry, hab vergessen, dass das bei dir normal ist. Die Leute hier sind manchmal echt komisch.“
„Wie sind sie in Amerika?“
Gerrit zuckte mit den Schultern. „Weniger einsam, denke ich?“
„Wie meinst du das?“
„Ohne mich würdest du nur zuhause vor der Glotze sitzen.“
„Was hast du da im Rucksack?“
„Siehst du gleich.“
Am Abend zuvor hatten sie Marshmallows über dem Feuer geröstet, das sie auf einem Erdhügel im Zentrum der Ruinen entzündeten. Kauend hielten sie ihre Stöcke in die Flammen. Beim folgenden Fechtkampf schlug ihm Gerrit mit der glühenden Spitze auf die Hand. Unter Tränen beobachtete Melvin, wie sich Gerrit mit verzerrtem Gesicht selbst verletzte. An der identischen Stelle, in dieser kleinen Kuhle, wenn er Daumen und Zeigefinger abspreizte. Gerrit lächelte und sagte: „Jetzt sind wir Brüder für immer.“ Melvin hatte Angst vor seiner heutigen Entschuldigung. Schließlich stellte die Ruine der Brauerei den Höhepunkt dar.
Das Geisterdorf lag weniger als fünfzehn Radminuten von ihrem Wohnort entfernt. In ihrem eigenen Dorf existierte nicht viel mehr als die Schule und die vier Handvoll Schüler. Die meisten kümmerten Melvin nicht. Er ging ihnen aus dem Weg und sie ihm. Doch der Elternabend hatte alles verändert. Alfons Vater musterte ihn und seine Mutter, als sähe er sie zum ersten Mal und sein zum Schlitz verzogener Mund verriet, dass er nicht erfreut über dieses erneute Kennenlernen war.
Herrn Kleboths Stirn zeigte tiefe Sorgenfalten, je länger er sich mit Mutter unterhielt, und seine Stimme zitterte seltsam. Dann geschah das Unglück. Mutter erbrach sich über das Kleid und die Augen schwammen ihr im Kopf, wie bei einem in der Sonne aufgequollenen Fisch. Seitdem mied auch Alfons ihn.
Sein Weg zur Schule führte Melvin durch das Dorfzentrum, an der katholischen Kirche vorbei. An denjenigen Tagen, an denen nicht nur die Hitze besonders drückte, sondern auch sein Kopf, stellte er sich vor, unter eine der Bänke in den Schatten zu kriechen. Um abzuwarten, bis es Abend wird. Trotz der offenen Tür betrat er die Kirche nie. Weil ihm das große Kreuz im Schatten unheimlich vorkam, als könnte es auf ihn herunterfallen.
Dienstags und donnerstags begleitete ihn Gerrit. An diesen Wochentagen hatten sie zur selben Zeit Unterrichtsbeginn. Gerrit war eine Klasse über ihm. Melvin gab sich Mühe, in seiner Anwesenheit nicht an die Kirchenbänke zu denken.

Gerrit hatte ihm eine Kappe von den New York Yankees geschenkt. Seine war von den Boston Red Sox. Mit Baseball kannte sich Melvin nicht aus, deshalb hatte Gerrit es ihm erklärt. „Zwischen diesen beiden Teams herrscht eine große Rivalität. Beide Städte wollen stärker sein. Sie tun alles, um die andere Seite klein zu machen. Millionen Leute schauen das bei uns.“
„Wie wird das gespielt?“
„Ein Schläger. Ein Handschuh. Es gibt Catcher, Pitcher und Läufer. Das ist unwichtig. Wichtig ist nur, es ist ein Kampf der Giganten. Das absolute Spektakel.“
„Wer hat denn öfters gewonnen?“
„Sicher nicht die Mädchen von den Yankees.“
In solchen Momenten stimmten ihn Gerrits Schikanen traurig. Trotzdem war er ihm dankbar dafür, nach der Schule nicht nach Hause zu müssen. Während des Radfahrens und auf ihren Entdeckungstouren konnte er vergessen, für seine Mutter den flotten Meister zu spielen. „Aber wo hat mein flotter Meister denn gesteckt?“, fragte sie und weinte, nachdem sie sein Fernbleiben bemerkt hatte. Melvin schluckte seinen Ärger und den Kummer hinunter, und nachdem sie sich wieder fing, glaubte er, sogar Stolz aus ihrer Stimme zu hören. „Ach, es tut mir leid. Was würde ich nur ohne dich tun?“
Er machte den Abwasch, trug den Müll an die Straße und räumte die Flaschen und Gläser weg, während Mutter ihre Sendung schaute. Sie konnte selbst nicht mehr viel tun, weil sie nur rumsaß, und Melvin fragte sich, ob sie eines Morgens einfach als alte Frau aufgewacht war oder wieso er ihren schleichenden Verfall nicht mitbekommen hatte. Melvin kümmerte sich um sie, weil er sie immer noch liebte. Andererseits fürchtete er sich vor den Momenten, wenn sie sich nicht mehr unter Kontrolle bekam.
Sogar die Polizei musste mit einem Streifenwagen vorfahren. Ein Beamter befragte sie lange in der verrauchten Küche. Donner grollte und das blaue Licht lief wie Wasser über die Tapete, während sie den Mann anschrie. Später schnürte ihm das Wimmern aus ihrem Zimmer die Kehle zu. In der Finsternis unter der Bettdecke lauschte er ihr bis tief in die Nacht. Unsicher, ob er sich zu ihr legen sollte. Vielleicht brauchte sie nur die Wärme seiner Hand auf ihrem Bauch, und alles würde besser werden.
Aber dann kam ihm in den Sinn, dass sie wegen ihm an einer Krankheit litt. „Weil du anders aus mir herausgekommen bist, als ich es mir gewünscht habe“, flüsterte sie. Er drehte sich zur Seite, die Hände auf den Ohren. Seine Augen fixierten die rotglimmenden Ziffern des Weckers und er wartete, bis der träge Schlaf zu ihm unter die Decke kroch.

„Hat dein Alter jemals Geld geschickt?“, fragte Gerrit. Sie hockten vor dem Eingang der Brauerei auf einem Schutthaufen. Der Rucksack lag zwischen seinen Beinen und er fummelte darin herum. Melvin hörte Glas gegeneinanderklappern. „Keine Ahnung“, antwortete er und betrachtete sein Rad, das an der verwitterten Mauer der Brauerei lehnte. Er wollte jetzt über möglichst wenig nachdenken. Wieso war ihm das Klappern der Flaschen zuvor nicht aufgefallen? Er hätte eine Ausrede finden und zuhause bleiben können, flotter Meister hin oder her.
„Meiner jedenfalls nicht. War eines Tages einfach weg. Ma hat ihn vermisst gemeldet. Der wurde nie gefunden. Selbst die Bullen standen vor einem Rätsel. Ich glaube, der ist einfach abgehauen, so wie deiner.“
„Was hast du da?“ Die Frage platzte aus Melvin heraus, als hätte er die Luft angehalten. Mit einem Grinsen löste Gerrit das Zugband und holte zwei Bierflaschen aus dem Rucksack. Die Schrift auf den Etiketten war unleserlich, die Buchstaben verschnörkelt und in einer fremden Sprache geschrieben. Vielleicht ist es Amerikanisch, überlegte Melvin. Vielleicht ist es weniger stark.
„Ich hab meiner Ma ein ganzes Sechserpack geklaut.“
„Cool.“
„Die merkt das eh nicht.“
Gerrit hatte bereits in Amerika Deutsch gelernt, aber seine breite Aussprache verriet seine Herkunft. Einmal ergriff Melvin die Chance, es ihm heimzuzahlen, und mit aller Überzeugung, die er aufbringen konnte, sagte er: „Wenn du sprichst, dann hört sich das an wie ein Breitmaulfrosch. Etwa so: Quuuaaack.“
„Der ist nicht schlecht“, hatte Gerrit eingestanden und ihn in die Seite geboxt. „Pass bloß auf, dass ich Dana nicht erzähle, dass du eine alte Heulsuse bist.“
Gerrit holte einen Flaschenöffner aus dem Seitenfach des Rucksacks. Setzte die Zähne an den Kronkorken und hebelte die erste Flasche auf. Danach hielt er sich den Hals unter die Nase. „Riecht gut. Schonmal Bier probiert?“ Flüssigkeit schwappte im braunen Glas und heller Schaum floss außen herab, als er die Flasche im Schutt verkeilte.
„Ich hab gehört, es soll sehr bitter sein“, sagte Melvin. „Hat deine Mutter das aus Amerika mitgebracht?“ Seine Stimme zitterte. Er sprach zu hastig und Gerrit roch Nervosität hundert Meter gegen den Wind. Aber er ging nicht darauf ein und machte sich ans Öffnen der zweiten Flasche. Melvins Flasche. Er hörte das Ploppen und der Kronkorken klinkerte über den Schutt und verschwand zwischen zerschlagenen Steinplatten. Gerrit lachte und sein Gesicht leuchtete im letzten Abendlicht. Feierlich streckte er ihm die geöffnete Flasche entgegen.
Melvin legte die Finger um ihren Bauch, fühlte die Kühle des Glases. Er presste den Daumen dagegen. Der Schmerz war eine willkommene Betäubung. Ständig klaubte er an der Nagelhaut, bis sie Risse bekam und es blutete. In der Schule machte er es unbewusst, die Hände unter dem Pult, kalter Schweiß an ihren Innenflächen, während Herr Kleboth an die Tafel schrieb. Er verstärkte den Druck gegen das Glas, als Gerrit sein Bier aus dem Schutt zog und den ersten Schluck trank. „Na mach schon, du Pussy. Ist auch gar nicht bitter!“
Melvin roch zögernd an der Öffnung. Ein süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase, der ihn an Mutter erinnerte, wie er sie manchmal morgens im Nachthemd am Küchentisch vorfand, der Kopf auf der Platte, Flaschen und Dosen verteilt auf dem Boden. „Wie hast du das an ihr vorbeigekriegt?“
„Was? Das ist doch scheißegal. Trink jetzt!“
Gerrit lachte. Melvin schaute in die dämmernde Nacht hinaus. Insekten zirpten im Unterholz. „Tut mir leid“, sagte Gerrit. „Komm wir stoßen an!“ Melvin hielt ihm die Flasche entgegen. „Nicht so, Dummkopf!“ Gerrit lachte wieder, doch diesmal anders, dass es klang, als würde der vorherige Schluck noch in seiner Kehle gurgeln. „Mädchen und Biere stößt man unten an, weiß doch jeder.“

Gerrit trank schnell. Zufriedengestellt fürs Erste, nachdem Melvin sich überwunden hatte, einen Schluck aus der Flasche zu nehmen. Das Bier schmeckte herb und zitronig. Die bittere Note erinnerte ihn daran, dass flotte Meister für ihre Mütter da waren und mit ihren Freunden keinen Alkohol nach der Schule tranken. Vielleicht hatte sie in der Jugend denselben Fehler gemacht und Melvin wusste nur zu gut, wohin das führte. Beim zweiten Schluck musste er würgen.
Bestimmt war sie um diese Zeit mit einer halben Fertigpizza im Schoß und einem Faxe Extra Stark auf dem Sofa eingeschlafen. Es lief Boston Legal, ihre Lieblingsserie, von der sie alle Folgen mit dem VHS-Rekorder aufnahm. In einem Regal neben dem Fernseher stapelten sich die Kassetten. Die meisten hatten Staub angesetzt, nur ein paar wenige sah sie sich öfters an. Eine davon liebte sie ganz besonders.
Es ging um eine Frau, deren Mann das gemeinsame Kind entführte, da er vor Gericht einen Sorgerechtsstreit verloren hatte. Mutter verstand nichts davon, sie schaute diese Folge so oft, weil zwischen ihr und dem Entführervater eine Art Verbindung entstand. Der Mann schauspielerte meisterhaft, aber seine Rolle war düster und trübselig. Durch seine Bildschirmtränen brach Mutters affektloses Verhalten für einen Moment auf und sie lächelte, oder legte Melvin sogar ihre Hand auf den Kopf. Melvin konnte trotzdem nicht sagen, ob er ihn mochte. Am meisten störte ihn, dass der Vater in der Folge so hieß wie er. Melvin.
„Und wie findest du’s?“, fragte Gerrit. „Den ersten Schluck Alkohol vergisst man nicht. Der bleibt einem für immer im Gedächtnis.“
Melvin zwang sich zu einem Lächeln, verlagerte sein Gewicht auf dem Schutthaufen. Etwas stach ihn in den Hintern. Vielleicht steckten Nägel oder sonst gefährliche Gegenstände in dem Müll. „Ich find’s ganz gut. Wie oft hast du denn schon getrunken?“
„Ganz gut, was? Ich frag dich in zehn Jahren nochmal.“
„Hängen wir dann immer noch zusammen rum?“ Zarte Flügel entfalteten sich in Melvins Brust, begannen sachte zu schlagen und die ersten, zögerlichen Vibrationen fluteten Wärme unter sein Blut. Gerrit antwortete: „Wenn dich deine Mutter bis dahin nicht einsperrt, sicher.“
„Die macht sowas nicht.“ Melvin rieb mit dem Daumen über die Flaschenöffnung, presste dagegen, sagte nichts. Ihm war heiß und kalt zugleich und er spürte, wie sich die Härchen auf seinen Armen erhoben.
„Was ist überhaupt los mit der?“ Gerrits Frage bohrte sich in seinen Kopf und die Flügel in Melvins Brust zerfielen, als hätten sie Feuer gefangen. „Die geht ja gar nicht mehr raus. Die macht ihr Leben abhängig von dir. Das würd mir gehörig auf den Sack gehen.“
„Sie ist krank.“
„Und da hängst du lieber mit mir ab, statt nach ihr zu schauen, oder wie?“
Melvin schnappte nach Luft. Vielleicht konnte Gerrit die Reaktion nicht sehen, vielleicht war es schon zu dunkel. Doch Gerrits Blick fand den seinen und da verstand Melvin, es war wieder einer dieser Momente, wo er die schrecklichen Gefühle in ihm weckte. Gerrit wusste genau, was er tat. In seinen Augen sah er die Flügel verbrennen, lichterloh, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. Mit seiner Zunge und den Händen fing er die tote, graue Asche auf. Das war Gerrits Lieblingsspiel.
„Wenn ich mir’s recht überlege, war das wahrscheinlich gar nicht dein erster Schluck. Die hat doch schon gesoffen, da warst du noch in ihrem Bauch drin!“ Er rieb sich über sein T-Shirt. Dann lachte er und wischte die Bemerkung weg. „Hey, du weißt doch, ich verarsch dich nur!“
Melvin wandte sich ab. „Lass uns mal in die Ruine gehen“, schlug er vor. Das Sprechen fiel ihm schwer. Der Mund benommen vom Alkohol, seiner Unsicherheit oder beidem. Vielleicht hatte Gerrit recht und er war deshalb so anders. Weil Mutter ihn angesteckt hatte. Er wollte nach Hause gehen, sich ins Bett legen und schlafen, erst wieder aufwachen, wenn die Welt eine andere war.
Doch er konnte seinen Blick nicht vom schwarzen Rechteck in der Mauer abwenden. Es dehnte sich aus und begann schwach zu pulsieren. Melvin stellte sich vor, wie die Öffnung tief in einen verwinkelten Schlund hineinführte, warm und fleischig und atmend. Wie ihm ein muffiger Geruch entgegenschlug. Je weiter er in das Loch hineinging, desto kleiner wurde er, Zähne und Haare fielen ihm aus, bis seine Beinchen und Füßchen nur noch Stummel waren, und er vornüberstürzte, zurück in die Finsternis des Mutterleibs.

