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Der Orgelbauer und sein Mädchen oder wie man sich selbst verliert

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22.11.2005
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Der Orgelbauer und sein Mädchen oder wie man sich selbst verliert

Und wieder eine Terz weiter. Endlich, denn der Finger drohte zu verkrampfen.
„`ne große Terz!“, hallte es aus den Gedärmen der Orgel. Leises Fluchen folgte.
Schnell hielt er das zweigestrichene Cis. Wie gerne hätte er jetzt „con moto maestoso“ von Mendelssohn Bartholdy, eingeleitet mit einem wunderschönen A-dur-Akkord, hingeschmettert, das neu eingebaute Subbassregister im Pedal dazugeschaltet und auf dem eher barocken Flötenprinzipal im zweiten Manual improvisiert, es zumindest versucht, oder noch viel lieber: den Tutti Schalter betätigt und den unsäglichen Orgelwolf, möglichst schrill, urplötzlich erhallen lassen, sodass dem diktatorischen Arbeitskollegen im Inneren der Orgel das Bier aus den Adern schießen und er sein eigenes Geschrei nicht mehr verstehen würde. Bei einem ernst zu nehmendem Tinnitus könnte der verhasste Meister, der sich gerade wie eine Schlange durch das Hauptwerk wand, vorzeitig in Rente gehen.
„Ja hörst du das denn immer noch nicht?“, kläffte der Mentor, während er die passende Pfeife zur dazugehörigen Taste suchte. „Und jetzt weitaa!“
Dieses „weitaa!“ erklang ungefähr alle zwanzig Sekunden, hinderte den jungen Tastenhalter am Einschlafen. Eigentlich war es nicht schwer: auf Kommando immer eine große Terz weiter. Zweiundfünfzig Tasten, achtundvierzig Register, dreihundertsechsunddreißig Mal also. Tastenblei, mehr war er nicht. Neun, manchmal sechzehn Stunden pro Tag. Manchmal nachts. Von Stadt zu Stadt, von Tag zu Tag, von Kirche zu Kirche, von Orgel zu Orgel, von Hotel zu Hotel, von Ei mit Orangensaft und Schinken zu Kaffee und Frühstücksflocken mit Ahornsirup, von Neutrup zu Oberuntertrup nach Arschtrup. Ob er dort auf der Dachkammer der Pastorenfamilie nächtigte, wo ihm der Ausgang nach zehn Uhr verwehrt blieb, er in Berlin-Siemensstadt ein, an eine Bienenwabe erinnerndes, Hotelzimmer mit Blick auf fahlen Backstein bezog oder es sich mit Schlafsack, Buch und vielen Decken auf der Orgelempore gemütlich machte, er dachte an Zuhause; an seine Band, bei der nicht jeder Ton akribisch genau gestimmt sein musste, an das Frühstücken mit seiner Familie und schlichtem Nutellatoast, an sein Bett mit dem Traumfänger darüber und seinem Geruch und an Mutters grandiosen Nudelauflauf, nicht zu vergleichen mit all den „Tonis“ und „Angelos“, all den urigen und zünftigen Bauernstuben, in denen er dem Geseier seines Kollegen aufmerksam und interessiert zuhören und daraus etwas fürs Leben lernen musste. Und auch alle spesengeldfressenden, orientalischen, australischen, kenianischen oder grönländischen Gasthäuser ragten beileibe noch lange nicht an Mutters Bratkartoffeln heran.
Mitunter geschah es, dass dem aufrichtigen Lehrling eine schenkeltriefende Prostituierte aufs Zimmer geschickt wurde. Er bräuchte so etwas auf den wochenlangen Montagen, prophezeite ihm sein freigiebiger Meister, der die kaugummischmatzenden Schabracken väterlich im Voraus bezahlt hatte, immer wieder. Sie setzten sich dann zu ihm an die Bettkante, drehten in den Kaugummis oder den Haaren, fragten, wie er es denn gerne hätte und stöhnten wie zuvor im Nachbarzimmer; genauso kurz, genauso vergnügt, genauso wenig befriedigt, allerdings angezogen und vertikal. Alles auf Wunsch des genervten Freiers, welcher damit dem Geschwafel seines Meisters ausweichen wollte. Auch dieser hatte ja eine Frau zu Hause, und Kinder, aus denen unter Garantie mal etwas Besseres werden würde, als aus dem aufmerksamen Orgelbaulehrling.
Beim weihnachtlichen Betriebsessen sah er die zwanghaft-zufriedene Ehegattin mit ihren glubschäugigen Kindern, die das Gemüse nicht wollten, sondern jetzt schon die Eiscreme und sie auch bekamen. Das dahingestellte Schmunzeln seines ihm diktierten Vorbildes, von dem er noch so viel lernen konnte und sollte, und wie dieser den Kollegen von seiner Väterlichkeit unserem Protagonisten gegenüber erzählte und über dessen Zukunft er nur allzu genau Bescheid wusste, ihn als zu sensibel und weich einstufte, ihm das Gehör eines Hufschmiedes vorhersagte und diese langen Hippiehaare müssten so langsam auch mal der Vergangenheit angehören. Er, der Meister der Intonation höchstpersönlich, konnte ein Gehör vorweisen, das ihm erlaubte, die Läuse beim Beischlaf zu belauschen.
„Du musst nur hinhören!“, erklang es immer wieder aus seinem Klumpen von Gesicht, dessen Mund nur schwieg, um die Flasche anzusetzen.
Aber er hörte schon lange nicht mehr zu, beruflich wie privat, hielt die Tasten, wechselte die Terzen und fiel, schwer wie Tastenblei, ins steril riechende Bett.
Denn, was er noch mehr vermisste als Mutters Essen, die Lockerheit seiner Band oder seinen leiblichen Vater, war der Geruch seiner Freundin, seiner auserkorenen Bienenkönigin.
Vom läppischen Gehalt hatte er ihnen Mobiltelefone gekauft, mit denen sie sich Bildmitteilungen senden konnten.
Die Bienenkönigin stürzte sich, stationär wie ihr Leben war, mit voller Kraft in ihr Abitur, um nicht an ihren Geliebten denken zu müssen, den sie bei einem seiner Auftritte kennengelernt hatte, als er sie „Backstage“ geladen hatte, oder wie man ein Hinterzimmer mit Bierkästen und Grasgeruch auch immer nennen mag. Schon fast idealistisch hatte er sein Leben auf die Musik beschränkt, wollte nie etwas anderes machen. Als Kind hatte er mal Klavierunterricht bekommen und wollte dies nun nutzen, um ins Berufsleben einzusteigen. Die Mischung aus Handwerk und Musik war es, die ihn zum Orgelbau getrieben hatte.
Jetzt war er Tastenblei, in illusionistisch gestalteten, uninteressanten Dorfkirchen, bei denen höchstens zwei todbleiche Omas dem Gottesdienst beiwohnten.
Mit seiner Band hatte er schon lange nicht mehr geprobt und der neue Gitarrist, der zwar nicht seit seiner Kindheit mit der Band agierte, aber zumindest vor Ort war und Zeit hatte, wurde ihm verheimlicht.
Melissa, wie seine Herzdame hieß, heulte jeden Montagmorgen unter dem Traumfänger im Duft der Symbiose und sah ihren Freund die nach Asbest stinkenden Klamotten überstreifen, die Reisetasche mitreißen und ihn für mindestens fünf Tage aus ihren Augen und ihrem Leben verschwinden. Was machte er auf seinen Montagen? Seine Reisetasche war voll mit CDs, Büchern, Räucherstäbchen und Haschisch. Er schickte Fotos von engen Hotelzimmern, weiten Kirchen, Kruzifixen und seinem unglücklichem Gesicht, welches mit Staub aus der Orgel, älter als er selbst, überzogen war.
Doch wenn sie zusammen im Geruch lagen, er seine Tränen unterdrückte und sie ihn krabbelte, wollte er sich die Blöße nicht geben. Hauptsache Musik! Hauptsache etwas mit Musik! Nie würde er im Bürostuhl versauern, nie in Ärsche kriechen oder am Fließband stehen.
Die Wochenenden und Feiertage, die Urlaubstage und Telefonate, die fast sein ganzes Gehalt verschlangen, dienten ihm nur dazu, sie noch mehr zu vermissen.
Mit der Zeit und den Orgeln wurde er immer wortkarger, konnte die Zusammenkunft mit seiner Freundin, Mutters Essen oder die gemeinsamen Session mit seiner ehemaligen Band nur getrübt genießen. Sein Meister und dessen Schnauzerei saßen ihm im Nacken.
Und auch der Blockunterricht auf der Berufsschule brachte ihn nicht im Geringsten weiter, da dieser in Stuttgart stattfand und er dort zwar neue und interessante Bekanntschaften knüpfen konnte, Leidensgenossen um sich hatte und sogar eine Neigung zum exakten Hören entwickelte und durchaus eine Begabung zum Intonieren vorweisen konnte, aber abends doch nur wieder stundenlang auf das Foto von ihr starrte, welches durch einen selbst gewerkelten Bilderrahmen umschlossen wurde.
Und so begann er, die feierabendlichen Biere mit seinem Meister zu genießen. Sie blieben von Tag zu Tag immer länger sitzen, fanden Gemeinsamkeiten und der Generationsunterschied zwischen ihnen verblasste und schien bald nicht mehr vorhanden. So langsam konnte der Lehrling Funken von Wahrheit in dem Geseier seines Meisters finden, wenn dieser das Leben periphrasierte. Er entwickelte ein sarkastisches Lachen, welches seiner Freundin Angst machte und begann zu Hause in ähnlichen Phrasen zu erzählen wie sein tagtäglicher Teilzeitvater.
Auch dieser war ja nicht ohne Grund Orgelbauer geworden. Auch er spielte Gitarre, hatte den Blues, wie er in einem Musikinstrumentenladen unter Beweis stellen konnte. Und so wurde er zum Lehrer und erreichte auch endlich das lange Zeit verschlossene Gehör des eifrigen Schülers.
