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Der Mummenschanz

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11.11.2004
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Der Mummenschanz

Der Mummenschanz​

An einen regnerischen Novemberabend schritt Raduslav durch die verwinkelten Gassen der Altstadt. Das kalte Neonlicht spiegelte sich in den unzähligen Pfützen und Rinnsälen, eine glitzernde Brühe folgte ihm, bis sie sich in einem Abfluss verlor. Heftig prasselte es von der Traufe, die verwaisten Häuser beäugten ihn aus leeren Fensterhöhlen. Er fröstelte in seinen klammen Kleidern, und ärgerte sich den Schirm vergessen zu haben.
„Wie ausgestorben!“, Dachte Raduslav, „Schade um die alten Häuser, sie verkommen.“ Er war spät dran, der Maskenball hatte schon begonnen. Seine Halsschlagader pulsierte, diese Aufregung, er würde sie nie verlieren. Es stach in der Magengegend, er hatte den Tag über nichts gegessen und erhoffte sich, dass nach dem ganzen Trubel auch ein Büfett auf ihn warten würde. Warum hatte er nur verschlafen? Im Geiste ging er noch mal alles durch, hatte er auch nichts vergessen? Das Kostüm, er prüfte noch einmal das Bündel unter seinem Arm, doch schien alles da zu sein.
Ungern ging er die Abkürzung durch den Park, nicht nur weil die ungepflasterten Wege bei diesem Wetter sicher einem Morast glichen. Auch waren sie schlecht beleuchtet und die Figuren, bei Tageslicht sicherlich wunderschön anzusehen, flößten ihm nachts immer einen Schrecken ein. Nie war er sich sicher, nicht doch einen lebendigen Menschen vor sich zuhaben. Also verkroch sich Raduslav im Kragen seines Mantels, schüttelte alles Unbehagen von sich, und betrat den abschreckenden Garten.
Seine Schuhe waren mit kaltem Nass getränkt, er verfluchte diese Provinz. In jeder größeren Stadt hätte er sich ein Taxi kommen lassen, nur hier in diesem Irrgarten aus Einbahnstraßen dauerte jede Autofahrt länger als der unbequeme Fußmarsch. Er gehörte nicht hier her. Er sehnte sich nach belebten Städten, bloß nicht dieses eingeschlafene Kaff. Seinen Gedanken hallte die Stimme des Vaters nach, er solle endlich einen anständigen Beruf erlernen. „Traumtänzer!“ Nannte er ihn immer, „Ohne Zukunft! Glaub ja nicht, dass ich dich noch länger aushalten werde! So lange die Füße unter meinen Tisch sind wird getan was ich sage! Nein, nein ich dulde das nicht mehr, Mutter jetzt sag auch einmal etwas.“
Verärgert stapfte Raduslav über die matschigen Pfade. Im wurde heiß, kalter Schweiß lief ihm über die Schultern. Er spürte jeden Herzschlag pochen. Das Atmen fiel ihm schwer, er jappte nach Luft. Seine Magenschmerzen hinderten hin am tiefen Durchatmen. Zur Abkühlung öffnete er seinen Mantel. „Diese sinnlose Angst, du hast das schon hundertmal gemacht.“, beruhigte er sich. Doch konnte er nie Einschätzen, was ihn erwarten würde.
Im diffusen Licht erblickte er das schwere gusseiserne Tor, neben dem lauerte ein Wasserspeier, dieser geflügelte Hund mit grässlicher Fratze, aus der eine lange Zunge ragte. Im vorbeigehen zuckte er zusammen, der Gargyl hatte sich bewegt, ganz sicher. Entsetzt starrte er die steinerne Figur an. „Nein, bloß Schatten“, atmete Raduslav auf, „ein geschicktes Spiel des Bildhauers.“ Er verließ rückwärts stolpernd den Park und trat in ein knöcheltiefes Schlammloch. Er hatte genug, schnellen Schrittes überquerte er die Straße zum Theater. Mit weichen Knien stieg er die Pforte zum Opernhaus empor.
Der Portier begrüßte ihn: „Guten Abend mein Herr, der Mummenschanz hat bereits begonnen, man erwartet sie. Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind ganz blas?“
Mit einem beiläufigen „Ja ja, schon gut.“, wimmelte er das Gespräch ab.
Jetzt bloß keine Zeit verlieren. Er hastete in die Garderobe, ihm war speiübel und am liebsten hätte er sich übergeben, doch gab der Magen nichts her. Flink zog er das Kostüm über, schnallte sich die Flügel um, richtete noch einmal die Falten. Setzte die bronzene Maske auf, betrachtete sich prüfend im ausladenden Spiegel.
Er war Ikarus kurz vor der Flucht von dem kleinen Eiland. Nach ihm sehnte sich die Welt, sie will entdeckt werden.
Er stand neben der Bühne, wartend auf seinen Einsatz. Die Mimen, mit tiefblauen und feuerroten Masken, sonst in graue Gewänder gehüllt tänzelten im Ringelrei, es war wirr anzusehen, wie sie sich umeinander im Kreis bewegten. Kein beiläufiger Blick konnte einer der Figuren folgen, zu sehr ähnelten sie sich. Ihre stummen Gesichter blieben starr wie Stein, in Begleitung der zarten Musik meinte man ein neckisches Grinsen zu erkennen. Mit der Morgenröte teilten sich die skurrilen Hüllen, und scherten sich um ihre Herren. Die Blauen sanken herab zum mächtigen Poseidon, die Roten leuchteten auf zum Helios, der mit seinen flammenden Wagen vom Horizont heranfuhr.
Ikarus schwebte elegant zwischen Sonne und Meer, anfangs noch zaghaft, einen respektvollen Abstand zu den Naturgewalten haltend. Doch bald löste sich sein Bangen, spielerisch begann er auf und ab zu fliegen. Die maskierten Flammen griffen nach dem Beflügelten, grad konnte er ihnen entkommen. Im Sturzflug saust er an den schäumenden Wogen vorbei, in die Höhe direkt vor den Wagen des Helios. Die lodernden Fratzen zehrten an seinen Schwingen rissen sie ab, es knackte fürchterlich. Der Tollkühne stürzt in die Arme des tosenden Poseidons. Schmerz verzerrte sein Gesicht. Der Vorhang fällt.
Ein einsames Klatschen hallte durch den Saal.
„Bravo, nächste Woche ist Premiere. Wir müssen hier und da…“ der Regisseur brach ab, „Raduslav, alles in Ordnung?“
„Ich glaube, ich habe mir den Fuß verstaucht, wenn nicht schlimmeres.“, beklagte dieser. Des Vaters stimme dröhnte noch in seinem Geist.
Ein Traumtänzer, ohne Zukunft.

