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Der letzte Kuchen für Leo

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09.03.2014
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Der letzte Kuchen für Leo

Morgen wird Leo zehn. Sein erster runder Geburtstag. Ich muss ihm unbedingt einen Kuchen backen, koste es, was es wolle. Daher sitze ich vor dem beinahe blinden Fenster am wackeligen Küchentisch, mein zerfleddertes Rezeptbuch vor mir. „Süßes aus aller Welt“ lautet sein Titel. Staubpartikel schwirren durch das diffuse Licht, während ich es durchblättere, aber ich habe keine Zeit fürs Saubermachen, jetzt weniger denn je. Linzer Torte, Donauwellen, Schwarzwälder Kirschtorte, russischer Zupfkuchen, Manhattan Cheese Cake. So viele Süßspeisen sind nach Orten benannt. Aber ob es sie noch gibt, ob dort noch Menschen leben? Ich weiß es nicht, und es ist keiner da, der mir eine Antwort geben könnte.
Letztendlich entscheide ich mich doch für eine klassische Linzer Torte. Anstelle des Gitters werde ich ein Smiley machen. Das wird Leo aufheitern. Hoffe ich zumindest. Wann hat er das letzte Mal gelacht? Ich kann mich nicht erinnern. Schon länger verweigert er jede Nahrung. Wenn ich ihm Wasser einflöße, rinnt das meiste daneben. Apathisch liegt er auf der zerschlissenen Matratze, die Augen geschlossen. Ich bete zu allen Göttern, dass er es schafft; das bin ich meiner Tochter schuldig. Als sie Mara fortzerrten, fixierte sie mich mit ihrem Blick. Pass auf ihn auf, sollte es heißen. Ich lag in der schlammigen Mulde unter der Steinplatte ober dem Haus, zwischen Spinnen und Tausendfüsslern, hielt Leo den Mund zu und hoffte, dass sie uns nicht finden würden.
Die Sonne brennt vom Himmel, obwohl es erst Morgen ist. Zeit, den Weizen zu ernten. Dann will ich den Kuchen backen. Vorerst jedoch brauche ich Wasser; der Blecheimer ist fast leer. Ich hole ihn aus der Ecke, schütte das verbliebene Wasser in ein nicht mehr ganz sauberes Glas und trinke. Das lauwarme Wasser hinterlässt einen erdigen Geschmack. Mit dem Fernrohr kontrolliere ich die Talsohle und die gegenüberliegenden Berge: Keiner zu sehen, gut so. Ich kann mich ins Freie wagen. Schnell wickle ich mir ein altes Tuch um den Kopf – Sonnencreme konnte ich bei meinem letzten Beutezug keine mehr finden – und öffne die Tür aus ein paar zusammengenagelten Brettern. Die heiße Luft legt sich wie ein Mantel um mich und nimmt mir den Atem. Unter meinen zerfledderten Schlappen knirscht das gelbe, vertrocknete Gras. Ich hätte wohl Stiefel anziehen sollen, wegen der ungewöhnlich großen Skorpione, die hier vor ein paar Jahren aufgetaucht sind, mitten im Gebirge. Aber seit einiger Zeit sehe ich auch von denen immer weniger. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen ist oder ein schlechtes.
Ich schleppe mich die Anhöhe zur alten Zisterne hinauf. Manchmal wollen meine Füße nicht mehr, als ob mein Körper sich gegen all das hier auflehnen würde. Dabei war ich in meiner Jugend in jeder freien Minute in den Alpen unterwegs. Kein Gipfel war mir zu hoch, kein Weg zu weit. Irgendwann verschwanden die Gletscher, und mit ihnen auch der Spaß. Schnaufend komme ich an. Die Zisterne ist eigentlich nur ein vier, fünf Meter tiefes Loch im Felsen, in dem sich das Wasser sammelt. Ein paar mickrige Gräser wachsen daneben. Im Staub kann ich Tierspuren erkennen. Rehe oder verwilderte Ziegen? Scheu sind sie geworden, seit die wenigen Überlebenden Jagd auf sie machen. Ich habe mir nie viel aus Fleisch gemacht, außerdem könnte ich das Töten nicht über mich bringen. Während ich den Eimer an das Seil binde, vergewissere ich mich, dass der Knoten fest sitzt. Mehr als einen Eimer habe ich durch meine eigene Nachlässigkeit verloren. Dieser ist mein letzter. Ich lasse ihn vorsichtig ins Dunkel der Zisterne hinuntersinken. Als ich nur noch eine Spanne Seil in den Händen halte, spüre ich endlich Widerstand und höre ein Platschen. Ich bewege das Seil, damit sich der Eimer mit Wasser füllt und ziehe ihn mit einiger Mühe hoch. Eine dunkelbraune, schlammige Brühe schwappt über seinen Rand. Kein Fäulnisgestank wie letztes Jahr, zum Glück. Ein paar Mal durch ein Tuch fließen lassen und warten, sich der Schlamm setzt, dann ist es erträglich.
Während ich zum Weizenfeld gehe, bläst mir ein glühend heißer Wind ins Gesicht. Ich schnuppere. Riecht es nach Rauch? Es wäre nicht das erste Mal, dass die Wälder brennen. Wahrscheinlich entzünden sich die dürren Äste und Gräser von selbst – eine Glasscherbe genügt. Vielleicht legen die Invasoren die Brände auch absichtlich, um die Überlebenden aus aus ihren Verstecken zu locken. Ich lasse meinen Blick über die ausgetrocknete Talsohle und die Berge schweifen, über denen sich der grellblaue Himmel spannt. Gerade erscheint alles ruhig. Zu ruhig. Sogar die Vögel schweigen. Die Stille macht mich nervös. Als auf der Autobahn, die das ganze Tal durchquert, noch Verkehr floss, war stets ein beruhigendes Brummen zu hören. Diese nicht enden wollende Stille kommt mir unheimlich vor. Wenn ich es nicht mehr aushalte, flüchte ich ins Haus, oder dem, was vom ihm noch übrig ist. Der Großteil des Dachs wurde bei einem der Angriffe zerstört, aber wir hatten Glück, im Gegensatz zu unseren Nachbarn. Hier stehen noch ein paar Mauern, die meisten Fenster sind intakt, und das Dach habe ich notdürftig mit Plastikplanen, Brettern und Steinen repariert. Verdorrte Unkräuter und ein paar fingerdicke Bäumchen klammern sich an die verbliebenen Mauerbrocken. Wenn sie bloß schneller wachsen würden, dann böten sie eine bessere Deckung. Ich würde sie ja gießen, aber ich brauche das Wasser für den Weizen. Den Kohl und die Kartoffeln hat das Ungeziefer zunichte gemacht, aber der Weizen trägt wie durch ein Wunder ein paar Ähren. Vorsichtig streife ich die Körner ab, lasse sie durch meine Finger rieseln und dann in meine zu einem Beutel gebundene Schürze. Danke, Gott. Wenn es dich denn gibt. Ich habe immer häufiger Zweifel.
Leo ist nicht getauft. Mara hat sich geweigert. „Auf den Altmännerclub kann ich verzichten“, meinte sie. „Er soll selbst entscheiden, welchem Trugbild er nachlaufen will.“ Nicht, dass es mir viel ausgemacht hätte. Das scheinheilige Getue vieler Geistlicher hat mich immer schon gestört. Taufen lassen hätte ich ihn trotzdem, zur Sicherheit. Was hätten das bisschen Weihwasser und die paar salbungsvollen Worte schon geschadet? Außerdem wäre es schön gewesen, meinen Enkel in den Armen zu halten und einen Teil von dem wieder gut zu machen, was ich an meiner Tochter versäumt hatte.