Er musste nur hinhören! So schwer war es gar nicht. Bald konnte er einzelne Zungenpfeifen stimmen, bald ganze Register intonieren. Er wurde zu mehr als Tastenblei und auch die Montagen schienen mit Einbruch des Frühlings immer interessanter zu werden. Erst Polen, wo sie gemeinsam Zigaretten schmuggelten, dann das atemberaubende Nordkap, wo sie in der scheinbar ewigen Dunkelheit schwedisches Marihuana genossen, oder das Land der Geysire, wo sie die heißen Quellen bestaunten, dann England, wo sie sich durch sämtliche Pubs und Whiskeysorten tranken, bis hin zur Küste Frankreichs, wo sie sich in die Wellen warfen.
Der Schüler wuchs an sich selbst, lernte die Fremde zu lieben und entwickelte Identitäten, die es ihm ermöglichten, Kontakt mit Fremden aufzubauen. Was hatte er auch zu verlieren? Er konnte doch offen auf die Menschen zugehen, denn er würde sie ja nie wiedersehen. Inkognito war er Student, wenn er auf Unipartys ging, Austauschschüler aus Frankreich, wenn er in Kneipen war oder Orgelbauer, das war auch interessant genug. Bei Frauen konnte er sich Körbe einhandeln, denn seine Freunde erfuhren es ja nicht und seine Freundin schon gar nicht. Immer weniger telefonierte er mit ihr, ließ ihr Bild meistens in der Reisetasche und schaffte es manchmal sogar, fremde Frauen mit aufs Hotelzimmer zu nehmen. Unter den stolzen Augen seines Lehrers hatte er sich eine Sammlung an Damenunterwäsche angelegt.
Und auch den Nutten war er nicht mehr abgeneigt. Wie sagte sein Meister immer: „Auf älteren Gäulen lernt man das Reiten.“ Und sie beherrschten immerhin ihr Handwerk, fragten nicht nach Morgen und machten Dinge mit ihm, die ihm seine Freundin verweigert hätte. Er ließ sich die Haare schneiden, woraufhin ihm sein Vorbild zwei Prostituierte auf einmal spendierte, rasierte sich nicht mehr und begann sich in Weihwasserbecken die Hände zu waschen.
Es wurde Sommer und sie kassierten das Spesengeld für die Hotelzimmer, obwohl sie an abgelegenen Baggerseen zelteten, wo der Meister dem Schüler in langen Nächten Angeln, Skat und den Umgang mit Schusswaffen lehrte. Auch die rasanten Autobahnfahrten wurden für den Lehrling zur Sucht. Er genoss das Adrenalin, welches durch seine Venen schoss, wenn er mit zweihundertzwanzig Kilometern pro Stunde an den anderen Versagern vorbeibretterte.
Seine Heimat widerte ihn an, sie war langweilig. Auf der Abiturentlassungsfeier des Jahrgangs seiner Freundin prahlte er mit seinen Reisen, seinen neu erlangten Fähigkeiten, rümpfte die Nase über die ortsansässigen Kneipen und Diskotheken und über seine ehemalige Band, deren Klang Schmerz in seinen musikalischen Ohren verursachte. Er schwärmte von Geysiren, dem Nordkap und seinen neuen sexuellen Erfahrungen, verteilte zollfreie Zigaretten. Naiv war es zu denken, dass diese Prahlereien nicht auch in das Ohr seiner Freundin dringen würden, von der er sich immer mehr distanzierte, da die Gemeinsamkeiten schrumpften und er Dinge von ihr verlangte, die sie niemals schätzen lernen würde.
Was er zu schätzen lernte, war die Ästhetik der Kirchenbaukunst. Schon bald konnte er zwischen Barock und Gotik unterscheiden, erkannte überhöhte und gedrückte gotische Bögen und interessierte sich für die Dispositionen der Orgeln.
Mit stolzer und angetrunkener Brust lief er durchs Neuland, bellte Weibchen an und verspottete sie, wollten sie die Zweisamkeit mit ihm nicht. Zusammen mit seinem Arbeitskollegen, den er inzwischen duzte, klapperten sie die Jazzklubs der Montagestädte ab, waren zu einem Duo geworden, und wenn es nicht klang auf den „offenen Bühnen“, lag es ganz bestimmt nicht an ihnen, sondern an den untalentierten Schlagzeugern oder Bassisten, die den Blues nicht im Blut hatten und schon gar kein musikalisches Gehör besaßen.
Der Sommer blieb lang und intensiv und er verbrachte ihn größtenteils in Stuttgart, wo auch die am strengsten orthodox erzogenen Orgelbaulehrlinge ihre Freundinnen mit schwäbischen Friseurinnen, ostdeutschen Blasinstrumentenbauerinnen oder asiatischen Klavierbauerinnen betrogen, den Alkohol aus den Poren kotzten und bei den Essensschlachten im Jugendgästehaus mitmischten. Er lebte drei Monate lang mit zwei anderen Auszubildenden auf acht Quadratmeter Fläche und viel zu wenig Luft zum Atmen. Sie tauschten Musik und Drogen, wurden zu Tischfußball- und Tischtenniscracks, hatten den Blues und betäubten sich gemeinsam und gegenseitig.
Immer, wenn sie ihn anrief oder er sich dazu bequemte es zu tun, verstand er die Situation nicht, konnte nur lachen und grölen. Sie hörte die lasziven Ziegen im Hintergrund, die Stimmung einer Orgie gleich und wurde ständig zu anderen Mitbewohnern weitergereicht, die sie dann mit ekeligem Gelaber quälten, bis sie wieder ihren Liebling am Hörer hatte, der in einem Atemzug an der Bong zog sowie die drei Worte „ich liebe dich“ sagte. Sie klangen gleichgültig aus seinem Mund. Sie war nur noch ein Foto, mit dem er bei seinen Kollegen Eindruck schinden konnte. Wenn sie sich mal sahen, musste sie Verständnis für seine Bedürfnisse haben, sich anhören, wie schön es doch überall außer hier sei, und dass ihr Schatz plante ein Wandergeselle zu werden, wo er drei verteufelte Jahre seine Heimat und einen Radius von fünfzig Kilometern darum herum meiden und von Stadt zu Stadt ziehen musste. Aber wo war sie? Sie hatte im Genuss der Fremde wohl keinen Platz auserkoren bekommen. Sie traute sich nicht, dies zu erwähnen oder mit ihm darüber zu reden, da er so rabiat und egoistisch geworden war, dass sie seine Reaktion und seine Antwort fürchtete. Wo war ihr Gitarre spielender Träumer geblieben, der ihr nächtelang unnützes Zeugs über Bands und die weite Welt, irgendwelche Philosophien oder aus dem Tierreich erzählt hatte, wobei sie lediglich den sachten Klang seiner Stimme genoss? Diese Stimme klang nicht mehr aus ihm, sondern ein abgestumpfter Dämon musste sich seiner angenommen haben. Den so lang herbeigesehnten Sommer verbrachte er komplett in Stuttgart, fuhr mit ihr auf kein einziges Festival, wo sie so farbenfroh den letzten Sommer verbracht hatten.
Krampfhaft versuchte sie die schönen Momente mit ihm in Erinnerung zu behalten, sich Bilder von ihm aus einer vergessenen Zeit zu malen, in der sie zusammen überall hingegangen waren. Aber so sehr sie es auch versuchte, er war ein anderer Mensch geworden, der durch die Gleichgültigkeit und die Einfachheit lebte, sich überall so benehmen zu können, wie es ihm seine Laune gerade gewährte.
Unterdessen hatte ihr Freund, wo auch immer er sich zu diesem Zeitpunkt befinden mochte, seinen Urlaub eingereicht, freute sich auf Mutters Essen, gemeinsamen Session und den Geruch seiner Angebeteten, die er zuletzt ganz schön links liegen gelassen hatte, wie es ihm von den Leidensgenossen gesagt wurde, und fuhr direkt zu ihr, wo ihm allerdings von der Mutter gesagt wurde, dass sie nicht da sei und sie machte ein merkwürdiges Gesicht dabei, schloss ungeschwätzig schnell die Tür vor seiner verwunderten Nase.
Seine Freunde erzählten ihm, sie hätte jemand anderen gefunden, nicht hier aber nicht weit, nicht viel älter aber stationär. Und er sei selbst schuld dran, sie sei oft bei den Proben gewesen, hätte geweint und sei einfach schon lange nicht mehr das strahlende Mädchen gewesen, das auf dem Sofa im Proberaum stolz auf ihren Liebling wartete, unbeholfen zum Takt wippte und das Bier nicht mochte, aber trank.
„Soll sie doch gehen, diese Schlampe!“, schrie er. Ja, sie hatte erst ihren zweiten Freund, während er die Unterwäsche und die Nutten nicht mehr zählen konnte, aber sie war eine verdammte Schlampe. Was fiel ihr ein? Sie war sein Mädchen! Aber soll sie doch gehen!
Er hatte Jenny in Bremen, Jutta in Adelebsen, Franka in Berlin und er konnte geschichtenlang so weitermachen. Dann rief er sie alle an, hatte ja ihre Nummern gespeichert, wollte sich ja melden, hatte es ja geschworen. Irgendwo könnte er schon seinen Urlaub verbringen. Doch teilweise legten sie direkt auf, antworteten mit einem „ich hab einen Freund“ oder „ich dachte, es sei nur für eine Nacht gewesen“, teilweise wusste er nicht mehr, welchen Namen und welche Maske er den einzelnen Frauen vorgegaukelt hatte, oder musste sich erzürntes Fluchen gefallen lassen, bevor er sich sagen ließ, dass es jetzt ja auch zu spät sei.
So schnappte er sich seine Freunde und spendierte einen Ausflug nach Holland, redete allerdings nur von dieser Schlampe, und wie sie es nur hatte wagen können und dass er ihrem neuen Stecher eine verpassen werde, aber frag nicht nach Sonnenschein.
Festgefahren im Hass, wie er war, war es für seine genervten Freunde unmöglich ihm die Realität aufs Auge zu drücken, ihm zu sagen, dass es verdammt noch eins seine eigene Schuld war und ist und all das. Und er trank und rauchte und erzählte von Nutten und Schusswaffen und seine Freunde schämten sich seiner, gingen ohne ihn tanzen.
Ab und zu gelang es ihm, seine Ex-Freundin ans Telefon zu bekommen, sie zu beschimpfen und ihr von Jenny aus Bremen, Jutta aus Adelebsen und Franka aus Berlin zu erzählen. Dann schickte er ihr Bildmitteilungen, wo er und diese Frauen zu sehn waren. Sie sollte leiden, diese Schlampe!

