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Der Nachtwandler

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31.10.2004
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Der Nachtwandler

Gelobt sei uns die ew'ge Nacht,
Gelobt der ew'ge Schlummer.
Wohl hat der Tag uns warm gemacht,
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde ging uns aus,
Zum Vater wollen wir nach Haus.
[2. Strophe "Sehnsucht nach dem Tode" aus "Hymen an die Nacht (Athenaeuumsfassung 1800)" von Novalis (Friedrich von Hardenberg)]

Das helle Mondlicht schwappt gelegentlich durch das halb verdeckte Fenster hinein. In dem riesigen Raum ist es das einzig wahrnehmbare Licht. Der Schein des verstaubten Kerzenleuchters wird gänzlich von der knurrenden Dunkelheit in den Zimmerecken verschluckt. Das Geäst der hohen Bäume malt bedrohliche Schatten auf den matten Fußboden, und hier und da springen Steinsäulen aus ihm hervor, die jedoch mit Gerümpel versperrt sind. Aus einer der Ecken hallt das Knistern von Papier wider.

Samir sitzt dunkel an einem Schreibtisch, vertieft in seinen Büchern. In der Stille lauscht er seinem Atem. Er findet keine Zeit und keinen Sinn darin, das Arbeitszimmer zu renovieren. Vom geliebten Vater erbte er es, zusammen mit den restlichen Räumen der Villa. In der Stadt hielt ihn nichts mehr, als die Leute begannen, überall künstliches Licht zu erzeugen. Sie fürchteten sich vor der Nacht und ihren Gefahren, und suchten Schutz in der Helligkeit. Samir lachte über sie. Aber sie machten die Nacht zum Tag, und so konnte er nicht mehr die Sterne erkennen. Er zog also aufgrund der unbegreiflichen Lichtverschmutzung in dieses Haus. Hier befindet er sich mitten auf einer Lichtung eines menschenleeren Waldes, und hat ungestört freie Sicht auf seine Sterne. Mit wertvollen Teleskopen versucht er, die Distanz zu ihnen zu überbrücken. Er bewundert ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Geschehen auf der Erde. Sie enttäuschen ihn nicht, wie es die Mitmenschen taten, sondern folgen bereitwillig seinen Berechnungen. Um sie zu studieren, schläft er des Nachts nie, und ruht am Tage. In wachen Träumen kommt er ihren Bildern zum Greifen nahe, und sieht sich mit Vergnügen als glitzernder Punkt unter ihnen.

Augenblicklich beschäftigt ihn die Berechnung der exzentrischen Laufbahn eines Kometen. Dieser bewegt sich in nahezu einzigartiger Weise. Unbeugsam fällt er oftmals in schwachen Staubwolken und Gesteinsfelder ein, und verwüstet sie völlig. Er würde ihn schon wieder zur Vernunft bringen, wenn er ihm nur etwas folgen könnte. Doch er kommt nicht voran. Sein Kopf hält sich nur noch mühsam in den aufgestützten Händen aufrecht. Entmutigt preßt er die Lippen zusammen, schlägt, begleitet von einem tiefen Seufzer, seine Aufzeichnungen zu, und gleitet langsam in den ergrauten Lodenmantel. Er haßt solche Reinfälle, und aus diesem Grund entschließt er sich zu einem Spaziergang.

Samir schreitet grimmig die steinerne Treppe hinab.
Aus der Nische am Treppenaufgang schlägt die trügerische Standuhr acht Mal. Der stumpfe Laut zerreißt die Stille. Ihr einförmiger Takt wird von den schweren Stiefelklängen begleitet. Tatsächlich aber ist es Mitternacht. Er liest die Zeit an den Schattierungen der Dunkelheit. Auf halbem Wege begegnet ihm ein klapperndes Fenster. Der Mond lacht ihm sichelförmig ins Gesicht, als er vorbeigeht; und er bliebe gern stehen, um sich länger in seinem Lächeln zu sonnen. Er wendet sich ab, und vergräbt aufgewühlt das Kinn im Kragen. Die Sorgen zwängen ihm die Augenbrauen zusammen, und verjagen die fahle Röte aus dem finsteren Gesicht. Für einen langen Augenblick scheint es, als trage er den Mondschein mit sich davon. In der Eingangshalle verschnauft er kurzerhand, und geht gemächlich zur geflügelten Außentür.