Schnell jetzt, zurück ins Haus. Je weniger ich hier draußen bin, desto besser. Im Haus sehe ich zuerst nach Leo. Er schläft. Ich streichle ihm über seinen schwarzen, glänzenden Schopf. Ich sollte ihm dringend mal die Haare schneiden, aber ich verschiebe es immer wieder. Die Backenknochen zeichnen sich scharf in seinem Gesicht ab. Er wird mit jedem Tag magerer. Später werde ich ihm Suppe einflößen. Er muss es einfach schaffen. „Er muss, er muss“, summe ich, während ich die Weizenkörner, die nicht kleiner werden wollen, mit dem Mörser bearbeite. Ein Schweißtropfen klatscht auf den staubigen Tisch; ein Rinnsal sucht sich seinen Weg zwischen meine Schulterblätter. Strom haben wir schon lange keinen mehr. Auch die Solarpanele haben nicht lange durchgehalten. Ich mahle verbissen weiter. Mit einiger Mühe mache ich im alten Holzherd ein Feuer. Das wird die noch verbleibende Kühle im Inneren zunichte machen, aber der Zweck ist es wert. Irgendetwas muss ich noch bedenken, aber was? Es will mir nicht einfallen. Dann mache ich eben mit dem Kuchen weiter.
Ein wenig Öl und Erythrit, einen Glücksfund, habe ich in einer Blechdose in der Küche; Marmelade ist im Keller. Ich will für diesen kurzen Weg nicht eigens eine kostbare Kerze anzünden, sondern taste mich im Dunkeln die Treppe hinunter. Klebrige Spinnfäden spannen sich über mein Gesicht. Ich unterdrücke meinen Ekel, wedle sie beiseite und schnappe mir das letzte Marmeladenglas.
Zurück in der Küche, wische ich den Staub weg und betrachte es genauer: Juli 2060, steht auf dem Etikett, und irgendwas mit Beeren. Ich drehe am Deckel, es macht plop und ein entfernt fruchtiger Duft steigt mir in die Nase. Erdbeeren. Oder Himbeeren? Auf jeden Fall ist nur ganz wenig Schimmel an der Oberfläche, den ich sorgfältig wegkratze. „Ein von Schimmelpilzen befallenes Nahrungsmittel gehört zur Gänze weggeworfen“, tadelt eine Stimme in meinem Kopf. Pah. Gilt längst nicht mehr. Ich tauche den Finger in die klebrige Masse und stecke ihn in den Mund. Die geballte Süße ist zu viel für mich, treibt mir die Tränen in die Augen. Ich schüttele sie weg. Reiß dich zusammen. Du kannst es dir nicht leisten, sentimental zu sein.
Die Zutaten sind bereit. Was war da noch gleich? Ein Gedanke leuchtet auf, doch er verglüht, bevor ich ihn zu fassen bekomme. Egal. Wenn er wichtig wäre, würde er mir schon wieder einfallen. Ich vermische Mehl, Erythrit und Öl. Fühlt sich ganz passabel an. Eier brauche ich noch, damit die Masse besser zusammenhält. Sechs davon habe ich aus dem Nest einer Amsel gestohlen, die empört protestierte. Tut mir leid, meine Kleine. Dieses Mal musste es sein. Erwartungsvoll schlage ich das erste Ei auf – und pralle zurück. Ein vollständig entwickelter Vogelfötus mit Schnabel, bläulichen Augenlidern und klebrigem Flaum über altrosa Haut fällt mir entgegen. Augenblicklich breitet sich ein bestialischer Gestank aus. In fieberhafter Hast schlage ich die restlichen Eier auf. Vielleicht sind die anderen noch gut, denn manchmal beginnt das Vogelweibchen gleich nach dem ersten Ei mit dem Brüten. Aber nein, sechs tote Augenpaare starren mich durch die transparenten Lider anklagend an.
Ich könnte schreien, aber atme nur tief durch und werfe die Vogelbabys in weitem Bogen aus dem Fenster. Eines klatscht auf den Küchenboden und hinterlässt eklige Schlieren. Ich kümmere mich nicht darum, ich habe Wichtigeres zu tun. Dann muss ich eben mehr Öl nehmen. Scottish Shortbread wird schließlich auch ohne Eier gebacken. Der Teig klebt an meinen Fingern, aber weigert sich, eine einheitliche Masse zu werden. Ungeduldig pappe ich ihn in die Form. Klatsche die Marmelade darauf. Das Mürbteig-Smiley will und will nicht lachen. Doch ich zwinge es dazu, ziehe seine teigigen Mundwinkel unerbittlich nach oben. Gut so. Ab in den Ofen.
Die Zeit muss ich schätzen, die Temperatur ebenso. Ich sitze vor der Backofentür, lege ein paar Scheite nach, um das Feuer gleichmäßig zu nähren. Bald weht ein nostalgischer Duft nach Kuchen durch die Küche, wie in den Zeiten, als noch alles in Ordnung war. Gar nichts war in Ordnung. Wir wiegten uns in der trügerischen Vorstellung, verschlossen die Augen und Ohren vor dem Offensichtlichen. Ich tröste mich: Bald ist es geschafft.
Da zerreißt Motorengeräusch die Stille. Wie ein Blitz durchzuckt mich der Gedanke: Der Rauch, wie konnte ich nur! Ich muss Leo in Sicherheit bringen! Wo ist der Notfallrucksack? Ich springe auf, will in Leos Zimmer, doch ich rutsche auf dem toten Vogelbaby aus. Ich falle hin, lande auf allen vieren, spüre einen Stich im Rücken. Mir schwinden fast die Sinne, doch ich muss mich aufraffen. Jetzt. Sofort. Mein Enkel braucht mich.
Zu spät. Die Haustür quietscht in den Angeln.
„Ausschwärmen.“ Die Männerstimme klingt routiniert, voller militärischem Zack.
Ich krabble in die halb verfallene Stube – verdammt, warum muss der Holzboden so laut quietschen – und schlüpfe hinter einen Haufen Gerümpel. Meine Gelenke knacken, der Rücken sendet Schmerzwellen durch den ganzen Körper, aber ich kann mich jetzt nicht aufrichten. Schwere Schritte poltern auf den Dielen im Flur.
Mein Herz rast, mein Atem geht flach. Vielleicht entdecken sie Leo ja nicht. Vielleicht suchen sie auch nur etwas zum Essen, nehmen den Kuchen und verschwinden wieder. Bitte, bitte, lass es so sein.
Die Schritte nähren sich unaufhaltsam. Ich mache mich kleiner, ducke mich, will unsichtbar werden. Grobe Hände packen mich, reißen mich hoch. Nur nicht schreien, nur nicht Leo wecken.
„Ich hab was!“, ruft der Kerl. „Eine verwahrloste Alte.“
Seine behandschuhte Hand presst sich auf meinen Mund. Ich zappele verzweifelt, doch ein Schlag in den Nacken lässt alle Kraft aus meinen Gliedern weichen. Das Zimmer vor mir verschwimmt. Lasst meinen Jungen in Ruhe. Macht mit mir, was ihr wollt, aber lasst Leo in Ruhe.
„Hey. Ich hab auch was.“ Die Stimme eines anderen dringt aus unendlicher Entfernung an meine Ohren. „Eine vertrocknete Kinderleiche, wohl vor Monaten an der Ruhr gestorben. Ein Junge, wie es scheint.“