Nach einer nervigen Woche Urlaub ging er endlich wieder auf „Tournee“, wie er und sein Kollege es nannten. Dieser sagte ihm: „Jawohl! Schlampen! Alle!“, gab ihm Bier aus und predigte, dass es immer so sein werde und dass die Welt und das Leben auch und schon lange ein Scheißhaufen seien und dass Frauen ja sowieso ...
Und da sah er in seinem Mentor wieder den frustrierten, fertigen alten Mann, den die Fremde zerstört hatte, da er seine Heimat nicht zu schätzen wusste, so wie er ihn schon einmal erkannt hatte, als er noch ein Junge war. Er hatte den Charakter von platt geregnetem Kot und die Ausstrahlung einer verdorrten Hecke und unser Held differenzierte sich wieder von ihm, hatte es insgeheim und unterbewusst ja schon immer getan und hörte wieder das Geseier und die Periphrasierungen in seinen spuckenden Reden. Er schloss sich ein im Hotelzimmer, trank alleine und mehr und wollte keine Nutte mehr auch nur sehen. Durchs Schlüsselloch versuchte sein Meister ihn immer noch in seine Grube zu ziehen, ein Tal, in das er niemals sinken wollte.

Intermezzo:

Um das nun entstandene Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer zu verdeutlichen, möchte ich gerne ein Intermezzo einfügen, welches der Geschichte Verlauf lediglich verdeutlichen soll. Dem angestrengten Leser, der das Ende vom Lied nicht abwarten kann oder gar genervt der Erzählung ist, sei geraten, hier zu überspringen und mit der Handlung fortzufahren.
Alle anderen bitte ich, sich einen spätwinterlichen Nadelwald vorzustellen, irgendwo in den unendlichen Weiten des wunderschönen Weserberglandes, wo sich das Duo aus Montagezwecken gerade herumtrieb. Sie zogen Beerlauch für Pasteten aus dem frischen Waldboden, denn es war Freitag und sie hatten noch etwas Zeit, da sie erst gegen vier Uhr am Betrieb eintreffen konnten. Der Ausbilder, welcher auch Hobbyjäger in den heimischen Wäldern war, und dies aus Gründen der Erhaltung des Gleichgewichts im Tierreich tat, pfiff den Auszubildenden dezent zu sich und zeigte ihm einen Kohlefuchs, der über die Lichtung stolzierte. Ja, ein Kohlefuchs. So hießen diese schwarzen Füchse laut Auskunft des anscheinenden Experten wohl und waren vorher weder vom Protagonisten dieser Geschichte noch vom hochehrwürdigen Erzähler selbst, meiner Person, jemals vorher gesehen. Auf Indianerfüßen lief der Wochenendjäger zum Wagen und holte seine Ausrüstung, bestehend aus einem Jagdgewehr.
Das Tier schien sich seiner sicher, kontrollierte den Frühlingsbeginn. Mit dem Hinweis darauf, dass Füchse neugierige Tiere seien, klatschte der Meister in die Hände. Der Fuchs steifte und horchte. Er sei zu neugierig zum Abhauen, erklärte der Täter und visierte seine Beute an, dessen Fell ihm Prestige im Jagdklub bringen würde.
„Weitaa!“, schrie da der Lehrling und das anmutige Tier verschwand im Wald.
Daraufhin entstand eine Diskussion über die Notwendigkeit des Tötens aufgrund der Erhaltung des Gleichgewichts im Tierreich und zog sich über mehrere Wochen, wobei die Standpunkte eindeutig waren.


