- Beitritt
- 08.11.2001
- Beiträge
- 2.833
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 22
Der nächste Job
So, ich habe noch eine Nachbearbeitung um ein wenig Umschreiben nachgelegt und hier ist das Ergebnis, so wie ich es in der Hörbar im Feb. 06 lesen werde:
Fazit: nur die Version in Posting 18 ist gemeint, die Version in Posting 1 ist veraltet und längst besser.
Lieben Gruß,
Frauke
*****************************************************************
*****************************************************************
hier ist die Version dazwischen
*****************************************************************
*****************************************************************
Benjamins nächster Job
Spätestens als er den Aufzugbetrat, setzte die Nervosität wieder ein, die er schon seit dem Aufwachen gespürt hatte. Während er in der verspiegelten Kabine hinaufgesogen wurde, zupfte er seinen schwarzen Anzug und seine Krawatte zurecht. Heute wirkte er blass, selbst in den sanft getönten Spiegeln des exklusiven Hotels. Es ging um viel. Seit Segniore Lassione hatte anrufen lassen und ihn herbestellt hatte, war er nicht mehr zur Ruhe gekommen.
Er hatte sich seinem Ziel weit schneller genähert, als er angenommen hatte. Das Versprechen einer besseren Zukunft lächelte ihm aus dem Spiegel entgegen, während er sich selbst zu einem Lächeln zwang, um seine Nervosität abzuschütteln. Aber es wollte nicht recht gelingen. Heute war ein besonderer Tag und es ging um einen besonderen Job. Von dem Verlauf des heutigen Treffens hing alles ab.
Das leise Ping, das die achte Etage ankündigte, ließ ihn herumfahren, wie ertappt dabei, sein Spiegelbild zu verachten. Er griff hastig nach seinem schwarzen Aktenkoffer und wippte auf den Fußspitzen, während er darauf wartete, dass die Türen aufglitten.
Eine Sekunde flackerte der Gedanke auf, was geschehen würde, wenn er es heute vermasselte. Aber das war undenkbar. Das Ende der Karriere und ein Skandal sondergleichen. Dies war eine Bewerbung der besonderen Art und er würde sein bestes geben.
Der dicke Teppich des Hotelflurs schluckte den Schall seiner Schritte bis zur neunten Tür auf der linken Seite. Er war vorbereitet. Schon nach dem ersten leisen Klopfen glitt die Tür auf und eine Hand in weißem Handschuh winkte ihn herein.
Benjamin bemühte sich, professionell mit keiner Wimper zu zucken, während er mit schnellen Blicken die Ausmaße der Suite in sich aufnahm. Ein Unternehmen mit luxuriösem Stil. Zweifellos, heute konnte sich sein Schicksal wenden. Endlich eine neue Aufgabe finden, vorankommen. Die Vergangenheit hinter sich lassen. Wenn alles nach Plan verlief, konnte er heute ein neues Leben beginnen.
Benjamin horchte auf seinen rasenden Puls und konzentrierte sich darauf, ihn Stück für Stück zu verlangsamen. Ungeachtet seiner Größe war dieser erste Raum so leer, wie sonst nur große Eingangshallen sind.
"Sie werden erwartet." Der Mann, der die Tür geöffnet hatte, sprach tonlos und deutete auf die halbgeöffnete Schiebetür zum Nebenraum. Ein wenig größer als der erste sogar, war auch dieser Raum nahezu unmöbliert. Einzig eine schlichte Sitzgruppe aus schwarzem Leder befand sich vor dem Kamin, ein niedriger Glastisch in der Mitte.
Der Jahreszeit angemessen brannte kein Feuer im Kamin. Auf dem schmiedeeisernen Glutrost befand sich stattdessen eine schlichte Bodenvase mit weißen Tulpen. Erst nach Sekunden konnte Benjamin seinen Gastgeber ausmachen.
Beinahe mit dem schwarzen Leder verschmolzen, saß Signore Lassione in einer Ecke der zweisitzigen Couch und bedeutete Benjamin wortlos, sich ihm gegenüber zu setzen. Eine volle Minute musterte der alte Mann ihn eindringlich, bevor er sprach.
"Nun", begann er mit verlebter Stimme, "Benjamin Martinez. Es freut mich, Sie hier zu begrüßen."
Seine Worte wurden begleitet von zwölf hohlen Schlägen einer nicht auszumachenden Standuhr.
"Ganz meinerseits", erwiderte Benjamin, der spüren konnte, wie seine Hände feucht wurden.