 

Hola @Michelangela,

einen überzeugenden Start legst Du hin – klasse Titel, klasse Nick.
Schreiben kannste wie ein Profi. Ja, das liest sich wirklich gut, total normal und ohne Verrenkungen. Fehlerfrei sowieso.
Die Handlung ist mehr eine Aufzählung: Wir haben Erderwärmung, dadurch entstehenden unfruchtbaren Boden incl. Wassermangel, daraus resultierende Kriege; die Kirche wird abgewatscht (zu Recht), dann noch das Bienensterben, verschwundene Gletscher, der Diät-Irrsinn, fragwürdige Lebensmittelqualität (des unteren Preissegments) und der gedankenlose Umgang mit Lebensmitteln, vom Wegwerfen bis zum Vernichten.

Um diese Punkte hast Du eine Geschichte konstruiert und riskierst, dass möglicherweise Leser abwinken und stöhnen: ‚Jo, verdoorie, dat kenne mer scho.‘

Das Ende finde ich gelungen – trotz der Kinderleiche. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse, schließlich schreibst Du in Deinem Profil:

Ich lese gerne … ... besonders dystopische, post-Armageddon-Romane.

Vom Inhalt her brauchte ich diesen Text, diese General-Anklage, nicht. Ist halt Altvertrautes, aber Du hast es gut aufbereitet und tadellos in Form gebracht.
Um ‚gerne gelesen‘ sagen zu können, fehlt mir eine originelle Idee. Auch habe ich den Eindruck, durch die straffe Gebundenheit ans (Über)-Thema fehlt Dir hier der Freiraum, Deine Kreativität auszulebenschreiben.