 

Hallo Mummenschanz,

Textzeugs:

„Wie ausgestorben!“, Dachte Raduslav, „Schade um die alten Häuser, sie verkommen.“

"Wie ausgestorben", dachte Raduslav. "Schade um die alten Häuser."

Dieses "sie verkommen" würde ich anders in den Satz einarbeiten. Vielleicht: Schade, dass die alten Häuser so verkommen."
Ich glaube so, wie du den Satz im Moment da stehen hast, würde man sich das nicht denken.

Seine Halsschlagader pulsierte, diese Aufregung, er würde sie nie verlieren.

Meintest du, dass er immer wieder aufgeregt ist?
"Nie verlieren" klingt seltsam. Vorschlag: Seine Halsschlagader pulsierte, wie immer, vor Aufregung.

Warum hatte er nur verschlafen? Im Geiste ging er noch mal alles durch, hatte er auch nichts vergessen?

Hier empfinde ich den Sprung von einem zum anderen etwas zu heftig. Du solltest es besser überleiten - vielleicht: Warum hatte er nur verschlafen? Er hoffte, dass er in der Eile nichts vergessen hatte. Er prüfte das Bündel unter seinem Arm. Es schien alles da zu sein.

Ungern ging er die Abkürzung durch den Park, nicht nur weil die ungepflasterten Wege bei diesem Wetter sicher einem Morast glichen. Auch waren sie schlecht beleuchtet

Das sollte eigentlich nur ein Satz sein.
Vielleicht: Ungern ging er die Abkürzung durch den Park, denn die ungepflasterten Wege glichen einem Morast und waren schlecht beleuchtet.

