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Der Mann in der Flasche

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02.06.2005
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Der Mann in der Flasche

Plötzlich stand er im Scheinwerferlicht meines Wagens und winkte. Er war klein, hager, weißhaarig und unfrisiert, und hielt in einer Hand eine Flasche aus grünem Glas. Ich hielt an, kurbelte das Seitenfenster herunter und wartete. Er kam an den Wagen heran, beugte sich zu mir herein und fragte leise: "Suchen Sie etwas?"
Das überraschte mich. Ich hatte angenommen, er wolle eine Auskunft oder vielleicht mitfahren, um das Taxi zu sparen. Suchen Sie etwas? Wie kam er bloß auf die Idee? Doch, so merkwürdig es auch schien, er hatte recht: Seit drei Stunden fuhr ich nun schon in dieser blödsinnigen Stadt herum, die nur aus Autos und Verbotstafeln zu bestehen schien, und suchte einen Parkplatz. Ich erzählte es ihm. Er hörte sehr aufmerksam zu. Dann sagte er freudig: "Das trifft sich gut. Ich werde Ihnen helfen. Steigen Sie bitte aus."
"Wozu?" fragte ich. "Hier kann ich den Wagen ja doch nicht stehen lassen".
"Steigen Sie bitte aus", wiederholte er sanft.
Vielleicht war es sein Alter, das keinen Widerspruch duldete. Oder sein Professorengesicht? Jedenfalls tat ich, was er mich geheißen hatte. Der Wagen stand breit und protzig neben uns. Die Parkverbotstafel am Straßenrand grinste frech. Es begann zu regnen.
Ich wurde ungeduldig und fragte ihn, woraus seine Hilfe nun bestehen werde. Er lächelte, zeigte auf die Flasche in seiner Hand und sagte: "Jetzt werden wir den Wagen hier hineintun".
Ein Verrückter also. Ich ärgerte mich, hereingefallen zu sein, und hielt mißmutig Ausschau nach einem freien Platz, doch es war zwecklos. Enttäuscht drehte ich mich um - und fuhr erschreckt zusammen. Der Wagen war weg! Dort, wo er gestanden hatte, war nichts als ein kleiner glänzender Ölfleck auf dem Asphalt, der mich daran erinnerte, dass es an der Zeit wäre, die Dichtung der Ölwanne zu erneuern. Das war alles.
Der Alte lächelte immer noch und zeigte stolz auf seine Flasche. Tatsächlich! Da drin hatte er meinen Wagen, klein wie ein Spielzeug. Mich fröstelte.
"Da", sagte er "nehmen Sie." Aber geben Sie acht, wo Sie den Korken herausziehen. In einem Restaurant zum Beispiel wäre es nicht sehr ratsam".
Ich muß nicht eben geistreich ausgesehen haben, als ich die Flasche in Empfang nahm. "Aber wie ist es nur möglich", fragte ich, "dass ich noch nie von Ihnen gehört oder gelesen habe? Wenn es sich um Wunder handelt, sind die Medien doch sonst nicht so diskret".
Bevor er antworten konnte, nahm unser Gespräch ein jähes Ende, denn aus dem Regen, der uns bisher nicht weiter gestört hatte, wurde plötzlich ein Wolkenbruch, und wir flüchteten. In dem Lokal, in das wir dabei gerieten, war noch ein Tisch frei. Wir setzten uns. Die Flasche mit dem Wagen stellte ich vor mich hin. Der erste, dessen Aufmerksamkeit sie erregte, war der Wirt. Er machte Augen wie bei einer Preisverteilung, und ich musste meine Bestellung dreimal wiederholen. Kaum war er fort, kam ein dicker Mann vom Nebentisch herüber und fragte, ob er das Auto betrachten dürfe. Ich hatte nichts dagegen, bat ihn aber, den Korken nicht zu berühren.
"Niedlich!" rief er und klatschte in die Hände. "Wie echt alles aussieht! Sogar die Kratzer am Kotflügel".
"Es war nicht meine Schuld", sagte ich. "Der andere hat mich gestreift".
Der Dicke stutzte. Dann sagte er: "Ach so, ich verstehe: Es ist eine genaue Nachbildung Ihres eigenen Wagens".
"Es ist keine Nachbildung", sagte ich gereizt. "Es ist mein Wagen".
Der Dicke lachte. "Sie sind mir aber ein Spaßvogel."'
"Aber ich versichere Ihnen ...". Mein Begleiter legte seine Hand auf meinen Arm. "Lassen Sie", flüsterte er. "Man wird Sie sonst für verrückt halten".