Gerrit hatte an alles gedacht. Er leerte sein Bier, rülpste und entnahm dem Rucksack eine Taschenlampe. Knipste sie an und ließ den Kegel über die grauen Wände der Brauerei schweifen. Über verwitterte und abgebröckelte Quader. In Ritzen glänzte feucht der Schimmel. Dann holte er aus und schmetterte die Flasche gegen den Stein.
„Bin leer“, sagte er und grinste. „Willst auch noch eins?“
„Ich hab noch.“
Zwischen Regenwolken leuchtete der Mond, als würde Melvin ihn durch den Flaschenboden seines Biers betrachten. Nieselregen fiel und es war so still, dass er glaubte, die Tröpfchen auf dem von der Sonne aufgeheizten Schutt zischen zu hören. Als sie durch die Öffnung ins Innere der Brauerei traten, knirschten die Scherben unter ihren Schuhen.
Melvin drehte sich noch einmal um, blickte auf die Silhouette des Waldrandes und über die dunklen Wiesen und Felder zu den Lichtern des Dorfs. Kleine Laternen in der Nacht, schwebend zwischen Traum und Wirklichkeit. Er wollte ihnen folgen, zurück unter freien Himmel, den Hügel hinab durch das Dickicht, aber da war Gerrit, der ihn am Arm packte und tiefer in die Nacht entführte. Irgendwo knackte ein Ast und ein Tier huschte durch die Dunkelheit davon.
„Wow“, lenkte Gerrit ihn ab. „Sieh dir mal den ganzen Scheiß hier an.“
Der Kegel der Taschenlampe beleuchtete drei große und runde Pfannen aus Kupfer. Rostige Fässer standen herum. An einer Wand lehnte eine Apparatur auf metallenen Beinen. Daneben hing ein schiefes Schild, die Buchstaben kaum leserlich: Schrotmühle. Schmutzige blaue Bierkästen waren bis unter die Decke gestapelt. Im Licht der Lampe schwebten Staubpartikel. Melvin stellte seine Flasche auf ein morsches Holzregal und folgte Gerrit tiefer in den Raum.
Durch ein Loch in der Decke tropfte Wasser. Das stetige Plink! beim Auftreffen auf einem der Bottiche war das einzige Geräusch. Vor einem blieb Gerrit stehen, klopfte mit dem Finger gegen das Kupfer. Ein hohles Geräusch erklang und Melvin schauderte. „Wie lange das Bier hier drin wohl reifen musste?“, fragte Gerrit und umrundete den Bottich. „Vielleicht hat deine Ma ja noch eine Flasche, die hier hergestellt wurde. Eine volle meine ich. Das wäre doch geil.“
„Ja“, sagte Melvin. „Aber ich glaube, das Dorf war schon vor meiner Geburt kaputt. Sie hat mir mal davon erzählt.“
„Nun, wenn ich’s mir recht überlege, wird es wohl schwierig, bei deiner Ma überhaupt noch eine volle Flasche zu finden“, murrte Gerrit, lachte aber gleich darauf wieder. „Sehen wir uns das genauer an.“
An der Seite des Bottichs fand er eine runde Klappe, deren Griff er erreichen konnte, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte. „Halt mal“, sagte er und reichte Melvin die Taschenlampe. „Ich will sehen, was da drin ist.“
Melvin tat wie ihm geheißen. Mit einem rostigen Quietschen schwang die Klappe auf. Gerrit griff die Ränder der Öffnung und zog sich hoch, doch er schaffte es nicht, bis in den Bottich hineinzublicken. Er schaute Melvin an. „Komm, ich heb dich hoch“, sagte er. „Gib mir die Lampe zurück.“
„Ich weiß nicht ... Was soll da drin sein?“
„Jetzt sei nicht wieder so ein Schisser. Ich lass dich nicht fallen. Hör mal.“
Gerrit klopfte erneut gegen die kupferne Wanne. Durch die Echos klang es, als würde ihm jemand aus dem Inneren des Bottichs antworten. Klopf. Klopf-Klopf. „Ich glaube, da ist einer drin.“
„Was?“
„Stell dir vor, vielleicht hat sich dein Vater hier versteckt und wir finden ihn. Dann kannst du ihn morgen bei der Polizei anzeigen. Haha!“
„Der kommt nicht wieder“, sagte Melvin und gab Gerrit die Lampe.
„War ja auch nur Spaß.“ Gerrit legte die Lampe auf den Boden, kniete sich hin und formte mit seinen Händen eine Räuberleiter. „Los jetzt, sonst haut er noch ab!“
Unsicher stand Melvin mit einem Fuß auf Gerrits verschränkte Finger. Mit einem Ruck hob dieser ihn hoch und Melvin bekam die Öffnung mit beiden Händen zu fassen. Dann lugte er in den Bottich. Im Inneren waberte eine undurchdringliche Schwärze und ganz flüchtig konnte er süßlichen und schalen Biergeruch unter dem Staub der Jahre wahrnehmen. Vielleicht bildete er sich das nur ein, aber auf dem Grund des Bottichs sah er einen reglosen Schatten.
Plötzlich wurden Melvins Füße kräftig nach oben gedrückt und er verlor den Halt. Er war zu überrascht, um zu schreien. Kopfüber purzelte er in die finstere Wanne und schlug sich den Kopf an. Die unsanfte Landung jagte stechende Blitze durch seinen Rücken. Panisch tastete er durch die Dunkelheit. Fand einen Schuh, darüber eine Hose, in dem ein Bein steckte, eine Jacke samt Körper. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. „Gerrit?“, fragte er in die Stille. „Hier drin ist wirklich jemand ... Ist er tot?“
Gerrit antwortete nicht. Melvin tastete weiter, erfüllt von fiebriger Panik. Der Körper war zu klein für einen Erwachsenen. Es handelte sich um ein Kind. Melvin blickte nach oben zur Öffnung und Gerrit starrte ihn daraus an, bleich und ohne eine Miene zu verziehen. „Hilf mir raus“, flehte Melvin und schlug wild um sich, wollte weg von dem Kind, aber der Bottich war zu eng, sodass er den kleinen Körper immer irgendwo berührte. Er stemmte sich gegen die Wände, streckte Gerrit die Arme entgegen. Doch der verfolgte nur weiter stumm seinen Kampf.
Melvin brach in Tränen aus. Auf der Brust des reglosen Kindes saß eine Heuschrecke. Sie sprang hoch, entfaltete ihre Flügel, schwirrte unstet vor Gerrits Gesicht. Melvin verfolgte sie mit verschleiertem Blick. Im Restlicht der Taschenlampe schimmerte ihre Membran regenbogenfarben. Dann schlug Gerrit die Klappe zu.

Teil II – Zu Mitternacht in schwelenden Hallen

Das Erste, an das sich Melvin erinnern konnte, waren die Heuschrecken. Er fing sie mit einem Marmeladenglas. Über den Sandkasten war eine löchrige Plane gespannt. Er löste einen der Gummizüge, öffnete die Plane einen spaltbreit und schüttelte das Glas aus. Danach verschloss er den Sandkasten wieder.
Als kleiner Junge tollte er gerne durchs hohe Gras. Jeden Sommer hoffte er, Bauer Friedrich würde die Wiese nicht mähen. Er war ja schon alt und vielleicht vergaß er das Mähen eines Tages. Wenn das Gras richtig hoch stand, barg es Geheimnisse und allerlei Wunderlichkeiten. Er fand Fetzen von Kinderzeichnungen oder Figuren aus Blechdosen, eine selbstgebastelte Spielzeugpistole, einmal sogar ein Rehkitz, das auf wackligen Beinen vor ihm flüchtete. Er träumte von einem Ort, an dem er zugleich wach war und schlief.
Wenn die Sonne in der Wiese versank, glaubte er, ein Gesicht zwischen den Halmen zu sehen. Es lag immer im Schatten, gerade so, dass er es nie richtig erkennen konnte. Schlief seine Mutter schon am Nachmittag ein, zog es ihn sofort ins hohe Gras und obwohl er sich fürchtete, fühlte er sich dort seltsam frei und verbrachte den Abend, bis es dunkel wurde. Blieb er zu lange fort, rannte er durch die nächtliche Wiese, bis er nicht mehr wusste, aus welcher Richtung er gekommen war. Das über die Gräser laufende Mondlicht lenkte ihn ab und er blieb atemlos stehen, weil er noch nie etwas so Schönes gesehen hatte. Und im Zentrum des hohen Grases gab es eine Lichtung. Ein kahler Fleck matschiger Erde und eine Pfütze, in der sich die Sterne spiegelten. Dort lebten die Heuschrecken.
War die Wiese gemäht, lag das vertrocknete Gras langweilig in aufgehäuften Reihen. Vor allem konnte Melvin dann das Ende erahnen, dahin sehen, wo das nächste Feld begann, und das nahm ihr allen Zauber. Die Wiese neben ihrem Haus wuchs ungewöhnlich schnell und hoch. Selbst als er älter wurde, blieb dieser Eindruck, auch wenn er es manchmal als die Fantasie eines kleinen Jungen abtat, weil sein Streunen durch die Wiese zur Seltenheit wurde. Der flotte Meister hatte bald seine Pflicht zu erfüllen.
Bauer Friedrich nannte er den Insektentöter. Er hörte nicht mit dem Mähen auf. In Melvins Magen staute sich ein heißer Zorn. Ein Zorn, der über Wochen und Monate und Jahre so heiß wurde, dass Melvin erneut mit Marmeladengläsern loszog und Insektenschutz zum Thema seiner Referate machte. Herr Kleboth gefiel das meist, in der dritten und vierten Klasse lobte er ihn öfters, aber die Schüler rümpften ihre Nasen und nannten ihn einen Sonderling und Insektenfreak. Sein damals einziger Freund Alfons tat so, als bemerke er seine besondere Faszination nicht. Bis Gerrit in das Dorf zog und Melvins Nachbar wurde. Damit änderte sich alles.

Vielleicht war es einen Tag oder eine Woche vor Gerrits Ankunft, dass Melvins Mutter ein Kreuz ins Wohnzimmer hängte. Er hatte ihr beim Einschlagen des Nagels helfen müssen, weil sie selbst zu kraftlos war und ihn nicht gerade halten konnte. An manchen Abenden stand sie schwerfällig vom Sofa auf und befahl ihm, das Kreuz zu weihen. Nicht selten musste Melvin sie an den Händen nehmen und mit aller Kraft aus den Polstern ziehen; dabei fühlten sich ihre Finger kalt und klamm an, als wäre kein Blut mehr in ihnen.
Danach holte Melvin ein Bier aus dem Kühlschrank. Die untersten drei Fächer waren stets gefüllt mir Sechserpackungen, obwohl Mutter oft über Geldnot klagte. Er mochte das Zischen nicht, wenn er die Flasche öffnete. Mit einem Schluck Bier im Mund stellte er sich dann vors Kreuz, während Mutter ein Gebet murmelte. Manchmal stützte sie sich dabei an seiner Schulter ab, damit sie nicht zu sehr auf der Stelle schwankte. „Spei auf das Kreuz!“, verlangte sie keifend. „Spei auf das Kreuz und weihe dieses Haus!“
Kaum hatte Mutter feste Nahrung im Magen, drehte sie durch. Eine qualvolle Spirale, die Melvins Herz wie im Schraubstock zerdrückte. In ihrem Kopf lösten sich die Gedanken aus dem Nebel und all die Enttäuschung brach aus ihr heraus. Melvin verstand das nicht, nur den Auslöser. Deshalb achtete er darauf, nicht zu üppige Portionen zu kochen. Aber dann maulte sie, ihr flotter Meister hielte sie am Hungerhaken und fresse selbst wie ein Mähdrescher. „Gottlob ist dein Vater fort“, wetterte sie. „Der hat immer die ganze Küche leergefressen. Hast du eindeutig von ihm geerbt. Kannst froh sein, dass er abgehauen ist, bevor du ihn kennengelernt hast.“
Wenn er nicht schlafen konnte, schlich er über die Treppe ins Wohnzimmer. Vorbei an seiner schnarchenden Mutter, und in der Dunkelheit berührte er das Kreuz, strich mit den Fingern über das spröde Holz. Bei diesen Berührungen erschien ihm der Mann aus dem hohen Gras. Er lächelte ihm zu, sein Gesicht nun strahlend hell, und er war sich sicher, dass er durch die dichten Halme zu ihm ins Wohnzimmer sah, direkt in ihn hinein und die Flügel in seiner Brust zum Erwachen brachte.
In einer wolkenlosen Nacht, als der Mond das Kreuz leuchten ließ und Mutters Mund weit offen stand, sie schnarchte wie ein Bär, bemerkte Melvin das fahle Gesicht am Fenster. Im Gegensatz zu dem Mann zwischen den Halmen wirkte es jugendlich und unglaublich real. Jemand beobachtete ihn, die Nase an die Scheibe gedrückt. Dieser Jemand klopfte gegen das Glas und grinste. So lernte er Gerrit kennen.

In der Schule waren sie sich schon ein paar Mal begegnet, aber Gerrit schien wie Melvin ein Eigenbrötler zu sein.
„Ist doch scheißegal, was die anderen denken“, erklärte er, Wochen später als sie gemeinsam über den Pausenhof schritten, ihre identischen Ranzen über den Schultern. Aber da wusste Melvin noch nicht, dass Gerrit oft Dinge sagte, nur um sie später gegen ihn zu verwenden. „Ich pfeif auf die Wichser und das solltest du auch tun.“
„Ja“, sagte Melvin. In diesem Augenblick fühlte er sich stark. Spürte die Flügel in seiner Brust, als wäre Gerrit die Reinkarnation des Mannes zwischen den Halmen. Sie falteten sich auf, begannen sachte zu sirren und ein Summen erfüllte ihn bis hinauf in den Hals, dass ihm ganz warm davon wurde. Seine Stirn und die Wangen glühten, als hätte er Fieber und er versank in dieser Wärme, dankbar mit offenen Armen. Er rechnete nicht damit, dass Dana und eine ihrer Freundinnen die Glastüren aufstießen.
„Die ist echt scharf auf dich“, sagte Gerrit und zeigte auf Dana. „Die solltest du mal ansprechen.“
„Wirklich?“
„Hundertpro. Die schaut doch jetzt schon wieder zu dir rüber.“ Gerrit klopfte ihm auf die Schulter und lächelte aufmunternd. „Jetzt geh schon zu ihr!“
Melvin wollte das nicht. Unsicherheit zerfraß ihn, verschluckte die zuvor verspürte Stärke. Er konzentrierte sich auf die zarten Flügelschläge, atmete ein und aus. Leichten Schrittes erklomm er die Treppenstufen zum Eingang der Schule, wo Dana und ihre Freundin die Köpfe zusammensteckten und über irgendetwas kicherten.
Bevor er sich bemerkbar machen konnte, stoben die Doppeltüren auf, knallten gegen die Wand, dass das Glas schepperte, und Schüler drängten aus dem Gebäude auf den Pausenhof. Dutzende, Hunderte. So viele, dass er den Überblick verlor. Sie rissen Melvin und Dana und ihre Freundin mit sich, trieben sie die Treppe hinunter.

Auf dem Pausenhof herrschte unglaubliches Gedränge. Melvin wurde hin- und hergeschubst. Hände schlugen ihm auf den Rücken und Fäuste boxten ihn in die Seite. Jemand rammte ihm den Ellenbogen in den Bauch, dass er fast zusammenklappte und unter dem Pulk begraben worden wäre. Die Schulglocke schrillte eindringlich.
Die Gesichter der Schüler waren nur verzogene und verschwommene Konturen, schwarze Löcher anstelle von Augen und Mündern, leblos starrende Masken, die ihn mit ihrer Leere in sich aufsaugen wollten. Nur Gerrit erkannte er eindeutig, doch der wandte sich ab und verschwand zwischen den Schülern. Verstört zwängte Melvin sich durch die Menge, aber er holte ihn nicht mehr ein, auch wenn Gerrit manchmal stehen blieb und zwischen Schultern, Armen und Köpfen einen Blick zurückwarf.
„Sein Vater hat sich im Wald erhängt!“, schrie eine Stimme. „Stand heute Morgen in der Zeitung.“ „Du kannst doch gar nicht lesen“, behauptete eine andere und lachte. „Ich glaube, der ist abgehauen, weil er es nicht mehr aushielt“, vermutete eine dritte. „Seine Mutter ist eine Säuferin!“ Melvin presste die Hände auf die Ohren. Die Schüler traten zur Seite, bildeten einen Korridor, ihr Geschrei nur mehr dumpf und fern, und so erreichte er unverletzt die Glastüren.
Mit seinem ganzen Gewicht presste er sich dagegen, während die Schüler hinter ihm an seinem Schulranzen zerrten. Schließlich schaffte er es, die Doppeltüren aufzudrücken und stolperte in den Klassenraum. Erwachsene hockten in einem Kreis, neben ihnen ihre stummen Kinder. Einige rieben sich nervös über die Oberschenkel oder kratzten sich an Stirn und Handrücken. Verwirrt drehte sich Melvin einmal um sich selbst. Die Doppeltür war einer weißverputzten Wand gewichen, an der die Zeichnungen aus dem gestalterischen Unterricht hingen.
„Suchen Sie sich Hilfe“, sagte Herr Kleboth und machte ein trauriges und angewidertes Gesicht, blickte hilflos in die Elternrunde. Alfons Vater zog einen Rotzklumpen hoch. Mutter hing in ihrem Stuhl, das Erbrochene auf ihrem Kleid stank süßlich stechend nach Bier. „Denken Sie doch an Melvin. Sie allein tragen die Schuld am ... am Zustand ihres Sohnes!“
„Mir ist nur ein wenig schlecht“, stammelte sie und torkelte in den Flur. Dana stand auf ihren Stuhl, ergriff die Lehne. Hüpfend manövrierte sie sich nach vorn, positionierte sich in der Mitte des Kreises. Alle Blicke ruhten auf ihr. Sie zeigte auf Melvin und kreischte: „Du bist so hässlich wie ne Heuschrecke. Lass mich in Ruh!“ Auf einem der Stühle saß Gerrit, die flache Hand unters Kinn gelegt, scheinbar eingeschlafen. Melvin stürmte kopflos an ihm vorbei, seiner Mutter hinterher. Mitten in die verrauchte Küche seines Daheims.

Am Tisch saß Mutter mit verweintem Gesicht. Ihr gegenüber ein Mann in schwarzer Jacke, die Aufschrift POLIZEI zwischen seinen Schultern. „Wir werden das Jugendamt informieren müssen, Frau Klein. Das geht so nicht weiter. Ihr Sohn braucht eine Bezugsperson. Ein Vorbild. Jemanden, der sich um ihn kümmern kann. Ich sehe doch, dass Sie dazu nicht in der Lage sind.“
Der Donner grollte und Regen schlug wie eine Furie aufs Dach. „Nein, das können Sie nicht tun“, stammelte Frau Klein. Eigentlich war sie Melvins Mutter, aber gleichzeitig auch nicht und da wurde ihm klar, dass sie wirklich zu einer Greisin geworden war, die keine Ähnlichkeit mehr mit Mutter besaß. Mit jedem Wort des Polizisten schrumpfte sie, eine zusammenfallende Hülle, bis nur noch ein Wirrwarr aus Haut, Haar und Knochen am Tisch sitzenblieb. „Ich kriege das hin. Ich kann das. Geben Sie mir noch etwas Zeit.“ Ihr Kiefer klapperte beim Sprechen. „Es ist nur eine Phase, das verspreche ich Ihnen! Nehmen Sie ihn mir nicht weg. Er ist doch mein flotter Meister und ich weiß nicht, was ich ohne ihn tun soll.“
„Wurden Sie ihrem Sohn gegenüber jemals gewalttätig?“
„Nein. Niemals!“
„Wir werden Sie in psychologische Obhut übergeben müssen. Gleich morgen früh kommt jemand vorbei. Okay, Frau Klein? Danach entscheiden wir weiter. Ein Internat – zumindest bis es Ihnen besser geht – wäre eine sichere Option für Melvin. Er braucht jetzt ein stabiles Umfeld. Verstehen Sie?“
„Ja“, flüsterte der Hautsack und eine bodenlose Traurigkeit überfiel Melvin beim Hören dieser schrecklich alten und brüchigen Stimme. Knochen fielen aus dem Hautsack, polterten zu Boden und zerfielen zu Staub, beschmutzten die Stiefel des Beamten. Hunderte Heuschrecken stoben aus der leeren Hülle und zerfetzten sie in einer Wolke. Die Insekten schwirrten wirr durch die Küche, verdunkelten das Licht. Stoben auf das gekippte Fenster zu. Ihre Flügel blitzen und schimmerten in allen Farben und der Staub regnete wie Asche auf den Küchentisch. Unter dem Fensterbrett sammelten sich die Heuschrecken, die gegen das Glas geflogen waren. Hilflos zuckten sie mit ihren Beinchen. Mutters Stimme schwand unter dem Brummen des Schwarms. „Ja, okay, ich verstehe, das ist gut für ihn ...“
Melvin wollte etwas sagen, aber er konnte nur nach Luft japsen. Der Polizist erhob sich, legte eine Karte auf den Tisch und dankte für den Kaffee. Dann ging er mitten durch den Schwarm zur Tür und zog sie hinter sich zu. Der Mutterstaub wirbelte auf und gelangte in Melvins Hals. Er hustete und keuchte. Unter dem Tisch kroch Gerrit hervor, hinterließ Schleifspuren und Handabdrücke, seine Kleidung und das Gesicht grau gepudert.
Er leckte einen Finger an, wischte mit ihm durch den Staub, durch die Asche, die Asche aller verbrannten Flügel, und steckte ihn dann in den Mund. „Ja“, sagte er. „Ja, das ist perfekt. Ihm wird es dort gefallen.“ Würgend brach Melvin zusammen, spürte den harten Aufprall auf den Dielen nicht mehr.