So kannst du das gleiche viel kürzer ausdrücken. Es wäre vielleicht eine gute Übung für dich nach dem Schreiben des Textes alles nochmal durchzugehen und zu schauen, wo du Dinge vielleicht gebündelter ausdrücken kannst. Dein Stil wirkt manchmal etwas umständlich.

Also verkroch sich Raduslav im Kragen seines Mantels, schüttelte alles Unbehagen von sich, und betrat den abschreckenden Garten.

Wenn es ein Park ist, dann solltest du auch beim Park bleiben.

Seine Schuhe waren mit kaltem Nass getränkt, er verfluchte diese Provinz.

Hier packst du wieder zwei Infos in einen Satz, die zunächst mal gar keinen Zusammenhang haben.

In jeder größeren Stadt hätte er sich ein Taxi kommen lassen, nur hier in diesem Irrgarten aus Einbahnstraßen dauerte jede Autofahrt länger als der unbequeme Fußmarsch.

Das er die Stadt verflucht solltest du eher hier miteinfliessen lassen.

Das Atmen fiel ihm schwer, er jappte nach Luft.

japste

Seine Magenschmerzen hinderten hin am tiefen Durchatmen.

hinterten ihn

„Diese sinnlose Angst, du hast das schon hundertmal gemacht.“, beruhigte er sich.

...huntertmal gemacht", beruhigte er sich.


Mit einem beiläufigen „Ja ja, schon gut.“, wimmelte er das Gespräch ab.

...schon gut", wimmelte er...

Nach ihm sehnte sich die Welt, sie will entdeckt werden.

Hä? Meintest du: Er sehnte sich nach der Welt, die entdeckt werden wollte.
Oder: Nach ihm sehnte sich die Welt, die ihn entdecken wollte.

Die Blauen sanken herab zum mächtigen Poseidon, die Roten leuchteten auf zum Helios, der mit seinen flammenden Wagen vom Horizont heranfuhr.

Schön!

Die maskierten Flammen griffen nach dem Beflügelten, grad konnte er ihnen entkommen.

"Grad" ist Umgangssprache und da du die sonst nicht verwendest, solltest du es hier auch nicht machen.

Des Vaters stimme dröhnte noch in seinem Geist.

Stimme

Du machst immer noch Fehler bei den wörtlichen Reden. Die solltest du noch korrigieren.

Stilistisch hat mir diese Geschichte viel besser gefallen, als deine letzte.

Inhaltlich... na ja.

Ein Künstler, der von seiner Familie nicht akzeptiert wird, der sich nach einer großen Stadt sehnt, in der er seine Künste ausleben kann.
Seine gesundheitlichen Probleme stehen für mich allerdings nicht in einem wirklichen Zusammenhang zu seiner Sehnsucht. Was hat seiner verstauchter Fuß damit zu tun, dass sein Vater ihn offensichtlich nicht akzeptieren kann.

Anfangs sprichst du noch von einem Maskenball, später ist es die Probe für eine Aufführung. Was ist es nun? Solle Fehler in der Durchgängigkeit solltest du vermeiden.

LG
Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bella,

Die Formsache werde ich mir als Hausaufgabe mit nehmen, mal wieder quälen mich Seminarberichte.

Ich hatte auch meine Zweifel am Inhalt, es ist das erste Mal, dass ich eine Geschichte schreibe ohne die Handlung vorher zukennen, nur das Szenario "Weg zum Theater und Mummenschanz" standen am Anfang. Eigentlich fand ich das Wort Mummenschanz so Klasse, dass ich eine Geschichte dazu schreiben wollte.

Die köperlichen Gebrächen des Tänzers sollten so bisschen Hunger (Mittellosigkeit) und Lampenfieber sein. Ist vieleicht ein wenig zuweit um die Ecke geschrieben.

Machs Gut
Mummenschanz

 

Hallo Mummenschanz,

Bella hat ja schon einiges geschrieben. Wenn Du da ein wenig verbesserst, noch eine entscheidende (vielleicht psychologisch orientierte) Wendung einführst, kann ein ansprechender Text entstehen. Die Dunkelheit, sein Widerwille in der Kleinstadt zu sein, ist passend dargestellt.

Tschüß... Woltochinon

 

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