Ich schwieg. Als der Dicke gegangen war, nicht ohne mir vorher nochmals versichert zu haben, was für ein Spaßvogel ich sei, sagte mein Begleiter: "Sie müssen unbedingt vorsichtiger sein. Ich habe da so meine Erfahrungen - besonders mit solchen Leuten. Der Mann am Patentamt war ein ähnlicher Kerl. Ich ging zu ihm, um ein Patent anzumelden: 'Neue, absolut wirksame Lösung des Parkplatzproblems durch Mitnahme des Wagens in einer Flasche'. Das erste Mal warf er mich kurzerhand hinaus. Es war allerdings meine eigene Schuld, denn ich hatte das Datum denkbar ungünstig gewählt: Erster April. Das zweite Mal ..."
Wir wurden unterbrochen, da die Leute am Nebentisch förmlich explodierten. Der Dicke schien ihnen erzählt zu haben, was ich zu ihm gesagt hatte, denn alle sahen zu uns herüber und wieherten. Ich beschloss, die Bande einfach zu ignorieren, und mein Begleiter fuhr fort: "Das zweite Mal gelang es mir immerhin, den Mann so weit zu bringen, dass er mir ein Experiment gestattete. Ich ließ seinen Schreibtisch in der Flasche verschwinden".
"Was?" sagte ich erstaunt, "Sie können auch andere Dinge als Autos...?"
"Aber natürlich. Und ich versichere Ihnen: es ist keine Hexerei. Man muss nur daran glauben, das ist alles". Er schob mir die Weinflasche, die inzwischen leer geworden war, über den Tisch zu und sagte: "Versuchen Sie es doch einmal".
Ich zögerte. "Aber was?" fragte ich. - Er besann sich einen Moment, dann sagte er: "Den Hund des Wirtes. Er ist hier unter dem Tisch, da wird es niemand bemerken".
Ich schloß die Augen und versuchte, mich zu konzentrieren. Es ging nicht.
"Sie glauben zu wenig daran", sagte er, "geben Sie einmal her." Kaum hatte er die Flasche in der Hand, da sprang auch schon der Hund leise bellend darin herum. Er verkorkte sie. Ich war begeistert. "Zeigen wir ihn dem Dicken", sagte ich.
"Es hätte keinen Sinn. Er würde es für eine Sinnestäuschung halten. Besonders jetzt, wo er etwas getrunken hat".
"Könnten Sie auch den Dicken...?" fragte ich.
"Aber natürlich. Doch er würde Schaden nehmen. Menschen ohne Phantasie vertragen Wunder nicht".
Er entkorkte die Flasche. Einen Augenblick später sauste der Hund winselnd und mit eingezogenem Schwanz unter dem Tisch hervor und verkroch sich hinter der Theke.
"Das hast du davon", sagte der Wirt zu ihm, etwas lauter als unbedingt nötig. "Man geht nicht zu Leuten, die keine Tiere mögen, wenn man ein Hund ist".
Ich wandte mich wieder an meinen Begleiter und fragte: "Und was geschah dann weiter auf dem Patentamt?"
"Erst war der Knabe natürlich sehr überrascht. Er sezierte die Flasche förmlich mit seinen Blicken. Nachdem er dort, wo der Schreibtisch gestanden hatte, die Luft mit seinen Händen durchwühlt hatte, kam ihm die Erleuchtung. Er habe, sagte er, ähnliches schon im Fernsehen gesehen. Ein gewisser David Copperfield habe da noch ganz andere Dinge verschwinden lassen - einen ganzen Eisenbahnzug, ja sogar die New Yorker Freiheitsstatue. Im Patentamt wäre man aber nur für Neuheiten zuständig und nicht für Tricks, die man schon täglich im Fernsehen bewundern kann. Erst versuchte ich ihm zu erklären, dass es kein Trick sei. Dann aber sah ich die Sinnlosigkeit meines Unterfangens ein, gab ihm seinen Schreibtisch zurück und ging."
"Und was wollen Sie jetzt unternehmen?" fragte ich.
"Eigentlich gar nichts. - Die kurze Zeit, die ich noch zu leben habe, würde ich am liebsten in einer Flasche verbringen, die langsam übers Meer schwimmt. So ganz, ganz allein: Das wäre schön. - Aber leider gibt es da eine Schwierigkeit."
"Und die wäre?"
"Ich brauche jemanden, der die Flasche verkorkt, wenn ich drin bin. Denn ich kann in einer unverschlossenen Flasche nicht länger als fünf Minuten bleiben. Es ist zu anstrengend. Würden Sie es für mich tun? Sie brauchten mich nachher nur in den Fluss zu werfen".