Er erwachte und lag unter einer der Kirchenbänke. Die Luft war stickig vom Weihrauch. Das Kirchenschiff erfüllt von den Schatten des Zwielichts. Regen prasselte gegen die Buntglasfenster. Ein tiefes Murmeln erfüllte die leere Halle, als hätte sich die Krypta in einen unterirdischen Fluss verwandelt.
Melvin robbte unter der Bank hervor, verwirrt und verloren in sich selbst. Staubstreifen und Spinnweben blieben an seinem T-Shirt kleben. Vor dem Altar kniete jemand. Kerzen tauchten die Gestalt in diffuses Licht und Melvin erkannte, dass es sich bei der Gestalt um einen Erwachsenen handelte. Der Mann trug eine blaue Baseballkappe und hielt den Kopf gesenkt, wie im Gebet versunken. Hinter dem Altar bewegte sich ein Schemen.
Eine kleine Hand, die eine Kerze hielt und mit zitternder Flamme weitere entzündete. Dann blies der Schemen die Kerze aus und die kleine Hand griff nach oben, öffnete die Tür des Tabernakels. Melvin kauerte zwischen den Bänken. Das Kirchenschiff erstreckte sich so weit, bis es sich in vollkommener Schwärze verlor. Die Halle schwankte vor seinen Augen, dehnte sich aus und er fühlte sich, als schwebe er durch endlose dunkle Korridore.
Das Rattern von schweren Ketten dröhnte durch das Kirchenschiff. Aus der Finsternis der Decke senkte sich das hölzerne Kreuz. An den Enden des Querbalkens war es mit Eisen beschlagen. Es verschwand hinter dem Altar und kam mit einem dumpfen Poltern zu liegen. Melvin spürte, wie die Erde unter ihm erbebte. Der kniende Mann verharrte regungslos. Dann hörte Melvin ein schleifendes Geräusch, Stein auf Stein, etwas Schweres, das zwischen den Bänken über die Fliesen gezogen wurde.
Mit Entsetzen beobachtete Melvin, wie Gerrit schwer atmend auf den Altar zuschritt, in seinen Händen der Stiel eines Vorschlaghammers, dessen steinernen Kopf er hinter sich über den Boden zerrte. Vor den Stufen des Altars hielt Gerrit inne, drehte sich zu Melvin und nickte ihm zu. „Dann machen wir mal Nägel mit Köpfen“, sagte er und grinste wie in jener Nacht, als sie sich kennengelernt hatten.
Der kniende Mann erhob sich und legte etwas auf den Altar. Die blaue Kappe der New York Yankees. Dann verschwand er, dorthin, wo das schwere Kreuz abgesenkt worden war. Gerrit folgte ihm. Der Kopf des Hammers schlug bei jedem Schritt schwer gegen die Stufen. Sein Gesicht glänzte schweißüberströmt unter dem Schirm seiner Red-Sox-Kappe. Er sagte: „Los jetzt. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“

Auf der marmornen Mensaplatte lagen unterarmlange Nägel. Dicker als Melvins Handgelenke. „Da ist ein Fach“, sagte Gerrit. „Mach es auf.“
Mit klammen Fingern zog Melvin das Reliquienfach auf. Bierflaschen kullerten gegeneinander. Er nahm eine davon in die Hand. Das Glas eiskalt gegen seine Haut.
„Und jetzt schlag den Korken ab!“, verlangte Gerrit.
„Aber wie?“, stammelte Melvin und wollte die Flasche fallenlassen, bevor sie an seinen Fingern festfror.
„Bist du doof, oder was? Klemm den Korken da auf die Kante und schlag feste drauf!“
Gerrit ließ den Stiel des Hammers in seiner Hand auf- und abwippen. Hinter ihm legte sich der Mann auf das Kreuz. Ganz langsam und bedacht. Er breitete die Arme aus und legte die Fußgelenke übereinander. Derweil versuchte Melvin die Flasche aufzukriegen. Mehrmals schlug er auf den Korken, bis seine Faust taub wurde. Das Blut an seinen Fingern bemerkte er kaum. Dann schaffte er es. Der Korken fiel ab und klinkerte über die Fliesensteine.
„Nimm einen Nagel!“, befahl Gerrit.
„Ich will das nicht.“
„Heulsuse, Melvin ist ne Heulsuse“, äffte Gerrit. „Du hast dir immer sein Bild angesehen. Hast so getan, als mache es dich glücklich. Aber in Wahrheit bist du wütend. Wütend darüber, dass du alleingelassen wurdest.“ Seine Stimme rollte durch das Kirchenschiff, der Hall lagerte Wort über Wort und am Ende klang es, als spräche er aus hunderten Kehlen.
„Das stimmt nicht.“
„Stimmt nicht, stimmt nicht. Natürlich stimmt es. Ich bin der Einzige, der für dich da ist, hast du das jetzt endlich begriffen? Allen anderen bist du schnurzpiepegal.“
Melvin verschüttete Bier, als er mit zitternden Fingern nach einem der Nägel griff. Er war viel schwerer als vermutet. Ein Gewicht, das an seinen ermatteten Muskeln zerrte. Er vermochte es kaum zu stemmen und musste die Flasche auf dem Altar abstellen, um beide Hände freizuhaben. Dann schleppte er ihn unter größter Anstrengung zu Gerrit hinüber.
„Wieso müssen wir das tun?“
„Verstehst du es immer noch nicht? Lass endlich los.“
Melvin nickte stumm, obwohl er nicht wusste, was genau er loslassen sollte.
„Setz ihn da auf das Gelenk und halt still.“
„Der Hammer ist doch viel zu schwer.“ Melvin spürte Tränen auf seinen heißen Wangen. In ihm schlugen die Flügel wild und panisch. Ein Gefühl, als würde er auseinandergerissen, innerlich kahlgefressen und in einer schmerzlosen Leere zurückgelassen. Treibend in lichtlosem Raum.
„Setz ihn auf!“
Melvin hob den Nagel und drückte die Spitze auf die überkreuzten Fußgelenke.
„Mit deinem ganzen Körper, verdammt!“
Der Blick des Mannes war noch oben in die Schwärze gerichtet. Selbst als Melvin sich mit dem Oberkörper auf den Nagelkopf stemmte und das erste Blutrinnsal über das Kreuz auf die Fliesen tropfte. Melvin drückte so lange, bis er den Nagel ohne Anstrengung mit einer Hand senkrecht halten konnte. Abwesend strich er mit der anderen Hand über das Holz. Da hob der Mann den Kopf und sein strubbeliges Haar hing ihm in die Stirn, verdeckte seine Augen, aber sie waren da, leuchtend und warm und hell. Das Lächeln erkannte er sofort. Er war der Mann aus dem hohen Gras.

Die hohen Buntglasfenster zerbarsten. Ein Scherbenregen ging auf die Bänke nieder, den Altar, das Kreuz und die beiden Jungen. Funkelnd schlitterten sie über den Boden oder blieben in Melvins und Gerrits Haaren hängen. Eine besonders lange und scharfe Scherbe schnitt Melvin in die Wange und er spürte das warme Blut über seinen Hals laufen. Es war ihm egal.
Augenblicklich wurde das Kirchenschiff von einem mächtigen Summen und Brummen erfüllt, als sich abertausende Heuschrecken ihren Weg durch die zerbrochenen Fenster bahnten. Über dem Kreuz sammelten sie sich zu einem Schwarm, der hin und her zuckte. Fasziniert schaute Melvin ihnen zu. Aus Gerrits Gesicht sprach die reine Abscheu. „Was ist das?“, fragte er.
„Heuschrecken“, sagte Melvin und zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte er. Hatte der Mann aus dem hohen Gras sie gerufen? Waren sie hier, um ihm zu helfen? Je mehr Insekten sich über dem Kreuz sammelten, desto stärker schlugen die Flügel in Melvins Brust.
Sobald der Schwarm alle Heuschrecken in sich aufgenommen hatte, flog er zur rechten Kirchenseite, wo er seine Gestalt veränderte. Über der Kanzel bildete er eine monströse Form mit Dutzenden länglichen Auswüchsen, die Melvin an die zuckenden Beinchen der sterbenden Heuschrecken unter dem Küchenfenster erinnerten. Aus der unförmigen Erscheinung wurde schließlich eine entfernt menschenähnliche Silhouette, mit Körperpartien, die er als Kopf, Rumpf, Arme und Beine differenzieren konnte.
„Halt den Nagel gerade!“, schrie Gerrit und holte ihn zurück in die Wirklichkeit. „Sonst hau ich dir die Hand oder den Arm zu Brei!“
„Du bist sowieso zu schwach, den Hammer zu schwingen.“
„Was sagst du da?“
„Du hast mich schon verstanden.“ Melvin war selbst überrascht ob der Festigkeit seiner Stimme. Da war nichts mehr, die Angst und die Verzweiflung wie weggeblasen, als hätten die Heuschrecken ihn von seinen Lasten befreit, allein mit ihrer Präsenz seine innere Aufruhr besiegt. Adrenalin schoss durch seinen Körper. Dieses eine Mal in seinem Leben hatte er die Oberhand, konnte die Dinge nach seinem Empfinden steuern, das spürte er ganz deutlich.
„Du behinderter Insektenfreak“, keifte Gerrit und seine Stimme bekam einen Bruch, klang jetzt so, wie Melvins Stimme immer geklungen hatte. Kraftlos. Jeglichen positiven Emotionen beraubt. Die Stimme eines Verlierers. „Halt den beschissenen Nagel gerade!“
Gerrit griff den Stiel mit beiden Händen. Seine Knöchel traten weiß hervor und er lehnte sich zurück auf den rechten Fuß. Mit verbissener Miene holte er Schwung für den ersten Schlag. Melvin hielt den Nagel nicht länger und ließ ihn umkippen. Der Mann auf dem Kreuz lächelte immer noch.
„Du warst es die ganze Zeit“, sagte Melvin und sah Gerrit an.
„Halt den Nagel! Halt den Nagel! Halt den Naaaag-“
Gerrit schwang den Hammer und ließ seinen zentnerschweren Kopf heruntersausen. Holz splitterte und barst. Er schlug erneut zu. Unmenschlich keuchend und schnaufend, völlig außer sich. Stein schlug auf Metall. Stein schlug auf Fleisch. Feiner Sprühregen legte sich auf Melvins Gesicht. Stein schlug auf Holz. Stein schlug auf Stein und Funken sprühten. Gerrits Schreie wurden hysterischer. Melvin spürte die Präsenz der Heuschrecken. Hörte ihr Brummen, fühlte das Zucken des Schwarms, das Mahlen ihrer Mandibeln. Er faltete die Hände. Manifestierte den Schwarm. Lauter. Stärker. Mächtiger. Bis er ihn komplett erfüllte. Melvin schloss die Augen.

Er konzentrierte sich, wartete darauf, dass er besser sehen konnte. Die Konturen der Gär- und Lagertanks schälten sich aus der Dunkelheit. Das Schlagen des Hammerkopfs dröhnte noch in seinen Ohren. Die Taschenlampe flackerte und strahlte dann mit voller Stärke, als würde sie ihm den Weg leuchten.
Er bemerkte, dass er Bier in seinem Mund hatte. Melvin spie es an den Bottich. Im Licht der Taschenlampe lief die Flüssigkeit glänzend über das Kupfer. „Ich weihe dieses Haus“, sagte er, holte Anlauf und schmetterte die leere Flasche gegen den Bottich.
„Hör auf damit“, wimmerte eine Stimme. Gerrits Stimme. Er war im Innern des Läuterbottichs gefangen und konnte nicht mehr hinaus. Melvin würde so lange warten, bis er zu einem Gespenst geworden war, ein Geist in seinem Kopf, der in Vergessenheit geriet. Vielleicht verirrte sich eines Tages ein Wanderer hierher und fand ihn, seine Leiche. Der Wanderer würde die Polizei alarmieren und die Beamten würden sich durch das Dickicht zur alten Brauerei hochkämpfen und alles mit ihren rotweißen Bändern absperren. Aber das war ihm egal. Wenn das geschah, wäre er längst nicht mehr hier.
„Lass mich raus“, flehte Gerrit. „Wir sind doch Freunde. Ich nehme alles zurück, was ich getan habe. Es war nicht böse gemeint!“
„Das sagst du immer. Ich glaube dir nicht. Ich habe dir nie geglaubt.“
„Ich schwöre es. Ich schwöre es!“
„Halt die Klappe!“, schrie Melvin. Er schlug mit den Knöcheln gegen das Kupfer, um Gerrits Schwüre und seine Verzweiflung nicht mehr hören zu müssen. Spürte die Vibrationen im Bottich, nahm sie über die Hand auf in seinen Körper, in der Brust die ermattenden Schläge der Flügel, und es fühlte sich gut und befreiend und leicht an, als er mit aller Kraft dagegen hämmerte und sich Gerrits Wimmern in den Echos verlor.

Melvin torkelte. Ihm war schwindelig, seine Beine weich und wie aus Gummi. Hinter dem Rechteck des Eingangs glomm ein fahles Licht. Er zögerte, drehte sich noch einmal um. Lauschte. Da war kein Geräusch. Nichts. Nur eine Stille, als hätte die Nacht das ganze Universum verschluckt.
Er würde gehen. Nicht zurück ins Dorf, nicht zurück zum flotten Meister und seiner kranken Mutter. Er hatte all das und die Schule und die Kirche und die zerfallene Brauerei ein für alle Mal in dem Bottich eingeschlossen. Er würde Gerrits Rad im Gebüsch verstecken, die Yankees-Kappe hinterherschmeißen und sich in den Sattel seines Rades schwingen. Er würde sich ins Haus schleichen, bevor seine Mutter erwachte und ihr einen Brief schreiben.
Danach würde Melvin losfahren, ohne sich umzudrehen. Tief in den Wald und auf der anderen Seite wieder hinaus. Er würde sehen, wohin ihn die Kraft in den Pedalen führte, und er würde so schnell treten, dass sein Rad abhob und er sich zu einer Heuschrecke mit durchsichtigen Flügeln verwandelte, und er flöge weg von der bitteren Nacht, weg von den Ruinen dieses Spätsommers, hinein ins hohe Gras. Wo er bereits das Angesicht des neuen Tages als schwachen Glanz auf den Halmen erahnen konnte.

 

Melvin achtete darauf, keine zu überfahren.​
Dann kann auch keine Knirschen!

An gewissen Stellen mussten sie absteigen, weil der Weg zugewachsen war. Dornen hinterließen Kratzer auf Melvins Waden. Einmal blieb er an einem Ast hängen und wäre beinahe hingefallen.
Es wäre viel unmittelbarer, wenn du das beschreiben würdest. In Form von Handlung. Zeige, was passiert. So, wie es dasteht, ist es nur eine retrospektive Schilderung einer Handlung, die irgendwann mal stattgefunden hat. So bleibt es distanziert und berührt eher weniger.
Zum Glück war Gerrit damit beschäftigt, einen sicheren Weg durch das Dickicht zu finden.
Das Glück ist wohl weniger, dass er damit beschäftigt war, sondern dass er mit dabei war und einen Weg gefunden hat.
Melvins Herz pumpte gegen die Brust
... was mit dem Leben nicht vereinbar ist. Es pumpt in die Aorta und die A. pulmonalis, und wenn überhaupt, dann gegen einen Widerstand.
bei seinem Kampf mit der Erdanziehung.
Gegen die Erdanziehung


Sorry, muss weg, Rest folgt

 

Hallo @Uhdrapur

Danke für deinen Kommentar.

Dann kann auch keine Knirschen!
Naja, er radelt ja nicht allein. Aber hast schon recht, vielleicht muss ich das deutlicher machen.

Es wäre viel unmittelbarer, wenn du das beschreiben würdest. In Form von Handlung. Zeige, was passiert. So, wie es dasteht, ist es nur eine retrospektive Schilderung einer Handlung, die irgendwann mal stattgefunden hat. So bleibt es distanziert und berührt eher weniger.
Habe es leicht umgeschrieben, damit es etwas direkter ist.

Das Glück ist wohl weniger, dass er damit beschäftigt war, sondern dass er mit dabei war und einen Weg gefunden hat.
Damit ist gemeint, dass er zum Glück abgelenkt war, sonst hätte er wieder dumme Sprüche geklopft. Hatte ich erst ausformuliert. Versteht man das nun nicht mehr? Habe mal was ergänzt.

... was mit dem Leben nicht vereinbar ist. Es pumpt in die Aorta und die A. pulmonalis, und wenn überhaupt, dann gegen einen Widerstand.
Ich glaube nicht, dass das hier 'medizinisch korrekt' geschildert werden muss.

Gegen die Erdanziehung
Habe ich übernommen. Danke.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey!

Ich steige direkt ein:

Am Abend radelten sie dem Waldrand entlang.
Das klingt schräg. Vielleicht: Am Abend radelten sie am Waldrand entlang.
Oder: Am Abend radelten sie den Waldrand entlang.

Sie gaben ein trockenes Knirschen von sich, wenn sie überrollt und in ihren Chitinpanzern zerdrückt wurden.
Das geben die doch nicht von sich, oder? Das Geräusch entsteht, wenn sie zerquetscht werden.

