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Der Mann im Zimmer

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15.08.2006
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Der Mann im Zimmer

Der Mann im Zimmer

Er starb.
An jedem Tag, an dem er mordete starb auch ein Teil von ihm. Seine Seele zerfiel zu grauer Sinnlosigkeit. Er suchte sich seine Opfer aus, indem er einfach das Telefonbuch an einer willkürlichen Stelle aufschlug, und mit geschlossenen Augen auf die dünnen Seiten tippte. Es waren nur Daten für ihn, Buchstabenfolgen. Die Menschen, die sich dahinter verbargen interessierten ihn nicht.
Wenn er die Lust verspürte, ein Leben auszulöschen, aber kein Telefonbuch in der Nähe war, stellte er sich einfach an den Eingang eines Geschäftes und zählte die Menschen, die herauskamen. Wenn er bei zehn angekommen war, kannte er sein Opfer.
Nur ein Gesicht. Er machte keinen Unterschied zwischen jung und alt, auch ob er arm oder reich war interessierte Ihn nicht.

Er selbst würde sein letztes „Kunstwerk“ sein. Er bezeichnete sie immer als seine Kunstwerke. Was das ist, liegt ja bekanntlich immer im Auge des Betrachters.
Er hatte nie etwas für Menschen übrig. Seit seiner Jugend interessierten ihn die Menschen in seiner Umgebung nicht, denn sie waren ihm egal. Er betrachtete sich selbst nicht als einer von Ihnen, und er glaubte, das dieses Gefühl erwidert wurde.
Er war der stumme Zeuge, unbeachtet von allen anderen. Verloren, vergessen, und ignoriert von der Gesellschaft. Und genau so ignorierte er auch die klagenden und flehenden Schreie seiner Kunstwerke, während er sie erschuf. Er schaltete alles auf stumm.

* * *

Als er noch ein Kind war, nicht älter als zehn, wohnte er bei seinem Onkel George.
Sein Onkel besaß einen kleinen Laden, wo er selbstgemachte Wurst und andere Spezialitäten verkaufte. George wollte, das sein Neffe eines Tages das Geschäft übernehmen solle, und führte ihn schon früh in den harten Alltag eines Schlachters ein.

Einmal kam er mit einem Schuhkarton zu seinem Neffen. Darin befand sich ein kleines Kaninchen mit seidigem Fell, großen Schlappohren und neugierigen Augen.
Er gab es dem Jungen.
„Hör mir zu Junge“ sagte er. Sein Onkel sprach ihn nie mit ´John´ an, er war immer nur der Junge.
John hörte ihm zu, aber seine Augen waren fest auf das kleine Tier in seinen Händen gerichtet. „Du musst dich gut um ihn kümmern. Gib ihm viel zu essen, damit er schön dick und saftig wird.“ Der Junge nickte nur, drehte sich um und verschwand mit dem Tier in der großen Scheune. Irgendetwas beunruhigte Onkel George. Vielleicht war es der Glanz, den er in den Augen des Jungen gesehen hatte. Wie bei einem Irren, dachte er.

Als die Zeit kam, wo das Kaninchen geschlachtet werden sollte, ging John zu seinem Onkel. „George, ist das Tier jetzt dick genug zum Schlachten“ fragte er. Sein Onkel, der auf der Holzveranda vor seinem Haus saß und Pfeife rauchte, sah ihn über seine Brille hinweg an. Wie oft hat er mich das in den letzten Monaten gefragt? Schätzungsweise zwanzig mal, dachte George. John gab ihm das Kaninchen, ließ es aber keinen Augenblick aus den Augen. Das Tier war wirklich zu stattlicher Größe herangewachsen. „Hast du ihm endlich einen Namen gegeben?“ fragte er.
„Wieso? Es ist doch nur ein Tier“ Die Antwort kam völlig tonlos aus seinem Mund. „Jedes Kind gab seinem Tier doch einen Namen“ sagte Onkel George, aber nicht jedes Kind musste es hinterher auch schlachten, fügte er im Gedanken hinzu. John zuckte nur mit den Schultern.

Sie gingen gemeinsam über den Hof zu dem kleinen Gebäude, wo die Tiere geschlachtet wurden. Manchmal, wenn der Wind aus der Richtung wehte, aus der er auch jetzt wehte, konnte John von seinem Zimmer aus die kreischenden Tiere hören.
George holte den Schlüsselbund aus seiner Hose (er ließ die Schlüssel niemals irgendwo rumliegen, aus Angst, der Junge könnte auf dumme Gedanken kommen, und sich dabei verletzen) und schloss die schwere Metalltür auf. Ein muffiger Geruch kam ihnen entgegen. George rechnete damit, das sich der Junge erst mal übergeben müsste, aber stattdessen atmete John tief durch die Nase ein und hielt das Tier in seinen Händen. Er schien sogar zu lächeln.