Ich dachte nach. Er sah mich so erwartungsvoll, ja bittend an, dass er mir leid tat. Aber ich konnte mich nicht entschließen. Irgendwie hatte ich doch das Gefühl, es sei eine Art Mord, die ich da begehen würde. Ich sagte es ihm. Er antwortete nicht und saß traurig da. Dann riet er plötzlich zum Aufbruch. Ich zahlte, und wir verließen das Lokal. Als wir eine Weile gegangen waren, fiel mir ein, dass ich ja den Wagen bei mir hatte. Kaum war der Korken entfernt, stand er auch schon da, als wäre er nie in einer Flasche gewesen. Ich fragte meinen Begleiter, wo ich ihn absetzen dürfe, doch er lehnte ab. "Ich gehe lieber zu Fuß", sagte er. "Vielen Dank und - auf Wiedersehn".
"Auf Wiedersehn! Und seien Sie mir bitte nicht böse, dass ich..." - Doch da war er schon um die Ecke.
Ich habe ihn nie wiedergesehen. Aber einige Wochen später fand ich in einer Tageszeitung unter dem Titel "Verrückter Gelehrter verschwunden" einen Bericht, der genau auf meinen Mann paßte. Ich ging zur Polizei. Man führte mich in seine Wohnung. Es war die reinste Alchimistenküche. Überall standen diese grünen, bauchigen Flaschen herum. Auf dem Tisch war eine sonderbare Maschine aufgebaut. Ich fragte den Beamten, wozu sie wohl gedient haben möge.
"Keine Ahnung", sagte er. "Wir haben sie nicht näher untersucht. Uns interessiert in erster Linie sein Verschwinden".
"Haben Sie schon eine Spur?" fragte ich.
"Nein. Alles, was wir feststellen konnten, ist, dass die Wohnung von innen verschlossen war und dass außer ihm auch sein Bett und ein Teil seiner Bibliothek verschwunden sind".
Ich sah aus dem Fenster. Unten, vier Stockwerke tiefer, ging der Fluss vorbei.
"Ich weiß, was Sie jetzt denken", sagte der Beamte. "Wir haben zuerst auch gedacht, es sei Selbstmord gewesen, aber man hätte ihn gefunden. Weiter unten geht nämlich ein Gitter quer durch den Fluß, um das Treibholz aufzufangen. Er wäre dort hängen geblieben."
Mir ging plötzlich ein Licht auf. "Diese Flasche", sagte ich und hob eine vom Boden auf, "könnte sie dieses Gitter passieren?"
"Das schon", sagte der Beamte. "Doch ich verstehe nicht recht, was das mit..."
"Einen Moment", sagte ich und ging zur Maschine. Ich bog einen Hebel herunter, der in der unteren Stellung einrastete. Am freien Ende trug dieser Hebel eine Vertiefung. In diese stellte ich die Flasche. Ein anderer, kleinerer Hebel, der ebenfalls einrastete, als ich ihn zurückbog, hatte ein Loch, das gerade einen Korken aufnehmen konnte. Ich steckte einen hinein. Dann wartete ich. Nach ungefähr einer halben Minute schlug der kleine Hebel den Korken in den Hals, dann flog die Flasche durchs geöffnete Fenster hinaus ins Freie. Ich lief rasch hin und sah, wie sie genau in der Mitte des Flusses aufs Wasser aufschlug und davonschwamm.
"So ein Unfug", sagte der Beamte.
"Das ist kein Unfug", sagte ich. "Das ist des Rätsels Lösung." Und ich erzählte, was ich wusste.
* * *
Heute nachmittag durfte ich das erste Mal die Gummizelle verlassen. Der Arzt war sehr freundlich. Er meinte, es sei eine Folge von Überarbeitung. Mit Hilfe der modernen Psychotherapie sei es jedoch möglich, solche Wahnvorstellungen zu heilen. Ich fragte ihn, wie lange das wohl dauern werde. Er blieb mir die Antwort schuldig und sagte, nicht die Dauer der Behandlung sei hier von Bedeutung, sondern das Ergebnis.
Liebe Mitmenschen! Man hält mich also hier zurück, und ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird. Sie aber, die Sie meine Geschichte gelesen haben: Suchen Sie! Denn irgendwo, im Mittelmeer, im Atlantischen oder Indischen Ozean, wie gesagt, irgendwo schwimmt jetzt unser Mann in seinem selbstgewählten Gefängnis. Und wenn Sie ihn gefunden haben: Befreien Sie ihn. Auch wenn er nicht will. - Wie? Sie meinen, das Parkplatzproblem sei Ihnen als Nichtautobesitzer fremd? Gut. Aber vergessen Sie nicht: Er kann nicht nur Autos in Flaschen hineinzaubern. Und es gibt auf unserer Welt so Vieles, das in Flaschen gehörte. Mit Dauerverschluss, meine ich. Was zum Beispiel? Denken Sie doch einmal nach! Wie wäre es denn mit...? Na also!
Und glauben Sie mir: Es gibt noch eine ganze Menge.