Am Gepäckträger von Gerrits Rad wippte ein langer Stab auf und ab und mit ihm eine kleine blaurote Flagge.
Würde ich kürzen: Am Gepäckträger von Gerrits Rad wippte an einem langen Stab eine blaurote Flaggeauf auf und ab. Zudem ein Adjektiv streichen.

Melvin dachte, wenn er diese Flagge nicht aus den Augen verlor, komme er sicher oben an, ohne sich hoffnungslos in dem wuchernden Unkraut zu verheddern.
Hier hab ich den Friedel schon in den Ohren: kommt wird er wohl eher denken. Zudem passt verlor zeitlich nicht, oder?

Melvin trat auf seinen offenen Schnürsenkel, weil er sich zu fest auf die Flagge konzentrierte.
sehr? Oder sogar ganz streichen – es reicht ja, dass er sich konzentriert.

In diesem Moment drehte sich Gerrit um und erwischte ihn bei seinem Kampf gegen die Erdanziehung.
Beides nicht schlecht aber auch nicht recht passend. Warum erwischt er ihn? Er sieht es halt. Oder meinst du: Er erwischt ihn einmal mehr bei einer Ungeschicktheit?
Und Kampf gegen die Schwerkraft – weiß nicht recht ...

Gerrits Sprüche waren bestimmt nicht böse gemeint, trotzdem taten sie Melvin manchmal ein bisschen weh.
könnte weg

In Melvins Estrich hatten sie eine verstaubte Karte gefunden, auf der alle Gebäude des Geisterdorfs eingezeichnet waren.
Im Estrich? Das solltest du vielleicht näher ausführen. Handelt es sich dabei um einen Trockenestrich? Und wenn ja, wie kam er darauf, den auseinanderzunehmen?

Noch kauend hielten sie ihre Stöcke in die Flammen.
Wozu das noch?

Unter Tränen beobachtete MelvinKOMMA wie sich Gerrit mit verzerrtem Gesicht selbst verbriet.
Mag so korrekt sein, klingt aber seltsam.

Dann geschah das unvermeidliche Unglück.
Ich weiß, wie es gemeint ist. Dennoch scheint es mir to much. Vielleicht: das sich abzeichnende Unglück

Und falls er ihn doch noch einmal ansprach, dann nur über Gerrit.
Schickt er Gerrit vor, ihn anzusprechen? Oder will er etwas über Gerrit erfahren?

An denjenigen Tagen, an denen nicht nur die Hitze besonders drückte, sondern auch sein Kopf, stellte er sich vor, unter einen der Bänke in den Schatten zu kriechen.

Aber er betrat die Kirche doch nie, trotz der offenen Tür, weil ihm das große Kreuz im Schatten unheimlich vorkam, als könnte es auf ihn herunterfallen.
Könnte man auch umstellen und teilen: Trotz der offenen Tür betrat er die Kirche nie. Weil ihm das große Kreuz im Schatten unheimlich vorkam, als könnte es auf ihn herunterfallen.

Denn Gerrit war eine Klasse über ihm.
Wieso denn?

Sogar die Polizei musste mit einem Streifenwagen vorgefahren.

Seine Augen fixierten die rotglimmenden Ziffern des Weckers und er wartete, bis der träge Schlaf zu ihm unter die Decke kroch.
könnte weg

Gerrit hatte bereits in Amerika Deutsch gelernt, aber seine breite Aussprache verriet seine Herkunft aus einem fernen Land.
Is ja klar, um welches Land es geht.

„Ich hab gehörtKOMMA es soll sehr bitter sein“, sagte Melvin.

In der Schule machte er es ohne Bewusstsein, die Hände unter dem Pult, kalter Schweiß an ihren Innenflächen, während Herr Kleboth an die Tafel schrieb.
unbewusst

Zwischen Regenwolken das schwache Leuchten des Mondes, als würde Melvin ihn durch den Flaschenboden seines Biers betrachten.
Fehlt da nicht was? Kann man wohl so schreiben, blieb ich jedoch hängen.

Nieselregen fiel und es war so still, dass er die Tröpfchen auf dem von der Sonne aufgeheizten Schutt zischen hörte.
Da muss es aber verdammt heiß gewesen sein. Hatte doch zuvor schon geregnet ...

Irgendwo knackte laut ein Ast und ein kleines Tier huschte durch die Dunkelheit davon.
Eine kleines Tier lässt doch keinen Ast knacken, oder? Zweig oder klein weg ...

Das stetige plink! beim Auftreffen auf einem der Bottiche war das einzige Geräusch.
Muss das nicht groß geschrieben werden?

Plötzlich wurden Melvins Füße kräftig nach oben gedrückt und er verlor seinen Halt an den Rändern der Klappe.
den Halt.

Doch dieser verfolgte nur weiter stumm seinen Kampf.
der

Komme wieder für mehr.
Dann äußere ich mich auch zu Geschichte selbst.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @deserted-monkey,

da der Text so lang ist, habe ich einfach gelesen, um mich auf den Inhalt konzentrieren zu können und anders als sonst weitestgehend auf Markieren und Zitieren verzichtet. Deshalb kann ich jetzt nur kurz erwähnen, dass sich da noch ein, zwei Fehlerchen eingeschlichen haben, aber die findet dann hoffentlich jemand anderes für dich :)

Zwei Kleinigkeiten, die mir auch ohne Zitat in Erinnerung geblieben sind:

- Als der Polizist mit der Mutter in der Küche steht, wird die Küche "blaurot" beleuchtet, was ja aber ein USA-Ding ist.

- die "Alten", Geritt spricht immer wieder von "der Alten" und "dem Alten", wenn er von den Eltern spricht, das wird für meinen Geschmack aber schon fast inflationär genutzt. Wirkt vielleicht auch nur so, weil es mir persönlich so unnatürlich vorkommt, das klingt so nach 80er-Jahre-Coming-of-Age-Movie, wo das dem aufmüpfigen Teenie in den Mund gelegt wird.

Ich hätte die Geschichte fast gerne unvoreingenommener gelesen, ohne die Tags, ich glaube, dann hätte der zweite Teil eine noch spannendere Wirkung entfalten können als eh schon. Nach dem ersten Teil hätte sich meine Kritik vermutlich ungefähr so angehört: Gute Coming-of-Age Geschichte, aber ach, ich hätte mir gewünscht, dass du was wagst, irgendeinen Bruch ... Aber da ging mein Wunsch auch schon in Erfüllung :)

Denn am Anfang des zweiten Teils drehst du gut auf, da sind tolle Bilder drin, der Hautsack mit den herauspurzelnden Knochen zum Beispiel, und auch, wenn du dich da ein Stück weit von der Realität verabschiedest, ist es für mein Empfinden trotzdem noch sehr greifbar und nicht komplett entwurzelt bzw. abgelöst vom ersten Teil.

So erkläre ich mir das, was ich da lese, dann auch weniger durch tatsächliche übersinnliche Ereignisse, sondern psychologisch. Damit, dass Melvin in der Dunkelheit feststeckt mit dieser potenziellen Leiche und in der Panik dann alles zusammenbricht, das wacklige Gerüst, auf dem sein junges Leben gerade steht. Und das finde ich gut.

Nicht ganz so gut finde ich, wie es dann weitergeht und das könnte ein sehr subjektiver Eindruck sein. Aber im weiteren Verlauf des zweiten Teils geht der Bezug zur Realität ja fast komplett verloren, jetzt ist alles symbolisch (und das wäre dann ein weiterer kleiner Kritikpunkt, es sind sehr viele Symbole) bis fantastisch, und an einer Stelle wird mir dann auch noch dieser letzte kleine Spielraum genommen, ob es nicht doch nur Einbildung ist, dann nämlich, wenn der (sehr nah an Melvin seiende) Erzähler klarstellt, hey, die Flasche ist eiskalt an der Haut, das ist kein Traum hier, sondern echt!!!
Erst am Ende ist dieser Spielraum dann wieder da, da bin ich dann auch wieder bei meiner ursprünglichen Theorie, die ergänz wird durch einen imaginären Freund, einen niemals existiert habenden Gerrit. Aber zwischendurch war ich raus, da war es mir zu viel.

Aber: Das ist ein sehr frischer erster Leseeindruck, auch tagesformbedingt, deshalb nimm es vorerst auch mal nur als das: Der Leseeindruck eines einzelnen.

Eine andere Sache, die ich nicht unbemerkt lassen will: Im ersten Teil hatte ich ein kleines Problem mit dem Erzähler. Wie schon erwähnt ist der für mein Empfinden ja sehr nah an Melvin, dafür ist er mir dann aber hin und wieder doch zu erwachsen-allwissend. Wenn es um die psychologische Konstellation der beiden Jungs zueinander geht zum Beispiel oder auch bei so Kleinigkeiten wie dem "meisterhaft spielenden" Schauspieler, das ist mir selbst für einen durch die familiären Umstände zur Frühreife gezwungenen Jungen zu erwachsen. Im zweiten Teil hab ich das nicht mehr lesen können und das macht es dann auch wieder schwierig, dass das nicht ganz einheitlich ist.

So, das wars dann aber auch. Nicht, dass vor lauter Kritik noch untergeht, wie spannend die Geschichte eigentlich ist, wie gut konstruiert und wie poliert, trotz der beachtlichen Länge. Vielen Dank fürs Teilen!

Bas

 

Hallo @deserted-monkey!

Weiter gehts:

Ein Zorn, der über Wochen und Monate und Jahre so heiß wurde, dass Melvin erneut mit Marmeladengläsern loszog und Insektenschutz zum Thema seiner Vorträge machte. Herr Kleboth gefiel das meist, in der dritten und vierten Klasse lobte er ihn öfters, aber die Schüler rümpften ihre Nasen und nannten ihn einen Sonderling und Insektenfreak.
Halten Kinder in der Schule Vorträge? Eher ein Referat, oder?

Nicht selten musste Melvin sie an den Händen nehmen und mit aller Kraft aus den Polstern ziehen, und dabei fühlten sich ihre Finger kalt und klamm an, als wäre kein Blut mehr in ihnen.
... Polstern ziehen; dabei fühlten ...

Die untersten drei Fächer waren stets gefüllt mir Sechserpackungen, obwohl Mutter oft über das Geld klagte.
Geldnot

Manchmal stützte sie sich dabei an seiner Schulter ab, damit sie nicht zu fest auf der Stelle schwankte.
sehr

Melvin verstand das nicht, nur die Ursachen.
Eher den Auslöser. Würde er die Ursache kennen, würde er verstehen ...

Hast du eindeutig von ihm geerbt. Sei froh, ist er abgehauen, bevor du ihn kennengelernt hast.
Klingt für mich falsch. Muss lokal sein ...

Doch er rechnete nicht damit, dass Dana und eine ihrer Kolleginnen die Glastüren aufstießen.
Sind doch Schülerinnen, oder? Da passt das Wort für mich nicht.

Knochen fielen aus dem Hautsack, polterten zu Boden und zerfielen zu grauem Staub, beschmutzten die Stiefel des Beamten.
Da kein Staub mit besonderer Farbe beschrieben wird, braucht es den Zusatz mMn nicht.

Würgend brach Melvin zusammen, spürte den harten Aufprall auf den Dielen bereits nicht mehr.

Er erwachte und lag unter einem der Kirchenbänke.

Melvin kauerte sich zwischen die Bänke.
Melvin kauerte zwischen den Bänke.

Gerrit ließ den Stiel des Hammers in seiner Hand auf- und abwippen.
Heißt das nicht, der schwere Hammerkopf müsste mit auf und ab wippen? Das zerstört das Bild der enormen Schwere ...

Seine Stimme rollte durch das Kirchenschiff, der Hall lagerte Wort über Wort und am Ende klang es, als spräche er aus hunderten Kehlen gleichzeitig.
aus hunderten Kehlen sagt schon alles

In ihm schlugen die Flügel wild und panisch durcheinander.
durcheinander kann ich mir nicht vorstellen

„Mit deinem ganzen KörperKOMMA verdammt!“
bin nicht sicher

Augenblicklich wurde das Kirchenschiff von einem mächtigen Summen und Brummen erfüllt, als sich abertausende Heuschrecken ihren Weg durch die nun offenen Fenster bahnten.
zerbrochenen

Für Einmal in seinem Leben hatte er die Überhand, konnte die Dinge nach seinem Empfinden steuern, das spürte er ganz deutlich.
Oder: Erstmals

Keuchend und schnaufend, unmenschliche Laute von sich gebend, völlig außer sich.

Stein schlug auf Stein und Funken sprühten.
Sprühen bei Stein auf Stein Funken?

Gerrits Stimme. Er war im Innern des Läuterbottichs gefangen und konnte nicht mehr hinaus.
Kommt mir zu schnell, zu eindeutig. Würde ich noch im Dunklen lassen.

Ihm war schwindelig und seine Beine weichKOMMA und wie aus Gummi.

Er würde Gerrits Rad im Gebüsch verstecken, die Yankees-Kappe hinterherschmeißen und sich in den Sattel seines eigenen Rades schwingen.

Ich finde es faszinierend, wie detailliert und facenttenreich du erzählst. Ich käme nie auf die Idee, bei mir muss es vorangehen, und meist erwarte ich das auch beim Lesen, aber hier störte es mich (zumindest im ersten Teil) kaum. Finde auch den zweiten Teil gut, aber dann doch etwas zu langatmig, teils sich wiederholend, nicht im wörtlichen Sinn, eher die Betonung des Wahnsinns betreffend. Die Wendung, das Tauschen von Opfer zu Täter finde ich einerseits gelungen, anderseits hätte ich mir beim zweiten Lesen kleine versteckte Hinweise gewünscht. Vielleicht blieben sie mir ja verborgen.
Alles in Allem sehr gut geschrieben, samt teils sehr guten Bildern. Hatte Spaß beim Lesen und Kommentieren!

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @deserted-monkey,

endlich mal wieder Horror, der Thread hier hat ja schon langsam ausgesehen wie die verlassenen Herrenhäuser am Waldrand, in denen seine Geschichten spielen.

Ich bin schon mal Fan des Finales, dieser ganz eigenen Variante eines sehr klassischen Motivs, des Lebendig-begraben-Werdens. Da muss ich immer an Poe denken und hier im Nachgang sogar an eine ganz bestimmte Geschichte: „Alle die tausend kränkenden Reden Fortunatos ertrug ich, so gut ich konnte, als er aber Beleidigungen und Beschimpfungen wagte, schwor ich ihm Rache.“ Es ist - ein bisschen - wie das Fass Amontillado mit dreizehnjährigen Jungs. Unterschiede: Phantastische Elemente (oder nur Halluzinationen? Dazu gleich mehr), Melvin hat keinen Plan, sondern feiert das Fest, wie es fällt, und anders als bei Poe erlebe ich hier die Kränkungen, die seelische Grausamkeit, sodass ich eine Grundlage habe, auf der ich entscheiden kann, ob Melvins Handeln gerechtfertigt ist oder ob er ein Psychopath ist.

Vor dem Ende als dritten teilt sich die Geschichte in zwei Abschnitte. Erst mal ein sehr klassisch erzähltes Coming of Age - Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden betrachten die Welt mit zunehmend erwachsener werdenden Augen - bei dem ich, sofern ich was von der Genreetikettierung mitbekommen habe, dem entgegenfiebere, was den Jungen da früher oder später im Geisterdorf begegnet. Und dann, etwa ab „Auf dem Pausenhof herrschte unglaubliches Gedränge“, gibt es so eine David-Lynch-eske Abfolge von alp- oder fiebertraumartigen Szenen, die mich bis zum fiesen Knaller am Ende ein bisschen verloren hat. Grund: Wenn ein Mal etabliert ist, dass ich mich in so einer wie halluzinierten Umgebung bewege, stellt sich die spannende Frage nicht mehr, was als nächstes passiert. Wenn einfach alles möglich ist, alle Regeln von Logik und Schlüssigkeit ausgesetzt sind, wie in Traum, Trip oder Vision, dann kann eben auch alles passieren - und damit nichts überraschen.

Vielleicht übertreibe ich auch und muss einfach ein zweites Mal lesen, aber mindestens ein Leser hat es ja ähnlich empfunden, wenn er es auch anders formuliert. So weit für mich also zwei von drei Punkten. Was ja eine gute Geschichte ist.

Eine paar Details:

Melvin und Gerrit; Moskitos; wie bei Herr Kleboth, rot-blaue Flagge …

Dieses USA-Gemasch, irgendwie geht das drunter und drüber. Das mit dem US-„Blaulicht“ hat @Bas bereits erwähnt, dann ist an anderer Stelle von gelbem Absperrband die Rede, in Deutschland wäre das ja rot-weiß. Wer heißt bei uns Melvin? Und wer heißt in den USA Gerrit? Laut mynamestats.com einer von hunderttausend. Also, wenn mich die Mathematik jetzt nicht völlig verlässt, und das tut sie oft, irgendwie so … 3500 Leute? Damit ist nicht ausgeschlossen, dass er so heißt, aber what are the chances?

Ich sehe auch nicht, warum das sein muss, wo der Hintergrund dieser Figur eine Rolle spielt, die das hergibt, dass die da mit eben diesem Hintergrund drin ist. Fühlt sich unnatürlich an, reingequetscht. Wenn sich in dem Geisterdorf etwas verschanzt hat, das einem Wendigo gleichkommt, dann wäre das was anderes. So kann man jetzt sagen, warum nicht? Man kann aber genauso sagen: Warum nicht aus Grönland? Schweden? Polen?

„Ganz schön anstrengend, was Schwabbel?“, sagte Gerrit.
Einerseits gut, hier steckt sowohl eine physische Info über Melvin drin als auch diese unterbutternde Art von Gerrit. Andererseits steht es ganz allein, Melvins Übergewicht spielt, sofern ich es nach dem einmaligen Lesen nicht einfach nur vergessen habe, nicht ein einziges Mal mehr eine Rolle.

Gerrit kam aus Amerika, aus einer Stadt namens Boston
Eine Stadt namens Boston klingt so nach Phantasien. Auch wenn die USA in den Achtzigern und gerade für ein Kind weiter weg waren als heute (Globalisierung und Digitalisierung), höre ich Melvin das so nicht denken. „Eine Stadt namens …“ Boston ist nicht New York oder Los Angeles, aber doch auch keine versunkende Tintenfischmenschenstadt aus einer Lovecraft-Story.

