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Der Raucher
Mit einem leisen Knirschen rieb der Feuerstein Funken und entzündete die emporschießende Gassäule. Die Flamme leckte über die getrockneten braunen Fasern. Die letzten Reste des Pflanzenöls begannen zu sieden und Blasen zu werfen, um dann mit kurzem Zischen zu verdunsten. Ein starker Luftsog erfasste die Flamme und ließ sie die Dürre der braunen Fasern durchwirken. Schon erglomm die Glut im verfallenen Gewebe aus Tabakschnüren und verzehrte sie mit einem Knistern. Der Qualm fiel dem Luftzug anheim und merkwürdig sauber schien die Verbrennung, bis der Sog erstarb und zarte Rauchfäden aus der Asche aufstiegen.
Fasziniert beobachtete er dieses Schauspiel; dann blähte er die Nüstern und lies den Rauch durch die Nase entweichen. Sein Händezittern war im Begriff abzuebben und eine warme, bedächtige Ruhe machte sich in ihm breit. Der Nebel, der dicht um den kleinen Tunnel seiner Wahrnehmung herum waberte, klärte sich, und ein kaum merkliches Schaudern zeugte davon, dass die Realität ihn wieder hatte.
Er stellte sich seine Gedanken als ruhig plätscherndes und glucksendes Gewässer vor, einen Gebirgsbach vielleicht. Immer wieder jedoch sah er vor seinem inneren Auge den Wasserstand steigen, den Bach zu einem Fluss ausufern. Die Strömung nahm zu, wurde reißend und irgendwann färbte sich das Wasser schwarz.
Wieder zog er an der Zigarette und versuchte der gequälten Fratze seines Gesichts ein Lächeln zu entringen. Erbarmungslos ließen die Muskeln seine Gesichtshaut beben, als er mit brutaler Gewalt die Mundwinkel auseinander riss und unter übermenschlichen Anstrengungen seine Augenbrauen in die Höhe stemmte. Er hatte das Gefühl sein Gesicht zu vergewaltigen, in Widerstreit zu treten mit dem tosenden Aufruhr in seinem Inneren, ohne allerdings der Wut und Verzweiflung Herr werden zu können.
Er murmelte unverständliche Worte, die sich nach und nach zu Sätzen formten, Gestalt annahmen und mehr und mehr nach menschlichen Äußerungen klangen. Er richtete die Worte an sein Spiegelbild und sprach mit mühsam beherrschter Stimme:
„Träge ziehen die Gedanken dahin, ein zäher Sirup ohne Kontext. Willkürlich und konturlos ihre Formen, wie die hochgewürgten Gewölle einer Katze. Der Sinn, nicht zu erschließen und doch zweifellos vorhanden. Ihr Wirken vollzieht sich tiefer im Inneren. Konkret bleibt nur ihr Äußeres, welches das Wesen, den Sinn, vor dem verbirgt, der ihn zu erfassen nicht die Kraft hat. Erkennend, was in ihm ruht, die Wahrheit greifend, nähere ich mich der Tiefe, trete im Vertrauen auf den Sinn hinaus über die Schwelle. Bald nun werde ich wissen, ob, was ich sah, Wirklichkeit oder Schein, Krankheit oder Symptom, Sinn in Vollendung oder Taschenspiel des Verstandes gewesen ist.“
Ein brauner Streifen verflüssigten Nikotins blutete auf das Zigarettenpapier und die zylindrische Form zog sich in sich selbst zusammen, als er einen neuen Schwall des giftigen Rauches in seine Lungen presste. Aschfahl und weiß schien sein Gesicht zu leuchten, während er ruhig stand und sich beobachtete. Einzig das leichte Zittern der Glut, wenn er die Hand zum Mund führte, kündete von seiner Absicht.