Der Boden des Raumes war, genau wie die Wände, mit weißen Kacheln gefliest, damit die Reinigung nach der Arbeit leichter fiel. Auf der rechten Seite befand sich ein einfacher Holztisch, der als Schlachtbank für die kleineren Tiere diente. Ein Beil hing an der Wand. Neben dem Tisch befand sich eine kleine Wasserwanne. Zwei Kabel führten von der Wanne zu einem großen, altmodischen Trafo.
George nahm zwei große Schürzen und zwei Paar Handschuhe von dem Haken hinter der Tür. Erst wollte John die Handschuhe nicht anziehen, aber als George sagte, das er das Tier sonst nicht schlachten dürfe, streifte er sie sich widerwillig über.

George wollte dem Knaben gerade behutsam erklären, wie ein Tier richtig geschlachtet wurde, er wollte ihm erklären, das es durch einen Stromstoß betäubt werden würde, damit es keine Schmerzen spürte...aber es war schon zu spät.

John packte das arme Tier brutal mit der linken Hand, und griff mit der anderen instinktiv nach dem Beil. Mit fünf kurzen, harten Hieben trennte er dem Kaninchen erst den Kopf, und dann sämtliche Gliedmaßen ab. Der Kopf, mit den großen niedlichen Schlappohren kullerte vom Tisch und zog dabei ein dünnes Rinnsal scharlachroten Blutes hinter sich her. Der kleine, pelzige Körper zuckte noch und wand sich unter den Fingern des Jungen. George starrte erst die Blutlache, die sich zwischen Johns Fingern ausbreitete, und dann den Jungen selbst an. Er konnte nicht glauben was er gesehen hatte. Vorsichtig, als ob sein Neffe ein wildes Tier wäre, das man besser nicht aufwecken sollte, griff er nach dem Beil und wand es ihm aus seinen Fingern. Für einen kurzen Augenblick glaubte er, das sich der Junge wehren würde, aber er tat es nicht.

Seit diesem Tag wusste Onkel George, dass der Junge niemals seinen Laden übernehmen würde. Und so kam es dann auch.


Onkel George war tot. John konnte sich noch genau an seinen Gesichtsausdruck erinnern, als er mit der großen Axt aus dem Schuppen an seinem Bett stand. George hatte geschrieen wie am Spieß, als die große Axt heruntersauste und ihm den rechten Arm kurz unterhalb der Schulter abtrennte. Eine Fontäne aus Blut schoss ihm aus dem Stumpf, an dessen Ende einmal eine Hand gewesen war. Er schrie auch noch, als seinem Bein das selbe Schicksal widerfuhr. Erst als John die Axt ein letztes mal schwang gab sein Onkel Ruhe.

* * *

John saß auf seinem Bett. Der Gestank der Essensreste, die überall im Zimmer verteilt waren, war unerträglich. Dazu gesellte sich ein süßlicher Geruch von den Dingen, die auf dem Boden lagen.
Die Sonne strahlte durch die Jalousie und die Lichtstrahlen schienen mit ihren leuchtenden Fingern nach ihm zu greifen. Er wich ein Stück zurück.

Das Bett war mit Blut verschmiert, aber es war nicht sein eigenes. Mit ausgestreckten Armen ließ er sich langsam auf die Silhouette sinken, die sich unter der Decke abzeichnete, wie eine böse Vorahnung. Stöhnend und mit geschlossenen Augen bohrte sich mit seinem Kopf immer tiefer in das Ding unter der Decke. Der Blutfleck erblühte wie eine Rose.
Die Augäpfel unter seinen Lidern zitterten, während er mit erstickter Stimme schrie und die Decke wegriss.

Sein Kopf lag auf etwas fleischigem. Sein Haar war völlig verklebt von dem Blut, das aus dem Ding kam. John drehte sich auf den Bauch und sah sich, auf den Ellenbogen abstützend, sein neuestes Kunstwerk an.

Der Torso des jungen Mädchens war aufgeschlitzt. Der Schnitt führte vom Bauchnabel rauf bis zur Höhe des Brustbeins. Dort gabelte er sich wie die Arme eines Ypsilons bis fast zu den Achseln. Die Haut war weit umgeklappt, die Rippen waren entfernt worden und die inneren Organe lagen frei.
Die Arme und Beine des Mädchens waren mit der großen alten Holzsäge (sie hing in seinem Schrank) abgetrennt worden, und lagen auf dem Boden verteilt.. Der Kopf lag bei den anderen in der Badewanne.