Beste Grüße!
José

PS: Selbstverständlich finde ich es gut, dass Du aktuelle Themen wählst. Doch vielleicht wäre es besser, jeweils nur einen Punkt ‚zu bearbeiten‘, z.B. Rangeleien ums Wasser, die zum Krieg führen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Michelangela

Nette Geschichte hast Du da geschrieben, hat mir grundsätzlich gut gefallen. Vom Stil her eine der besten, die ich bisher hier gelesen habe und das waren doch schon um die 20 Stück. Deine Story ließt sich sehr flüssig und ich bin nirgends gestockt. Die Beschreibungen der postapokalyptischen Welt haben mir auch gut gefallen. Wie die Welt so geworden ist, darüber erzählst Du nicht wirklich viel, aber ich denke, dass ist bei der Kürze der Geschichte auch nicht wirklich nötig und Du gibst ja dazu schon ein paar Hinweise.

Was ich mich jedoch gefragt habe: Wieso backt sie einen Kuchen, wenn sie doch haargenau weiß, wie gefährlich das ist (wegen des aufsteigenden Rauchs des Ofens)? Die Gefahr müsste ihr doch bewusst sein, auch wenn sie schon ein wenig Plemplem ist? Fand ich nicht ganz stimmig. Oder hat sie bereits komplett den Verstand verloren (durch die Umstände, die Einsamkeit etc.) und die Gefahr deshalb völlig außer Acht gelassen? Wenn ja, so kommt das aber in dem Text nicht richtig rüber bzw. ist zu wenig klar.

Das Leo tot ist, merkt man meiner Meinung nach schon relativ früh im Text, das Ende war deshalb nicht so wirklich überraschend. Vielleicht könntest Du die Hinweise bezüglich Leo am Anfang etwas subtiler bzw. weniger offensichtlich machen? Dann wäre es eine gelungene(re) Überraschung am Schluss. Wie oder an was ist Leo gestorben? Einen Hinweis darauf könntest Du vielleicht auch noch irgendwo (am Schluss) einflechten. Zumindest ich habe mich gefragt, was denn die Todesursache gewesen sein könnte.

Ein paar Details/Gedanken:

Das wird Leo aufheitern. Hoffe ich zumindest. Wann hat er das letzte Mal gelacht? Ich kann mich nicht erinnern. Schon länger isst er nicht mehr. Wenn ich ihm Wasser einflöße, rinnt das meiste daneben. Reglos liegt er den ganzen Tag auf der zerschlissenen Matratze, die Augen geschlossen.
Hier bekam ich bereits einen Verdacht: Mmmmh, klingt fast so, als wäre Leo tot, dachte ich mir.

Ich hätte wohl Stiefel anziehen sollen, wegen der Skorpione, die hier vor ein paar Jahren aufgetaucht sind, mitten im Gebirge.
Klingt so, als wäre das Gebirge nicht das natürliche Habitat der Skorpione. Ich glaube aber, dass es durchaus Skorpione gibt, die solche Umgebungen bevorzugen.

Einen Tag in der Sonne abstehen lassen, damit sich der Schlamm setzt, dann ist es erträglich.
Hier dachte ich mir: Sie könnte das Wasser auch durch ein Tuch in einen anderen Behälter gießen und das mehrmals wiederholen, das wäre ein schnellerer Prozess, um den Schlamm loszuwerden.

Vielleicht legen sie die Brände auch absichtlich.
Ich fragte mich, wer "sie" sind? Wer legt die Brände? Sind "sie" die Typen, welche am Schluss in ihre Behausung eindringen? Wer sind die und was machen die? Wieso jagen sie Überlebende? Einfach um Beute zu machen, also das eigene Überleben zu sichern? Vielleicht könntest Du "sie" noch an weiteren Stellen erwähnen (es gibt ja noch eine zweite), Situationen schildern, in denen die Prota immer mehr von ihnen bedrängt wird oder so, dann wirken sie bedrohlicher und Du könntest im Verlauf der Geschichte ihren bedrohlichen Schatten weiter wachsen lassen, indem Du laufend weitere Details offenbarst und die Schlinge um ihren Hals weiter zuziehst, bis sie die Prota am Schluss dann erwischen.

Gerade erscheint alles ruhig. Zu ruhig. Die Stille macht mich nervös. Als auf der Autobahn, die das ganze Tal durchquert, noch Verkehr floss, war stets ein beruhigendes Brummen zu hören. Diese nicht enden wollende Stille kommt mir unheimlich vor.
Was gibt es denn sonst für Geräusche, dass es ihr jetzt zu ruhig vorkommt? Die Autobahn gibt es ja wohl schon lange nicht mehr und die existiert nur noch in ihrer Erinnerung.

Der Großteil des Dachs wurde bei einem der Angriffe zerstört, aber wir hatten Glück, im Gegensatz zu unseren Nachbarn.
Angriffe? Hat ein Krieg das Land verwüstet? Ist deshalb alles vor die Hunde gegangen? Oder haben die Typen schon zuvor mal angegriffen?

Leo ist nicht getauft. Mara hat sich geweigert. „Auf den Altmännerclub kann ich verzichten“, meinte sie. „Er soll selbst entscheiden, welchem Trugbild er nachlaufen will.“
Wer hätte die Kinder taufen sollen? Gibt es in dieser Einöde noch Priester/Geistliche?