Am Abend zuvor rösteten sie Marshmallows über dem Feuer
Doch der Elternabend hatte alles verändert. Alfons Vater musterte ihn
Vorvergangenheit, beim ersten Beispiel sogar „zuvor“ als Signalwort

Am Abend zuvor rösteten sie Marshmallows über dem Feuer, das sie auf einem Erdhügel im Zentrum der Ruinen entzündeten. Kauend hielten sie ihre Stöcke in die Flammen. Beim folgenden Fechtkampf schlug ihm Gerrit mit der glühenden Spitze auf die Hand. Unter Tränen beobachtete Melvin, wie sich Gerrit mit verzerrtem Gesicht selbst verletzte. An der identischen Stelle, in dieser kleinen Kuhle, wenn er Daumen und Zeigefinger abspreizte. Gerrit lächelte und sagte: „Jetzt sind wir Brüder für immer.“ Melvin hatte Angst vor seiner heutigen Entschuldigung. Schließlich stellte die Ruine der Brauerei den Höhepunkt dar.
Das Geisterdorf lag weniger als fünfzehn Radminuten von ihrem Wohnort entfernt. In ihrem eigenen Dorf existierte nicht viel mehr als die Schule und die vier Handvoll Schüler. Die meisten kümmerten Melvin nicht. Er ging ihnen aus dem Weg und sie ihm. Doch der Elternabend hatte alles verändert. Alfons Vater musterte ihn und seine Mutter, als sähe er sie zum ersten Mal und sein zum Schlitz verzogener Mund verriet, dass er nicht erfreut über dieses erneute Kennenlernen war.
Herr Kleboth Stirn zeigte tiefe Sorgenfalten, je länger er sich mit Mutter unterhielt, und seine Stimme zitterte seltsam. Dann geschah das Unglück. Mutter erbrach sich über das Kleid und die Augen schwammen ihr im Kopf, wie bei einem in der Sonne aufgequollenen Fisch. Seitdem mied auch Alfons ihn.
Sein Weg zur Schule führte Melvin durch das Dorfzentrum, an der katholischen Kirche vorbei. An denjenigen Tagen, an denen nicht nur die Hitze besonders drückte, sondern auch sein Kopf, stellte er sich vor, unter eine der Bänke in den Schatten zu kriechen. Um abzuwarten, bis es Abend wird. Trotz der offenen Tür betrat er die Kirche nie. Weil ihm das große Kreuz im Schatten unheimlich vorkam, als könnte es auf ihn herunterfallen.
Dienstags und donnerstags begleitete ihn Gerrit. An diesen Wochentagen hatten sie zur selben Zeit Unterrichtsbeginn. Gerrit war eine Klasse über ihm. Melvin gab sich Mühe, in seiner Anwesenheit nicht an die Kirchenbänke zu denken.
Ich hab diesen Part als sehr infodumpig empfunden, sowohl auf Lokalitäten als auch auf Personen bezogen.

Sie tun alles, um die andere Seite klein zu machen. Aber gleichzeitig ist es auch Sport. Also verbindet es die Leute trotzdem, verstehst du?
Das ist mir zu dick für ein Kind, zu nachdenklich.

weil sie nur apathisch rumsaß,
Auch hier ist mir das Vokabular zu erwachsen. Dass mit der Mutter etwas nicht stimmt, wird zuvor und auch im späteren Verlauf der Geschichte gut gezeigt, die direkten oder indirekten Erklärungen ihres Verhaltens braucht es nicht.

die sie als postnatale Depressionen bezeichnete.
Das sagt sie niemals zu ihrem Kind.

wie er sie manchmal morgens im Nachthemd am Küchentisch vorfand, der Kopf auf der Platte, Flaschen und Dosen verteilt auf dem Boden
Der Alkoholismus ist insgesamt nicht schlecht beschrieben, aber ein paar Sachen sind mir zu drüber.

Es lief Boston Legal, ihre Lieblingsserie, von der sie alle Folgen mit dem VHS-Rekorder aufnahm.
Aha! Boston!

dass der Vater in der Folge gleich hieß wie er.
so hieß wie er

Wenn dich deine Mutter bis dahin nicht erdrückt hat, sicher.“
Das klingt auch zu poetisch für einen Jungen kurz vor der Pubertät.

Doch Gerrits Blick fand den seinen und da verstand Melvin, es war wieder einer dieser Momente, wo er die schrecklichen Gefühle in ihm weckte. Gerrit wusste genau, was er tat. In seinen Augen sah er die Flügel verbrennen, lichterloh, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. Mit seiner Zunge und den Händen fing er die tote, graue Asche auf. Das war Gerrits Lieblingsspiel.
„Wenn ich mir’s recht überlege, war das wahrscheinlich gar nicht dein erster Schluck. Die Alte hat doch schon gesoffen, da warst du noch in ihrem Bauch drin!“ Er rieb sich über sein T-Shirt. Dann lachte er und wischte die Bemerkung weg. „Hey, du weißt doch, ich verarsch dich nur!“
Das ist ähnlich wie mit dem Verhalten der Mutter. Aus dem Handeln und Reden der Figuren ergeben sich Dinge, die dem Leser nicht zusätzlich noch erklärt werden müssten, in diesem Fall auch noch mit einer aufwendigen Metapher (zu den Insekten komme ich noch).

Schmutzige blaue Bierkästen waren bis unter die Decke gestapelt. Im Licht der Lampe schwebten Staubpartikel.
Das ist gut beschrieben mit den Kästen und sehr gut beobachtet mit dem Staub, ich stehe in diesem Raum.

Bauer Friedrich nannte er den Insektentöter. Er hörte nicht mit dem Mähen auf. In Melvins Magen staute sich ein heißer Zorn. Ein Zorn, der über Wochen und Monate und Jahre so heiß wurde, dass Melvin erneut mit Marmeladengläsern loszog und Insektenschutz zum Thema seiner Vorträge machte. Herr Kleboth gefiel das meist, in der dritten und vierten Klasse lobte er ihn öfters, aber die Schüler rümpften ihre Nasen und nannten ihn einen Sonderling und Insektenfreak. Sein damals einziger Freund Alfons tat so, als bemerke er seine besondere Faszination nicht. Bis Gerrit in das Dorf zog und Melvins Nachbar wurde. Damit änderte sich alles.
Diese Stelle kommt mir vor wie schnell noch reingeschoben, kurz bevor das mit den Insekten relevant wird. Und so richtig relevant werden sie dann ja eigentlich nicht. Also, ich könnte mir die wegdenken aus der Geschichte, und das einzige, was dann so ein bisschen in der Luft hinge, wären diese Lange Beinchen/Flügel in der Brust-Metaphern. Kann natürlich auch sein, dass ich was übersehe.

Spei auf das Kreuz!“, verlangte sie keifend. „Spei auf das Kreuz und weihe dieses Haus!“
Das scheint so von Carrie inspiriert. Auch hier wieder so ein bisschen Amerika-Gemasch, so wo sind wir hier noch mal? Natürlich gibt es christliche Fundamentalisten in Deutschland, aber ich denke, weder in der Menge noch in der Intensität spielen die hierzulande die Rolle, die sie in den USA spielen. Bei Carrie Whites Mutter kommen zudem ein extrem christliches Aufwachsen und eine Psychose zusammen und erschaffen nachvollziehbar dieses Monster, das sie ist. Hier kommt das irgendwie aus dem Nichts, Religion spielt ja eigentlich keine Rolle vorher, aber plötzlich ist das so der Dreh- und Angelpunkt ihres Wahnsinns. (EDIT: Mein Hinterkopf sagt zwar gerade „Kirchenbänke“, aber mein Vorderkopf bringt da noch keine Fäden zusammen)

Kinderaufsichtsbehörde
Jugendamt?

und da realisierte er,
Da wurde ihm klar/bewusst; ich höre nie auf, diesen Kampf zu kämpfen, da bin ich Anachronist.

in psychologische Obhut
Bei einer Zwangseinweisung geht’s glaube ich immer um Psychiatrie, zum Psychologen kann keiner gegen seinen Willen geschickt werden. Eine Auflage vielleicht, wenn du meinetwegen immer ausrastest und Leuten die Nase brichst, aber das ist eher so die sechs Monate auf Bewährung, sofern du bereit bist, eine Therapie zu machen.

Gleich morgen früh kommt jemand vorbei.
Das glaube ich auch nicht. Ich sage ich glaube, ich bin da jetzt juristisch nicht voll im Thema, aber: Vermutlich ein Gericht auf Hinweis eines Fachmanns (Psychiaters) hat beschlossen, sie ist eine Gefahr für sich selbst und/oder das Kind, und muss in Behandlung. Wenn sie jetzt in der Nacht bis morgen früh das Haus ansteckt und beide sterben im Feuer, dann ist doch wohl derjenige übelst dran, der trotz der Faktenlage entschieden hat, das kann bis morgen früh warten.

Der Mutterstaub wirbelte auf und gelang in Melvins Hals.
gelangte

sprach reiner Abscheu
Die Abscheu

Für einmal in seinem Leben hatte er die Überhand
Dieses eine Mal in seinem Leben hatte er die Oberhand


Viele Grüße
JC


PS: Ach so, der Name der Geschichte. Ja, ist originell, Läuterbottich ist auf jeden Fall was anderes als „Das Haus“. Nur: Außer, dass er für Gerrit zur Gruft wird, hat er da wirklich für den Rest der Geschichte eine so zentrale Bedeutung, dass er einen Titel hergibt?

 

Hallo @Sammis

Herzlichen Dank fürs Lesen und deinen Kommentar. Habe mich sehr gefreut, hast Du dir die Zeit dazu genommen, weil der Text doch sehr lang ist, wahrscheinlich eben ein wenig zu lang. Da deckt sich dein Feedback auch mit dem anderer Leser, ich hatte und habe das Gefühl, gerade die Kirchenszene ist viel zu ausführlich und dass mir da der Text etwas entglitten ist. Muss ich mal schauen, wie ich das anders machen kann.

Vielen Dank auch für die Zitate, die haben mir sehr weitergeholfen, ich habe alles korrigiert, was Du geschrieben hast: Oft habe ich deine Vorschläge direkt übernommen, Dinge gestrichen, bei denen Du gestolpert bist oder die Du hinterfragt hast (und ich keine Antwort liefern kann ...), also, ich fand das alles sehr gut und nachvollziehbar. Nur zwei Stellen:

Heißt das nicht, der schwere Hammerkopf müsste mit auf und ab wippen? Das zerstört das Bild der enormen Schwere ...
Mmmh, ich habe es so gemeint, dass der Hammerkopf immer noch am Boden ruht und er sozusagen mit dem Stiel spielt, also nur das Stielende in seiner Hand auf- und abwippen (oder auf- und abspringen?) lässt. Verstehst Du was ich meine? Wahrscheinlich muss ich es klarer machen.

Sprühen bei Stein auf Stein Funken?
ChatGPT hat gesagt, es wäre möglich unter bestimmten Voraussetzungen. Aber ich bin mir da selbst auch überhaupt nicht sicher. Vielleicht kille ich es auch noch.

Irgendwo hattest Du glaube ich auch vorgeschlagen, den 'trägen Schlaf' zu killen, also das Wort 'träge', da wollte ich ausdrücken, dass Melvin lange nicht einschlafen kann, also wach im Bett liegt, deshalb der 'träge' Schlaf. Aber hast schon recht, ich glaube es wird auch so vollkommen klar, dass er da lange wach liegt.

Ich finde es faszinierend, wie detailliert und facenttenreich du erzählst. Ich käme nie auf die Idee, bei mir muss es vorangehen, und meist erwarte ich das auch beim Lesen, aber hier störte es mich (zumindest im ersten Teil) kaum.
Danke Dir vielmals für das Lob. Es freut mich besonders, wenn Du normalerweise andere Erzählstile zu bevorzugen scheinst, mehr Schlag auf Schlag, und trotzdem den ganzen Text durchgehalten hast. Ich weiss auch, was Du meinst, habe deinen Roman begonnen und da ist das Tempo um einiges höher, ja. Auch das hat seinen Reiz. Vielleicht versuche ich das auch mal, bei der nächsten Story, aber bis dahin lese ich mal noch ein wenig mehr bei 'Verrückt' rein.

Die Wendung, das Tauschen von Opfer zu Täter finde ich einerseits gelungen, anderseits hätte ich mir beim zweiten Lesen kleine versteckte Hinweise gewünscht. Vielleicht blieben sie mir ja verborgen.
Das ist ein guter Punkt. Ich schaue mal, ob ich bezüglich der Hinweise noch das ein oder andere tun kann.

Alles in Allem sehr gut geschrieben, samt teils sehr guten Bildern. Hatte Spaß beim Lesen und Kommentieren!
Ja, tausend Dank, Sammis! Hat mich sehr gefreut. Auf bald.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey

Eine Coming-of-Age-Story, angesiedelt im
sozial schwachen Milieu. Die Themen: Sucht, Gewalt, gesellschaftliche Ausgrenzung. Verbunden mit übernatürlichen Phänomenen, bei denen man sich niemals sicher ist, ob sie einer kranken Psyche entspringen oder vielleicht (in Teilen oder ganz) tatsächlich geschehen sind.

So würde ich es nach meinen Eindrücken zusammenfassen und damit befinden wir uns im schriftstellerischen Revier eines sehr großen Namens: Stephen King.

Ob das von dir beabsichtigt war, weiß ich natürlich nicht. Aber soviel vorab: Du triffst den Ton recht gut! Natürlich ist da vom Stil her Luft nach oben, aber niemand wird je so schreiben können wie King. Egal was man von ihm hält, man muss neidlos anerkennen, dass der Mann ein wahnsinnig talentierter Schriftsteller ist. Und wenn man auch nur annähernd in seine Richtung kommt, ist das schon sehr, sehr gut.

Ich habe in meinem Leben schon viele King Fans getroffen, die ganz begeistert eigene Storys verfassen wollten. Die Ergebnisse waren dann, wie of bei Anfängern, sehr ernüchternd.

Hier merkt man deine Erfahrung und die geistige Arbeit, die du in den Text gesteckt hast. Es ist keine billige Kopie, sondern etwas eigenes.

Falls es dir aber gar nicht um eine Hommage ging, lass dir sagen, dass der Text auch so sehr gut funktioniert. Dazu werde ich am Ende noch ausführlicher schreiben.

Erst mal etwas Textarbeit:

Melvin dachte, wenn er diese Flagge nicht aus den Augen verliert, kommt er sicher
nicht aus den Augen verlor, käme
Moskitos sirrten
surrten
Die letzten Sonnenstrahlen ein wolkiger Fächer
Sonnenstrahlen waren
Ein blassfarbener Regenbogen zeigte sich vor ihnen, ein Ende hinter dem Hügel, das andere zwischen Wolkenbäuchen vergraben.
Ist mir fast ein wenig zuviel. Das mit den Beschreibungen kann manchmal aus dem Text reißen, obwohl man gerade das Gegenteil bewirken möchte. Vielleicht kannst du das sogar komplett streichen.

Ich habe hier nämlich schon ein gutes Bild von der Landschaft.

Das außer Lot stehende Silo
Klingt sehr akademisch. Warum nicht einfach schief?
Wie jeden Tag in seinen zu Ende gehenden Wochen waren sie direkt nach der
In den letzten Wochen waren sie jeden Tag…
In Melvins Estrich hatten sie eine verstaubte Karte gefunden, auf der alle Gebäude des Geisterdorfs eingezeichnet waren
Estrich finde ich auch verwirrend. Falls das schon mit seinen Wahnvorstellungen zu tun hat, müsste man es irgendwie anders aufziehen.

Oder er entdeckt die Karte vielleicht in der Schulbibliothek

sein Rad in ein Gebüsch fallen
ins Gebüsch
Am Abend zuvor rösteten sie Marshmallows über dem Feuer
hatten sie Marshmallows geröstet
als die Schule und die vier Handvoll Schüler
die Schule mit ihrer Handvoll Schüler
Herr Kleboth Stirn zeigte tiefe Sorgenfalten
Herrn Kleboths Stirn
Seitdem mied auch Alfons ihn
mied Alfons ihn auch
Melvin fragte sich, ob sie eines Morgens einfach als alte Frau aufgewacht war oder wieso er ihren schleichenden Verfall nicht mitbekommen hatte
Ist ein recht komplexer Gedankengang für den Jungen. Würde ich vielleicht auch streichen, weil du nämlich gleich danach etwas viel passenderes hast. Und zwar diesen starken Satz:
Melvin kümmerte sich um sie, weil er sie immer noch liebte
Setzte die Zähne an den Kronkorken und hebelte die erste Flasche auf.
Hat ein Flaschenöffner Zähne? Also meiner nicht.
Er träumte von einem Ort, an dem er zugleich wach war und schlief.
Ich verstehe, was du beschreiben willst. Aber ich finde die Konstruktion ein wenig ungelenk. Vielleicht: Er wandelte zwischen schlafen und wachen. Irgendwas in der Art.
aber Gerrit schien ein Eigenbrötler zu sein, der wie Melvin nicht viele Freundschaften pflegte.
den zweiten Teil des Satzes finde ich unnötig. Es ist klar, dass ein Eigenbrötler die nicht pflegt.
Bedacht leichten Schrittes erklomm er die Treppenstufen zum Eingang der Schule
Bedacht kann weg.
Die Gesichter der Schüler nur verzogene und verschwommene Konturen
waren nur verzogene...
„Jetzt nimmt einen Nagel“, befahl Gerrit.
nimm einen Nagel
Weil Gerrit jetzt keine Macht mehr über ihn besaß und er tun und lassen konnte, was ihm beliebte
Den Satz könntest du auch streichen. Dann würde es noch stärker wirken. Denn als Leser habe ich diesen Schluss bereits selbst gezogen.

Das war´s und damit komme ich zum Plot.

Der erste Teil ist der stringentere, stärker an Stephen King erinnernde. Im zweiten Teil wird alles noch alptraumhafter, wobei mir gerade diese Vermengung von Erinnerungsfetzen, psychotischen Wahnvorstellungen und religiöser Symbolik sehr gut gefallen hat. Beide Teile greifen sehr gut ineinander, was man beim wiederholten Lesen deutlich merkt. Du hast dir wirklich sehr viel Mühe mit der Konstruktion gegeben, Kompliment! Auch die Symbole sind nie Selbstzweck, sondern immer sinnvoll integriert. Das fällt nicht direkt beim ersten Lesen auf, wohl aber beim zweiten.