Er hob seinen Kopf und stieß sein Gesicht mitten in den blutigen See, bohrte seinen Schädel immer tiefer in die Eingeweide hinein. Mit weit geöffnetem Mund, streckte er seine Zunge heraus, berührte damit den Magen, die Leber, den Darm. Er schmeckte sie, war völlig abgetaucht, ja fast verloren in seiner Phantasie. Er war nicht mehr in seinem eigenem Körper.

Er betrachtete die grausame Szenerie von außen, als Zuschauer. Jede Kleinigkeit, jedes Detail saugte er in sich auf. Er ging um das Bett herum, wobei er genau darauf achtete, nicht über eines der Beine zu stolpern. Er ging näher ran, hörte sein eigenes Schmatzen, sah sich auf dem Bett liegen. Mit der einen Hand fuhr er über den unvollständigen Körper, während die Andere langsam an die Stelle zwischen seinen Beinen glitt. Er stöhnte.

Die Sonne war fort.
Das Zimmer wurde in gnädige Dunkelheit gehüllt. Er wachte auf. Seine Arme waren um das tote Fleisch in seinem Bett geschlungen und er atmete schwer.
Der Fleck an seiner Hose war schon hart und verkrustet. Er stand auf und ging ins Bad.. Das Blut in seinem Haar begann zu trocknen.

Die Neonröhre flackerte und das grelle Licht ließ das Bad steril, und das viele Blut darin leuchtend rot aussehen.
Die Köpfe in der Wanne, es waren vier, glotzten mit ihren toten Augen wie Idioten. Einigen waren noch die Qualen, die sie erleiden mussten anzusehen.
Er ließ warmes Wasser in die Wanne laufen und entkleidete sich. Die Köpfe bewegten sich langsamen, schienen zu schweben, so wie Ihre verlorenen Seelen in die ewige Dunkelheit schwebten. Sie stießen aneinander, und das hohle Geräusch, das sie dabei erzeugten ließ ihn grinsen.
Er setzte sich langsam in die Wanne und wusch sich. Das Wasser verfärbe sich rosa.
Er schöpfte das Gemisch aus Wasser und Blut von Toten mit den Händen und spritzte es sich ins Gesicht. Er trank auch etwas davon. In den Augen der Toten sammelte sich das Wasser, und es schien, als würden sie blutige Tränen weinen.

Draußen war es mittlerweile stockdunkel.
Nur in seinem Bademantel gekleidet ging er zurück in sein Schlafzimmer. Heute Abend würde er seine Kunstsammlung um ein Exponat erweitern. Mit gelassenem Blick griff er sich das Telefonbuch.
Mit dem Daumen der linken Hand rauschte er die Seiten langsam durch. Er zählte.
Eins...
...zwei...
...drei...
Bis Zehn, so wie immer.
Dann schlug er das Buch an der Stelle auf, wo er gestoppt hatte und kreiste mit dem Zeigefinger, wie ein Geier über seiner Beute.
Er ließ ihn mit geschlossenen Augen sinken. Er öffnete sie langsam wieder und las den Namen und die Adresse des Opfers. Er zog sich an.

Langsam ging er aus seinem Apartment in Richtung Fahrstuhl. Er würde keine Waffe benötigen, das wusste er. Der Fahrstuhl ließ nicht lange auf sich warten, und das freute ihn.
Er drückte auf den kleinen Knopf, der sich auf der Konsole, links neben der Tür befand. Der Fahrstuhl setzte sich summend in Bewegung. Nach einer kurzen Fahrt hielt er sanft an. Die Türen öffneten sich leise und er trat heraus. Er ging einen kurzen Gang entlang an dessen Ende sich eine schwere Metalltür befand. Er wusste, sie würde nicht verschlossen sein(, oder Onkel George?). Er überprüfte es jeden Tag.

Er trat ins Freie. Die sternenklare Nacht gefiel ihm, genauso wie der sanfte warme Wind, der mit seinen frisch gewaschenen Haaren spielte. Der Stadtlärm war hier nur ein leises Summen.. Man sah den Verkehr, der um diese Uhrzeit nicht mehr so zähflüssig lief wie tagsüber. Er ging weiter bis an den Rand und stellte sich auf den Mauervorsprung. Er fühlte sich frei. Die Arme weit ausgestreckt und die Beine geschlossen. Er wiegte sich in der Brise. Nach vorn, nach hinten. Dann hielt er kurz die Luft an und ließ sich fallen. Er stieß sich nicht ab, er ließ sich einfach fallen,. Er wollte diesen Augenblick genießen.
Er fiel
...und fiel...
...und fiel.