Samir öffnet sie, und erstarrt vor Verzückung über die Herrlichkeit dahinter. Dann tritt er in die sternklare Nacht ein. Über ihm spannt sich ihr gewaltiges Himmelszelt, ein schwarz schimmerndes Geflecht aus Sternen. In einem Märchen las er begeistert vom Nachtreich. Der Mond thront als König. An seiner Seite tanzen jauchzend die Töchter Asteroide und Kometia, und um den Thron funkeln die Sterne als seine Untertanen. Nur die kleine Fabel blickt traurig hinaus auf den Schloßhof, auf der Suche nach neuen Abenteuern. Manchmal entwischt ihr eine Träne, die wie ein Tropfen Öl im Feuer lodernd durch den Nachthimmel zieht.

Samir läuft auf zerfurchtem Waldboden durch die alte, tiefe Mitternacht. Das feuchte Herbstlaub gibt unter den Füßen sacht nach, und lässt ihn leichten Schrittes dem Trübsal daheim entkommen. Die Blätter sind bloß stumme Zeugen der gesamten Sternenpracht darüber. Obwohl der Wind schweigt, friert Samir sehr. Die Kälte entspringt dem Mond, der einsam und kühl hinunterblickt. Auf ihn. Seine Heimkehr erwartend. In der vollkommenen Nacht findet Samir sich zwischen Vergangenem und Zukünftigem. Dieses beruhigende Gefühl hält ihn noch auf Erden. Der hellichte Tag ist ihm zu dumpf, denn er versieht alles Vergängliche und Unbedeutende mit Licht, und es fällt schwer das Starke von dem Schwachem, das Bedeutende – seine Sterne – von der profanen Sinnesfülle zu unterscheiden. Der Tag ist ihm allzu plump und gefährlich, denn man denkt und handelt nach dem Augenscheinlichem, ohne den tieferen Sinn zu hinterfragen, oder ihn gar zu erkennen. Die Nacht ist gerecht. In ihr erhält nur das Reinste, Ewige das vom Mond dosierte und getönte Sonnenlicht. Alles stellt sich in ganzer Klarheit dar.

Über seinen Kopf beugen sich immer mehr Baumkronen, deren Äste schützend ineinandergreifen, je tiefer er in den unentdeckten Wald vordringt. Nie zuvor blickte jemand in diese Fremde. Nie jemand in seine Sterne. Der Mond gießt die Welt in Blei – farblos und rein leuchtet sie zurück. Die Füße schmerzen ihn. Nur noch vertrocknete Nadeln pflastern seinen unbehaglichen Weg. Trotzdem macht sich in ihm ein eigenartiges Gefühl von Wärme und Herzenslust breit, das ihn zu einem fröhlichen Lied ermuntert. Der Vater sang es ihm immer an seinem Bett. Aus der Ferne mischt sich Wolfsgeheul in die Melodie ein, und dicht bei ihm lässt der Gesang der Nachtigall seinen eigenen verblassen. Er schließt bedächtig die Augen. Ihre Klänge sind von besonderer Natur. Die Nacht hebt sie hervor, und lässt sie friedvoll in den Ohren nachhallen. Schon öfters hatte die Nachtigall ihn am Fenster mit ihren Strophen verzaubert, und die mühselige Arbeit erleichtert. Gespannt horcht er also nach ihr. Ihr Ruf lockt Samir zu einem Waldsee.