Ich interpretiere es als eine Art umgekehrten Kein und Abel Mythos. Melvin tötet hier seinen bösen (imaginären) Freund, der in Wirklichkeit den schlechten Teil seiner Persönlichkeit darstellt. Vom imaginären gottgleichen Wesen aus dem Gras wird er deshalb auch nicht bestraft, weil er ja quasi den "guten" Weg gegangen ist.

Viel Geschwurbel von mir, ich hoffe du verstehst was ich meine. Du merkst auf jeden Fall, dass mir deine Geschichte viel Stoff zum Nachdenken gegeben hat. Und der Tag Horror passt in jedem Fall. Du bringst nämlich kein kitschigen Geisterbahnfiguren, sondern schilderst das was wirklich schrecklich ist: Die Dinge, die sich Menschen gegenseitig antun.

Ich habe deine Mondkalb Story noch halb im Kopf und im direkten Vergleich finde ich den Bottich viel stärker. Ein paar Kleinigkeiten, ja. Aber insgesamt sehr gut gelungen!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @deserted-monkey ,

Am Gepäckträger von Gerrits Rad wippte an einem langen Stab eine blaurote Flaggeauf auf und ab.
ein "auf" an der Flagge zu viel.
Melvin trat auf seinen offenen Schnürsenkel, weil er sich zu sehr auf die Flagge konzentrierte.
Den Satz finde ich eigentlich ganz schön, weil er bebildert, dass Melvin sich von Anfang an nicht so unfähig und unbeholfen ohne Gerrit hätte vorkommen müssen, weil er eben nur "einen Schnürsenkel offen" hatte.
Das letzte Stück zur Ruine gingen sie zu Fuß. Schoben die Räder neben sich her, bedacht darauf, dass sich die Pedale nicht verfingen. Ein Platzregen begleitete sie, der beide bis auf die Haut durchnässte.
Das finde ich auch schön! Überhaupt gibt es viele "Schleifen" im Text. Die ganz große Drunterliegende, auf die das Bild mit dem Platzregen anzuspielen scheint, aber auch kleine wie die über die Hügelkuppe ganz am Anfang. Oder auch, dass Gerrit, der Amerikaner, den deutscher klingenden Namen trägt und Melvin den amerikanischeren.
Das außer Lot stehende Silo neben dem Brauereigebäude hob sich dunkel vom Orange des Horizonts ab. Ein tiefes Glühen lag auf dem verrosteten Metall. Als sie den rissigen Beton des Vorhofs betraten, fielen die letzten glänzenden Regentropfen, zerplatzten auf ihren Baseballkappen.
Es sind aber nicht nur Schleifen, mit (Un)/Amerikanischem, diese Szenerie berührt etwas in mir, das eine ganz enge Verwandtschaft mit US-amerikanischer Ländlichkeit anzeigt.
„Wie sind sie in Amerika?“
Gerrit zuckte mit den Schultern. „Weniger einsam, denke ich?“
„Wie meinst du das?“
„Ohne mich würdest du nur zuhause vor der Glotze sitzen.“
Das ist schon ganz schön haarig, es gibt ja kaum eine Interaktion mit Gerrit, die ohne Fiesheiten auskommt.
Melvin hatte Angst vor seiner heutigen Entschuldigung. Schließlich stellte die Ruine der Brauerei den Höhepunkt dar.
Trotzdem, wie auch hier, hatte ich an manchen Punkten, die das beleuchten, die Wiedererkennung, dass es das so ja wirklich gibt, und es bebildert auch Melvins Charakter und vor allem Lebenslage auch nochmal.
„Ich hab meiner Alten ein ganzes Sechserpack geklaut.“
„Cool.“
„Die merkt das eh nicht.“
Er hat aber schon Nerven, das klingt ein wenig, als habe seine Mutter ebenfalls Alkoholprobleme.
Gerrit holte einen Flaschenöffner aus dem Seitenfach des Rucksacks. Setzte die Zähne an den Kronkorken und hebelte die erste Flasche auf.
Das finde ich ein wenig missverständlich, weil ich weiß, dass manche das wirklich mit den Zähnen aufmachen können. Würde da vielleicht "Zacken" nehmen.
„Hilf mir raus“, flehte Melvin und schlug wild um sich, wollte weg von dem Kind, aber der Bottich war zu eng, sodass er den kleinen Körper immer irgendwo berührte.
Da fällt es mir schwer, mir das vorzustellen. Ein Bottich in einer Brauerei, der zu eng ist, um zwei Kinder berührungsfrei unterzubringen?
Kannst froh sein, ist er abgehauen, bevor du ihn kennengelernt hast.“
Hier ist mir der Satzbau fremd. Kann man das so sagen? Sollte da nicht eine "dass"-Konstruktion drin sein? :confused:
Wenn er nicht schlafen konnte, schlich er über die Treppe ins Wohnzimmer. Vorbei an seiner schnarchenden Mutter, und in der Dunkelheit berührte er das Kreuz, strich mit den Fingern über das spröde Holz. Bei diesen Berührungen erschien ihm der Mann aus dem hohen Gras. Er lächelte ihm zu, sein Gesicht nun strahlend hell, und er war sich sicher, dass er durch die dichten Halme zu ihm ins Wohnzimmer sah, direkt in ihn hinein und die Flügel in seiner Brust zum Erwachen brachte.
Das finde ich auch einen schönen Absatz. Der Mann aus dem hohen Gras ist, glaube ich, mein Lieblingsbild in der Geschichte.
Seine Stirn und die Wangen glühten, als hätte er Fieber und er versank in dieser Wärme, dankbar mit offenen Armen. Doch er rechnete nicht damit, dass Dana und eine ihrer Freundinnen die Glastüren aufstießen.
"Doch ..."? Wie hängt das damit zusammen? Ist gemeint, dass er sich durch die emotionale Reaktion verletzlich fühlt und so offen dann mit ihr konfrontiert wird?
Dana stand auf ihren Stuhl, ergriff die Lehne.
"ihrem"
„Wir werden die Kinderaufsichtsbehörde informieren müssen, Frau Klein.
"MELVIN KLEIN"? Echt jetzt? :D
Hunderte Heuschrecken stoben aus der leeren Hülle und zerfetzten sie in einer Wolke. Die Insekten schwirrten wirr durch die Küche, verdunkelten das Licht. Stoben auf das gekippte Fenster zu. Ihre Flügel blitzen und schimmerten in allen Farben und der Staub regnete wie Asche auf den Küchentisch. Unter dem Fensterbrett sammelten sich die Heuschrecken, die gegen das Glas geflogen waren. Hilflos zuckten sie mit ihren Beinchen. Mutters Stimme schwand unter dem Brummen des Schwarms.
Die Demontage der Mutter setzt gleichzeitig etwas frei, das ihm heilig ist und zerstört es im gleichen Atemzug? Das zeigt auch nochmal die Hilflosigkeit, die seiner Rolle ja unwillkürlich innewohnt. Wie alt sind die Jungen, 12? Da ist der Ausfall der Mutter noch gravierend.
„Ja“, sagte er. „Ja, das ist perfekt. Ihm wird es dort gefallen.“ Würgend brach Melvin zusammen, spürte den harten Aufprall auf den Dielen nicht mehr. Er erwachte und lag unter einer der Kirchenbänke. Die Luft war stickig vom Weihrauch. Das Kirchenschiff erfüllt von den Schatten des Zwielichts. Regen prasselte gegen die Buntglasfenster. Ein tiefes Murmeln erfüllte die leere Halle, als hätte sich die Krypta in einen unterirdischen Fluss verwandelt.
Hier gefällt mir der Szenenwechsel gut in den kontrastierenden Eigenschaften, von hell, konfus und verraucht bis hin zu still, dunkel mit Schatten, kühl, auf hartem Boden, was man so mit einem solchen Gebäude assoziiert.
in seinen Händen der Stiel eines Vorschlaghammers, dessen steinerner Kopf er hinter sich über den Boden zerrte.
"steinernen"
Der kniende Mann erhob sich und legte etwas auf den Altar. Die blaue Kappe der New York Yankees. Melvins Kappe.
Hier könntest du wagen, nach "Die blaue Kappe" aufzuhören. Eingangs, im ersten Teil, hast du ja schon dargelegt, welche Kappe zu wem gehört.
Er war viel schwerer als vermutet. Ein Gewicht, dass an seinen ermatteten Muskeln zerrte.
"das"
„Wieso müssen wir das tun?“
„Verstehst du es immer noch nicht? Lass endlich los.“
Melvin nickte stumm, obwohl er nicht wusste, was genau er loslassen sollte.
Ich bin auch nicht sicher, was. Ist es die im Guten großgewordene Version von Melvins Selbst oder eine erträumte Vaterfigur, die dem gerechter werden konnte als der Echte?
Das Lächeln erkannte er sofort. Er war der Mann aus dem hohen Gras.
In der Inkarnation könnt es ja beides geben. Gerrit weiß ja nichts vom Mann im hohen Grad als er sagt, Melvin solle loslassen. Hat es also was mit einer Vaterrolle zu tun, wie oben vermutet?
als hätten die Heuschrecken ihn von seinen Lasten befreit, allein mit ihrer Präsenz seinen inneren Aufruhr besiegt.
"seine innere Aufruhr"
Hörte ihre Brummen, fühlte das Zucken des Schwarms, das Mahlen ihrer Mandibeln.
"ihr"
"Mandibeln" ist ein Wort, das ich in der Geschichte gelernt habe.
Nur eine Stille, als hätte die Nacht das ganze Universum verschluckt.
Er würde gehen. Nicht zurück ins Dorf, nicht zurück zum flotten Meister und seiner kranken Mutter.
Hier klingt die Persönlichkeit dann ein bisschen aufgespalten und ich vermute, dass es eine Lesart damit gibt, habe die Spoiler aber noch nicht gelesen (was ich aber noch machen werde :D).
und er würde so schnell treten, dass sein Rad abhob und er sich zu einer Heuschrecke mit durchsichtigen Flügeln verwandelte, und er flöge weg von der bitteren Nacht, weg von den Ruinen dieses Spätsommers, hinein ins hohe Gras. Wo er bereits das Angesicht des neuen Tages als schwachen Glanz auf den Halmen erahnen konnte.
Wunderschönes Ende, finde ich!

Ich bin in den Genres, die du hier bereits, nicht die versierteste Leserin, dachte aber, dass ich trotzdem zumindest meine Eindrücke während des und nach dem Lesen hierlassen könnte.
Alle Kommentare habe ich noch nicht gelesen, denke aber, dass ich da nochmal reinschauen werde. In der Mischung des amerikanisch-deutschen(?), in jedem Fall wohl europäischen, habe ich beim amerikanischen Teil oft an Kings Bildwelten denken müssen ("Kinder des Mais" und "Carrie", (wobei Carries Mutter nicht depressiv war), ein bisschen). Es ist schon gelungen, diese Schiene fortführen zu können, wenn man nicht King selbst ist.
Ich mag die Wiesen- und Heuschreckenbilder ganz gerne, letztlich finde ich darin auch ein Zeichen dafür im Finale, als er sich plötzlich traut, Gerrit entschlossen gegenüberzutreten, dass, trotz des brüchigen Elternhauses, er durch die Erlebnisse im hohen Gras einen Gegenerfahrung zum ins Ungute Kippende gemacht hat, in einer Lebensphase, die prägend war und die nun in der Lage ist, stärker zu sein als das Momentane.
Den größeren Bruch zur Realität, der nicht nur Melvin umfasst, finde ich sehr subtil eingearbeitet auf dem Treppenabsatz und Pausenhof der Schule, das beginnt, als sei es real.
Den Begriff "Läuterbottich", da titeltragend, würde ich etwas früher und vielleicht einen Tick häufiger einsetzen, da eben titeltragend.

Gerne gelesen,
viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Bas

Danke Dir sehr fürs Lesen des langen Textes und deinen Kommentar. Erstmal entschuldige, dass ich so spät antworte, aber kam die letzten Tage wirklich zu nichts, weil mich eine üble Erkältung ausgeknockt hatte. Abgesehen von einem paar kleinen Korrekturen anbringen, konnte ich nix tun. Aber jetzt bin ich wieder auf dem aufsteigenden Ast, von daher antworte ich Dir jetzt sehr gerne auf deinen Kommentar.

- Als der Polizist mit der Mutter in der Küche steht, wird die Küche "blaurot" beleuchtet, was ja aber ein USA-Ding ist.
Ja, ich glaube, ich bin da irgendwann selber ein wenig beim Schreiben durcheinandergeraten, USA / Europa, irgendwann habe ich da wohl den Überblick ein wenig verloren :D Aber he, danke fürs Anmerken, das habe ich direkt angepasst. Was ich auch gemerkt habe: Ich bin einfach extrem geprägt von Amerikanischen Autoren, davon muss ich unbedingt wegkommen, will ja mein eigenes Ding machen!

- die "Alten", Geritt spricht immer wieder von "der Alten" und "dem Alten", wenn er von den Eltern spricht, das wird für meinen Geschmack aber schon fast inflationär genutzt. Wirkt vielleicht auch nur so, weil es mir persönlich so unnatürlich vorkommt, das klingt so nach 80er-Jahre-Coming-of-Age-Movie, wo das dem aufmüpfigen Teenie in den Mund gelegt wird.
Mmh, ja, zum Glück hatte ich das schon vor dem Einstellen ein wenig reduziert, da waren noch mehr von diesen "Alten" drin ... Immer noch zu viel? Ich schaue noch einmal und nehme es an der ein oder anderen Stelle raus. Ich glaube, das ist hauptsächlich auch drin, weil in meinem Freundeskreis zur Jugendzeit Eltern so genannt wurden, die "Alten". Wir waren schon auch ein wenig aufmüpfig, hehe, aber wenns klischeehaft wirkt bzw. Dir negativ aufgefallen ist, werde ich das auf jeden Fall noch weiter reduzieren.

Ich hätte die Geschichte fast gerne unvoreingenommener gelesen, ohne die Tags
Kann ich verstehen. Aber man muss ja Tags vergeben ... Ist vielleicht die Krux eines Forums. Aber vielleicht meintest Du weniger Tags, nur 'Jugend' bspw.

Denn am Anfang des zweiten Teils drehst du gut auf, da sind tolle Bilder drin, der Hautsack mit den herauspurzelnden Knochen zum Beispiel, und auch, wenn du dich da ein Stück weit von der Realität verabschiedest, ist es für mein Empfinden trotzdem noch sehr greifbar und nicht komplett entwurzelt bzw. abgelöst vom ersten Teil.

So erkläre ich mir das, was ich da lese, dann auch weniger durch tatsächliche übersinnliche Ereignisse, sondern psychologisch. Damit, dass Melvin in der Dunkelheit feststeckt mit dieser potenziellen Leiche und in der Panik dann alles zusammenbricht, das wacklige Gerüst, auf dem sein junges Leben gerade steht. Und das finde ich gut.

Danke Dir dafür, das macht Mut fürs weitere Schreiben. Ich war mir sowieso recht unsicher, was den Text anbelangt. Ich hatte mir das (ambitionierte?) Ziel gesetzt, dieses Jahr jeden Monat eine Geschichte rauszuhauen, nun ja, jetzt ist das Jahr beinahe um und das ist der dritte Text. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich bin bisschen abgehängt, was das Schreiben anbelangt und da tut es einfach auch gut, zu sehen, dass das Teil trotzdem von mehreren Lesern komplett gelesen wurde. Also vielen Dank für das erbauende Feedback!

Aber im weiteren Verlauf des zweiten Teils geht der Bezug zur Realität ja fast komplett verloren, jetzt ist alles symbolisch (und das wäre dann ein weiterer kleiner Kritikpunkt, es sind sehr viele Symbole) bis fantastisch
Ja, kann das nachvollziehen. Es sind wirklich sehr viele Symbole, der zweite Teil des Textes ist vielleicht beinahe etwas überladen mit dieser Symbolik. Während des Schreibens fühlte sich das irgendwie richtig an, aber dein Einwand liess mich jetzt schon darüber nachdenken. Andererseits gibt es Leser, die gut klargekommen sind damit. Ich glaube aber, nach den bisherigen Rückmeldungen tendiert's eher Richtung: Zu viel davon. Das wäre eine gröbere Operation, die symbolischen Bilder zu reduzieren, aber ich nehme mir das auf jeden Fall mit und vielleicht finde ich ja da noch den richtigen Weg, den zweiten Teil etwas umzukrempeln.

und an einer Stelle wird mir dann auch noch dieser letzte kleine Spielraum genommen, ob es nicht doch nur Einbildung ist, dann nämlich, wenn der (sehr nah an Melvin seiende) Erzähler klarstellt, hey, die Flasche ist eiskalt an der Haut, das ist kein Traum hier, sondern echt!!!
Das fand ich einen sehr guten Hinweis. Es ist genau, wie Du sagst: Der Erzähler drückte es da dem Leser zu sehr aufs Auge (mit drei Ausrufezeichen!!!) und das habe ich sofort angepasst. Vielen Dank.

Eine andere Sache, die ich nicht unbemerkt lassen will: Im ersten Teil hatte ich ein kleines Problem mit dem Erzähler. Wie schon erwähnt ist der für mein Empfinden ja sehr nah an Melvin, dafür ist er mir dann aber hin und wieder doch zu erwachsen-allwissend. Wenn es um die psychologische Konstellation der beiden Jungs zueinander geht zum Beispiel oder auch bei so Kleinigkeiten wie dem "meisterhaft spielenden" Schauspieler, das ist mir selbst für einen durch die familiären Umstände zur Frühreife gezwungenen Jungen zu erwachsen. Im zweiten Teil hab ich das nicht mehr lesen können und das macht es dann auch wieder schwierig, dass das nicht ganz einheitlich ist.
Ich glaube, ich habe das während des Schreibprozesses auch schon das ein oder andere Mal hinterfragt, was Du hier sagst. Ja, der Erzähler drückt sich teilweise zu gewählt (?) aus für einen Jungen bzw. dafür, dass er so nah an Melvin ist. Das ist etwas, was ich mir ganz sicher noch einmal anschauen und versuchen werde, den Erzähler so zu präzisieren, damit dieser Bruch zwischen erstem und zweitem Teil nicht mehr so stark wahrgenommen wird. Ist ein wichtiger Hinweis für mich. Vielleicht auch einfach die Erkenntnis: Ich sollte keine Geschichten aus Kindersicht schreiben, weil das einfach schwerer ist, meine Jugend liegt ja nun auch schon zwanzig Jahre zurück und ich habe da nicht mehr den allerfrischesten Zugang. Andererseits: Gerade sowas macht es ja anspruchsvoller für den Autoren, da die richtige Ausdrucksweise zu treffen und ich habe schon den Anspruch, immer weiter dazuzulernen und (hoffentlich) immer besser zu werden.

