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Der Raum

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23.05.2005
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Der Raum

„Sie wollen hier doch genau so raus, wie ich, oder?“
Der Mann sieht mich an. Wenigstens reagiert er.
„Nein. Ich hatte schon schlechtere Unterkünfte. Mir gehts hier gut, dir gehts nur schlecht.“

Ich wende mich einer der Türen, einer blauen, zu und will sie öffnen und hindurch gehen.
Da hält mich die Stimme des Alten zurück.
„Warte!“
Ich drehe mich um.
„Das hier brauchst du“, sagt er und gibt mir einen Hammer, an dessen Spitze getrocknetes Blut klebt.
„Was soll ich damit?“, frage ich verdutzt und nehme das Werkzeug an mich.
„Geh jetzt!“
Damit schließt der Mann seine Augen.
Ich wende mich wieder der blauen Tür zu und gehe hindurch. Dann schließe ich die Tür hinter mir und drehe mich um. Sie ist auf der anderen Seite rot.
Und obwohl ich durch eine Tür den Raum verlassen habe, stehe ich wieder in demselben Raum.
Ich sehe mich um. Ja, alles genau gleich: Der alte Mann, der mit geschlossenen Augen auf dem Boden sitzt, die sechs Türen, eine blaue, eine rote, eine braune, eine weiße, eine schwarze und eine Spiegeltür.
„So helfen Sie mir doch bitte!“, appelliere ich an den Mann, in dem Wissen, dass er mir nicht antworten wird.
Ich sehe mir die Türen eingehender an. Dann betrachte ich den Hammer. Hm, er ist voller Blut. Blut ist rot, also muss ich wohl durch die rote Tür. Aber die Metallspitze ist schwarz. Und der Griff braun. Der Griff ist unten mit blauem und weißem Band umwickelt.
Ich weiß keinen Ausweg.
Ich versuche mich an irgendetwas zu erinnern, das vor dem Raum war, aber ich schaffe es nicht. Meine Erinnerung fängt damit an, den alten Mann gefragt zu haben, was es mit dem Raum auf sich hat.
Wie bin ich hier hergekommen? Was habe ich davor gemacht? Und wer bin ich überhaupt?
Wieso soll der Hammer ein Zeichen sein? Wie soll er mir den richtigen Weg weisen, wenn er alle Türfarben in sich vereint? Alle Farben in sich vereint. Was vereint alle Farben in sich? Weiß. Aber was noch? Es muss doch noch etwas geben.
Geleitet von dieser Intuition schreite ich auf die Spiegeltür zu.
Lange Zeit bleibe ich davor stehen und durchdenke meine These. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass ich nur einen einzigen Versuch habe, durch die richtige Tür zu laufen. Sollte ich die falsche wählen, müsste ich die Stelle des alten Mannes einnehmen, und er würde in die Freiheit gelangen. Dann müsste ich solange hier bleiben, bis ein anderer junger Mann hierher gelangt und zweimal die falsche Tür wählt.
Wie ich auch denke und denke, ich komme immer zu dem gleichen Schluss, durch welche Tür ich gehen muss.
Ich hebe den Hammer und schlage den Spiegel ein.
Der Spiegel zerbirst und fällt in sich zusammen. Im hinter ihm freigewordenen Sichtfeld sehe ich schwarze Leere. War es am Ende falsch, den Spiegel zu zerstören?
Aber jetzt ist es zu spät, sich Gedanken zu machen, ich trete über die Türschwelle und harre der Dinge, die mich erwarten mögen.

 

Comic

Hallo Tserk,

Mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Ich möchte sie gerne in einem Comic mit 5 Bildern einfangen. Allerdings möchte ich dabei ein paar Details ändern. Ist das ok für dich?

Grüße
syntromic

 

Hallo syntromic,

erst mal natürlich danke, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Bezüglich deiner Idee hätte ich noch einige Fragen, z. B. wie willst du diese Geschichte in nur 5 Bildern einfangen? Oder, was für Details möchtest du ändern?

Schreib mir doch einfach eine PN, in der du mir alles ausführlicher erklärst, ok? :)

Bruder Tserk

 

Hallo Herr Bernhard,

entschuldige die späte Antwort, bei dieser Geschichte merk ich irgendwie nie, wenn jemand kommentiert ...