 

Hallo dundich!

Ich muss sagen, deine Geschichte hat mir gut gefallen. Für die Rubrik Satire war sie mir aber nicht "würzig" genug. Ich hätte sie vielleicht eher bei Alltag oder Gesellschaft reingetan ... naja ... Ansichtssache.
Du hast den Inhalt der Geschichte sprachlich gut rübergebracht und die Idee mit der Flasche ist wirklich witzig.

Gruß,
Theo

 

Hallo dundich!
Also: die Idee ist gut! Aber, die sprachliche Umsetzung kann mich leider nicht begeistern! Lass dich deshalb nicht entmutigen! :shy:
mfg
ET

 

Nochmal Mahlzeit!

Im Ganzen hat mir die Geschichte recht gut gefallen. Sie ist va dank der vielen Dialoge sehr lebendig erzählt und verfolgt eine recht klar erkennbare Linie. Auch sprachlich sehr solide.

Die satirischen Elemente sind allerdings, so man sie denn findet, eher subtiler Natur. Für meinen Geschmack leider alles viel zu zahm bzw. bewegt sich die Geschichte thematisch und atmosphärisch eher im Bereich Gesellschaft, vielleicht schon fast ein bisschen Fantasy. Als Satire würde ich die Erzählung daher eher nicht betrachten.

Mein Fazit: Schön erzählt, ohne nennenswerte Patzer und mit Potential zum Weiter- und Darübernachdenken. Nur eine echte Vollblutsatire ist es nicht so ganz geworden.

Gruß,
Horni

 

Horni schrieb:
Nur eine echte Vollblutsatire ist es nicht so ganz geworden.

Als solche war die Geschichte auch nie geplant, aber die anderen Kategorien von kurzgeschichten.de waren gesperrt (falls ich das richtig verstanden habe).
Tatsächlich ist eine 1958 verfasste Radiogeschichte. Dort wurde sie auch dreimal gelesen, von Axel Corti und Percy Adlon (bevor sie berühmt wurden) und Horst Raspe.

Danke für den Kommentar
Grüße dundich

 

Auf Wunsch des Autors von Satire nach Fantasy verschoben.

 

Hallo dundich, herzlich willkommen auf kg.de.