Zu seiner Linken ruht der Vogel hinter einigen Ästen in einem Baum, und beobachtet ihn ungläubig. Er lehnt sich an sein Versteck an, und spürt, wie der Rücken die weiche Rinde eindrückt. Ruhig schweift sein Blick umher. Der See liegt in stiller Abgeschiedenheit, umringt von Wald. In seiner Mitte spiegeln sich Mond und Sterne. Sie verleihen ihm den Eindruck von unendlicher Tiefe. Der See fasst einen irdischen Sternenhimmel. Als Horizont glänzt heilig die Wasseroberfläche, und hindert die ruhelosen Sterne an der Flucht in Richtung Nachthimmel. Samir aber weiß um deren List. Feiner Dampf – nein, Sternenstaub ! – steigt aus dem Wasser auf, und legt sich sanft auf umliegende Dinge nieder. Ein Tropfen Ewigkeit haftet als Tau an Blätter, Blüten und Gras. Hoffnungsvoll schmückt sich die Umgebung mit ihm, und scheint unvergänglich zu sein. Zumindest bis zum nächsten Morgen, sobald wärmende Sonnenstrahlen diese wieder entführen.

Er tritt näher ans Ufer. Ein Strauch Heidelbeeren bedeckt seine Wurzeln im lehmigen Boden. Hungrig sucht er nach Früchten an den Zweigen. Eine Handvoll davon steckt er in den Mund, und spuckt sie sofort wieder aus. Er hustet, und lässt vornüber gebeugt den bitteren Speichel hinauslaufen. Mit den Finger schiebt er störende Blätter beiseite, und sieht das Übel. Das Gewächs trägt sowohl reife als auch bittere Früchte zur Schau. Die Reifen aber sind im Begriff zu sterben, verfaulen und schmecken bitter. Allein die Unreifen trotzen noch dem Frost, und möchten zur Reife gelangen – um schließlich im kommenden Winter zu verderben, oder vorher verspeist zu werden. Er webt seine Gedanken in schmerzlichen Erfahrungen ein. Alles Reife in der Welt gelüstet zu sterben, und alles Unreife will leben. Die Menschen drängen im Alter zum friedlichen Sterben, und in jungen Jahren zum genügsamen Leben. Engstirnig verlieren sie sich dabei einander aus den Augen.

Die Nachtigall macht sich durch ein tiefes Knarren bemerkbar. Sie bekräftigt ihn in seinem Vorhaben. Kurz entschlossen wirft er seine Kleider ab, bis er nackt dem Schicksal und den Sternen gegenüber steht. Nichts ist ihm den Einsatz seines Herzens wert, weil nichts von Dauer ist. Aber seine Sterne, sie sind in Ewigkeit, und mit ihnen der vertraute Vater. Er sehnt sich nach ihm, will zurück in seinen Schoß. Das kalte Wasser des Sees beginnt fröhlich zu spritzen, als er hinein steigt. Mit dem Sternenstaub wäscht er sich rein, für einen letzten, verheißungsvollen Atemzug.
Dann taucht Samir auf ewig hinunter in die schwarz schimmernde Tiefe ...

 

Liebe Moonay,

freut mich wieder eine Geschichte von dir zu lesen. Dann fange ich mal an, die Sachen zu beschreiben, die mir nicht rund erscheinen.

In diesem Zustand erbte er es vom geliebten Vater, zusammen mit den restlichen Räumen der Villa. Nicht nur die Lage bewog ihn vor sechs Jahren, hier einzuziehen, sondern auch die zunehmende Lichtverschmutzung in der Stadt. Das unscheinbare Haus befindet sich mitten auf einer Lichtung eines menschenleeren Waldes. Von hier aus hat er ungestört freie Sicht auf seine Sterne. Mit wertvollen Teleskopen versucht er, die Distanz zu ihnen zu überbrücken.
Das wirkt schon wieder ein bisschen erklärt, gerade nach den beginnenden Beschreibungen der Stille.

Augenblicklich beschäftigt ihn die Berechnung der exzentrischen Laufbahn eines Kometen sehr.
Das sehr klingt ein bisschen komisch. An der Stelle hatte ich Lust in den Kometen einzutauchen, oder die Beziehung zwischen Samir und dem Kometen besser kennenzulernen und war durch die Kürze des Absatzes etwas entäuscht.

