Der Rest meines Lebens
Ich öffne die Augen und hab nen dicken Kopf. Ich huste, in der Erwartung, daß mir gleich ein paar der verkonsumierten Kippen vom gestrigen Abend aus dem Mund fallen. Dann bin ich halbwegs wach. Wo bin ich? Ach ja, in meinem Leben. Welcome back. Hello again. Hurra-hurra.
Schwerfällig schleppe ich mich in die Küche und stolpere dabei fast über meine halbverhungert anmutenden Kater, sie feuern mich beim Dosenöffnen an, während ich versuche das Geschreie der Jungs zu ignorieren, welches mein eh schon zerpflücktes Nervenkostüm auf penetranteste Art und Weise zu mißhandeln scheint. Gesegnete Ruhe, die Jungs schlagen sich den Bauch voll. Und ich prügele mich unter die Dusche.
Der erste Tag vom Rest deines Lebens, geht es mir durch den Kopf, während warmes Wasser auf mich nieder prasselt. Der letzte Tag deines einwöchigen Urlaubs.
"Hast du dich erholt?" frage ich mich selbst.
Ein Blick in den Spiegel beantwortet die Frage.
"Hast du den Urlaub wenigstens für irgendwas Sinnvolles genutzt?" seufzt die Stimme in meinem Kopf.
Ansichtssache, antworte ich stumm. Wenn man sich grundlos betrinken, wie´n Schlot quarzen und ewigliches Grübeln über die Sinnhaftigkeit meines destruktiven Daseins bis zur lähmenden Depression als sinnvoll bezeichnen kann - ja. Aber ich hab eine wichtige Entscheidung getroffen.
Mein imaginärer Gesprächspartner verdreht die Augen.
"Das ist ja GANZ was Neues."
Ich will mein Leben ändern.
"Ach. Sieh an. Schon wieder?"
Ich meine es ernst.
Ich lächele mein Spiegelbild an, aber nur kurz, weil ich den Anblick nicht länger als drei Sekunden etrage.
Ich will die Welt retten, sage ich mir.
"Ich dachte, du erzählst mir mal was Neues...?"
Ich meine es ernst. Ich will sie wirklich retten. Von ganzem Herzen.
Skeptisches Schweigen.
Ich werde leben, denke ich. Und zwar... vegan.
Schallendes Gelächter dröhnt durch meinen Schädel.
"Echt jetzt? Du weißt schon, daß du dir das noch vor zwei Jahren niemals hättest vorstellen können, oder? Erinnerst du dich?"
Natürlich erinnere ich mich. Aber ich hab meine Meinung geändert. Ich will die Welt retten. Ich will´s von ganzem Herzen, und nur wenn ich vegan lebe, kann ich mit ganzem Herzen dabei sein.
Die Stimme schweigt, ihr fällt nichts mehr ein. Ich freue mich und kleistere mir eine Maske aus Make Up auf mein Gesicht, auf daß ich mich in die Öffentlichkeit trauen kann.
Als ich das Bad verlasse, begrüßen mich bereits meine gesättigten Jungs mit zufriedenem Schnurren.
"Fang erstmal bei dir an, bevor du die Welt verbessern willst!" höre ich die Stimme noch rufen, als ich meine Haustür öffne.
Ich ignoriere sie, gehe nach draußen und klebe "Fleisch ist Mord"-Aufkleber auf Briefkästen, an Bushaltestellenschilder und aufs Wappen der Fleischerinnung.