Zur Geschichte: Sie liest sich flüssig und gut in einem Stück runter, allerdings nimmst du durch die indirekte Rede stellenweise sehr viel Tempo aus dem Text und baust eine Distanz auf, die meiner Meinung nach nicht sein müsste.
Die Reaktionen der Mitmenschen würde ich an deiner Stelle überarbeiten. Satirische Intention hin oder her, es erscheint mir unlogisch, dass die Restaurantbesucher sich so pubertär verhalten. Normalerweise wird seltsames Verhalten von Erwachsenen höchstens mit seltsamen Blicken kommentiert, nur die jüngere Generation versucht, sich auf Kosten von auffallenden Menschen zu profilieren. Die Stelle fand ich arg überzogen und unglaubwürdig.
Ebenfalls unglaubwürdig finde ich das Verhalten der Polizei, vor allem, weil du es in einem einzigen Satz abhandelst. Sie ließen ihn einfach so in die Wohnung des Verschwundenen? Was hat er ihnen erzählt? Normalerweise ist die Polizei da weniger entgegenkommend. Wer hat überhaupt bemerkt, dass der Mann verschwunden ist? Fragen über Fragen, auf die niemand eine Antwort weiß.

Für meinen Geschmack bleibst du mit der Geschichte zu sehr an der Oberfläche. Wenn sie ursprünglich als Satire konzipiert war, mag das ja schön und gut sein, aber ich lese lieber ein tiefgründiges Märchen als eine oberflächliche Satire. Überleg dir, ob du sie nicht vielleicht überarbeiten möchtest, das Potential dazu ist eindeutig vorhanden.

gruß
vita
:bounce:

 

ganz fein

Hallo Dundich,

Ein Parkplatzsuchender trifft auf eine komische Gestalt: Ein Mann, der behauptet, Gegenstände in seiner Flasche verschwinden lassen zu können. Unser Prot hält ihn zuerst für verrückt, bis er sein Auto mit allen Kratzern und Beulen in diesem Gefäß wiedersieht. Ein Unwetter stürzt herab, sie flüchten sich in eine Lokalität, wo der Mann ihn in sein Geheimnis einweiht - dass leider nicht sehr interessant für den Leser ist, denn mit dem Glauben kann man, wie etwa mit einem Rausch oder einem Traum, alles erklären, und jedes noch so schöne Wunder verkommt zu einer kindischen Illusion; dann ist es schon besser, ganz auf Erklärungen zu verzichten und die Sache so aufzuziehen, als wäre es das Natürlichste von Welt. Sie verdammen auch lebende Objekte in die Flasche, ohne je die Neugier anderer Gäste und des Wirtes zu auf sich und ihr Wunder zu ziehen, die machen sich nur lustig über die beiden. Der Mann hält unseren Helden aber zurück in der Bemühung, seine Kunst in alle Welt zu posaunen, schließlich hat er da schon seine Erfahrungen gemacht. Aber dann trägt der Mann unserem Protagonisten ein unerwartetes Anliegen vor: Der soll ihn in die Flasche sperren und dem Fluss mit auf die Reise geben. Beihilfe zum Selbstmord also, natürlich hat unser Held davor Skrupel und scheut zurück. Doch nichtsdestotrotz muss er einige Tage später trotzdem über ihn in der Zeitung lesen und versucht der Polizei glaubhaft zu machen, wie sein Verschwinden vonstatten gegangen sein musste. Unbefriedigend ist aber das Ende, wo er sich aufgrund seines Berichts in einer geschlossenen Anstalt wiederfindet und sich seinen Wahnvorstellungen konfrontiert sieht. Eine Geschichte der "Fantasy/Märchen"-Rubrik hat es mitnichten nötig, ihre Überraschungen mit den Klischees der Wirklichkeit zu verraten. Seine Ansprache an den Leser macht mir den Prot aber nicht gerade symphatisch. Der Mann mochte so sterben, also solle man ihm doch gewähren.
Dein Stil gefällt mir. Er ist leichtverdaulich, aber nicht langweilig. Er passt einfach zum Inhalt und baut die richtige Athmosphäre auf.

Textkram:

er wolle eine Auskunft oder vielleicht mitfahren, um das Taxi zu sparen. Suchen Sie etwas? Wie
Hier handelt es sich um geistige Wiedergabe von Gesprochenem. Solche Teile würde ich ins Kursive setzen, damit es nicht fälschlicherweise als Anrede des Lesers gewertet wird.

Doch, so merkwürdig es auch schien, er hatte recht:
Erstes Komma kann weg.