Mit einem kurzen Aufschrei gibt sie ihr Geheimnis preis
Das mit dem Geheimnis der Nacht erfahre ich persönlich nicht durchs Türöffnen, also klingt es für mich etwas unverständlich. Vielleicht lohnt es sich auch hier mehr über die Gefühle zu reden, die das Geheimnis einer solchen Nacht ausmachen.
Deshalb geht er nur nachts aus dem Haus.
Erklärung, die schon im vorherigen Satz klar wird. Brauchste nicht.
– Und ist nicht die Mitternacht heller als jeder Tag ?
Das ist ein guter Kneipensatz, aber in der Geschichte mag ich ihn nicht. Überhaupt mag ich solche dahingestellten Fragen nicht und du hast ja im Absatz schon genug gezeigt, was die Nacht bedeutet. Man versteht es auch ohne.
Über seinen Kopf bäumen sich mehr Baumkronen, deren Äste schützend ineinandergreifen, je tiefer er in den unentdeckten Wald vordringt.
Zweimal Baumwörter klingt ein bisschen nach Bauernwitz. Das Wort mehr klingt auch nicht so gut- eher immer mehr.
Er fühlt sich an seine Sterne erinnert.
Der Satz fühlt sich auch komisch an, da ich ja annehme, daß er dauernd an Sterne denkt. Wenn du nur einen Übergang zu den Sternen suchst, reicht auch einfach das Wort Sterne, wie einen Ausruf zu plazieren, oder ähnliches.
Zu Bett gehen
Zu-Bett-Gehen, oder irgendwas anderes vielleicht.
in die Melodien ein
Melodie in der Einzahl
an dessen Baum
klingt auch nicht so gut, vielleicht reicht den Baum
Ein Fetzen Ewigkeit haftet als Tautropfen
fetzen und Tropfen sind zwei so verschiedene Dinge, daß ich sie nicht in ein Bild zusammenkriege.
und scheint hierauf unvergänglich zu sein
das hierauf klingt altdeutsch und heutzutage ein bisschen schief, ganz abgesehen davon, daß der Satz das Wort nicht braucht. Bei dem Text ist es mir insgesamt aufgefallen und hindert mich ein bisschen daran, mich ganz in ihn fallen lassen zu können.
Gespannt horcht er ihr also nach.
...horcht er also nach ihr. Oder besser ganz anders.
Das verkniffene Gesicht verrät den üblen Geschmack der Beeren. Er untersucht den Strauch genauer. Dieser scheint sowohl reife, bekömmliche als auch unreife, bittere Heidelbeeren mit hartem Kern zu tragen. Die Reifen aber sind im Begriff zu sterben, verfaulen und schmecken bitter.
Auch wieder ein bisschen erklärt.
Seine Redseligkeit eröffnet ihm weitere, düstere Ansichten von der Welt.
Wieso Redselig? Meinst du seine Gedanken? Wenn ja dann schreibe doch einfach, was du meinst.
Alles Reife gelüstet zu sterben, und alles Unreife will leben. Die Schöpfung begreift nicht den Irrwitz ihres Daseins. Und deswegen bleibt der Mensch ein Leben lang ein Egoist. Dieser denkt in seinem Starrsinn nur an Sterben oder Leben, und verliert seine Mitwelt aus den Augen. – Doch ist er nicht selbst gereift, in den vielen Jahren ?
Gefällt mir nicht so gut und klingt nach kurzen, nicht zu Ende gebrachten Gedanken über das Menschsein. Auch die Begründung, daß der Mensch sein Leben lang ein Egoist wäre, darin zu finden, daß die Schöpfung nicht den Irrwitz ihres Daseins begreift, ergibt für mich keinen Sinn, bzw Zusammenhang.