So, das wars dann aber auch. Nicht, dass vor lauter Kritik noch untergeht, wie spannend die Geschichte eigentlich ist, wie gut konstruiert und wie poliert, trotz der beachtlichen Länge. Vielen Dank fürs Teilen!
Nun, für genau solche Kritik sind wir ja alle hier :-) Ich danke Dir für deine wohlwollende Rezension meines Textes und danke Dir noch einmal sehr fürs Lesen und Kommentieren dessen! Bestimmt werde ich auch endlich mal einen deiner Texte kommentieren, hatte den ein oder anderen schon ganz interessiert gelesen. Bis dahin!

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey ein langer Text den du da hochgestellt hast! Cool! Wollte den die Tage schon lesen aber habe die Zeit nicht gefunden. Jetzt aber!
Ich steige direkt ein:

Die letzten Sonnenstrahlen waren ein wolkiger Fächer über der Hügelkuppe
Vielleicht bisschen zu picky von mir aber: Das klingt erst mal gut. Beim genaueren Lesen frage ich mich aber schon, ob das wirklich so gut zusammenpasst? Was haben denn Strahlen mit Wolken zu tun? Wie können Strahlen ein wolkiger Fächer sein?

auf Danas Arsch erwischt hat.“
„Ich hab ihr nicht auf den A-a gegafft.“
Da passt für mich diese sehr kindliche Antwort nicht. A-a. Wer sagt denn das? Kinder vielleicht aber doch keine Teens oder zumindest 11-12-Jährige mehr.

Gerrits Sprüche waren bestimmt nicht böse gemeint, trotzdem taten sie Melvin manchmal weh.
Wer redet bzw kommentiert hier eigentlich? Sind das Melvins Gedanken? Oder ein Erzähler? Ich habe auch im weiteren Verlauf manchmal das Gefühl bekommen, dass das so ein wenig springt und nie so ganz entschlossen ist, wer da gerade kommentiert. Zumindest an so 2-3 Stellen ist das etwas verwischt.
Unabhängig davon wer hier kommentiert, stimmt die Aussage aber ja auch nicht, oder? Das kommt im weiteren Textverlauf ja schon auch noch raus. Wenn es hier also Melvin ist, belügt er sich in dem Moment. Dann müsste es aber besser gekennzeichnet sein, denke ich. Denn es steht ja im Widerspruch hierzu im späteren Text:
und da verstand Melvin, es war wieder einer dieser Momente, wo er die schrecklichen Gefühle in ihm weckte.

Gerrit kam aus Amerika, aus einer Stadt namens Boston, und Melvin verstand, dass er anders war.
Eine Stadt namens Boston. Ich glaube eigentlich, dass Boston schon auch ein bekannter Name ist. Da bräuchte es meiner Meinung nach nicht dieses namens das eher bei kleineren Städtenamen notwendig wäre. Aber vielleicht überschätze ich die Bekanntheit von Boston auch ein wenig.

weil er ja niemanden kannte, und da sie seit sechs Monaten Nachbarn waren, traf es eben Melvin.
Wie schon gesagt bin ich mir beim Erzähler unsicher. Es gibt dann auch immer wieder Stellen, da ist ganz klar, dass es sich um einen Erzähler und nicht um Melvins Gedanken handelt. Andere Stellen fallen dann aber wieder raus. Vielleicht würde es dem Text guttun, da noch mal drüberzugehen und die Stellen anzugleichen.

Wie jeden Tag in seinen zu Ende gehenden Wochen waren sie direkt nach der Schule mit den Rädern losgefahren, um das Geisterdorf zu erforschen.
Das ist mir zu verquer formuliert.

„Ja“, antwortete Melvin und verschnaufte.
Unter verschnaufen stelle ich mir das Pause machen vor. Das ist aber nicht gemeint, oder? Vielleicht schnaufte statt verschnaufte?

Unter Tränen beobachtete Melvin, wie sich Gerrit mit verzerrtem Gesicht selbst verletzte. An der identischen Stelle, in dieser kleinen Kuhle, wenn er Daumen und Zeigefinger abspreizte.
Gute Stelle!

Melvin hatte Angst vor seiner heutigen Entschuldigung. Schließlich stellte die Ruine der Brauerei den Höhepunkt dar.
Das habe ich nicht verstanden. Meint er damit die Selbstverletzung vom letzten Mal? War mir nicht ganz klar, was du damit meinst.

Alfons Vater musterte ihn und seine Mutter, als sähe er sie zum ersten Mal
Hier kommt das erste Mal der Name Alfons bzw Alfins Vater vor. Bis dahin habe ich aber noch gar nicht von dieser Person gehört. Deshalb musste ich hier erst mal stocken. Vielleicht könnte man Alfons mit 1-2 Sätzen noch ein wenig einfacher einführen?

Doch er konnte seinen Blick nicht vom schwarzen Rechteck in der Mauer abwenden. Es dehnte sich aus und begann schwach zu pulsieren. Melvin stellte sich vor, wie die Öffnung tief in einen verwinkelten Schlund hineinführte, warm und fleischig und atmend. Wie ihm ein muffiger Geruch entgegenschlug. Je weiter er in das Loch hineinging, desto kleiner wurde er, Zähne und Haare fielen ihm aus, bis seine Beinchen und Füßchen nur noch Stummel waren, und er vornüberstürzte, zurück in die Finsternis des Mutterleibs.
Stark geschrieben!

aber auf dem Grund des Bottichs lag ein regungsloser Schatten.
Kann ein Schatten liegen? Vielleicht eher sah er einen regungslosen Schatten? Auch das regungslos finde ich eher unpassend. Habe leider keinen Verbesserungsvorschlag.

Zu Teil 1 insgesamt:
Finde den in sich schlüssig und größtenteils gut geschrieben. Mir hat auch das Ende gut gefallen. Auch ist es dir gelungen, dass sich bei mir eigentlich schon von Beginn an ein unangenehmes Gefühl entwickelt hat. Diese Spannung zwischen Melvin und Gerrit hast du gut rübergebracht, finde ich!


Zu Teil 2:
Finde den Einstieg sehr gut. Die Beschreibung der Wiese, der Bauer Friedrich und die Insekten. Das gefällt mir alles sehr gut und liest sich auch schön verwunschen und ein wenig verträumt. Hat mir als Einstieg zum zweiten Teil gut gefallen und war dann doch auch passender Bruch zum vorherigen Teil.
Allerdings war mir dann wiederum das Alter von Melvin nicht so ganz klar. Wie alt ist er denn nun? Hier zu Beginn ist er ein kleiner Junge. Im Verlauf wird er älter, durchwandert die dritte und vierte Klasse. Danach kommt auch erst Gerrit. Das heißt er ist schon in der fünften Klasse? Also ungefähr zwölf Jahre alt? Dann passt aber im ersten Teil für mich die Sprache nicht zu einem Jungen seines Alters. Der klingt für meine Ohren da eher jünger und kindlicher. Aber vielleicht war das von dir auch gewollt?

Die untersten drei Fächer waren stets gefüllt mir Sechserpackungen, obwohl Mutter oft über Geldnot klagte.
Diesen Kommentar fand ich unnötig. Was soll das aussagen? Dass Melvin sich denkt, seine Mutter sollte das wenige Geld für Sinnvolleres ausgeben? Braucht es in meinen Augen nicht.

ihre identischen Ranzen über den Schultern. Aber da wusste Melvin noch nicht, dass Gerrit oft Dinge sagte, nur um sie später gegen ihn zu verwenden. „Ich pfeif auf die Wichser und das solltest du auch tun.“
Hier kam mir dann zum ersten Mal der Gedanke, dass es sich bei Gerrit um keine echte Person, sondern um eine Einbildung von Melvin handeln könnte. Vielleicht ist das allen anderen Lesern schon viel länger klar geworden. Mir kam der Gedanke dann aber erst hier. Bin mir nicht sicher, ob das so ist, aber ich finde, dass man den Text auf jeden Fall so lesen kann. Haha, vielleicht bin ich hier auch nicht die hellste Birne.

Die Episode auf dem Schulhof, im Klassenzimmer und danach bei Melvin zu Hause fand ich ehrlich gesagt ein wenig verwirrend. Mir ist das zu schnell von Rückblende (so habe ich den Einstieg gelesen) zu Traumsequenz/ Trauma abgerutscht. Gerade noch wird Gerrit eingeführt und schon rutscht es in dieses Albtraumhafte ab. Da hat für mich noch ein Zwischenteil gefehlt. Deshalb konnte ich mich dann da wahrscheinlich nicht mehr ganz so gut drauf einlassen. Mir war das dann ein wenig zu abgedreht, auch wenn dir rein von den Formulierungen her gute Bilder gelingen.
Dann die Episode mit der Kirche. Die finde ich dann wiederum gelungen, auch wenn das alles schon auch sehr verschlungen formuliert ist. Will sagen: Ganz klar, was da abgeht, wurde mir das nicht. Da es sich aber (ich gehe jedenfalls davon aus) in Melvins Kopf abspielt, ist das so auch völlig in Ordnung!
Der letzte Absatz hat mir dann auch wieder sehr gut gefallen und bringt alles eigentlich zu einem ganz guten Abschluss. Für mich bleibt offen, ob das Ende tatsächlich passiert oder Melvin sich das (noch immer im Bottich eingeschlossen) erträumt, um sich vor der Realität zu schützen. So oder so hat er aber offensichtlich einen Weg in die Freiheit gefunden. Ob nur in seinem Kopf oder tatsächlich, bleibt offen, ist aber auch nebensächlich. Hat mir gefallen!

Insgesamt finde ich, dass dir da ein guter Text gelungen ist! Ein Text der aber auch etwas vom Leser verlangt. Einerseits aufgrund der Länge, andererseits aufgrund des Themas und der (nicht negativ gemeint) Verworrenheit der Erzählweise. Ich denke, dass es deine Geschichte wert ist, mehrmals gelesen zu werden, denn ich finde, dass da viel drinsteckt und sich beim ersten Lesen (mir geht es zumindest so) nicht alles sofort offenbart. Gibt für mich da mehrere Ebenen und Raum zum Interpretieren.
Geschrieben fand ich deine Geschichte gewohnt gekonnt. An der einen oder anderen Stelle denke ich, dass du vielleicht ein paarFormulierungen polieren oder etwas zurückschrauben könntest. Ander Stellen haben mir von den Bilder, die du aufmachst, wirklich richtig gut gefallen!

Danke fürs Teilen.
Gerne gelesen!
Habentus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Proof

Meinen allerbesten Dank fürs Lesen und deine ausführliche Beschäftigung mit dem Läuterbottich. Weiss ich wirklich zu schätzen und habe mich sehr darüber gefreut. Deine in Spoiler gesetzte Interpretation bezüglich dem Ende gefällt mir sehr gut und es ist cool, dass ich Dich damit soweit abholen konnte! Ich greife jetzt deine abschliessende Frage zum Titel mal vor. Du schreibst

Ach so, der Name der Geschichte. Ja, ist originell, Läuterbottich ist auf jeden Fall was anderes als „Das Haus“.
hat er da wirklich für den Rest der Geschichte eine so zentrale Bedeutung, dass er einen Titel hergibt?
'Läuterbottich' lese ich in dem Sinne nicht nur als das, was es eigentlich ist, also ein Gefäss im Bierbrauprozess, sondern wollte das auch auf einer metaphorischen/symbolischen Ebene aufgreifen. Für mich hat der Titel deshalb schon eine zentrale Bedeutung. Ich höre hier aber direkt wieder auf, weil ich meine Intention (noch) nicht unbedingt en détail erklären will :P

Wenn ein Mal etabliert ist, dass ich mich in so einer wie halluzinierten Umgebung bewege, stellt sich die spannende Frage nicht mehr, was als nächstes passiert. Wenn einfach alles möglich ist, alle Regeln von Logik und Schlüssigkeit ausgesetzt sind, wie in Traum, Trip oder Vision, dann kann eben auch alles passieren - und damit nichts überraschen.
Ja, ich verstehe deine Argumentation. Ich habe versucht, in diesen Sequenzen Dinge aus dem ersten Teil wieder aufzugreifen, damit die -- für mein Empfinden -- entsprechend verzahnt sind und sozusagen im jeweils anderen Teil ein entsprechendes Gegenstück besteht. Es kann aber gut sein, dass dies zu versteckt oder verstrickt ist und man es schnell überliest, nicht erkennt und deshalb nur eine Art trippy Sequenz übrigbleibt. Von daher nehme ich das als Feedback sehr gerne mit.

So weit für mich also zwei von drei Punkten. Was ja eine gute Geschichte ist.
Das freut mich sehr.

Wer heißt bei uns Melvin? Und wer heißt in den USA Gerrit? Laut mynamestats.com einer von hunderttausend. Also, wenn mich die Mathematik jetzt nicht völlig verlässt, und das tut sie oft, irgendwie so … 3500 Leute? Damit ist nicht ausgeschlossen, dass er so heißt, aber what are the chances?
Das habe ich mich ehrlich gesagt überhaupt nicht gefragt. Mir gefielen einfach die beiden Namen. Ist das zentral für die Verortung? Versteh mich nicht falsch, ich versuche hier nicht, Dich irgendwie zu überzeugen, dass es Melvin und Gerrit sein MÜSSEN, aber Namenswahl ist für mich eher untergeordnet. Kann aber sein, ich unterschätze das komplett!

Einerseits gut, hier steckt sowohl eine physische Info über Melvin drin als auch diese unterbutternde Art von Gerrit. Andererseits steht es ganz allein, Melvins Übergewicht spielt, sofern ich es nach dem einmaligen Lesen nicht einfach nur vergessen habe, nicht ein einziges Mal mehr eine Rolle.
Gebe Dir absolut recht. Es sollte hier nur Gerrits fiese Art zeigen und jetzt auch nicht heissen, dass Melvin stark übergewichtig ist. Melvins Gewicht oder Umfang spielt im weiteren Verlauf nicht ein einziges Mal eine Rolle. Ich überlege mir an der Stelle was anderes, ist gekauft.

Ich hab diesen Part als sehr infodumpig empfunden, sowohl auf Lokalitäten als auch auf Personen bezogen.
Ich glaube zu erkennen, wie Du das meinst. Ich schaue noch mal drüber und ob ich den Infodump irgendwie -- mmmh, besser verstecken? :D -- kann. Danke für den Hinweis.

Das ist ähnlich wie mit dem Verhalten der Mutter. Aus dem Handeln und Reden der Figuren ergeben sich Dinge, die dem Leser nicht zusätzlich noch erklärt werden müssten, in diesem Fall auch noch mit einer aufwendigen Metapher (zu den Insekten komme ich noch).
Auch diesen Einwand von Dir kann ich nachvollziehen. Die Metapher gefällt mir sehr und ich möchte die ungern killen ... Aber: Vielleicht müsste Gerrit das, was er zuvor sagt, nur andeuten, dass es nicht so offensichtlich ist und das danach dann nicht so direkt als Wiederholung bzw. Erklärung gelesen wird oder werden könnte. Da lässt sich bestimmt noch was machen. Guter Hinweis!

Diese Stelle kommt mir vor wie schnell noch reingeschoben, kurz bevor das mit den Insekten relevant wird. Und so richtig relevant werden sie dann ja eigentlich nicht.
Ja, ist ein wenig eine Krux, ich glaube, andere haben gerade u.a. diese Stelle gelobt. Wegen der Insekten: Einerseits sollen sie eine Art poetisierte Form von Melvins Hoffnung darstellen (die schlagenden Flügel in der Brust), andererseits aber auch auf die biblische Plage referenzieren. Damit wollte ich eine gewisse Doppeldeutigkeit reinbringen. In der ursprünglichen Fassung hat Melvins Mutter auch irgendwo gesagt: "Dein Vater frass die ganze Küche leer. Wie eine biblische Plage war der! Das hast du eindeutig von ihm geerbt." War mir dann aber zu drüber/zu offensichtlich.

Das scheint so von Carrie inspiriert. [...] Bei Carrie Whites Mutter kommen zudem ein extrem christliches Aufwachsen und eine Psychose zusammen und erschaffen nachvollziehbar dieses Monster, das sie ist. Hier kommt das irgendwie aus dem Nichts, Religion spielt ja eigentlich keine Rolle vorher, aber plötzlich ist das so der Dreh- und Angelpunkt ihres Wahnsinns. (EDIT: Mein Hinterkopf sagt zwar gerade „Kirchenbänke“, aber mein Vorderkopf bringt da noch keine Fäden zusammen)
Du warst der Erste, der Verbindungen zu King hergestellt bzw. da eine Inspirationsquelle entdeckt hat, deshalb hole ich jetzt ein wenig aus: Klar, ich kann das wohl nicht wirklich abstreiten! Auch ausserhalb des Forums habe ich sowas schon zu dieser Story zu hören bekommen. Allerdings lese ich King seit Jahren nicht mehr. Als Teenager habe ich mir alles von ihm reingezogen, was ich zu fassen kriegen konnte, aber mittlerweile ist mir King echt zu langweilig geworden, finde in seinen Romanen hat sich irgendwann alles nur noch wiederholt und auch der immergleiche Stil ermüdete mich. Ich hab hier noch 'Es', 'Der Talisman' und 'The Stand' im Regal, alles andere bin ich über die Jahre losgeworden (man muss ja Platz schaffen). Am besten finde ich King aber bei seinen Kurzgeschichten, da habe ich -- soweit ich weiss -- alle in irgendwie zehn oder zwölf Bänden oder so versammelt. Ach ja, und die Dunkle Turm Saga steht ja auch noch im Regal!