Jedenfalls tat ich, wie er mir geheißen hatte.
Dativ: jemandem heißen, etwas zu tun. Ziemlich überkommen ist dieser Ausdruck.

und fuhr erschrocken zusammen.
Die Reihe erschrecke - erschreckte - erschreckt gilt nur für die transitive Verwendungsart wie in "Das Bellen erschreckte mich". Sonst heißt es erschrickt - erschrak - erschrocken.

der mich daran erinnerte, dass es an der Zeit wäre, die Dichtung der Ölwanne zu erneuern.
Denke nicht, dass der Prot in seiner Überraschung auf solche Gedanken kommt.

Das war alles.
Dieser Zusatz ist doch unwichtig, oder?

"Da", sagte er "nehmen Sie." Aber geben Sie acht, wo Sie den Korken herausziehen. In einem Restaurant zum Beispiel wäre es nicht sehr ratsam".
Die Ausführung ist kaputt.

Bevor er antworten konnte, nahm unser Gespräch ein jähes Ende
ein jähes Ende nehmen ist hier wohl etwas übertrieben, denn sie unterhalten sich ja dann im Lokal weiter. Vorschlag: Doch er konnte nicht mehr antworten, denn mit einem Mal wurde der seichte Regen zu einem Wolkenbruch. Wir flüchteten...

Er schob mir die Weinflasche, die inzwischen leer geworden war,
Uiuiui, das ging ja schnell.

"Aber natürlich. Doch er würde Schaden nehmen. Menschen ohne Phantasie vertragen Wunder nicht"
So eine wunderbare Aussage lang nicht mehr gelesen.

Nachdem er dort, wo der Schreibtisch gestanden hatte, die Luft mit seinen Händen durchwühlt hatte, kam ihm die Erleuchtung.
Hmm, hier könnte der Leser (=ich) vermuten, dass der Patentbeamte irgendetwas fühlt was man auch auf solchen Veranstaltungen fühlt und dadurch als Trick entlarvt.

Dann aber sah ich die Sinnlosigkeit meines Unterfangens ein,
Das klingt etwas misslich in meinen Ohren. Das Wort einsehen kenne ich nur in Redewendungen wie "einen Fehler einsehen", sonst immer mit einem "dass..."-Anschluss. Außerdem passt erkennen sowieso besser.

Ich sagte es ihm.
Das sagte ich ihm würde sich besser einfügen.

Er antwortete nicht und saß traurig da.
Entschuldige, bin wieder mal ein Krümelkackerlaune: dasitzen stellt einen Zustand dar, obwohl dieser grammatischen Kontext eigentlich ein Ereignis bedingt (antworten ist ja auch eines; und kann zumindest hier nur gleichartige Phrasen verbinden). Drei Möglichkeiten:
1. Er antwortete nicht, sondern saß nur traurig da.
2. Er antwortete nicht und zog eine trauriges Gesicht.
3. Er saß traurig da und schwieg.

"Doch ich verstehe nicht recht, was das mit "
Der Dreipunkt ein, dass jemand einfach so mit dem Reden aufhört, ohne dass der angefangene Satz vollständig ist. Ein langer Strich bedeutet, dass er unterbrochen wird.

Unten, vier Stockwerke tiefer, ging der Fluss vorbei.
Kann ein Fluss "gehen"? Vorschlag: führen - so ganz koscher ist aber auch das nicht.

Das Ende gefällt mir leider nicht, wie schon gesagt.


Aber sonst: Gern gelesen,

FLoH.

 

