Der Messias
Der Messias
So kam die Karawane in einem kleinen, kargen Tal an. Die Vordersten entschieden offenbar –zum ersten Mal seit Beginn ihrer Wanderschaft- hier Rast zu machen und setzten sich dazu einfach hin. Die Bewegung ging wie eine Welle durch die Menschenmasse, die, aufgestaut durch die Vorderen, nun das ganze Tal ausfüllte. Es war schon kaum noch zu erkennen unter den vielen Menschen und sogar an den umliegenden Berggraten konnte man sich hinsetzende Silhouetten erkennen.
Obwohl dicht an dicht gedrängt, schafften sie es trotzdem bequem daniederzuliegen und begannen sogleich sich unter- und überereinanderhinweg zu unterhalten
Das kleine Tal und dessen Berge schienen, von der wuseligen Menge bedeckt und von einem chaotischen Stimmengewirr erfüllt, mit einem riesigen lärmenden und wallenden Teppich ausgekleidet zu sein.
Mitten unter den campierenden Menschen bahnte sich der Messias umständlich seinen Weg. Er hatte sichtlich Mühe, voranzukommen, ohne auf jemanden draufzutreten und er musste sich oft wüste Beschimpfungen und angedrohte Hiebe gefallen lassen.
Doch schließlich erreichte er den kleinen Hügel den er angestrebt hatte.
Auch er war ganz von Menschen bedeckt, obwohl er teilweise recht steile Felswände aufwies und so konnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass hier eine kuriose Zirkusnummer geprobt würde.
Der Messias erklomm den Hügel, auch hier wieder nicht ohne auf engstem Raum beschimpft zu werden, und fand noch an einer steilen Kante Platz, die er sich mit fünfzehn anderen, gemütlich plaudernden teilte. Dicht an die Felswand gedrückt schrie er mit Leibeskräften: „Freunde!“
Sein Ruf wurde in seiner Lautstärke vervielfacht von den Bergen oder besser, von den an den Bergen Campierenden zurückgeworfen und hallte als alles übertönendes Echo zurück.
Erstaunt verstummten die Menschen.
Sie wandten sich um zum Hügel, von wo aus dieser plötzliche Ruf kam. Selbst die Grüppchen an den Berggraten stellten ihren Lärm angesichts der plötzlichen Stille unten im Tal, nach und nach ein. Abertausende Blicke hefteten sich erwartungsvoll an den Messias.
Von diesem ersten Erfolg ermutigt, rief er: „Wenn wir weitergehen…“
Weiter kam er nicht. Die Leute auf dem Hügel, die nun die Aufmerksamkeit des gesamten Tales ihre wähnten, nutzten diese sogleich jeder auf seine Weise. Einige animierten Teile der Masse zu einer Laolawelle, andere grüssten lauthals ihre Bekannten worauf grüssende Hände aus der Masse hervorstachen, wiederum andere badeten in Applaus für ihre teilweise zweifelhafte Selbstdarstellung und wieder Andere begnügten sich damit, irgendwelche Gegenstände in die Menge zu werfen.. Doch der Grossteil der Menschen stimmte nun einen anstößigen Kanon an, dirigiert von einem Mann, der einen kleinen Felsvorsprung neben dem Messias besetzte und der sogar einen recht feschen Bart vorzuweisen hatte.
Ebenso plötzlich wie das Tal verstummte, so wurde es wieder vom Chaos erfüllt.
Der Messias, versuchte noch mit aller Kraft das Tausendstimmige zu übertönen- vergebens. Seine Stimme war zu schwach und sein uninteressanter Bartwuchs verlieh ihm nicht gerade das nötige Charisma.
Schließlich entschieden die Vorderen weiterzugehen und standen einfach auf. Jeder tat es darauf seinem Vordermann gleich, ließ alles stehen und liegen, stand auf und trottete weiter.
Das flächendeckende Gewusel zog sich in die Länge und bildete wieder die Karawane.
Langsam begann sich das Tal zu leeren.
Verzweifelt und allein sah er dem Zug von der Spitze des Hügel aus zu.
Sporadisch versuchte er einige aus der Karawane zu sich zu reißen und ihm sein Anliegen zu unterbreiten -vergebens. Niemand wollte allzu lange zurückbleiben und so hasteten die Herausgerissenen schnell wieder in die Reihe zurück.
So wandte sich der Messias mit feuchten Augen um und ging.
Epilog:
Da kam ich des Weges. Außer Atem hastete ich durch dein kleines, karges Tal um vielleicht doch noch Anschluss zu finden. Da begegnete ich dem Messias. Er sah etwas fertig aus doch ich fragte ihn trotzdem nach dem Weg und ob er vielleicht einen langen Menschenzug gesehen hat.
Er faselte irgendetwas vonwegen alles sei verloren und ich solle nicht in diese Richtung laufen oder so … so ein uninteressantes Gesicht fördert halt nicht gerade meine Aufmerksamkeit. Außerdem muss man sich ja nicht dreinreden lassen von so einem Max Mustermann.
So machte ich mich einfach wortlos davon. Immerhin musste ich so schnell wie möglich meine zu meinen Leuten aufschließen.
Ich starb auf der Spitze eines hohen Leichenbergs in einer tiefen Schlucht.