Schade, daß sich alle Leute mit ein bisschen Sensibilität immer gleich umbringen und immer sind die Eltern dabei. Das Ende fand ich einfach nur schade, aber dem Rest konnte ich ein paar gute Momente abgewinnen. Andere waren für mich zu gewollt. Manchmal habe ich den Eindruck, daß dir ein bestimmter Ausdruck nur dem Ausdruck zuliebe gefällt und er nicht viel mit dem Gegenstand zu tun hat. Das enfremdet mich der Geschichte. Wie immer finde ich aber deine Sprachgewalt klasse, nur beherrschen musst du sie.
Das zu meinen Empfindungen bei deinem Text, ich hoffe, daß du mit der Kritik etwas anfangen kannst.

Ganz viele liebe Grüße,
Simone.

 

Hallo Simone,

Ich freue mich sehr über deine Kritik. Den Text werde ich nochmal überarbeiten, und vorallem an den Stellen, an denen ich wieder ins Erzählerische verfalle, Korrekturen ausüben.

Liebe Grüße,
moonaY

 

Hallo Simone,

Ich habe den Text nach deinen Kritikpunkten hin verändert. Übrigens kannst du mich auch mit Lieber grüßen. :)

LG moonaY

 

Hallo moonaY,

deine Geschichte wirkt wie ein einziges Bild. Dies ist sowohl als Lob, als auch als Kritik gemeint. Als Lob deshalb, weil du wie immer einige sehr schöne Bilder und Formulierungen in deiner Sprache hast. Als Kritik, weil ich finde, dass du deine Geschichte an manchen Stellen mit dieser Bildhaftigkeit, den Details, den Adjektiven überfrachtet und übertrieben hast.

Inhaltlich fand ich sie sehr ansprechend, wenn auch ich nicht weiß, was ich vom Ende halten soll. Einerseits ist Selbstmord ein sehr typisches und klischeehaftes Ende, andererseits begründest du ihn durch die Reife-Theorie sehr schön.

Details:

In der Stadt hielt ihn nichts mehr
Samir öffnet sie, und erstaunt sich lange Zeit über die Herrlichkeit dahinter.
Dies mal als Beispiel für einige Formulierungen, die ich zu kompliziert fand. Warum "erstaunt sich", warum so umständlich?
Ansonstne ist mir noch aufgefallen, dass du einige Kommas zuviel im Text hast. Z.B., wenn du Halbsätze aufzählungsartig aneinanderreihst und mit "und" verbindest.

Liebe Grüße
Juschi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Juschi,

Danke für deine hilfreiche Kritik ! Deine beiden Anmerkungen habe ich im Text berücksichtigt.

Vielleicht auch etwas zum Inhalt : Im Grunde bin ich auch kein Befürworter von Selbstmord. Aber für diese Geschichte war es für mich die einzig logische Auflösung des Problems. Hinter dem Charakter Samir (arab. Name, "Der durch die Nacht begleitet") steht das natürliche Streben des Menschen nach Unendlichkeit. Prominente Beispiele sind Seefahrer wie Vasco da Gama, die wissen wollten, was sie hinter dem Horizont erwartet, oder auch der heutige Wunsch nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit. Seine Anstrengungen bündelt er in der Erforschung der Sterne, die in ihrer Ewigkeit scheinen, und unter denen er seinen verstorbenen Vater vermutet. Am Waldsee entdeckt er den irdischen Sternenhimmel. In ihm sieht er die Sterne. Und da es sein größtes Verlangen ist, mit ihnen zu verschmelzen, um so zu seinem Vater zurückzukehren, taucht er in das kalte Wasser hinab und stirbt.

Eigentlich war die Geschichte als Homage an das Erimiten-Leben gedacht.

Liebe Grüße,
moonaY

 

Hallo MonnaY,

Das helle Mondlicht schwappt gelegentlich durch das halb verdeckte Fenster hinein.

Guter Satz zum Einstieg.

Samir sitzt dunkel an einem Schreibtisch, vertieft in seinen Büchern.