Irgendetwas muss ich noch bedenken, aber was? Es will mir nicht einfallen. Dann mache ich eben mit dem Kuchen weiter.
Hier kommt es ihr wohl fast in den Sinn, wie gefährlich ihre Kuchenback-Aktion ist.

Erythrit habe ich noch, dieses künstliche Zeugs, das kalt schmeckt und keine Kalorien hat.
Wie kann etwas kalt schmecken? Fühlt es sich kühl im Mund an, wolltest Du das ausdrücken?

Ich will für diesen kurzen Weg nicht eigens eine kostbare Kerze anzünden, sondern taste mich im Dunkeln die Treppe hinunter.

Im Licht der Küche wische ich den Staub weg und betrachte es genauer: Juli 2060, steht auf dem Etikett, und irgendwas mit Beeren.
Hier war ich erst etwas verwirrt, weil sie plötzlich wieder in der Küche ist und dachte mir beim schnellen Lesen erst: Es ist dunkel im Keller, wie kann sie das Etikett erkennen? Vielleicht könntest Du schreiben: Zurück in der Küche, wische ich den Staub weg [...]

„Ein von Schimmelpilzen befallenes Nahrungsmittel gehört zur Gänze weggeworfen“, tadelt eine Stimme in meinem Kopf. Pah. Gilt längst nicht mehr.
Ein Überbleibsel von früher, dass ihr immer noch präsent ist. Hat sie sich nicht schon längst daran gewöhnt, auch Verdorbenes zu essen?

Ich tauche den Finger in die klebrige Masse und stecke ihn in den Mund. Die geballte Süße ist zu viel für mich, treibt mir die Tränen in die Augen.
Sehr gut, wie sie auf die Marmelade reagiert. Da merkt man richtig, dass sie so etwas schon lange, lange nicht mehr gekostet hat.

Was war da noch gleich? Ein Gedanke leuchtet auf, doch er verglüht, bevor ich ihn zu fassen bekomme.

Egal. Wenn er wichtig wäre, würde er mir schon wieder einfallen.
Hier kommt wohl wieder der Gedanke nach Gefahr auf. Der Rauch. Wieso nimmt sie diese schreckliche Gefahr nicht bewusster wahr? Am Schluss schreibst Du von einer "verwahrlosten Alten", die Prota hat also schon länger überlebt und alle potentiellen Gefahrenherden, welche ihren Aufenthaltsort verraten könnten, müssten doch tief in ihrem Bewusstsein verankert sein. Still und unauffällig verhalten! Keine Aufmerksamkeit erregen. Vor allem: KEIN RAUCH!

Ein vollständig entwickelter Vogelfötus mit Schnabel, bläulichen Augenlidern und klebrigem Flaum über altrosa Haut fällt mir entgegen. Augenblicklich breitet sich ein bestialischer Gestank aus. In fieberhafter Hast schlage ich die restlichen Eier auf. Vielleicht sind die anderen noch gut, denn manchmal beginnt das Vogelweibchen gleich nach dem ersten Ei mit dem Brüten. Aber nein, sechs tote Augenpaare starren mich durch die transparenten Lider anklagend an.
Ich könnte schreien, aber atme nur tief durch und werfe die Vogelbabys in weitem Bogen aus dem Fenster.
Meine Lieblingsstelle in deiner Geschichte. Toll!

Eines klatscht auf den Küchenboden und hinterlässt exklige Schlieren.
Einziger Fehler in deinem Text, den ich entdecken konnte: eklige nicht exklige

Da zerreißt Motorengeräusch die Stille.
Die Typen haben also noch Autos und Benzin. Wieso überfallen sie die Prota? Aus reiner Bosheit? Zu holen gibt es ja eigentlich nichts.

Zu spät. Die Haustür quietscht in den Angeln.
„Ausschwärmen.“ Die Männerstimme klingt routiniert, voller militärischem Zack.
Ich krabble in die halb verfallene Stube – verdammt, warum muss der Holzboden so laut quietschen – und schlüpfe hinter einen Haufen Gerümpel. Meine Gelenke knacken, der Rücken sendet Schmerzwellen durch den ganzen Körper, aber ich kann mich jetzt nicht aufrichten. Schwere Schritte poltern auf den Dielen im Flur.
Mein Herz rast, mein Atem geht flach. Vielleicht entdecken sie Leo ja nicht. Vielleicht suchen sie auch nur etwas zum Essen, nehmen den Kuchen und verschwinden wieder. Bitte, bitte, lass es so sein.
Die Schritte nähren sich unaufhaltsam. Ich mache mich kleiner, ducke mich, will unsichtbar werden. Grobe Hände packen mich, reißen mich hoch. Nur nicht schreien, nur nicht Leo wecken.
„Ich hab was!“, ruft der Kerl. „Eine verwahrloste Alte.“
Seine behandschuhte Hand presst sich auf meinen Mund. Ich zappele verzweifelt, doch ein Schlag in den Nacken lässt alle Kraft aus meinen Gliedern weichen. Das Zimmer vor mir verschwimmt. Lasst meinen Jungen in Ruhe. Macht mit mir, was ihr wollt, aber lasst Leo in Ruhe.
„Hey. Ich hab auch was.“ Die Stimme eines anderen dringt aus unendlicher Entfernung an meine Ohren. „Eine vertrocknete Kinderleiche, wohl seit Monaten tot. Ein Junge, wie es scheint.“
Das Ende finde ich sehr gelungen, außer das mir eben schon früher der Gedanke gekommen ist, das Leo tot ist.