Der Name, den er sich heute ausgesucht hatte, war sein eigener und heute starb er ein letztes Mal.

 

Hallo,

ich möchte euch hier meine erste KG vorstellen!
ich hoffe sie gefällt euch!
ich freue mich schon auf eure Kritiken!

grüße
moneymaker

 

Hallo moneymaker.

Auch von mir ein herzliches Willkommen.
Das größte Manko deiner Geschichte ist die (von Z-P auch erwähnte) fehlende Abwechslung im Satzbau.

Zähl doch einfach mal deine Sätze, die mit "Er" beginnen. Ich denke mal, es ist mindestens ein Drittel des Gesamttextes.

Hier mal ein Beispiel:

Neben ihm lag etwas unter der Decke. Er lehnte sich mit ausgestreckten Armen nach hinten und ließ seinen Kopf langsam auf die Silhouette unter der Decke sinken. Er stöhnte etwas. Er wand sich in seiner langsam aufsteigenden Ekstase. Er griff mit seinen Händen nach der Decke, riss sie vor sein Gesicht.

Vorschlag:
"Neben ihm lag etwas unter der Decke. Mit ausgestreckten Armen lehnte er sich nach hinten, stöhnte etwas, während sein Kopf langsam auf die Silhouette unter der Decke sank. Mit festem Griff presste er sie vor sein Gesicht, wand sich in einer langsam aufsteigenden Ekstase."

"Spiele" mit deinen Sätzen. Bearbeiten den Text dahingehend, dass du versuchst, einige Sätze zusammenzufassen oder umzustellen. Im Laufe der Zeit stellst du fest, dass es eine richtige Sucht werden kann.:klug:

Die Splatterbeschreibungen waren schon recht gut. Zeugt von Fantasie :D

Der Plot als Solcher ist mMn am Anfang zweitrangig.

Gruß! Salem

 

Hallo!

Danke erstmal für die Kritiken.
Ich werde versuchen, die vielen kurzen Sätze irgendwie zusammenzukitten!

Das viele davon mit "er" anfangen ist mir durchaus aufgefallen, aber wenn man eine Geschichte tausendmal liest, findet man seine Fehler irgendwann nicht mehr (zumindest geht es mir so).

Auf den Inhalt habe ich ehrlich gesagt nicht sooo großen Wert gelegt. Es ging mir hauptsächlich darum, eine gewisse kranke Atmosphäre zu schaffen. Ob mir das gelungen ist, kann ich im Nachhinein nicht beurteilen, da meine Meinung doch sehr subjetiv wäre.

Ich habe die Geschichte auch in anderen Foren gepostet. Die Meinungen waren eigentlich alle positiv, was mich doch etwas gewundert hat.

Ich würde mich über weitere Kritiken sehr freuen, da es für mich am Anfang meiner "Karriere" wichtig ist, möglichst viele verschiedene Meinungen zu hören, damit ich daraus lernen und mich weiterentwickeln kann!

Grüße
moneymaker

 

Hallo mm,

Das viele davon mit "er" anfangen ist mir durchaus aufgefallen, aber wenn man eine Geschichte tausendmal liest, findet man seine Fehler irgendwann nicht mehr

:sconf:

"Sieg oder Tod" scheint mir als Losung etwas zu harsch. Ich wäre für "Sieg - oder ein vergleichbar gutes Ergebnis".

Für deine Geschichte habe ich leider gerade keine Zeit, mir ist nur dieser Logikschnitzer in deiner Antwort aufgefallen.

Grüße und herzlich Willkommen hiä,

Jan-Christoph

 

Naja,

bisschen unlogisch ist das schon :confused:
Was wollte ich damit sagen?

Egal! Ich bin gerade dabei, der Story einen besseren Fluss und dem Charakter mehr Tiefe zu verleihen!

Wünscht mir Glück

Grüße
mm

 

Hallo Leute!

Ich habe meine Geschichte nochmal überarbeitet, und würde mich freuen, wenn Ihr Sie nochmal lesen würdet.

Der Charakter hat jetzt noch eine Vergangenheit erhalten, und die vielen kurzen Sätze habe ich auch weitestgehend zusammengeführt!

Ach ja! Ich hoffe, ich habe alle Rechtschreibfehler korrigiert!

Viel Spass beim lesen!
Ich freue mich schon auf eure Kritiken!

man liest sich

grüße
mac

 

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