Anyway: Es hat mich dann doch irgendwie erstaunt, dass das Teil hier so King-nahe gelesen wird, aber irgendwie sehe ich es jetzt auch, mit ein paar Tagen Abstand. Es war jedenfalls nicht intendiert. Auch hier, USA-Gemasch und so, ja, davon will ich unbedingt wegkommen, hat sich reingeschlichen (auch wenn es für den Leser obvious ist, mir war das gar nicht so konkret bewusst, hehe) in die letzten Texte, lese halt sehr viele amerikanische und kanadische Autoren und da meinte mein Unterbewusstsein wohl: He, das musste auch so machen! Verstehe den Punkt absolut und auch das, was Du wegen der christlichen Fundamentalisten etc. schreibst. Auch das David-Lynch-eske was schon bei anderen meiner Stories gefallen ist, es ist einfach so passiert, ich habe mir nicht gedacht, ich schreib jetzt mal was in die Richtung oder eine Hommage oder sowas. Natürlich sind das sehr grosse Namen, King, Lynch, ich empfinde den Vergleich mit diesen aber nicht als unfair, möchte ich schon betonen, oder das man da Parallelen ziehen kann, es liegt halt an mir als Autor, davon loszukommen, weil ich bei diesen Grössen einfach immer aufs Extremste den Kürzeren ziehen werde (will sagen: nie im Leben auch nur Ansatzweise an die herankommen werde, aber darum soll's auch gar nicht gehen, die Freude an der Sache zählt). Ich muss davon loskommen, indem ich mein Schreiben eben weiter fokussiere und schärfe. Bin immer noch in einem Findungsprozess: Was kann ich wie schreiben und was macht mir überhaupt selbst am meisten Spass zu schreiben ... Also das wird noch ein Weilchen dauern, bis ich da die Essenz herausgearbeitet habe.

Die kleineren Anmerkungen und Korrekturen habe ich allesamt umgesetzt. Vielen Dank fürs genaue Lesen. Zum Schluss noch einmal zurück zum Anfang:

endlich mal wieder Horror, der Thread hier hat ja schon langsam ausgesehen wie die verlassenen Herrenhäuser am Waldrand, in denen seine Geschichten spielen.
Na dann, ich zumindest warte schon auf das nächste Teil proofschen Horrors! :read: (ich weiss, ich schreib sowas ähnliches fast jedem, aber auch wenn ich nicht immer zum Kommentieren komme, lesen tue ich sehr viel)

Danke vielmals für deine Zeit und den Kommentar, Proof!

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Rainbow Runner

Auch Dir ganz herzlichen Dank für deine Beschäftigung mit dem Text, die dafür aufgewendete Zeit und natürlich fürs Lesen. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Natürlich auch darüber, dass der Text bei Dir so gut angekommen ist und deine Lesart meiner Idee beim Schreiben schon nahe kommt. Das ist grossartig und bestärkt mich darin, dass der Text in dem Sinne funktioniert (funktionieren kann).

Eine Coming-of-Age-Story, angesiedelt im sozial schwachen Milieu. Die Themen: Sucht, Gewalt, gesellschaftliche Ausgrenzung. Verbunden mit übernatürlichen Phänomenen, bei denen man sich niemals sicher ist, ob sie einer kranken Psyche entspringen oder vielleicht (in Teilen oder ganz) tatsächlich geschehen sind.
Eine schöne Zusammenfassung, finde ich. Danke dafür.

damit befinden wir uns im schriftstellerischen Revier eines sehr großen Namens: Stephen King
Wegen King habe ich im Beitrag an Proof schon einiges geschrieben und würde deshalb dadrauf verweisen. Ja, vielleicht ist das wirklich ein wenig so, dass mir hier eine Art King-Abklatsch unterlaufen ist ;-) Ja, das Setting ist halt irgendwie sehr ... unentschieden. Da müsste wohl ein wenig mehr Stringenz rein. Ich glaube, es hat am meisten damit zu tun. Aber:
Hier merkt man deine Erfahrung und die geistige Arbeit, die du in den Text gesteckt hast. Es ist keine billige Kopie, sondern etwas eigenes.
Das hingegen hat mich dann wiederum sehr gefreut, dass Du es so wahrgenommen hast. Was aber natürlich nix an dem USA-Mischmasch ändert.

Deine Anmerkungen zum Text habe ich praktisch alle übernommen, vielen Dank für die Detailarbeit. Vor allem das hier fand ich super:

Oder er entdeckt die Karte vielleicht in der Schulbibliothek
Da war ich so frech, es direkt so zu übernehmen, finde, es passt perfekt.

Der erste Teil ist der stringentere, stärker an Stephen King erinnernde. Im zweiten Teil wird alles noch alptraumhafter, wobei mir gerade diese Vermengung von Erinnerungsfetzen, psychotischen Wahnvorstellungen und religiöser Symbolik sehr gut gefallen hat. Beide Teile greifen sehr gut ineinander, was man beim wiederholten Lesen deutlich merkt. Du hast dir wirklich sehr viel Mühe mit der Konstruktion gegeben, Kompliment! Auch die Symbole sind nie Selbstzweck, sondern immer sinnvoll integriert. Das fällt nicht direkt beim ersten Lesen auf, wohl aber beim zweiten.
Ich interpretiere es als eine Art umgekehrten Kein und Abel Mythos. Melvin tötet hier seinen bösen (imaginären) Freund, der in Wirklichkeit den schlechten Teil seiner Persönlichkeit darstellt. Vom imaginären gottgleichen Wesen aus dem Gras wird er deshalb auch nicht bestraft, weil er ja quasi den "guten" Weg gegangen ist.
Ja, was soll ich sagen? Darüber habe ich mich echt gefreut. Vielen, vielen Dank dafür!

Viel Geschwurbel von mir, ich hoffe du verstehst was ich meine.
Nein, überhaupt kein Geschwurbel. Ich kann deinen Gedanken zur Geschichte gut folgen und finde es ist überall klar, wie Du was meinst.

Du merkst auf jeden Fall, dass mir deine Geschichte viel Stoff zum Nachdenken gegeben hat. Und der Tag Horror passt in jedem Fall. Du bringst nämlich kein kitschigen Geisterbahnfiguren, sondern schilderst das was wirklich schrecklich ist: Die Dinge, die sich Menschen gegenseitig antun.
Auch das: Echt super. Wenn Dir die Story Stoff zum Nachdenken gegeben hat, dann hat der Text sein Ziel absolut erfüllt. Danke auch für deine Anmerkung bezüglich der Figuren, das ist ein schönes Lob, weil ich mit der Figurenzeichnung echt lange haderte (nicht unbedingt in diesem Text hier, sondern allgemein).

Ich habe deine Mondkalb Story noch halb im Kopf und im direkten Vergleich finde ich den Bottich viel stärker.
Schön, wenn Du da eine Entwicklung siehst. Bestärkt mich darin, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Sorry, das ich mich etwas kurz halte, weiss gar nicht, was ich sonst noch auf dein Lob antworten könnte :shy: Auf jeden Fall noch einmal einen grossen Dank an Dich fürs Lesen und die Arbeit am Text. Und schön, bist Du wieder da!

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Helenesthe

Habe mich sehr über deinen Beitrag gefreut. Du legst den Fokus auf ein paar neue Aspekte im Text, die vorher noch nicht genannt worden sind, von daher danke vielmals für deine Lesart. Ich merke nach den Feedbacks jetzt, dass der Text wohl nicht so ganz einfach zu konsumieren ist, man wohl nicht alles 'sieht', was ich habe versucht einzuarbeiten, aber Du hast mir mit deinem Beitrag gezeigt, dass man da durchaus Dinge erkennen kann und das hat mich sehr gefreut.

Er hat aber schon Nerven, das klingt ein wenig, als habe seine Mutter ebenfalls Alkoholprobleme.
Gut erkannt! :-)

Da fällt es mir schwer, mir das vorzustellen. Ein Bottich in einer Brauerei, der zu eng ist, um zwei Kinder berührungsfrei unterzubringen?
Ja, finde ich einen ganz guten Punkt. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie gross genau so ein Läuterbottich ist und ob es nicht vielleicht verschiedene Grössen davon gibt, nehme es mal an. Ich schaue mal, ob ich hier noch was anpasse!

Das finde ich auch einen schönen Absatz. Der Mann aus dem hohen Gras ist, glaube ich, mein Lieblingsbild in der Geschichte.
Cool.

"MELVIN KLEIN"? Echt jetzt? :D
Ja :shy: Wieso nicht? :D Nein, wahrscheinlich klingt es bisschen albern, mmmh ...

Ich bin auch nicht sicher, was. Ist es die im Guten großgewordene Version von Melvins Selbst oder eine erträumte Vaterfigur, die dem gerechter werden konnte als der Echte?
In der Inkarnation könnt es ja beides geben. Gerrit weiß ja nichts vom Mann im hohen Gras als er sagt, Melvin solle loslassen. Hat es also was mit einer Vaterrolle zu tun, wie oben vermutet?
Zur Frage im zweiten Zitat: Genau das habe ich mir dabei gedacht. Der Mann aus dem hohen Gras soll seinen Vater darstellen, den Elternteil, den er nie gehabt hat.

Wunderschönes Ende, finde ich!
Vielen Dank. Ja, das Ende stand schon relativ früh. Und auch wenn das etwas seltsam klingt, ich habe vom Start zur Mitte und vom Ende zur Mitte hin geschrieben, den zweiten Teil also quasi rückwärts (Szene um Szene) :D

In der Mischung des amerikanisch-deutschen(?), in jedem Fall wohl europäischen, habe ich beim amerikanischen Teil oft an Kings Bildwelten denken müssen ("Kinder des Mais" und "Carrie", (wobei Carries Mutter nicht depressiv war), ein bisschen). Es ist schon gelungen, diese Schiene fortführen zu können, wenn man nicht King selbst ist.
Ja, zu King habe ich schon paar Dinge geschrieben, aber auch wenn ich keine Hommage oder so schreiben wollte, hat mich dann dieses Feedback dennoch sehr gefreut. In der nächsten Story lasse ich dieses ganze Amerika-Gedöns aber auf jeden Fall weg, das habe ich bei dieser Geschichte hier hoffentlich gelernt :D

Ich mag die Wiesen- und Heuschreckenbilder ganz gerne, letztlich finde ich darin auch ein Zeichen dafür im Finale, als er sich plötzlich traut, Gerrit entschlossen gegenüberzutreten, dass, trotz des brüchigen Elternhauses, er durch die Erlebnisse im hohen Gras einen Gegenerfahrung zum ins Ungute Kippende gemacht hat, in einer Lebensphase, die prägend war und die nun in der Lage ist, stärker zu sein als das Momentane.
Sehr toll, wie Du das gelesen und interpretiert hast! Freut mich.

Den größeren Bruch zur Realität, der nicht nur Melvin umfasst, finde ich sehr subtil eingearbeitet auf dem Treppenabsatz und Pausenhof der Schule, das beginnt, als sei es real.
Auch das fand ich wirklich toll. Da hatten ja einige Leser Mühe, dass plötzlich alles so surreal und bisschen abgedreht wird, deshalb super, dass Du quasi den Übergang hier als 'sehr subtil' bezeichnest, finde ich klasse.

Den Begriff "Läuterbottich", da titeltragend, würde ich etwas früher und vielleicht einen Tick häufiger einsetzen, da eben titeltragend.
Ja, vielleicht sollte ich den Begriff noch hie und da einbauen, hast schon recht.

Hat jetzt eine Woche gedauert, Dir zu antworten. Sorry dafür. Aber noch einmal meinen herzlichen Dank fürs Lesen und deine Zeit. Da waren einige Stellen in deinem Kommentar, die ich wirklich besonders gerne gelesen habe, weil das so bei Dir angekommen ist, wie ich es intendiert hatte. Deine Korrekturvorschläge sind (fast alle) eingearbeitet.

Besten Dank!

p.s.: Ach ja, und meinen Glückwunsch an Dich zu Aiken und zur Empfehlung, finde ich sehr verdient! Und ich kann mir da auch eine Scheibe abschneiden, Du hast hart an dem Text gearbeitet, ich bin leider eher etwas überarbeitungsfaul ...



Und damit auch einen grossen Dank an Dich @Habentus

Ich steige direkt in dein Feedback ein:

Vielleicht bisschen zu picky von mir aber: Das klingt erst mal gut. Beim genaueren Lesen frage ich mich aber schon, ob das wirklich so gut zusammenpasst? Was haben denn Strahlen mit Wolken zu tun? Wie können Strahlen ein wolkiger Fächer sein?
Ja, war mir auch unsicher mit der Stelle. Ist ersatzlos gekillt, auch wenn das Bild ein wenig ein Darling war ... :D

Da passt für mich diese sehr kindliche Antwort nicht. A-a. Wer sagt denn das? Kinder vielleicht aber doch keine Teens oder zumindest 11-12-Jährige mehr.
Auch hier: Sehr gut erkannt. Habe die Stelle verändert.

Wer redet bzw kommentiert hier eigentlich? Sind das Melvins Gedanken? Oder ein Erzähler? Ich habe auch im weiteren Verlauf manchmal das Gefühl bekommen, dass das so ein wenig springt und nie so ganz entschlossen ist, wer da gerade kommentiert. Zumindest an so 2-3 Stellen ist das etwas verwischt.
Gute Anmerkung. Mir gelingt es leider noch nicht, eine Erzählperspektive durchzuhalten oder einzuhalten. Finde ich recht schwierig und wie Du gut bemerkt hast, falle ich da immer mal wieder raus. Es ist leider auch etwas, worauf ich beim Schreiben nicht unbedingt achte, mir geht es erstmal darum, einfach zu erzählen, aber wenn dass dann zu solchen Brüchen führt, ist das natürlich suboptimal. Auf jeden Fall etwas, worauf ich in Zukunft verstärkt achten werde und es versuche besser zu machen! Auch was Du schreibst, wegen dem Erzähler im ersten Teil, wenn Melvin schon vierzehn oder so ist, dass Du da Mühe hast, den dann so zu lesen, finde ich eine gute Anmerkung, die ich mir zu Herzen nehme.

Das habe ich nicht verstanden. Meint er damit die Selbstverletzung vom letzten Mal?
Korrekt. Das war der Gedanke dahinter.

Diesen Kommentar fand ich unnötig. Was soll das aussagen? Dass Melvin sich denkt, seine Mutter sollte das wenige Geld für Sinnvolleres ausgeben? Braucht es in meinen Augen nicht.
Mmmh, der Satz hat schon einen Sinn für mich, nämlich soll er zeigen und aussagen, wie Melvin und Gerrit zueinander stehen: Gerrit bringt ja ein Sechserpack zur Brauerei mit. Darauf wird hier referenziert.

Insgesamt finde ich, dass dir da ein guter Text gelungen ist! Ein Text der aber auch etwas vom Leser verlangt. Einerseits aufgrund der Länge, andererseits aufgrund des Themas und der (nicht negativ gemeint) Verworrenheit der Erzählweise. Ich denke, dass es deine Geschichte wert ist, mehrmals gelesen zu werden, denn ich finde, dass da viel drinsteckt und sich beim ersten Lesen (mir geht es zumindest so) nicht alles sofort offenbart. Gibt für mich da mehrere Ebenen und Raum zum Interpretieren.
Das ist auch ein supertolles Feedback, welches mich sehr gefreut hat!

Geschrieben fand ich deine Geschichte gewohnt gekonnt. An der einen oder anderen Stelle denke ich, dass du vielleicht ein paarFormulierungen polieren oder etwas zurückschrauben könntest. Ander Stellen haben mir von den Bilder, die du aufmachst, wirklich richtig gut gefallen!
Bestimmt kann man noch ein paar Stellen polieren, gebe Dir absolut recht, hie und da habe ich das nach deinem Feedback auch bereits getan. Da waren ein paar sehr gute Anmerkungen dabei, danke Dir dafür. Dass Dir ein paar Bilder im Text richtig gut gefallen haben, das freut mich natürlich enorm!

Ja, ich hoffe, ich habe mich nicht allzu knapp gefasst, aber habe das Feedback wirklich genossen, wenn ich das so sagen kann. Besten Dank noch einmal an euch beide!

Beste Grüsse & ein schönes Wochenende,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey ,


freut mich, dass in meinem Beitrag etwas für den Text und dich dabei war! Und, dass du empfunden hast, dass manche Teile des Textes ankommen.

Ich merke nach den Feedbacks jetzt, dass der Text wohl nicht so ganz einfach zu konsumieren ist, man wohl nicht alles 'sieht', was ich habe versucht einzuarbeiten, aber Du hast mir mit deinem Beitrag gezeigt, dass man da durchaus Dinge erkennen kann und das hat mich sehr gefreut.
Ich glaube, es dauert wirklich eine Weile, bis man alle Bilder und Querverbindungen erhascht hat. Der Text hat eben Ballungszentren, die sich zum mehrmaligen Lesen anbieten, wie eben jene Szene in der Kirche gegen Ende. Trotzdem finde ich, dass er auch das Zeug hat, "einfach" gelesen zu werden. Die Szenen sind ja sehr weit und detailgetreu ausgearbeitet, vor allem im ersten Teil geht es ja fast beschaulich zu.
"MELVIN KLEIN"? Echt jetzt? :D
Ja :shy: Wieso nicht? :D Nein, wahrscheinlich klingt es bisschen albern, mmmh ...
Hm, nein, es ist nicht, dass es albern klänge, aber ich dachte an Calvin Klein (Unterwäsche/Modemarke).
Danke auch für die Antworten. :)
Ein wenig Nachlese, weil ich den Text gerade eben nochmal gelesen habe:
„Du machst ein Gesicht wie bei Herr Kleboth, als er dich heute morgen beim Gaffen
Herrn
Morgen
Sie sprang hoch, entfaltete ihre Flügel, schwirrte unstet vor Gerichts Gesicht.
Gerrits
„Mit deinem ganzen Körper verdammt!“
Körper, verdammt

Danke für Antwort und Glückwunsch! Ich habe den Zugang zur Geschichte noch gefunden, andernfalls wäre es schwierig gewesen. Manchmal ist das so. :shy:

Viele Grüße,
Helen

 

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