Abschließender Gedanke nach dem zweiten Lesen: Teilweise ist mir deine Geschichte fast etwas zu detailverliebt. Eventuell könntest Du gerade bei den Kuchenzutaten und den Erläuterungen darum herum etwas kürzen. Nur um eine Stelle als Beispiel zu nennen.

Davon abgesehen: Sehr gerne gelesen, hast eine gute (postapokalyptische) Stimmung bei mir erzeugt. Coole Geschichte, hat mir gut gefallen und sie hat mich gepackt! ... und Linzer Torte ist mein Lieblingskuchen, dafür gibt's weitere Pluspunkte ;)

Verbrannte Grüsse,
DM

 

Hallo @Michelangela,

dein Schreibstil hat mir wirklich gut gefallen; ich kann mich dem Lob meiner Vorredner nur anschließen. Die Geschichte liest sich flüssig und an keiner Stelle habe ich den Faden verloren.

Spannung wollte bei mir beim Lesen deiner Geschichte allerdings nicht wirklich aufkommen.

Das Problem ist meiner Meinung nach, dass deine Prota ein Rezept, einen Plan hat, nach dem sie vorgeht und der auch (im Großen und Ganzen) funktioniert. Sie braucht Wasser - Sie holt es aus dem Brunnen. Sie braucht Weizen - Sie geht zum Weizenfeld und holt welchen. Sie braucht Marmelade - ...
Da fehlt mir irgendwie der Konflikt oder die Entwicklung.

Für eine Art literarisches Stillleben ist mir der Text hingegen nicht minimalistisch genug.

Am gelungensten ist meiner Ansicht nach tatsächlich die Stelle, an der die Prota die toten Vogelbabys in den Eiern findet, eben genau weil ihr Plan an dieser Stelle zum ersten Mal nicht aufgeht.

Wenn ich die Geschichte neu schreiben müsste, würde ich das zum zentralen Punkt machen.
Die Prota könnte zu Beginn der Geschichte in ihrer illusorischen Welt leben und eine Anstrenung unternehmen, an die Vogeleier zu gelangen. Durch die toten Vogelbabys in den Eiern wird ihr dann letztendlich klar, dass sie mit dem Kuchen versagt hat und gleichzeitig wird ihr auch klar, dass sie mit Leo versagt hat. Sie erleidet einen Zusammenbruch und zündet die Hütte an, was dann das Militär auf den Plan ruft.
Das war jetzt nur eine wilde Idee, die mir spontan eingefallen ist. Sicherlich gibt es viele Wege, noch etwas mehr Spannung zu generieren.

Generell würde ich einige der unwichtigen Details kürzen. Die pummelige Dame ist für die Handlung nicht relevant und klingt auch ein bisschen nach erhobenem Zeigefinger - ich würde ihr nicht nachtrauern, wenn sie aus der Geschichte gestrichen würde. Von den Skorpionen hätte ich gerne mehr gehört, das klingt schon eher nach Spannung. Um mal zwei Beispiele zu nennen.

Hoffentlich helfen dir meine Leseeindrücke irgendwie weiter.

Viele Grüße
Tarkus

PS: Noch ein kleiner Buchtipp in die apokalyptische Richtung: "Eigentlich müssten wir tanzen" von Heinz Helle.

 

Hallo @josefelipe

Danke für dein Feedback! Ich habe mich über die Komplimente gefreut; gleichzeitig haben mich die kritischen Anmerkungen zum Nachdenken gebracht. Und ja, wie es so ist mit Kritik, nach dem anfänglichen Schlucken kann ich mit deinen Anmerkungen (Handlung als Aufzählung, Generalanklage) wirklich etwas anfangen. Sprich: Es ist mir gar nicht aufgefallen, dass ich in der Handlung fast schon eine vollständige Liste aller Probleme der Menschheit erstellt und fleißig abgearbeitet habe! :-) Das war wohl ein Rundumschlag, der übrigens gar nicht, zumindest nicht bewusst, als Anklage gedacht war. (Außer der Seitenhieb auf die Kirche – höhö). Dass potentielle Leser unter Umständen gelangweilt abwinken, kann ich nun gut verstehen. (Was heißt “verdoorie” - ich habe es kurz gegoogelt, aber keine Hinweise gefunden. Nur nebenbei: Ich komme aus dem tiefsten Süden des deutschen Sprachraums. :-))
Ich werde den einen oder anderen unnötigen Handlungsschritt streichen, um die Geschichte straffer zu gestalten und zumindest etwas weniger Themen anzusprechen.

Danke und beste Grüße auch Dir!

Michelangela

 

Hallo @DissoziativesMedium

Erstmal vielen Dank für dein ausführliches Feedback! Freut mich sehr, dass dir die Geschichte gut gefallen hat. Nun zu deinen Fragen.

Zu:

Was ich mich jedoch gefragt habe: Wieso backt sie einen Kuchen, wenn sie doch haargenau weiß, wie gefährlich das ist (wegen des aufsteigenden Rauchs des Ofens)?
Und zu:
Hier kommt wohl wieder der Gedanke nach Gefahr auf. Der Rauch. Wieso nimmt sie diese schreckliche Gefahr nicht bewusster wahr? Am Schluss schreibst Du von einer "verwahrlosten Alten", die Prota hat also schon länger überlebt und alle potentiellen Gefahrenherden, welche ihren Aufenthaltsort verraten könnten, müssten doch tief in ihrem Bewusstsein verankert sein. Still und unauffällig verhalten! Keine Aufmerksamkeit erregen. Vor allem: KEIN RAUCH!
Es ist ein sog. “temporärer Prota-Lapsus”. Klar, sie hat sich in den Wahnsinn geflüchtet, aber eigentlich nur, was ihren Enkel betrifft, nicht, was das Überleben angeht. Sie ist so davon getrieben, sich um ihren Enkel zu kümmern, dass ihre ansonsten gut funktionierenden Instinkte einmal versagen. Ihr kompletter Realitätsverlust in Sachen Enkel wirkt sich hier auch auf einen anderen Bereich aus - und das ist tödlich.