"Was denken Sie, qualifiziert Sie?" In medias res, Benjamin schluckte. Nein, Signore Lassione war dafür bekannt, dass er nicht lange fackelte. Ein guter Chef zwar, aber auch ein gefährlicher. Das durfte Benjamin nicht einen Moment außer acht lassen. Noch lange war er nicht am Ziel.
"Meine bisherige Arbeit", nahm er forsch Anlauf. Signore Lassione nickte bedächtig, ein entspanntes Lächeln zwischen den tiefen Falten seines Gesichts.
"Und diese Antwort. Gewiss." Wieder ließ er zwischen ihnen Wortlosigkeit eintreten. "Berichten Sie. Chronologisch, bitte. Projekte, Beschäftigungen. Nennen Sie ausnahmsweise mal Namen, nur Mut! Wir sind unter uns. Außer mir und Toni ist niemand hier." Er deutete auf den Mann mit den weißen Handschuhen, der sich hinter der Couch postiert hatte und schwieg.
Benjamin räusperte sich. "Zu Beginn meiner Berufstätigkeit, direkt nach meinem Militärdienst, habe ich ein paar Aufträge als Selbständiger übernommen, während ich den Markt sondiert habe. Schon 1990 wurde ich dann Teil eines meist dreiköpfigen Teams bei CRT."
"Die Spanier", das Nicken des alten Mannes wurde von einem abschweifenden Blick begleitet. "Danach", fuhr Benjamin schnell fort, um nur nicht wieder die unangenehme Stille eintreten zu lassen, "habe ich die Notwendigkeit einer weiteren Ausbildung gesehen. Drei Jahre lang habe ich als Assistent von James Miller verbracht und mir im Zuge dessen vor allem weitere Techniken und seinen Sinn für Präzision angeeignet." Seine Worte wurde von einem unmerklichen Nicken des Alten begleitet.
"Immer wieder habe ich danach für verschiedene Gesellschaften gearbeitet. Von Zeit zu Zeit auch für Privatleute. Sie erinnern sich möglicherweise an die Figaró-Sache? Das Barcelona-Unternehmen? Seymore-Parisienne? Daneben war ich im nahen und kurzzeitig auch im fernen Osten tätig. Die Planung der Apollos-Angelegenheit, sowie Federführung bei Wajong-Maros gehen auf mein Konto."
Er hatte seinen Faden gefunden. Es zahlte sich jetzt aus, gründlich vorbereitet zu sein. Das Geheimnis einer Karriere, die ansonsten auf Schweigen basierte. Heute aber kam es darauf an, zu beeindrucken. Anders konnte er sein Ziel nicht erreichen.
"Auch der osteuropäische Raum gehört zu meinen Arbeitsgebieten. Ein Jahr lang war ich in und um Moskau als Selbständiger erfolgreich. Bedauerlicherweise habe ich bisher in Italien noch nicht Fuß fassen können. Zuletzt..."
"Ich weiß", unterbrach Signore Lassione ihn mitten im Satz. "Beeindruckend. Ich denke, ja, das qualifiziert Sie. Schüler von Miller... so, so!" Die Gedanken seines Gegenübers drifteten erneut davon und brachten Stille mit sich. "Ihre bevorzugte Arbeitsweise?"
"Verschiedene Techniken und Methoden, immer präzise, termingenau, nach gründlicher Recherche und Vorbereitung, ohne Vorfälle, mit einer Erfolgsquote nahe achtundneunzig Prozent." Benjamin spulte ab, was er tagelang geprobt hatte.
"Derzeitig in Beschäftigung?" Signore Lassione blinzelte und Benjamin zuckte innerlich erneut zusammen. Der Alte war gut und es fehlte nicht viel, dann war er zu gut. "Russen." Benjamin zuckte die Schultern. "Das ist eine ganz andere Welt. Deshalb suche ich. Deshalb bin ich hier." Der Alte quittierte dies mit einem kurzen Kopfnicken und schien innerlich schon wieder weit entfernt zu sein.
"Sprachen?"
"Akzentfrei Englisch, Russisch und Spanisch. Dazu Verständigung in Französisch und Ungarisch, ausbaufähiges Arabisch."
"Bereit, Italienisch zu lernen?"
"Natürlich!"
"Gut, sieht aus, als würden Sie es brauchen. Ihr erster Auftrag bringt Sie nach Bologna."
Benjamin blinzelte, um seine Balance wiederzufinden. Er war engagiert. Oder hatte er den Alten falsch verstanden?