Wie kann man denn dunkel an einem Schreibtisch sitzen? Das gefällt mir nicht so, auch wenn ich mir denken kann, worauf du hinaus wolltest.

Er zog also aufgrund der unbegreiflichen Lichtverschmutzung in dieses Haus.

Monnay, Monnay, Monnay... Du malst schon die ganze Zeit sehr, sehr schöne Bilder in deinem Text. Plötzlich wirfst du dann einen Satz ein, der sich anhört wie aus einer Akte. Ich glaube sogar, du könntest diesen Satz ganz weglassen, da es eigentlich aus dem Zusammenhang schon klar wird.

Er haßt solche Reinfälle, und aus diesem Grund entschließt er sich zu einem Spaziergang.

hasst

Samir schreitet grimmig die steinerne Treppe hinab.

Kann man grimmig schreiten?

Der Tag ist ihm allzu plump und gefährlich, denn man denkt und handelt nach dem Augenscheinlichem, ohne den tieferen Sinn zu hinterfragen, oder ihn gar zu erkennen. Die Nacht ist gerecht. In ihr erhält nur das Reinste, Ewige das vom Mond dosierte und getönte Sonnenlicht. Alles stellt sich in ganzer Klarheit dar.

Hier fängst du ein wenig an, dich zu wiederholen. Du darfst dem Leser nicht alles vorkauen. Sonst denken sie nicht selbst über deinen Text nach. Sie lesen ihn und vergessen ihn wieder, ohne dass er einen Eindruck hinterlässt.

Alles Reife in der Welt gelüstet zu sterben, und alles Unreife will leben. Die Menschen drängen im Alter zum friedlichen Sterben, und in jungen Jahren zum genügsamen Leben.

Ich weiß nicht so recht, was ich von dieser Geschichte halten soll. Auf der einen Seite bin ich beeindruckt, ob der schönen Bilder. Das kannst du wirklich sehr. Ich würde das nie so hinbekommen. Allerdings geht über diesen ganzen Bildern die Handlung ein bißchen unter.
Es sind quasi fast nur Bilder in der Geschichte.

Das du zu viel erklärst und damit dem Leser den Gedankenspielraum nimmst, habe ich ja bereits geschrieben. Ich glaube gerade bei philosophischen Geschichten ist das ein großer Fehler. Man möchte selbst über Dinge nachdenken, selbst auf eine Lösung kommen, aber das machst du fast unmöglich.

Gut, über das Ende kann man streiten. Mir persönlich hat´s nicht gefallen. Eigentlich machte dein Prot. einen relativ glücklichen Eindruck in dieser Nacht. Vielleicht melancholisch, nachdenklich... aber nicht selbstmordgefährdet.

So long,

Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo moonaY,

du hast dich ein paar Tage gedulden müssen. Dein Prot liebt die Nacht und findet in ihr Erfüllung. Weltabgewandtt und misanthropisch sucht er letztlich den Tod. Allerdings finde ich diese Sehnsucht noch nicht in ihrer letzten Konsequenz zwingend beschrieben. Sein Schritt bleibt mir rätselhaft, denn er scheint in der Villa zu haben, was er braucht, sogar die Nähe zum Vater. Er scheint mit genug Wohlstand gesegnet, ein Leben jenseits der Tage zu führen, einzig einsam ist er. Und auch das ist eine selbst gewählte Einsamkeit, wenn auch diese Wahl aus der Enttäuschung rührt.
Die Figur deines Prot hast du schön charakterisiert und ohne den Suizid, hätte man sicher fragen können, warum du die Geschichte erzählst oder wo denn über eine Charakterbeschreibug hinaus die Geschichte wäre. Insofern steckst du für mein Gefühl in einem Dilemma. Wenn es das finale Ende nicht gäbe, wäre kein Ende in Sicht, das Ende ist aber nicht zwingend herbeigeleitet.
Manchmal verfängst du dich gerade zu Beginn der Geschichte in deinen betont bildnerischen Formulierungen. Dazu mehr in den Details:
Beim gelegentlich hineinschwappenden Mondlicht dachte ich mir noch, es könnte an den Wolken liegen, aber für diesen Satz gibt es leider keine Erklärung mehr.