Überall wo der Lehrling war, war er wieder fremd, denn er war ja nicht er selbst. Er war immer nur eine Teilzeitpersönlichkeit, die zwar charmant sein konnte, und somit auch Freunde zu sich ziehen konnte, um gemeinsam dem Alkohol zu frönen, aber nur kurz und nur zum Vergnügen.
Und diese Teilzeitbekanntschaften kannten den Menschen hinter der Maske nicht, hatten ihn nie gekannt, wussten nicht, wer er war, nur dass er für den heutigen Abend interessant sein könnte für eine Unterhaltung und dass er ja auch wieder gehen würde.
Also ging er nicht mehr aus, wurde blass, schwieg seinen Kollegen wieder an und isolierte sich wieder in seinen täglich wechselnden Gemächern.
Mehrere Flaschen Wein leerte er dort täglich, schrieb Gedichte an Wände und in ein kleines schwarzes Buch. Peter Mertens hatte einen Wein geschaffen, billiger als ein Liter Benzin und süffiger als Wildschweinkotze, aber genießbar für die brennende Seele.
Er musste den Anstrich der Zimmer bezahlen, kam zu spät zu den Orgeln und knallte, schwer wie Tastenblei, mit dem Kopf auf die Klaviaturen, bis er von seinem Partner schließlich zwei Wochen Zwangsurlaub aufgebrummt bekam, damit er sich wieder erholen, die Schlampe vergessen und sich wieder auf die Arbeit konzentrieren könne.
Doch auch in seiner Heimat war er ein Fremder. Seine Freundin hatte es allem Anschein nach geschafft ihn zu vergessen, seine Freunde mieden ihn und waren seiner Frustration überdrüssig und andere Mädchen erkannten in seinen Augen bereits früh den tiefen Welten- und Selbsthass, den eine ihrer Gattung verursacht haben musste, und dass sein Herz bereits auf dem Boden pumpte. Außerdem war er immer betrunken und notgeil, wie ein angeschossener Eber auf Viagra. Es war unmöglich, mit ihm auch nur übers Wetter zu reden, da er gleich wieder von der Schlampe und der dummen Welt erzählte und nach kaltem Rauch stank.
Natürlich fiel auch seinen Eltern seine zunehmende Depression auf, dafür musste man auch kein Diplompädagoge sein, und sie versuchten mit ihrem Sohn zu reden, ihn abzulenken oder zu analysieren. Aber der Zwangsbeurlaubte keifte und meckerte nur über das Essen und die Wohnung und warum er überhaupt noch zu Hause wohnen würde.
Die Ursache der Schmerzen war aus seinem Horizont verwischt, zu einer Erinnerung geschmolzen, nicht mehr der Rückhalt, wenn er die Welt eroberte, kein ewiger Zufluchtsort mehr, den er immer in petto hatte, wenn er sich ins Neuland begab.
Ob im Hotelzimmer, eingequetscht in den Orgeln, oder daheim bei Familie und Freunden: Er fühlte sich überall fremd.
Wie schrieb schon Nelly Sachs so treffend:

„Ein Fremder hat immer
seine Heimat im Arm
wie eine Waise
für die er vielleicht nichts
als ein Grab sucht.“

Auch er hätte seine Erinnerungen gerne ad acta gelegt, sie an einem geheimen Ort vergessen und vergraben, doch seine eigene Unvernunft steckte zu tief. Was war er doch für ein Trottel gewesen! Denn auch die Fremde und das Neue konnten so eintönig und farblos sein, wenn man heimatlos war.
In all den Schenken und Jazzbars musste er sich langsam aber sicher verloren haben, in jeder Nutte musste er, nicht nur biologisch, einen Teil Wert gelassen haben, in jeder Kirche ein bisschen Glaube, in jeder neuen Stadt einen Funken Heimat und in jeder Bekanntschaft ein wenig Stolz.

Fin

 
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Hi Nachtschatten

Wiedermal der Erste!
Ja, ein bisschen Mühe war das schon. Wie du ja meinem Profil entnehmen kann, bin ich Orgelbauer. Oder besser gesagt ich war es. Und ich hab mir ein Wenig den Frust von der Seele geschrieben. Auch wenn ich noch nie mit einer Nutte geschlafen habe oder eine SChusswaffe in der HAnd hatte, ist es schon fast eine Autobiographie. Aber auch nur fast!!!!!
Ich wollte den Stil dem Gefühl in der Geschichte anpassen, und Orgelbauer ist ein schöner und schon fast nostalgischer Beruf, der diesen verschnörkelten Satzbau verdient hat.
Außerdem wollt ich auch mal anders schreiben! Meine letzten 2 KG´s lesen sich ja fast gleich.
Ich wollte den Anspruch ein wenig erhöhen, und ich denke die Sätze sind lesbar.
Danke fürs lesen. Es ist mir auch jetzt schon klar, dass das nicht viele lesen werden, oder abbrechen werden.
Ursprünglich war der Text auch fast doppelt so lang und beschrieb einzelne Orgeln detailgenau und die Kirchenbaukunst auch. Aber das ist halt nur für Liebhaber interessant.

Gruß

 

Ja ich selbst schrecke ja vor langen Geschichten auch immer zurück. wir sind ja hier bei kg.de und nicht lg.de (höhö)
Und diese hier sollte auch nicht lang werden, ich hab einfach geschrieben und es floß.
ich hoffe, dass mir noch ein par "Sprachwissenschaftler" etwas über die Grammatik erzählen können. Die ist ja diesmal etwas gewagt.

 

Als die Welt in Scherben lag....

Damals dachte ich, ich werde ein Mann, ein Mensch. Immer wieder wurde mir gesagt, dass ich mit dem Eintritt in den Beruf erst wirklich erlerne, was es heißt ein Erwachsener zu sein. Ach, was war das mal für ein Wort und was für eine Bedeutung. Nun Aris, du hast es erfasst. ich will nicht werden was mein Vater ist! Wir alle haben mindestens einen Freund auf diese Art und Weise verloren, oder?

Wurzel9

 
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Hi Jochen

Ich freu mich sehr, dass du dich bequemt hast!

Mit einem Zitat der Scherben einzusteigen, kann ja kein schlechter Anfang sein. Und bei meinen KG´s einzusteigen zeugt von Kenntnis. :D
Allerdings wäre ich manchmal gerne wie mein Alter, da er glücklich ist mit dem was er tut.
Ach es fällt mir schwer bei dir sachlich zu bleiben (fühl dich mal virtuel umarmt)

Jedoch wird Arbeit für mich immer die falsche Droge bleiben.
Wenn man das Persönliche herausnimmt, das erkennst eh nur du und ich und andere können es vielleicht erahnen, ist es eine Geschichte vom Erwachsenwerden. ich wollte sie auch erst in der Rubrik Jugend posten.

Und ware Freunde verlieren sich nicht. Sie finden sich immer wieder.
Jeder macht die Erfahrungen, die er machen muss! (Schwulst)

ich hoffe, hier auch bald von dir was lesen zu können und freu mich dich bald zu sehen.

Gruß

 

So

genau, wahre Freunde verlieren sich nicht und manche sind so nett die töten sogar für ihre Freundinnen........Mäuse

Finde die Geschichte passt übrigens nicht in Jugend, dann eher in Gesellschaft, aber die liest sich hier auch gut.
So, ich gehe jetzt Kommasetzung üben!

Bye
Das Wurzelkind Jochen

 

Hallo Aris,

es gibt Geschichten, die machen extrem viel Arbeit. Deine gehört dazu, aber ich denke, es kann sich lohnen, diese Arbeit zu investieren, denn immerhin schaffst du es, den Verlauf eines Charakters so zu beschreiben, dass man dran bleibt und weiter liest, dass der Fortgang interessiert und es spannend bleibt.
Ich hätte deinem Prot zum Ende die Erkenntnis gewünscht, was er zu der Situation beigetragen hat, hätte ihm auf dieser Basis einen Neuanfang gewünscht, bei dem er wiederfinden hätte können, was er verloren hat.
So ist das Ende natürlich deprimierend.
Alle Korrekturen und Detailanmerkungen habe ich dir hier als Worddokument hinterlegt. Eine PN, wenn du es bei dir gespeichert hast, wäre nett.

