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Der letzte Drink

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01.04.2021
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Der letzte Drink

Mit einem schnellen Gang trat ich an die Bar und setzte mich auf den Barhocker in der Ecke am Fenster. Wahrscheinlich wusste ich so, dass ich dort in Ruhe gelassen wurde. Heute war die Bar voll mit Kundschaft und meine Aufmerksamkeit erhielt nun die versiffte Ablage der Theke. Abdrücke von verschütteten Getränken ist in das dunklere Eichenholz eingezogen.
Mein Blick wandte zum Barkeeper. Er sah sehr bodenständig aus, hatte einen kleinen braunen Bart und etwas längere braune Haare. Zudem war er muskulös gebaut und hatte ein schwarzes Muskel Shirt an, wodurch seine durchtrainierten Arme gut zur Geltung kamen.
Ich nahm ein schluck von meinem Cocktail und drehte mich zu der Tanzfläche. Mit einem geschulten Blick bemerkte ich schnell, dass ich die älteste in diesem Raum war und eine unterdrückte Einsamkeit folterte mein Zwerchfell. Kurz blieb mir der Atem stehen und ein Kloß bildete sich in meinem Rachenraum. Es ist immer einfacher, sich an den Anfang einer Liebe zu erinnern als an das Ende. Dann trank ich gierig mein Glas aus und bewunderte gleichzeitig die verschiedenen Alkoholsorten, die hinter dem Tresen sortiert in einem Regal standen. Ich kann noch mit hundertprozentiger Genauigkeit das Gefühl jener Zeit in mir hervorrufen, als das Trinken zu einem festen Bestandteil meines Lebens wurde.

Es war in Mailand 1958, um genau zu sein. Ich lebte ein gutes Leben, war eine erfolgreiche Selbstständige Frau und wollte irgendwann auch Heiraten und Kinder bekommen, so wie jede junge Frau. Doch irgendwann sehnte ich mich in diesem Land nach mehr. Partys, eine Vielzahl von Revolten, Wohlstand, Macht und Renommees. Der Alkohol half mir dabei meinen Lebensstandard zu steigern. Ich erinnerte mich daran wie ich das erste Mal einen hohen Status und Ansehen durch eine bestimmte Weinsorte, die ich in einer Bar trank, erhielt. Oder wie ich auf der Terrasse, in meiner Suite, das Glas zum Mund führte, das weiche Aroma einatmete, einen Schluck nahm und kurz darauf spürte, wie jenes warme Gefühl der Entspannung durch meinen Körper floss.

Meine Erinnerungen wurden durch einen heftigen Schmerz in meinen Finger unterbrochen und sofort stellte ich das Glas ab. Meine Finger versteiften und ich wusste, dass die Arthrose mir zunehmende Gelenkschmerzen brachte. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich nicht mehr in der Lage sein werde mein Leben Selbstständig zu bestimmen. Die Angst der Einsamkeit bestimmte mein Leben. Ich müsste meine Liebe aufgeben und dem Ganzen ein Ende setzen. Einen endgültigen Schlussstrich ziehen. Ich stellte mein ausgetrunkenes Glas auf die Theke und sah zu wie der Barkeeper es, wenig später, zum Säubern in die Spüle legte. Ich erinnerte mich an die momentane Lebenslage. An die permanente Gehetzt- und Gereiztheit, an die vielen Dramen, die stets Teil des Alltags zu sein schienen. An den Bankrott meiner, eigenen mühsam aufgebauten, Firma. Daran, wie viel ich verpasst hatte oder wie oft ich mehr oder weniger verkatert meinen Tag begann. Mein Atem war schwer, doch ich wusste das es die beste Entscheidung ist, die ich je hätte treffen können. Also stand ich auf und begab mich ein letztes Mal durch die marode Holztür der Cocktailbar. Es ist 1987 und ich habe gerade den letzten Schluck meiner verflossenen Liebe zu mir genommen.

 

Hallo @Rob F
Danke für deinen Willkommens Gruß und vielen Dank für deine Kritik und das gute Feedback.

Eine Frage hätte ich noch:
Und zwar sagst du, dass du keinerlei Bindung mit den Protagonisten aufbauen kannst. Hättest du einen Tipp, wie man das aus deiner Sicht verändern könnte?
Wären Namen vermutlich einprägsamer?
Oder ist der Text an sich zu kurz, wodurch du schnell wieder aus der Geschichte gerissen wirst?

Liebe Grüße
Luisa

 

Mahlzeit @Luisalyriks,

@Rob F hat recht, mit dem was er über die "Bindung" des Lesers an eine Protagonistin (in dem Fall) schreibt. Stell dir drei Menschen vor, die schweigend in der U-Bahn stehen. Du nimmst sie bestenfalls kurz zur Kenntnis. Unterhalten sie sich aber, vielleicht über tiefe, alles berührende Probleme, eine Person weint, baust du - so ist der Mensch gestrickt - eine empathische Verbindung auf. Du "fühlst mit". Das kann man in einem Text durchaus auch erreichen. Bspw. über einen guten Dialog. Willst du es nur übers "Erzählen" erreichen, muss die Sprache enorm wortgewaltig und ausgefeilt sein. Wenige Schriftsteller:innen schaffen das. Ein oder mehrere Dialog/e - etwa mit dem Barmann oder einem Sidekick, den du einführst - macht das wesentlich einfacher.

Dazu kommt, dass es von 1958 bis 1987 ein doch enormer Zeitraum ist. So wenig Text wird diesem Zeitraum einfach nicht gerecht. Wenn du einen einzelnen Konflikt nimmst (Schnürsenkel reißt 5 Minuten vorm Bewerbungsgespräch), dann kann das ein kurzer, knackiger Text mit Konflikt und Lösung werden. Aber bei solchen Zeiträumen weiß jede/r, dass noch viel mehr passiert. Nur wo? Und wann?

Genau deswegen funktioniert dein Text nicht.

Abdrücke von verschütteten Getränken ist in das dunklere Eichenholz eingezogen.
Abdrücke > Plural, deswegen "sind in das ..."
Ich erinnerte mich daran wie ich das erste Mal einen hohen Status und Ansehen durch eine bestimmte Weinsorte, die ich in einer Bar trank, erhielt.
Aber wir Leser erinnern uns nicht. Was ist denn da passiert?
an die vielen Dramen, die stets Teil des Alltags zu sein schienen
Das ist schlicht zu oberflächlich.

Es ist nicht so, dass wir nicht interessiert sind, erfahren es aber einfach nicht - und legen den Text dann beiseite. Leser sind auch Voyeuristen. Sie wollen wissen, was da passiert ist, UM teilzunehmen, teilzuhaben. Menschlich.

Griasle
Morphin

 

@Morphin Vielen Dank auch für dein Feedback. Das hilft mir wirklich sehr weiter und ich versuche die angesprochenen Punkte zu bedenken.

Grüße
Luisa

 

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