Danke erst mal für deinen langen Kommentar. Nun im Einzelnen:

Der Schluss von „weiß“ auf „Spiegel“ kann ich nicht nachvollziehen.
Weiß verbindet alle Farben in sich. Und ebenso spiegelt der Spiegel alle Farben.
Der Alte hat also jemand umgebracht und ist deshalb allein in dem Raum übriggeblieben, bis, ja, bis der Protagonist kam.
Dass das nicht so ist, lässt die Frage schließen, wo ist die Leiche hin? ;)
Wieso wartet er, wieso geht er nicht weiter, hinein in die schwarze Leere?
Vielleicht bin ich einfach zu ängstlich, aber ich persönlich würde nicht sofort in eine schwarze gähnende Leere hineinspazieren.
Eine Frage drängt sich mir auf: „War es am Ende falsch, den Spiegel zu zerstören?“
Und genau diese Frage SOLL sich aufdrängen, beziehungsweise ich dränge sie dem Leser ja geradezu auf ;)
Wenn ja, dann erscheint mir die Antwort in einer anderen Tür nicht sinnvoll, da er ja schon durch die blaue gegangen ist und nichts passiert ist.
Das war sein erster Fehltritt. Jeder hat eine zweite Chance verdient.
Ganz oben steht „Für Sie“.
Entweder hat dieser Titel keine Bedeutung für die Geschichte oder doch. Ich entscheide mich für „doch“. Er will ihr damit etwas sagen.
Liebes, Du willst, dass ich mich erkläre? Schau, ich fühle mich, wie in einem Raum. Ich sehe viele Türen, alle animieren mich, sie zu benutzen. Ich sehe aber auch mich, wie ich aus dem Raum nicht entfliehen kann. Wozu soll ich dann die Türen benutzen? Mir ist, als wenn ich mich selbst töten müsste, um frei zu sein. Das Bild, was ich von mir habe, könnte ich zerstören, aber was dann? Dann stehe ich vor dem Nichts. Bekomme ich je wieder ein eigenes Bild? Ist außer Blut nichts zu gewinnen? Du bist mir fremd, irgendwie habe ich Angst vor dir, aber ich wage es. Ich werde mich dir öffnen, ich werde dir vertrauen, selbst wenn ich am Schluss wieder da bin, wo ich vor dir war. Ich lasse mich auf dich ein.
Eine wirklich, wirklich schöne Interpretation! Ich möchte nicht sagen, dass sie falsch ist, ich möchte nur sagen, dass sie von mir nicht so angedacht war. Das Für Sie ist eine Widmung, die mit der Geschichte an sich nichts zu tun hat. Ich werde das wohl entfernen, damit zukünftige Leser nicht denselben Fehler machen.
Webst Du schon an Deinem nächsten Netz und ich warte umsonst?
Das verstehe ich nicht ganz :)

Dir noch mal herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren, Herr Bernhard, und entschuldige nochmals die späte Antwort.

Bruder Tserk

 

Hallo Tserk,
nachdem ich deine Geschichte gelesen habe war ich nicht sonderlich zufrieden. Ich finde diese Geschichte wenig innovativ. Ich meine, natürlich kann man hier viel deuten und interpretieren, aber die bildlichen Darstellungen waren mir zu unspeziell. Gut ich bin sowieso kein Freund von unterschiedlichen Farben, die für unterschiedliche Sachen stehen, aber dann in Verbindung mit Türen. Dieses Bild ist so einfach, für mich so ne Art Baby-Metapher, ja man kann halt durchgehen... oder es lassen... Super!
Ich weiß nicht, ob du jetzt wirklich verstehst, was ich meine, aber ich mache einfach mal weiter.
Und als er dann zur Spiegeltür geht, dachte ich mir: "Nein, er hat jetzt nicht die Spiegeltür als tatsächliche Lösung genommen oder?"
Naja, zumindest wählt sie der Protagonist und das zeichnet sich schon als eine sehr schwache Lösung ab. Vieeeel zu offensichtlich. Aber wirklich vieeeeel zu.
Und da schon wieder die Metapher des Spiegels. So eine vollkommen alte, so oft verwendete Metaphorik, die du allerdings um keinen Punkt bereicherst.
Er zerschlägt den Spiegel. Das ist jetzt das ganze Bild. Gähnende Leere.
So und was soll uns das jetzt sagen?

Ne, sorry, aber diese Geschichte ist mir viel zu oberflächlich und ungenügend
Naja, aber ist nur meine Meinung
nen netten Gruß, der Ignorant

 

Hallo Literaturignorant,

die einzig richtige Lösung ist meistens so banal, dass man enttäuscht ist, wenn man auf sie kommt oder sie erst gar nicht bemerkt.

Das ist jetzt das ganze Bild. Gähnende Leere.
Ja. Auf den ersten Blick. Aber dahinter befindet sich ja was.
So und was soll uns das jetzt sagen?
Hat ja keinen Anspruch auf die tiefsinnigste Erkenntnis des Jahrtausends.

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Bruder Tserk

 

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