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Der Rabe
Ich saß in dieser dreckigen Kneipe seit drei oder vier Stunden. Weiß nicht; hatte so mein fünftes Bier oder so. Als ich von meinem Glas aufschaute, bemerkte ich, dass ich mittlerweile der letzte in dem Schuppen war. Es war ja nicht so, dass es hier vorher voll war. Aber es saßen drei Leute an einem der anderen Tische. Ich nahm mein Bierglas und ging zur Theke. Nachdem ich mich auf den Hocker gesetzt hab, bestellte ich ein weiteres Bier. Ich leerte das mitgebrachte halbe Glas und ging pissen. Der Gestank auf dem Klo war nicht auszuhalten. Ein Würgreiz zwang mich dazu nicht bis zum Pissoir vorzudringen, sondern direkt im Vorraum ins Waschbecken zu schiffen. Natürlich kam kein Wasser aus dem Hahn, was mir aber ziemlich egal war. Man war das ne scheiß verkommene Kneipe. Ich weiß auch nicht warum ich seit ein paar Tagen hierher kam. Wahrscheinlich dachte ich, dass die Kneipe ganz gut zu mir passte.
Auf jeden Fall, als ich wieder an die Theke wollte, sah ich Maik da sitzen. Neben ihm saß irgend so ein Arabertyp im schwarzen Ledermantel.
„Hey Ben. Das ist Saik. Ich hab dir mal von ihm erzählt, weißt du noch?“
„Ne.“
Ich musterte den Araber. Er glotzte mich scheel an, ohne mit der Wimper zu zucken. Sah irgendwie bescheuert aus. Erst jetzt fiel mir auf, dass ein onyxschwarzer Rabe auf seiner Schulter saß. Ein echter Rabe. Die ganze Szene sah so bescheuert aus, dass das Gehirn wahrscheinlich automatisch den Vogel ausgeblendet hat. Ich weiß nicht ob der Rabe mich in dem Augenblick auch anguckte, ich hatte jedenfalls den Eindruck. Ich schnappte mir mein Bierglas und leerte es in zwei Zügen. Danach griff ich in meine Hosentasche und holte ein paar Geldscheine heraus. Ich wollte schnell bezahlen und mich verpissen; hatte kein Bock auf ein bescheuertes Gespräch mit Maik.
„Man, wart´ mal. Ich hab dir doch letzte Woche von dem Raben erzählt, der voll was drauf hat.“
„Ja? Und? Lass mich raten: das is´ er…Ich tu dir trotzdem kein Bier aus“
Der Araber holte irgendwas aus seiner Manteltasche und hielt es dem Raben vor den Schnabel. Der Rabe schluckte lustlos das vorgehaltene Futter und schaute weg.
„Maik, ich muss. Ich bin zum Poker verabredet. Hab keine Zeit für Zirkustricks…“
„Du gewinnst heut eh nichts“ hörte ich eine krächzende Stimme sagen.
Ich schaute den Araber an, aber ich war mir sofort sicher, dass er es nicht war, der geredet hat. Ich war mir sogar sicher, dass er noch nicht einmal meine Sprache verstand, geschweige denn sprach. Mein Gehirn brauchte ungefähr drei Sekunden bis es den Raben als denjenigen der den Satz hervorgebracht hatte identifizieren konnte.
„Bist ein verfickter Hellseher, was?“ kam spontan aus mir raus.
„Ja.“ krächzte der Rabe.
„Das stimmt.“ kommentierte Maik. „Dieser Rabe kann in die Zukunft sehen.“
„Na toll, dann hätte er euch ja sagen können, dass ich weg muss. Ihr hättet euch den Weg sparen können.“
„Warte.“ sagte Maik ganz ruhig. „Ich hab´s heute ausprobiert. Es stimmt wirklich. Der Rabe hat alle heutigen Fußballergebnisse vorhergesagt. Ich hatte leider nur ´nen Zwanni zum Wetten. Habe aber fast 1000 draus gemacht. Bleib mal noch ein paar Minuten hier. Das nächste Bier geht auf mich.“
Ich setzte mich wieder auf den warmen Hocker und als mein Bier kam holte Maik einen dicken Bündel Scheine aus seiner Hosentasche. Er bezahlte mein Getränk und fing an:
„Du bist der Einzige den ich kenn´, der halbwegs Pokern kann. Wir brauchen dich, um mit Hilfe des Raben dabei abzusahnen.“
Ich blickte zum Araber der gerade einen Popel aus seiner Nase holte, ihn zwischen Daumen und Ringfinger rollte und ihn im hohen Bogen mit seinem Daumen wegschnippte. Danach beugte er sich zu Maik und flüsterte etwas in sein Ohr. Ich nutzte die Zeit um das spendierte Bier in Angriff zu nehmen. So langsam stieg mir der Alkohol des heutigen Abends in den Kopf. Nachdem der Araber mit seinem rumgeflüster fertig war bestellte Maik eine Schale Erdnüsse.
„Is´ja super, dass ihr mich ausgesucht habt. Ich glaub nur nicht an diesen Mist.“
„Ben…wie soll ich dir das auf die Schnelle beweisen? Gib mir mal eine Chance. Du hast doch bei der ganzen Sache nichts zu verlieren. Wir werden dabei reich.“
Dieser bescheuerte Maik. Wie dämlich war der eigentlich? Anstatt dass er seine letzten 20 Mäuse in einen Lottoschein investiert, geht der nur auf Fußballergebnisse wetten. Entweder wurde ich hier nach Strich und Faden verarscht, oder Maik war in Wirklichkeit noch hohler, als ich bisher vermutet hatte. Ich witterte eine Chance. Man sollte schließlich nicht alle Gelegenheiten im Leben ungenutzt lassen.
Der Barkeeper unterbrach meine Gedanken als er eine halbvolle, dreckige Schale Erdnüsse neben Maik stellte. Daraufhin hüpfte der Rabe auf die Theke. Wollte sich wohl ein paar Nüsse rauspicken. Wohl jetzt erst sah der Barkeeper den Vogel und ich glaube aus einem Reflex heraus haute er ihm eine volle Wodkaflasche, die in der Nähe stand über den Schädel. Der Rabe zuckte noch zwei oder drei Sekunden und war dann tot. Fassungslos sahen Maik und der Araber den Kadaver auf der Theke vor sich an.
„Das hätte der dämliche Vogel doch eigentlich vorhersehen müssen.“ sagte ich, legte ein paar Geldscheine neben die Schale und ging raus. Ich schaute auf meine Uhr. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch bis zum nächsten Turnier.