Das Leo tot ist, merkt man meiner Meinung nach schon relativ früh im Text, das Ende war deshalb nicht so wirklich überraschend. Vielleicht könntest Du die Hinweise bezüglich Leo am Anfang etwas subtiler bzw. weniger offensichtlich machen? Dann wäre es eine gelungene(re) Überraschung am Schluss. Wie oder an was ist Leo gestorben? Einen Hinweis darauf könntest Du vielleicht auch noch irgendwo (am Schluss) einflechten.
Es ist gar nicht so einfach, Hinweise auf das Ende zu legen, die aber nicht allzu offensichtlich sind. Meine Sorge war eher, dass die Information vom Tod des Jungen am Ende “zu überraschend” kommt. Ich werde hier ein paar Anpassungen vornehmen.

Angriffe? Hat ein Krieg das Land verwüstet? Ist deshalb alles vor die Hunde gegangen? Oder haben die Typen schon zuvor mal angegriffen?
Durch all die Probleme (Klimawandel, Wassermangel etc.) ist es zu Auseinandersetzungen gekommen. Was genau passiert ist, das spezifiziere ich nicht. (Dazu habe ich mir, entgegen aller Ratschläge in Schreibratgebern, auch keine weiteren Gedanken gemacht. :-)

Wie kann etwas kalt schmecken? Fühlt es sich kühl im Mund an, wolltest Du das ausdrücken?
Danke. Wenn ich den Absatz nicht komplett gestrichen hätte, würde ich dein “fühlt sich kühl im Mund an” übernehmen.

Ein Überbleibsel von früher, dass ihr immer noch präsent ist. Hat sie sich nicht schon längst daran gewöhnt, auch Verdorbenes zu essen?
Eigentlich hat sie sich schon daran gewöhnt, aber ein bisschen eklig findet sie Schimmel immer noch.

Einziger Fehler in deinem Text, den ich entdecken konnte: eklige nicht exklige
Danke, ist ausgebessert.

Klingt so, als wäre das Gebirge nicht das natürliche Habitat der Skorpione. Ich glaube aber, dass es durchaus Skorpione gibt, die solche Umgebungen bevorzugen.
Stimmt. Südlich des Alpenhauptkamms, da, wo das Ganze in meinem Kopf spielt, hat es aber "immer schon" Skorpione gegeben, also habe ich "ungewöhnlich große Skorpione" eingesetzt, um diese Veränderung noch glaubwürdig erscheinen zu lassen. Hier gäbe es natürlich noch mehr Möglichkeiten, der Protagonistin Schwierigkeiten zu bereiten, aber das ist nicht Sinn und Zweck dieser Geschichte, daher lasse ich das mal sein.

Die Typen haben also noch Autos und Benzin. Wieso überfallen sie die Prota? Aus reiner Bosheit? Zu holen gibt es ja eigentlich nichts.
Die Invasoren wissen ja nicht, dass in diesem Haus nur eine alte Frau mit ihrem toten Enkel wohnt. Sie müssen einfach nachsehen, was oder wen sie hier finden. Wenn sie schon mal dabei sind, machen sie gleich reinen Tisch.

Abschließender Gedanke nach dem zweiten Lesen: Teilweise ist mir deine Geschichte fast etwas zu detailverliebt. Eventuell könntest Du gerade bei den Kuchenzutaten und den Erläuterungen darum herum etwas kürzen.
Ja, das mache ich. Die Absätze mit "Erythrit und pummelige Dame im Supermarkt" sowie "Öl" braucht keiner, die kommen weg.

So, jetzt brauche ich noch ein wenig, um das oben Gesagte umzusetzen. Ich hoffe, ich konnte auf einige deiner Fragen antworten. Andere hingegen werde ich bewusst offen lassen.

Einen schönen Tag noch!
Beste Grüße

Michelangela

 

Hallo @Tarkus

Danke für deine Leseeindrücke, sie helfen mir tatsächlich weiter. Besonders das hier bringt es auf den Punkt und hat mir – in Zusammenhang mit dem Kommentar von @josefelipe – ein Licht aufgehen lassen:

Das Problem ist meiner Meinung nach, dass deine Prota ein Rezept, einen Plan hat, nach dem sie vorgeht und der auch (im Großen und Ganzen) funktioniert. Sie braucht Wasser - Sie holt es aus dem Brunnen. Sie braucht Weizen - Sie geht zum Weizenfeld und holt welchen. Sie braucht Marmelade - ...
Da fehlt mir irgendwie der Konflikt oder die Entwicklung.
Soll heißen: Es fehlt tatsächlich ein großer Konflikt – alles, was sie anfänglich macht, klappt. Der Leser kann ja nicht wissen, was am Ende folgt. Ich dachte, der allgemeine Konflikt (Apokalypse) würde ausreichen. Ich muss hier noch mal überlegen, wie weit ich es schaffe, einen Alltagskonflikt im Text nach vorne zu verschieben.