Das Geäst der hohen Bäume malt bedrohliche Schatten auf den matten Fußboden, und hier und da springen Steinsäulen aus ihm hervor, die jedoch mit Gerümpel versperrt sind.
Springen die Steinsäulen nun aus dem Schatten oder aus dem Geäst der Bäume hervor? Und wie springen Steinsäulen? Hast du dir das einmal bildlich vorgetellt? Wie sieht es aus, wenn springende Steinsäulen mit Gerümpel versperrt sind und nciht etwa der Weg über den sie springen könnten? Der Satz ist, so Leid es mir tut das sagen zu müssen, inhaltlicher und blidlicher Unsinn.
Aus einer der Ecken hallt das Knistern von Papier wider.
Widerhallen tut ein Echo.
Samir sitzt dunkel an einem Schreibtisch, vertieft in seinen Büchern.
Worauf bezieht sich das dunkel? Auf Samirs Hautfarbe oder auf seinen Gemütszustand? Wenn ich den Absatz weiterlese, dann sitzt er im dunklen Arbeitszimmer am Schreibtisch.
Unbeugsam fällt er oftmals in schwachen Staubwolken und Gesteinsfelder ein,
schwache (ohne n) Sonst hast du einen Fehler im Casus
Auf halbem Wege begegnet ihm ein klapperndes Fenster.
Das würde man so schreiben, wenn ihm das Fenster, ebenfalls unterwegs, entgegenkommen würde.
Dann tritt er in die sternklare Nacht ein
mE sternenklar
Schon öfters hatte die Nachtigall ihn am Fenster mit ihren Strophen verzaubert
Rein sprachlich passte mE häufiger besser in deinen Stil als öfter(s)
Ein Strauch Heidelbeeren bedeckt seine Wurzeln im lehmigen Boden.
wenn bedeckt, dann "mit", nicht "im"
Engstirnig verlieren sie sich dabei einander aus den Augen.

Mir hat die Geschichte in der Fomr leider nicht gefallen. Ich mochte die altmodische Erzählweise, zum Inhalt allerdings habe ich für mich keinen Zugang gefunden. Vielleicht weil ich die Sonne und die Banalitäten viel zu sehr mag. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Bella und sim,

Ich möchte auch euch für die abschließenden Bemerkungen und Kritiken danken. Dadurch habe ich erkannt, dass man einerseits seine eigenen Gedanken noch klarer in den Text einbinden, und andererseits bewußt Leerstellen lassen sollte, um den geneigten Leser noch mehr zu eigenen Vorstellungen zu drängen. Ihr habt Recht, wenn ihr bemängelt, dass die Geschichte in manchen Beschreibungen - mögen sie noch so bildreich und schön sein - einfach überladen wirkt, und merklich die Lesemotivation negativ beeinträchtigt. Bei meinen nächsten Kurzgeschichten werde ich versuchen, die Problematik bzw. das Geschehen noch deutlicher in den Mittelpunkt zu rücken, und meine bildliche Sprache in einigen Erläuterungen außen vor zu lassen. Ob mir das schon geglückt ist, könnt ihr anhand einer kurzen Geschichte, die ich am Sonntag geschrieben habe und die im Alltag-Bereich unter "Wüstenblume" zu finden ist, selbst beurteilen. In diesem Sinne freue ich mich schon auf weitere Kommentare eurerseits zu meinen nächsten Kurzgeschichten.
Vielen Dank.