"Branchenübliche Erfolgsprämien in den Probezeit", fügte sein Gegenüber lächelnd hinzu. "Danach spreche wir dann noch mal über Geld."
Benjamin blinzelte erneut. Er war gelinde gesagt überrumpelt und das geschah mehr als selten. Er hatte sein Gegenüber offenbar unterschätzt. Das hätte schnell gefährlich werden können. Er bewegte sich auf dünnem Eis.
"Lassen sie uns auf Ihren Eintritt in die Firma anstoßen." Signore Lassione schnippte unhörbar mit den Fingern und der Mann mit den weißen Handschuhen öffnete einen Pilotenkoffer, entnahm einem passgenauen Schaumstofffutteral eine Flasche teuren Whiskeys und zwei geschliffene Gläser, die er fingerbreit füllte.
Sie prosteten sich gegenseitig zu und Benjamin ertränkte die in seinem Magen wuselnden Mehlwürmer mit einem großen Schluck. Noch nie hatte er ein so ungewöhnliches Bewerbungsgespräch geführt, aber die Zeiten der freien Aufträge waren vorbei.
Er hatte es geschafft. Man hatte ihn zu einem Teil der Lassione-Gruppe gemacht. Endlich einen Fuß im italienischen Markt. Dem Mutterland seines Standes. Eine Chance, wegzukommen von den gefährlichen neuen Märkten im Osten mit ihren rauen Sitten und Auftraggebern in pelzgefütterten Armeeparkern längst vergessener Dekaden. Eigentlich hätte er die Zusage freudiger aufnehmen müssen. Aber er war noch immer nicht am Ziel und er konnte nicht ruhen, bis er alles erreicht hatte. Er konnte nicht zurück und er konnte nicht voran. Es stand zu viel auf dem Spiel.
Das Glas wanderte ohne Benjamins Zutun zurück in den Pilotenkoffer. Das Schnappen des Kofferschlosses wurde von einem erneuten Fingerschnippen des Alten gefolgt.
"Die Akte." Ein schwarzer Hefter wurde ihm gereicht. "Bleibt eine letzte Frage zu klären: Haben Sie eine eigene Ausrüstung?"
Benjamin nickte: "Wie kontaktiere ich Sie?"
"In der Probezeit lasse ich Sie kontaktieren. Darf ich die Ausrüstung sehen?"
Benjamin ließ seinen Aktenkoffer aufspringen und drehte ihn auf seinem Schoß herum, um den Inhalt zu präsentieren.
Der Alte nickte befriedigt. "Wundervoll. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Zu Beginn erledigen Sie bitte eine Familienangelegenheit. Details in der Akte. Es handelt sich um meinen Schwager. Ihren Vorgänger, um genau zu sein. Also sehen Sie es als Bewährungsaufgabe. Das neue Glück meiner Schwester liegt mir am Herzen."
Benjamin zuckte bei dieser Formulierung unmerklich zusammen. Hoffentlich unmerklich. Mit einem entspannten Lächeln betrachtete Signore Lassione den Inhalt von Benjamins Koffer. Alles war auf Hochglanz poliert. In schwarzem Schaumstoff lagen nebeneinander eine Zweiundzwanziger und zwei verschiedene Fünfundvierziger. Außerdem ein schwach schimmernder Schalldämpfer. "Gute Vorbereitung ist alles. Ja, ich gratuliere, Sie sind engagiert."
Ja, er war vorbereitet. Besser, als Signore Lassione glauben mochte. Und die Entscheidungen waren gefallen. Alle Karten lagen auf dem Tisch. Dies hier sollte sein Meisterstück werden. Zum ersten Mal an diesem Tag atmete er tief durch und entspannte sich.
Endlich zur Ruhe gekommen, ließ er seine Hand in die rechte Tasche seines Jacketts gleiten und zog einen kleinen Revolver heraus. Er verwandte vier Schuss, zur Sicherheit, dann war seine Bewerbung vollständig, dann hatte er die Probezeit hinter sich gelassen. Die letzte Prüfung hatte er soeben mit Bravour bestanden. auf ihn warteten neue Aufgaben und ein Appartement in Moskau.
Mit seinem Aktenkoffer in der einen und dem Pilotenkoffer in der anderen Hand wandte er sich der Tür zu. Sein neues Leben konnte beginnen und endlich antwortete er auf die letzte Feststellung des Alten, auch wenn der ihn nicht mehr hören konnte.
"Ja, ich bin engagiert. Äußerst engagiert. Und ich habe Prinzipien."