Lieben Gruß, sim

 

Hi sim

Vielen dank für die Mühe, die du dir gemacht hast. Ich mach mich dann auch gleich mal ran. Klingt ja wieder so, als hätte es dir gefallen. Schön, dass es spannend bleibt. ich hatte schon das Gegenteil befürchtet. Leider findet die KG hier nicht die Resonanz, die die Mühe wert war, aber man schreibt ja doch eh für sich selber ne!?
Vielleicht gibts irgendwann auch ne Vortsetzung. Aber ich find das Ende gar nicht so deprimiernd. Klar ist es kein Hollywood happy end, aber da stehen wir doch eh nicht drauf oder? Wie ich hier im Tread schon meinem Kumpel dem Wurzelkind schrieb, hat der Prot die Erfahrungen gemacht, die er machen musste. Und, mal Butter bei de Fische, die KG kommt ja auch nicht irgendwo her! Das waren Dinge, die ich lernen und erfahren musste, um meine Persönlichkeit zu entwickeln und zu wissen, was ich vom Leben erwarte und will. Man könnte es auch ein offenes Ende nennen. Aber es ist schon eine Tragödie, da hast du recht.

vielen dank noch mal.

Gruß

 

Hi Schatten

ich lass mich da bei Gott von nichts abhalten! da kannst du dir sicher sein.
ich will das hier auch nicht vertiefen, da jeder eine KG dann lesen soll, wenn ihn die Muse dazu packt.
Es ist nur manchmal so, dass ich 2 Arten zu schreiben habe. einmal diese, wo ich wirklich eine Geschichte erzähle, und zum anderen die, die auf Gedankenbasis basieren, wie "sag sela und küss den Schmerz" und so was.
und, ich habe am Anfang meiner Kariere 2-3 sehr schlechte Sachen hier gepostet, und da waren natürlich alle da, wie die Fliegen an einem SCheißhaufen (Entschuldigung)
und da haben sie alle erbarmungslos die Fehler gesucht. und wenn man sich dann verbessern will, und gewagte Sachen schreibt, ist keiner mehr da.
ja Lukas, ich meine dich! du ließt nur die Sachen von mir, die dir nicht gefallen. meine wirklichen GEschichten ignorierst du. hab ich dir ja schon mal gesagt.
aber wie gesagt, jeder wie es ihm möglich ist. vielleicht ist fehlende Resonanz ja auch ein kommpliment. :D

 
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Menschenkenntnis und wieder gute Beobachtung sprechen aus dieser kg.
Anfangs schwer zu lesen, wegen der Schachtelsätze, und der leider fehlenden, für mich persönlich wichtigen Absätze, welche den Text durchbrechen und ordnen würden.
Gut, das Intermezzo, gut auch der Schluss, dennoch, ich habs eher nur überflogen, aber einen positiven Gesamteindruck.
Was bleibt:
Der Prot befindet sich m.E. an einem Wendepunkt.
Wird er ihn auch selbst erkennen?
Fragt sich...
der Lord.

 

Oh, ein Lord!

Danke fürs L. und K.

Nur überflogen gefällt mir natürlich nicht. Das hat die KG nicht verdient. Ansonsten DAnke.
Absätze!!!! Warum nicht? Vielen DAnk.
Die Geschichte hat sicherlich einen erhobenen Zeigefinger im Kontext, da sie vor der Gefahr warnen soll, die Heimat zu verachten. Der Leser soll es für sich erkennen, und schlauer sein als der Prot.

es grüßt dich
der chARISma (tolles Wortspiel) :D :D

 

hej.
War lange Zeit kg-abstinent... gewöhne mich gerade langsam wieder ein... dein Stil lässt noch viel erhoffen(und erwarten) behalte dich im Auge...
Gruß
Lord

 
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Hallo Aris,

eine lange Geschichte. Ich habe keine Angst vor langen Geschichten, wenn sie denn gut und unterhaltsam geschrieben sind und mich immer weiter mitnehmen. Sonst würde ich irgendwann zwischendurch abbrechen.

Dieses Werk habe ich bis zum Ende gelesen, inklusive Intermezzo. Du bist ein großes Wagnis eingegangen, wohl wissend auch, dass Länge und Thema möglicherweise nicht viele reizen wird, bis zum letzten Punkt durchzuhalten.

Ich finde, dir sind teilweise sehr schöne & nachvollziehbare Beschreibungen, Einsichten und Stimmungen gelungen. Der Verlauf der Handlung ist stimmig und weitgehend interessant. Einige Sätze winden sich aber ein wenig um sich selbst, bilden Wortstrudel, aber es ist zu ertragen. An vielen anderen Stellen wird man für das Weiterlesen belohnt. Die Grundthematik selbst ist sicherlich nicht neu, aber welche Thematik ist das mittlerweile noch?

Besonders gefallen hat mir die Orgelbauer-Rahmenhandlung, in die du das alles einfügst, und der daraus entstandene Reiserhythmus, aus dem sich die räumliche Distanz zur Heimat ergibt, der dann die innere Distanz zwangsläufig schrittweise folgt. Das ist pfiffig gelöst.

Ich bin kein guter Fehlerfinder in Geschichten, in deiner stecken noch ein paar, die ich jetzt aber nicht herausgepickt habe, weil ich mich einfach nur aufs Lesen konzentrieren wollte. Musst halt selber noch mal irgendwann drüber schauen.

Von allen Texten, die ich bisher von dir las, gefällt mir dieser mit Abstand am besten. Es ist eine richtige und ambitionierte Erzählung. Sie hat eine mutige, fast notwendige Länge (wobei ein paar Straffungen und Kürzungen nicht schaden würden) und sie handelt von Menschen und vom Leben. Und du machst das, worauf es meiner Meinung nach ganz besonders ankommt, wenn man sich einer solchen schriftstellerischen Aufgabe zu widmen versucht. Du nimmst deine Figuren ernst, bettest sie in eine größtenteils gut be- und geschriebene Lebenssituation ein und erlaubst ihnen dann die sich daraus ergebende Entwicklung. Du vermittelst mir damit den Eindruck, dass nach deinen kurzen Sachen in deinem Hinterkopf ein Fünkchen Lust glimmt, dich zunehemnd romanhafter auszulassen. Das jedenfalls war gewiss kein schlechter Anfang.

Grüße von Rick

 

@lord keine lehren Versprechungen! der lukas wollte mich auch schon im Auge behalten, aber ich hab ihm zu viele Haken geschlagen oder bin ihm übern Kopf gewachsen. aber du bist natürlich herzlich eingeladen!

@rick hab ja gewust, dass du diese Geschichte eines Tages noch liest. vielen dank. deine Kritiken sind fabelhaft, lass es dir gesagt sein.
ich weiß nicht, wann du gedruckt hast, aber seit heute dürften es weniger Fehler sein, denn der sim war am Werk!
falls du möchtest, kannst du mir die Sätze die stören, oder sonstige Missbildungen gerne melden. dann sehen wir mal.
die Orgelbau-RAhmenhandlung ist natürlich extreme Geschmackssache. die Kg war noch länger, beschrieb einzelne Orgeln und so was. aber das musste ich straffen.
ansonsten vielen dank. ich hab auch noch ein paar asse im Ärmel :D

PS: Schön, dass diese KG doch noch Anklang findet, da sie mit brodelndem Herzblut geschrieben wurde.

 

Hallo Aris!

Hart, aber ehrlich:

Mich konntest Du mit der Geschichte leider nur mittelmäßig überzeugen. Zwar ist das Thema ein interessantes, deshalb hab ich die Geschichte auch gern gelesen, aber stilistisch, ähm, zähle ich sie eher zu den kleinen Katastrophen.
Da sind zum Beispiel die oft viel zu lang geratenen Sätze, die auch nicht unbedingt immer welche sind. Ich hab nichts gegen lange Sätze, wenn sie gut und richtig sind. Aber in der Geschichte wirkt es, als wolltest Du in jedem Satz einschubweise die Welt erklären, also eine kleine Aussage mit Erklärungen soweit anreichern, bis eine völlig übersättigte Lösung entstanden ist. Hier ein typisches Beispiel:

Das dahingestellte Schmunzeln seines, ihm diktierten Vorbildes, von dem er noch so viel lernen konnte und sollte, und wie dieser den Kollegen von seiner Väterlichkeit unserem Protagonisten gegenüber erzählte und über dessen Zukunft er nur allzu genau Bescheid wusste, ihn als zu sensibel und weich einstufte, ihm das Gehör eines Hufschmiedes vorhersagte und diese langen Hippiehaare müssten so langsam auch mal der Vergangenheit angehören.
Hier hab ich obendrein auch das Gefühl, als hättest Du am Ende vergessen, womit Du den Satz begonnen hast. :hmm:

Statt alles ständig nacherzählend/berichtend zu erklären, könntest Du zum Beispiel früher in die Handlung einsteigen – Du könntest sein Leben, als er noch zuhause und mit seinem Mädchen und seiner Band glücklich war, zeigen –, oder Du könntest Rückblenden einfügen, in denen Du wirklich erzählst, nicht berichtest. Durch die eingeschobenen, berichtenden Stellen wird alles so zu einem Mischmasch, Du gehst nicht von einem Punkt zum nächsten, sondern gehst mit jedem Schritt auch noch einen kleinen Kreis, und wiederholst Dich dadurch auch.
Manchmal wertest Du auch zu sehr, wie zum Beispiel die »zwanghaft-zufriedene Ehegattin« des Meisters. Beschreibe eine kurze Szene dieses Essens und zeige damit dem Leser, was Du meinst.
Und schließlich sind da noch einige unnötige Fremdwörter, wie etwa »Periphrasierungen« oder auch die mehrmalige Verwendung von »stationär«. Die passen nicht, wenn Du die Geschichte sonst eher locker und mit Ausdrücken wie »Sein Meister und dessen Schnauzerei« erzählst. – Gefühle bleiben hingegen weitgehend auf der Strecke. Die Redewendung »den Blues haben« setzt Du auch zu oft ein, ein, zwei Mal genügt doch, Du mußt den Leser nicht immer daran erinnern.

Einen Namen für den Protagonisten würde ich auch nicht schlecht finden.

Unstimmigkeiten sehe ich im Intermezzo: Vom Bärlauch kommen zwar schon die ersten grünen Spitzen heraus, sobald die Sonne Ende Februar die ersten Flecken Erde vom Schnee befreit hat, doch da ist auch der Waldboden nicht mehr so, wie Du ihn beschreibst: »aus dem zu Stein gefrorenen Waldboden« – Aus einem steinhart gefrorenen Boden (denn er friert ja nicht wirklich zu Stein) wächst nicht einmal Unkraut. Erst die Schneeschmelze – das flüssige, nicht gefrorene Wasser – lockt die ersten Pflanzen wie Schneeglöckchen und Bärlauch heraus. Dann schreibst Du jedoch weiter, daß das Tier den Winteranfang kontrolliert – hier meinst Du wohl eher den Frühlingsbeginn, zu Winterbeginn gibt es keinen Bärlauch. Und wenn mich nicht alles täuscht, beginnt da auch gleich die Schonzeit, was das Erlegen von Wild betrifft, aber in dem Punkt bin ich mir nicht so sicher. Das mit dem Bärlauch weiß ich huntertprozentig, weil ich selbst immer Bärlauch sammeln geh – am besten ist er, wenn die Blätter noch ganz klein und frisch sind, im März (zu dem Zeitpunkt besteht auch noch keine Verwechslungsgefahr mit Maiglöckchen oder Herbstzeitlose). ;)

Noch etwas zum Intermezzo: Die ganze Geschichte lang solltest Du Begebenheiten wie diese erzählen, nicht als einmaliges Intermezzo.


Der Rest der Reihe nach:
(Beistrich = Komma, Strichpunkt = Semikolon)

»„Ne große Terz!“«
‘ne

»Wie gerne hätte er jetzt „con moto maestoso“ von Mendelssohn Bartholdy, angefangen mit einem wunderschönen A-dur Akkord, hingeschmettert,«
– »angefangen« klingt nicht gut
– zwischen »A-dur« und »Akkord« müßte eigentlich auch ein Bindestrich

»oder noch viel lieber; den Tutti Schalter betätigt«
– nach »lieber« wolltest Du wohl einen Doppelpunkt statt dem Strichpunkt machen?

»dreihundertsechsunddreißig mal also.«
Mal

»wo ihm der Ausgang nach zehn Uhr verwärt blieb, er in Berlin-Siemensstadt ein, an eine Bienenwabe erinnerndes, Hotelzimmer«
– verwehrt
– die Beistriche vor und nach »an eine Bienenwabe erninnerndes« kannst Du streichen

»an sein Bett mit dem Traumfänger darüber und seinem Geruch«
– wenn sich der Geruch aufs Bett beziehen soll, ist es richtig, sollte er sich auf den Traumfänger beziehen, müßte es heißen »seinen«, bzw. würde ich es dann direkt hinter den Traumfänger schreiben.

»Und auch alle spesengeldfressende, orientalische, australische, kenianische oder grönländische Gasthäuser«
– spesengeldfressenden, orientalischen, australischen, kenianischen oder grönländischen Gasthäuser

»Mitunter geschah es, dass dem aufrichtigen Lehrling eine schenkeltriefende Prostituierte aufs Zimmer geschickt wurde. Er bräuchte so etwas auf den wochenlangen Montagen, prophezeite ihm sein freigiebiger Meister, der die kaugummi-schmatzenden Schabracken väterlich im Voraus bezahlt hatte immer wieder.«
– was bedeutet »schenkeltriefend«? Daß sie vor Schenkeln trieft? Oder sollte es doch eher »eine Prostituierte mit triefend feuchten Schenkeln« werden?
– »freigiebiger Meister« oder vielleicht »spendabler Meister« würde reichen, den Rest des Satzes kannst Du getrost streichen, ansonsten gehört »kaugummischmatzenden« zusammen und nach »bezahlt hatte« ein Beistrich.

»genauso wenig befriedigt, allerdings angezogen und vertikal.«
– warum »vertikal« und nicht z.B. »sitzend«?

»Das dahingestellte Schmunzeln seines, ihm diktierten Vorbildes«
– keinen Beistrich nach »seines«

»konnte ein Gehör vorweisen, dass ihm erlaubte die Läuse beim Beischlaf zu belauschen.«
– das
– erlaubte, die

»Aber er hatte schon lange aufgehört zuzuhören, beruflich wie Privat,«
privat
– »aufgehört zuzuhören – vielleicht gehts ja auch mit nur einem »hör«?

»Die Bienenkönigin stürzte sich, stationär wie ihr Leben war, mit voller Kraft in ihr Abitur,«
– stationäres Leben? Sollte das abwertend klingen? Wenn ja, wäre es besser, Du würdest dem Leser zeigen, was der Protagonist so negativ daran findet. Wenn es nicht abwertend klingen soll, würde ich den Satz auf »Die Bienenkönigin stürzte sich mit voller Kraft in ihr Abitur« kürzen.

»Als Kind hatte er mal Klavierunterricht genommen, oder besser gesagt; nehmen lassen,«
– meinst Du vielleicht »Klavierunterricht bekommen«? – Ich denke, Stellen wie diese sind es, die

»Die Mischung aus Handwerk und Musik sei es gewesen, die ihn zum Orgelbau getrieben hatte.«
– Die Mischung aus Handwerk und Musik war es, die ihn zum Orgelbau getrieben hatte.
– Die Mischung aus Handwerk und Musik hatte ihn zum Orgelbau getrieben.

»Melissa, wie seine Herzdame hieß, heulte jeden Montagmorgen unter dem Traumfänger im Duft der Symbiose und sah ihren Freund die, nach Asbest stinkenden, Klamotten überstreifen, die Reisetasche mitreißen und ihn für mindestens fünf Tage aus ihren Augen und ihrem Leben verschwinden. Was machte er auf seinen Montagen?«
– Warum dieser Perspektivenwechsel? Schreib doch aus seiner Sicht, wie er sie weinen sieht, als er geht; dabei könntest Du auch wunderbar ein paar Gefühle einbauen.
– keinen Beistrich vor und nach »nach Asbest stinkenden«
– welche Symbiose? Und wenn sie den »Duft der Symbiose«, was auch immer das sein mag, riecht, können wohl die Klamotten nicht so arg stinken.

»und seinem unglücklichem Gesicht, welches mit Staub aus der Orgel, älter als er selbst, überzogen war.«
– seinem unglücklichen Gesicht
– als Lehrling wird er noch nicht allzu alt sein, daß der Ausdruck »älter als er selbst« wirkt. Vorschlag: welches mit jahrzehntealtem Staub aus der Orgel überzogen war.

