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Der letzte Tanz

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19.02.2006
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Der letzte Tanz

Ich trug das Tablett aus der Küche und schlich in das Schlafzimmer um Yima ihr Essen zu bringen, doch sie lag nicht wie vom Arzt verordnet in ihrem Bett. Mein Schwan war ausgeflogen. Ich stellte das Tablett auf den Nachttisch und betrachtete ein Bild auf der Kommode. Yima schlang lachend ihre Arme um meinen Bauch. Ihr Gesicht war schon etwas kantiger, doch ihre schönen langen Haare waren ihr noch geblieben. Nun hatte sich der Krebs auch diese genommen. Ich stellte das Bild wieder zurück und stand auf um Yima zu suchen. Ich schob die Tür zum Schlafzimmer zu, lief in den Flur und hörte Musik aus dem Tanzsaal. Ich lächelte schwach, schob die Tür vorsichtig auf und trat ein. Yima stand vor dem großen Spiegel und betrachtete sich. Schließlich hob sie den Blick und sah mich an.
„Daisuke...tanzt du mit mir?“
Ich nickte und stellte mich mit ein paar Meter Abstand hinter Yima, die das Lied zum Anfang spulte, dann stellte sie sich mit dem Rücken zu mir und hob ihre zierlichen Hände. Langsam, im Takt der Musik, kam ich auf Yima zu, umfasste vorsichtig ihre zierlichen Handgelenke und legte ihre Hände um ihren Bauch. Ich drehte sie zu mir, legte eine Hand in ihre Hand, mit der anderen Hand umfasste ich ihre Hüften. Ein Schritt nach hinten andeuten, ein Schritt nach vorne andeuten. Yima dreht sich um in die eigene Achse. Ich schloss kurz die Augen und stellte mir vor wie ihre schwarzen Haare um ihren Kopf wirbeln würden, doch als ich die Augen wieder öffnete, betrachtete mich eine Yima mit einem Tuch auf dem Kopf. Es war weiß mit der aufgehenden Sonne Japans. Der Refrain des Liedes ertönte und wir schwebten mit großzügigen Schritten über das Parkett. Yima ließ mich im richtigen Moment los, wirbelte alleine durch den Saal, strauchelte und winkte ab, als ich zu ihr stürzen wollte. Ich nahm ihre Hand, zog sie im Laufen zu mir und wir tanzten wieder zusammen...Mou doresu wo nugi saa nemurou! Taemanaku nagashita ai shiawase ni to negau negao ni shoujo wa mou inai.
Wie schön sie war...meine Yima. Plötzlich wurden ihre Hände schwitzig und kalt. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Ich wollte stoppen.
„Weiter...Daisuke, weiter.“
Ich tanzte mit ihr weiter bis sie umfiel. Ich fing sie gerade noch so auf und presste ihren Körper an mich. Ihr Atem ging schnell, stoßweise. Schweiß stand auf ihrer Stirn, doch ihre Augen sahen friedlich aus.
„Hab keine Angst“, flüsterte ich.
Yima legte schwach ihre Arme um meinen Hals.
„Ich hab...ich hab keine Angst.“
Ihre Augen sahen trotzig aus...wie früher, wenn sie jedem beweisen wollte, dass sie es schaffen konnte. Ich lächelte und kniete mich auf den Boden um Yima auf den Rücken zu legen. Sie sah mich an und grinste leicht. Ich beugte mich über sie, stützte mich auf den Handflächen ab und lauschte ihren Atem, der mein Ohr berührte. Bald war es still, nur noch die Musik animierte zum Weitertanzen. Ich berührte Yimas Ohr mit meinen Lippen und sang die letzten Zeilen des Liedes mit: „Fuhai to doresu to kataashi no shoujo dakikakae.“

Verwesung und das Kleid und das einbeinige Mädchen nehme ich in die Arme...

 

Mou doresu wo nugi saa nemurou! Taemanaku nagashita ai shiawase ni to negau negao ni shoujo wa mou inai.

Das ist japansich und heißt:Zieh dein Kleid aus, lass uns schlafen! Das Mädchen auf dessen schlafendem Gesicht der Wunsch nach Glück steht, ist nicht mehr hier.

 

Liebe Jussi,

leider kann ich deiner Geschichte nicht so viel abgewinnen.

Das Thema ist ernst, man merkt deiner Geschichte das Gefühl an, das du hineingesteckt hast. Allerdings ist dieses Gefühl bei mir nicht wirklich angekommen, vielleicht, weil sich deine Geschichte sehr stark auf "technische Details", wie z. B. die genaue Beschreibung des Tanzes bezieht.
Die Gefühle deines Prot. oder auch seine Reflektion über Yima kommen mir hingegen zu kurz.
Daraus folgt auch, dass deine Charaktere recht blass bleiben, man erfährt nichts über Yima. Was ist sie für ein Mensch? Wie war sie vor der Krankheit? Wie geht sie mit der Krankheit um?
Das wären Dinge, die für mich in diesem Zusammenhang doch noch sehr interessant sind.

Der Tanz als Symbol eines letzten Aufbäumens fand ich jedoch sehr gut gewählt.

Insgesamt finde ich, dass die Geschichte momentan ganz nett ist, du aber noch nicht alles aus ihr herausgeholt hast.

LG
Bella

 

Hallo liebe Jussi,
deine Geschichte hat mich sehr berührt. Danke...
Doch Bella, diese Geschichte an unglaublichen Tiefgang. Du suchst nach den Gefühlen der Protagonisten? Du findest sie im Tanz. Jussi, Du beschreibst Yima, den Werdegang ihrer Krankheit im Tanz. Bella lausch der Melodie in Dir und Du wirst diese unermessliche Liebe spüren... Tanzen ist lieben. Tanzen ist Leben und auch Sterben...

JH.Rilke

 

Hallo Jussi,
ich kann Rilke nur zustimmen. Die Geschichte berührt gerade durch die exakte Beschreibung des Tanzes. Denn darum geht es ja schlußendlich - um den letzten Tanz. Der Tanz drückt aus, wie sie ihre Krankheit erlebt hat und wie sie damit umgeht. Weiterer Worte bedarf es da nicht.

Gruß Chrisstories

 

Hallo,
erstmal vielen Dank für die Kritik.
Ja, ich habe versucht die Geschichte von Yima und Daisuke in dem Tanz zu beschreiben und auch wie Daiskue mit der Erkrankung seiner Freunde umgeht. Ich werde, wenn ich es schaffe(Schulstress), die Geschichte nochmal überarbeiten und versuchen es etwas klarer zu formulieren.
Lg, Jussi

 

Hi Jussi,

mir hat die Stimmung in deiner Geschichte gefallen. Etwas Probleme hatte ich erst mit dem Schwan, der ausgeflogen war. Normalerweise spricht man ja vom Vögelchen , jedenfalls bei uns.
Als ich mir einen Schwan vorstellte, der sich sehr träge und mit großer Anstrengung aus dem Wasser erhebt, paßte es erstmal nicht. Beim zweiten Lesen macht es Sinn - Yima hat sicher eine gewisse Schwerfälligkeit mitgetragen, die sie im Tanz dann verlor. Aber Vögel fliegen aus einem Nest aus: Das macht kein Schwan, der schafft das nur über eine längere Distanz im Wasser. Deswegen würde ich dir eher zu einem aufgeflogen raten, das wäre stimmiger.

Lieber Gruß
bernadette

 

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