Für eine Art literarisches Stillleben ist mir der Text hingegen nicht minimalistisch genug.
Sollte es auch nicht sein. Was Science Fiction betrifft, stehe ich mit beiden Beinen auf dem Boden. :-)

Die Prota könnte zu Beginn der Geschichte in ihrer illusorischen Welt leben und eine Anstrenung unternehmen, an die Vogeleier zu gelangen. Durch die toten Vogelbabys in den Eiern wird ihr dann letztendlich klar, dass sie mit dem Kuchen versagt hat und gleichzeitig wird ihr auch klar, dass sie mit Leo versagt hat. Sie erleidet einen Zusammenbruch und zündet die Hütte an, was dann das Militär auf den Plan ruft.
Das war jetzt nur eine wilde Idee, die mir spontan eingefallen ist. Sicherlich gibt es viele Wege, noch etwas mehr Spannung zu generieren.
Deine Version hier oben ist sicher spannender, aber das eine andere Geschichte. Bei mir geht es schlicht um eine Frau, die sich während einer in der Zukunft liegenden Katastrophe durchschlägt, sich um ihren toten Enkel kümmert und allen Realtätsbezug verloren hat. Ich bevorzuge es, den Kern dieser Geschichte beizubehalten, auch wenn das Risiko besteht, dass nicht genug Action vorhanden ist. Aber auf jeden Fall möchte ich sie straffen und spannender gestalten.

Generell würde ich einige der unwichtigen Details kürzen.
Gute Idee. Ich kürze mal was Unwichtiges raus.

PS: Noch ein kleiner Buchtipp in die apokalyptische Richtung: "Eigentlich müssten wir tanzen" von Heinz Helle.
Am Freitag Vormittag gleich in der Bibliothek ausgeliehen! Oh Mann, was für ein Buch. Ich habe ein paar Seiten reingelesen und musste mich zusammenreißen, nicht sofort und für ein paar Stunden in diese Welt einzutauchen, weil ich ja noch anderes zu tun habe … z. B. auf Kommentare zu antworten und an der Geschichte zu feilen. :-)
[Zeitsprung zu Sonntag Vormittag]: Nun, nachdem ich das Buch zu Ende gelesen habe, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Ich habe es verschlungen, also muss ich es gut und packend gefunden haben. Nur habe ich selten so etwas Trostloses und Hoffnungsloses gelesen ... Auf jeden Fall danke für den Tipp!

LG
Michelangela

 

Hallo nochmal @Michelangela,

es freut mich, dass du mit meinen Kommentaren etwas anfangen konntest.

Gerade habe ich die überarbeitete und etwas gestraffte Fassung der Geschichte gelesen und bin begeistert. Gefällt mir wirklich richtig gut so.
Insbesondere der Zustand von Leo ist jetzt viel weniger offensichtlich als vorher. Top!

lassen und ein wenig abstehen lassen
Hier hast du dir eine Wiederholung in deinen sonst so tadellosen Stil eingebaut.
„Eine vertrocknete Kinderleiche, wohl vor Monaten an der Ruhr gestorben.
Ob ich so genau wissen wollte, an was er gestorben ist, weiß ich auch nicht. (Senkt meiner Meinung nach auch die Plausibilität des Dialogs.) Aber ja, Todesursache wurde explizit gewünscht, glaube ich.

Nach wie vor finde ich es ein bisschen schade, dass die Szene mit den toten Vogelbabys keine zentralere Rolle bei der Entwicklung der Prota spielt. Der Einfall ist meines Erachtens wirklich genial. Statt aus dem inneren Gleichgewicht zu kommen, reagiert sie aber mit einem "Egal, dann backe ich halt ohne Eier".

Nur habe ich selten so etwas Trostloses und Hoffnungsloses gelesen
Allerdings, das Buch ist definitiv nichts für schwache Nerven. Deine Prota ist für den Großteil der Geschichte vor dieser Art von ohnmächtiger Hoffnungslosigkeit geschützt, da sie ein konkretes Ziel vor Augen hat.
Trotzdem hat deine Geschichte diese Assoziation mit Helle bei mir ausgelöst, vielleicht war das auch nur das Thema und das Setting in den Bergen.

Ich fühle mich übrigens sehr geehrt, dass du meiner Empfehlung gefolgt bist.
Vielleicht hätte ich dich warnen sollen, Buchempfehlungen von mir sind immer sehr außergewöhnlich. (In meinem Freundeskreis werden sie deshalb kategorisch ignoriert.)

Einen schönen Sonntag noch,
Tarkus

 

Hallo @Tarkus

Vielen Dank fürs Nochmal-Lesen und die schnelle Antwort! Freut mich sehr, dass dir die gestraffte Geschichte nun besser gefällt. Mir auch, die zwei Szenen brauchte es nicht. Ich konnte mich noch nicht dazu überwinden, die Vogeleier-Szene in den Mittelpunkt zu stellen (wegen des Überarbeitungsaufwands ... :-) düdeldü), aber das behalte ich im Hinterkopf.

Die unbeabsichtigte Wiederholung ist gestrichen, auch die "Ruhr" habe ich wieder rausgelöscht, weil ich den gleichen Verdacht hatte wie du, dass damit die Glaubwürdigkeit des Dialgos darunter leidet.

Zum Buch von Heinz Helle: Oha, da sind deine Freunde aber (möglicherweise) doch etwas hart. :-)
Ich habe es durchlitten, wollte es aber nicht mehr aus der Hand geben und habe während des Tages öfters daran gedacht. Also unabhängig vom Inhalt - so möchte ich schreiben können.

Noch einen schönen Tag!
LG
Marlene

 

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