»Doch wenn sie zusammen im Geruch lagen, er seine Tränen unterdrückte und sie ihn krabbelte, wollte er sich die Blöße nicht geben.«
– welche Blöße wollte er sich nicht geben?
– die Sache mit dem Geruch bringst Du viel zu oft, schreib stattdessen von seinen Gefühlen. ;)
– statt »krabbelte« würde ich »kraulte« oder »streichelte« schreiben, mit »krabbeln« verbinde ich eher Käfer oder Babies, die sich auf allen Vieren fortbewegen.

»Die Wochenenden und Feiertage, die Urlaubstage und Telefonate, die fast sein ganzes Gehalt verschlungen, dienten ihm nur dazu, sie noch mehr zu vermissen.«
– verschlangen
– Warum schreibst Du nicht beispielsweise: An den arbeitsfreien Tagen vermisste er sie noch mehr. Die Telefonate verschlagen fast sein ganzes Gehalt.

»Mutters Essen oder die gemeinsamen Session mit seiner ehemaligen Band«
– entweder Einzahl: »die gemeinsame Session«, oder Mehrzahl: »die gemeinsamen Sessions«

»Und auch der Blockunterricht auf der Berufsschule brachte ihn nicht im Geringsten weiter, da dieser in Stuttgart stattfand und er dort zwar neue und interessante Bekanntschaften knüpfen konnte, Leidensgenossen um sich hatte und sogar eine Neigung zum exakten Hören entwickelte und durchaus eine Begabung zum Intonieren vorweisen konnte, aber abends doch nur wieder stundenlang auf das Foto von ihr starrte, welches durch einen selbst gewerkelten Bilderrahmen umschlossen wurde.«
– Auch einer der Sätze, die, wie oben beschrieben, viel zu aufgebläht und berichtend sind und ganz woanders aufhören, als sie beginnen.

»Sie blieben von Tag zu Tag immer länger sitzen, fanden Gemeinsamkeiten und die Generation zwischen ihnen verblasste und schien bald nicht mehr vorhanden.«
– Die Generation verblasste und schien bald nicht mehr vorhanden? Entweder »der Generationsunterschied« oder vielleicht »die Jahre zwischen ihnen«, würde ich sagen.

»Auch er spielte Gitarre, hatte den Blues,«
– würde »hatte den Blues« in Anführungszeichen schreiben

»und erreichte auch endlich das, lange Zeit verschlossene, Gehör des eifrigen Schülers.«
– »lange Zeit verschlossene« würde ich streichen, jedenfalls kannst Du die Beistriche rausnehmen

»Erst Polen, wo sie gemeinsam Zigaretten schmuggelten, dann der atemberaubende Nordkap, wo sie in der scheinbar ewigen Dunkelheit schwedisches Marihuana genossen, oder das Land der Geysire, wo sie die heißen Quellen bestaunten, dann England, wo sie sich durch sämtliche Pubs und Whiskeysorten tranken, bis hin zur Küste Frankreichs, wo sie sich in die Wellen warfen.«
das … Nordkap
– Diese Aneinanderreihung, mit dem immer gleichen »wo sie« ist auch nicht schön. Erzähl doch einfach: Aus Polen schmuggelten sie gemeinsam Zigaretten, am Nordkap rauchten sie in der scheinbar ewigen Dunkelheit schwedisches Marihuana und im Land der Geysire bestaunten sie die heißen Quellen. In England tranken sie sich durch sämtliche Pubs und Whiskeysorten und warfen sich anschließend an der Küste Frankreichs in die Wellen.

»lernte die Fremde zu lieben und entwickelte Identitäten, die es ihm ermöglichten Kontakt mit Fremden aufzubauen.«
– ermöglichten, Kontakt
– würde hier kürzen auf: lernte die Fremde zu lieben und Kontakte mit Fremden aufzubauen.

»und schaffte es manchmal sogar fremde Frauen mit aufs Hotelzimmer zu nehmen.«
– sogar, fremde

»Wie sagte sein Meister immer: „Auf älteren Gäulen lernt man das Reiten.“«
– Sein Meister sagte immer:

»Sie tauschten Musik und Drogen, wurden zu Tischfußball- und Tischtenniscracks, hatten den Blues und betäubten sich gemeinsam und gegenseitig.«
– »hatten den Blues« würde ich hier streichen, es paßt hier auch nicht, da alles andere Dinge sind, die sie tun, den Blues zu haben, ist aber keine Tätigkeit.

»Sie hörte die lasziven Ziegen im Hintergrund, die Stimmung einer Orgie gleich …«
– im ganzen Absatz sind laufend Perspektivenwechsel

»der in einem Atemzug an der Bong zog«
– zug/zog
– würde »in einem Atemzug« streichen, es ist ja auch kein Atemzug

»Sie traute sich nicht, dies zu erwähnen oder mit ihm drüber zu reden,«
– abgesehen vom Perspektivenwechsel: »darüber« fände ich hier schöner als »drüber«

»Wo war ihr Gitarre spielender Träumer geblieben, der ihr nächtelang unnützes Zeugs über Bands und die weite Welt, irgendwelchen Philosophien oder dem Tierreich erzählt hatte,«
– Zeug ohne s
– irgendwelche ohne n
– oder aus dem Tierreich

»der durch die Gleichgültigkeit und die Einfachheit lebte, sich überall benehmen zu können, wie es ihm seine Laune gerade gewährte.«
– zwischen »sich« und »überall« würde ich ein »so« einfügen
– er lebt durch diese Gleichgültigkeit und Einfachheit? Würde das komplett streichen und nach dem vorangegangenen »er war ein anderer Mensch geworden« einen Punkt machen.

»Unterdessen hatte ihr Freund, wo auch immer er sich zu diesem Zeitpunkt befinden mochte, seinen Urlaub eingereicht,«
– In dem ganzen Abschnitt hast Du Probleme mit der Perspektive, warum ist der Protagonist plötzlich »ihr Freund«? Erzähle doch weiterhin aus seiner Sicht – wenn Du erzählst statt berichtest, dem Leser zeigst, was geschieht, erkennt er doch auch, wie der Protagonist mit seiner Freundin umgeht, dafür mußt Du nicht die Perspektive wechseln, was in Kurzgeschichten auch unüblich ist.

»freute sich auf Mutters Essen, gemeinsamen Session«
– hatten wir schonmal: Einzahl oder Mehrzahl

»und den Geruch seiner Angebeteten, die er zuletzt ganz schön links liegen gelassen hatte, wie es ihm von den Leidensgenossen gesagt wurde, und fuhr direkt zu ihr, wo ihm allerdings von der Mutter gesagt wurde, dass sie nicht da sei und sie machte ein merkwürdiges Gesicht dabei, schloss ungeschwätzig schnell die Tür vor seiner verwunderten Nase.«
– warum alles in einen berichtenden Satz gepfercht? Erzähl doch, z.B. »Er fuhr direkt zu ihr, klingelte mit klopfendem Herzen an ihrer Haustür. Doch seine Mutter öffnete, machte ein seltsames Gesicht und sagte: »Die ist nicht hier …« Dann schloss sie schnell die Tür vor seiner verwunderten Nase.
– warum müssen ihm die »Leidensgenossen« (wer sind die überhaupt?) das erzählen? Merkt er das nicht selbst?

»Seine Freunde erzählten ihm, sie hätte jemand anderen gefunden, nicht hier aber nicht weit, nicht viel älter aber stationär.«
– wieder dieses »stationär«, Vorschlag: aber zuhause.

»unbeholfen zum Takt wippte und das Bier nicht mochte aber trank.«
– nicht mochte, aber trank.

»„Soll sie doch gehen diese Schlampe!“«
– gehen, diese

»und er konnte geschichtenlang so weiter machen.«
– zusammen: weitermachen

»So schnappte er sich seine Freunde und spendierte einen Ausflug nach Holland,«
– »schnappt« man sich seine Freunde so einfach?

»dass es verdammt noch eins seine eigene Schuld war«
– statt »nocheins« gehört da vermutlich »nochmal« hin?

»Sie sollte leiden diese Schlampe!«
– leiden, diese

»Dieser sagte ihm; „jawohl! Schlampen! Alle!“, gab ihm Bier aus und predigte,«
– da hast Du wieder den Strichpunkt erwischt, sollte ja vermutlich ein Doppelpunkt sein
– die direkte Rede groß beginnen, danach besser mit »Er gab ihm Bier aus …« weiter.