Liebe Grüße,
moonaY

 

Hallo moonay,
Nachdem ich von Wüstenblume so angetan bin, habe ich mich noch an diese Geschichte gewagt. Auch hier glänzt du mit bildhafter Poesie, die mir die ambivalenten Sehnsüchte des Protagonisten veranschaulichen. Nur empfinde ich diese Erzählung als sehr überladen, so schön die einzelnen Beschreibungen auch sein mögen. Was mir angenehm auffällt ist dass deine Methaphern und Satzkonstruktionen überwiegend in sich logisch sind. Ein reines Lesevergnügen, welches aber doch den Transport deiner Gedanken erschwert. So sind die Sehnsüchte zwar in Bilder gekleidet, die traumhaft sind, aber die Melancholie des Protagonisten nicht erklären.
Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hallo moonaY,

dein Protagonist sucht nach dem Absoluten, nach dem Verlässlichen und findet es in der Astronomie. Aber er gibt sich auch einer Illusion hin:

„Sie enttäuschen ihn nicht, wie es die Mitmenschen taten, sondern folgen bereitwillig seinen Berechnungen.“

Seine Berechnungen können nur widergeben, was die Sterne tun, sie folgen ihnen nicht. Den Forschungsdrang des Mannes stellst du glaubwürdig dar, er verzehrt sich in seinem Tun. Dein Prot. ist, nun, sagen wir mal, nicht repräsentativ für menschliches Verhalten, deshalb auch sein verschmelzen mit den Sternen im See. Diese Handlung widerspricht eigentlich seinem Bestreben nicht diesen großen Fehler zu machen: „man denkt und handelt nach dem Augenscheinlichem“.


Du bemühst dich um bildreiche Sprache, manchmal halte ich dies nicht für gelungen, z.B.:

„Das helle Mondlicht schwappt gelegentlich durch das halb verdeckte Fenster hinein.“

- Schwappen ist eine Bewegung von Substanz, man sieht, wie diese ankommt.


„Das Geäst der hohen Bäume malt bedrohliche Schatten auf den matten Fußboden, und hier und da springen Steinsäulen aus ihm hervor“

- Es gibt zwar einen Gebäudevorsprung, doch der bezieht sich auf die Horizontale. Aus ihm hervorspringen würde auch bedeuten, dass der Boden durchbrochen wird.


„Samir sitzt dunkel an einem Schreibtisch“

- beherrscht von dunklen Gedanken oder im Dunkel.

„unbegreiflichen Lichtverschmutzung in dieses Haus“

- das ist ein Begriff aus der Beleuchtungstechnik, er kommt so plötzlich in all der malerischen Sprache.

„Dieser bewegt sich in nahezu einzigartiger Weise. Unbeugsam fällt er oftmals in schwachen Staubwolken und Gesteinsfelder ein, und verwüstet sie völlig.“

- Wie hat man sich die Verwüstung vorzustellen?


„In der vollkommenen Nacht findet Samir sich zwischen Vergangenem und Zukünftigem.“

- Und wo befinden sich die Menschen tagsüber?

Eine Überarbeitung hat der Text allemal verdient, allein schon wegen der Thematik, die noch ausgebaut werden kann.

L G,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

Das nennt man wohl Störung der Totenruhe. ;)
Mich würde brennend interessieren, wie es dazu kommt, dass du ausgerechnet diese alte Geschichte erneut ausgräbst? Ich halte sie von sprachlicher Seite aus für misslungen.

Der Einleitungssatz deiner Kritik trifft es haargenau. In seinem Forschungsdrang verliert der Protagonisten jeglichen Sinn für die Realität. Er ist den Sternen so sehr verbunden, dass er sich nur bei Nacht, wenn sie ihm leuchten, hinaus ins Leben wagt. Sein Denken und Handeln ist einzig von dem Gedanken besessen, eins mit ihnen zu werden, um so die Trauer über den Tod seines Vaters zu überwinden. Am Ende treibt ihn seine Blasphemie in den (physischen) Tod.

Der Protagonist befindet sich außerhalb der Gesellschaft, handelt also nicht nach menschlichen Maßstäben.

Mittlerweile habe ich so ziemliche alle Gedanken zu dieser Geschichte verworfen. Nicht zuletzt deswegen sehe ich in nächster Zeit von einer Überarbeitung ab.

Herzlichen Dank für deine Kritik.

Schöne Feiertage,
moonaY

 

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