Hallo FloH,
ich war, als ich Deinen Text gelesen hatte, echt gerührt. Da nimmt sich ein wildfremder Mensch nicht nur die Zeit, meine Geschichte zu lesen, nein, er studiert sie geradezu Zeile für Zeile und nimmt echt Stellung. Was machst Du, wenn Du nicht gerade Geschichten in diesem Forum studierst? Doch sicher irgendetwas in diese Richtung. Jedenfalls danke ich herzlich für die Mühe. Einiges werde ich sicher verwenden, bzw. korrigieren.
Zu den sprachlichen "Schnitzern" nur so viel. Erstens war ich 45 Jahre lang Maschineningenieur, d.h. auf dem Gebiet des Schreibens Autodidakt, zweitens bin ich Österreicher (Dativ/Akkusativ) und drittens habe ich die Geschichte 1957 verfasst, wie die meisten meiner "Werke" ("altmodische" Floskeln). Ich war damals 24!
Zum Schluss der Geschichte. Also hier scheint es ein (wahrscheinlich von mir mit verschuldetes) Missverständnis zu geben. Der Erzähler ist NICHT verrückt,sondern wird von jenen, die "ohne Phantasie sind", dafür gehalten. Und den Schluß mit der "... na also" - Wendung lasss ich mir von niemandem schlecht machen. Auf den bin ich sogar heut noch stolz, nach immerhin 48 Jahren. Und auch darauf, dass die Geschichte schon dreimal im Rundfunk gelesen wurde, damals 2 mal (von Axel Corti und Percy Adlon!) und vor 4 Jahren noch einmal (Horst Raspe).
In letzter Zeit (als Pensionist) hab ich wieder angefangen zu schreiben. Ein Jugendbuch, das allen gefällt, die es gelesen haben. Leider gelang es mir nicht, als NoName-Autor einen Verlag dafür zu finden. Jetzt bin ich nahe daran, das Angebot eines Verlages anzunehmen, bei dem man sich an den Druckkosten beteiligen muss.
Grüße aus Österreich
Dundich

 

Hallo dundich!
Also, ich muss sagen, sprachlich super! erzäzhlt, da stört mich gar nichts. Und vor allem, um nochmal das Superlativ zu gebrauchen, super Phantasiereich! Mein Stempel: Genial!
Danke

Herr_Ehrlich

P.S. Wenn das auf kg.de so weiter geht, dann überleg ich mir echt, Geld für Bücher auszugegben. :thumbsup:

 

Der Erzähler ist NICHT verrückt,sondern wird von jenen, die "ohne Phantasie sind", dafür gehalten.
Kann man das irgendwo aus dem Text erkennen? Wenn ja, äh, habe ich diese Hinweise überlesen. Meines Erachtens, so wie es geschrieben steht, ist es völlig offen, ob die Hauptfigur verrückt ist oder man sie nur dafür hält. Letztendlich finde ich es auch egal, mir hätte es eben besser gefallen, wenn du es nicht so erklärt hättest. Auf den Schluss kannst du gerne stolz sein, nur leider kann ich nicht nachvollziehen, warum.

Grüße, FLoH.

 

Hallo, dundich!

Diese Geschichte hat mir wie alles, was ich bisher von dir gelesen habe, gut gefallen. Auch und vor allem das "Na also!", macht es doch deutlich, daß das Allgemeinwohl wichtiger ist als die Resignation eines Künstlers, woraus folgt, dass man die Künstler eben ermutigen muss. Was mich aber verwirrt hat, war der Fettfleck am Asphalt. Kann man den bei Regen denn wirklich erkennen?...

Gruß,
A.v.M.

 
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Hy dundlich,

Was mich betrifft, habe ich am Schluss nichts auszusetzen. Dass der Prot verrückt ist, kam für mich beim ersten Lesen nicht in Frage, schließlich wird im Restaurant lang und breit dargestellt, dass die Menschen gern dazu neigen, alles auszugrenzen, was sie sich nicht erklären können.
Die Idee mit der Flasche erinnert mich an Sagen aus Tausendundeiner Nacht. (Dschinnis und so - weiß aber nicht, ob dir das beim Entwerfen der Geschichte in den Sinn gekommen ist). :read: Wie vita wunderte auch mich das Verhalten der Polizei. Ein Zeuge, der den Verschwundenen nur flüchtig kannte, darf ungehindert in dessen Wohnung herumwerkeln? :susp: Es fiel mir besonders auf, weil du dich sonst um einen hohen Realismusgrad bemühst. (Realismus natürlich abgesehen von dem 'Flaschentrick')

Insgesamt halte ich die Geschichte für geglückt.
Noch eine letzte Kritik. Du musst hier nicht ständig vorbeten, dass deine Geschichte im Radio gelesen wurde. Ich sage es dir klar: Mich nervt das. :dozey:
Kg.Ler lesen dein Werk wie es ist und beurteilen es nach ihrer eigenen Meinung, egal was andere einmal davon gehalten haben.
Übertriebenes Eigenlob dagegen macht manche (zum Beispiel mich) recht schnell sauer.

Trotzdem nichts für ungut.
Gruß, Reddayk

 

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