»und schon lange ein Scheißhaufen seinen und das Frauen ja sowieso ...«
– seien (ein n zuviel)
– seien, und dass

»möchte ich gerne ein Intermezzo einfügen,«
– füge ich ein Intermezzo ein

»Dem angestrengtem Leser, der das Ende vom Lied nicht abwarten kann oder gar genervt der Erzählung ist,«
– Dem angestrengten Leser
– genervt von der Erzählung

»Alle Anderen bitte ich, sich einen frühwinterlichen Nadelholzwald vorzustellen,«
– nicht dem Leser sagen, er solle sich etwas vorstellen, sondern es dem Leser zeigen.
– alle anderen
– Nadelholzwald

»Sie zogen Beerlauch für Pasteten«
– Bärlauch
– Machen sie denn unterwegs Pasteten?

»So hießen diese schwarzen Füchse laut Auskunft des anscheinenden Experten wohl und waren vorher weder vom Protagonisten dieser Geschichte noch vom hochehrwürdigen Erzähler selbst, meiner Person, jemals vorher gesehen.«
– nach Auskunft
– »anscheinenden« würde ich entweder durch ein besser passendes Wort, wie z.B. »selbsternannten«, ersetzen, oder streichen und »Experten« dafür in Anführungsstriche setzen.
– die Ausführung über den »Protagonisten der Geschichte« und den Erzähler würde ich streichen, überhaupt würde ich den Protagonisten in einer Geschichte nie als den Protagonisten bezeichnen, auch nicht den Leser daran erinnern, daß er sich in einer Geschichte befindet, denn damit reißt Du ihn raus.

»und holte seine Ausrüstung, bestehend aus einem Jagdgewehr.«
– und holte sein Jagdgewehr.

»Der Fuchs steifte und horchte.«
– »steifte« kenne ich nicht, würde schreiben »erstarrte«

»Daraufhin entstand eine Diskussion über die Notwendigkeit des Tötens aufgrund der Erhaltung des Gleichgewichts im Tierreich und zog sich über mehrere Wochen, wobei die Standpunkte eindeutig waren.«
– Du setzt voraus, daß der Leser die Meinung des Protagonisten kennt.

»Peter Mertens hatte einen Wein geschaffen, billiger als ein Liter Benzin und süffiger als Wildschweinkotze, aber genießbar für die brennende Seele.«
– das ist zum Beispiel ein für die Geschichte völlig überflüssiges Detail

»Doch auch in seiner Heimat war er ein Fremder.«
– würde noch »geworden« hinten dranhängen

»Seine Freundin hatte es allen Anschein nach geschafft ihn zu vergessen, seine Freunde mieden ihn und waren seiner Frustration überdrüssig und andere Mädchen erkannten in seinen Augen bereits früh den tiefen Welten- und Selbsthass, den eine ihrer Gattung verursacht haben musste,«
– allem Anschein nach
– wieder eine Stelle, die Du viel besser erzählen statt berichten könntest.
– Frauen sind keine Gattung, sondern ein Geschlecht

»Natürlich fiel auch seinen Eltern seine zunehmende Depression auf, dafür musste man auch kein Diplompädagoge sein und versuchten mit ihrem Sohn zu reden,«
– sein, und sie versuchten, mit …

»Ob im Hotelzimmer, eingequetscht in den Orgeln, oder Daheim bei Familie und Freunden; er fühlte sich überall fremd.«
daheim
– wieder mal ein Strichpunkt statt eines Doppelpunktes, und da nach dem Doppelpunkt ein vollständiger Satz folgt, gehört dieser groß.

»Wie schrieb schon Nelly Sachs so treffend:«
– eigentlich ist das eine Frage, die gern ein Fragezeichen möchte.

»in jeder Nutte musste er, nicht nur biologisch, einen Teil Wert gelassen haben,«
– einen Teil seines Wertes


Viel Spaß beim Überarbeiten,

liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi leute

Entschuldigt bitte. mein reales Leben schrie nach Aufmerksamkeit.

@rick vielen dank nochmal. das ist schön zu hören

@susi

für so ausführliche Kritiken kann man natürlich nicht oft genug danke sagen!

schade, dass es dir nicht gefallen hat! (gibt es einen weinenden Smiley)

Leider stimme ich dismal auch nicht immer mit dir überein:

ich versuche mich auch nicht zurechtfertigen. viel eher suche ich den Dialog. aber da du bei meiner Baustelle Mensch auch schon nicht auf mich eingegangen bist, hat es wohl nicht viel Sinn.

die langen Sätze passen definitiv in die Stimmung der KG, schaffen die Stimmung vielleicht sogar.
und dass sich die Sätze in sich selbst verlieren ist doch auch Geschichtscharakter, denn die ganze KG verliert sich in sich selbst, so wie der Prot sich verliert, verändert ...
auch widersprechen deine Vorschläge denen von sim. da weiß ich jetzt natürlich nicht, was ich machen soll!
auch hatte ich es durchaus beabsichtigt, eine Mischung aus Erzählung und Bericht zu schreiben.
und daher wiederholt sich die KG sicherlich! der Prot reist und reist, und erfährt und erfährt, aber dreht sich doch nur im Kreis!
und warum ein Charakter nicht werten soll, werde ich auch nie so ganz verstehen. ich beschreibe einen Menschen, keinen Roboter! und Menschen werten nun mal. WArum sollte dann mein Prot, der ja ein Mensch ist, nicht auch werten? es macht ihn lebendig!
Periphrasierungen? darunter kann man sich etwas vorstellen, da man "Phrase" kennt! aber hier hast du recht, da ich dort noch etwas einschieben möchte, quasie ein Beispiel für seine Periphrasierungen.
und stationär ist kein Fremdwort. da weiß nun wirklich jeder, wie es gemeint ist.
zudem soll es sich wie ein roter FAden durch die Geschichte ziehen.
genau wie die Gerüche, der Tastenblei oder der Blues. Es verfolgt ihn!
genau hier liegt die Intention der KG: wirklich reisen tut man nur, wenn man etwas hinter sich läßt. er nimmt diese Dinge mit, von Ort zu Ort usw.
klar, was ich meine?
Duft der Symbiose: Zusammenkunft, ein morgendliches Bett, wo 2 leute sex hatten. du weißt, wie das richt.
über einen Namen hatte ich siniert, aber es ist ohne schöner, da der leser sich so besser hineinversetzen kann, der Prot sein kann.

unstimmigkeiten im intermezzo: vielen dank. da hast du recht.

an den rest deiner Verbesserungen mache ich mich jetzt sofort ran.

außer:

bezieht sich aufs Bett, nicht auf den Traumfänger.

"schenkeltriefend": ich hatte mich schon gewundert, dass hier keine Beschwerden kamen. das Wort hakt in der Bedeutung, aber ich denke, man weiß, was gemeint ist.

warum sitzend? warum nicht vertikal? warum so, wie es üblich ist? vielleicht stand sie ja auch.

ich denke, dass Staub, der älter als mindestens 15 oder 16 jahre ist, auch schon alt genug ist.

Er wollte sich nicht die Blöße geben, und zugeben, dass dieser Beruf nichts für ihn ist, nicht so wie er es sich vorgestellt hatte.

"krabbeln" macht das ganze authentisch. sie haben ein eigenes Wort. es wird intim.

"Session" ist schon mehrzahl. alles andere ist umgangssprachlich.

warum kann ich nicht die Perspektive wechseln und aus beiden Sichten schreiben oder berichten? Es wechselt sicherlich hin und her, aber warum denn auch nicht? nur, weil es bei KG´s unüblich ist?

eben, er merkt es nicht selbst! genau darum geht es!

man kann sich seine Freunde so einfach schnappen, ja. besonders dann, wenn man spendiert.

nein, Beerlauch. und sie machen die Pasteten natürlich zuhause, aber dass ist doch klar.

der leser kennt die MEingung des Prot auch, oder kann sie sich zumindest dann denken, da ein Konflikt zwischen 2 Meinungen entsteht, und auch nur 2 Personen da sind.

usw.

Vielen Dank noch mal.
Es sind solche Kritiken, die einen wirklich weiterbringen!

Gruß

 

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