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Der Router blinkt rot – und ich sehe schwarz

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15.05.2025
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Der Router blinkt rot – und ich sehe schwarz

Hallo Zusammen, das ist mein erster Beitrag hier. Ich bin Rentner, 67 Jahre und zitiere hier ein Kapitel aus meinem Buch.


Ich bin ein friedliebender Mensch.
Ich glaube an Diplomatie, Kompromisse und den Nutzen tiefer Bauchatmung.
Aber wenn mein Router rot blinkt, werde ich zu jemandem, der in einem Tarantino-Film die Hauptrolle spielen könnte.
Es beginnt immer gleich:
Ich sitze da, will nur kurz was nachschauen – ob das Wetter morgen hält, ob ich noch lebe laut Schrittzähler oder ob Amazon meine Zahnbürsten-App wieder aktualisiert hat.
Doch dann…
…bleibt die Seite weiß.
Ein endlos drehender Kreis signalisiert mir, dass das Leben pausiert wurde.
Ich werfe einen ersten Blick zum Router.
Er steht in der Ecke, ganz unschuldig – wie ein Kleinkind, das gerade das Sofa vollgekrümelt hat.
Doch dann sehe ich es:
Die Leuchte!
Nicht grün. Nicht blau. Nein… ROT.
Und rot ist nie gut.
Ich gehe hin. Schaue. Rede.
„Was ist los? Was brauchst du?“
Ich streichle fast über das Gehäuse, so verzweifelt bin ich.
Nichts. Nur stures Blinken – im Rhythmus meines steigenden Blutdrucks.
Ich versuche es mit dem Klassiker:
Einmal ausstecken, zehn Sekunden warten, wieder einstecken.“
Ich weiß nicht, wie viele technische Geräte weltweit dadurch wiederbelebt wurden – aber mein Router gehört nicht dazu.
Ich gehe in die Knie, drücke Knöpfe, krieche unter den Schreibtisch wie ein digitaler Höhlenmensch auf der Suche nach Licht.
Meine Frau ruft aus dem Nebenzimmer:
„Was machst du?“
Ich antworte mit belegter Stimme:
„Ich kämpfe für uns.“
Dann – der letzte Trumpf: Der Neustart.
Ich halte den Reset-Knopf gedrückt. Fünf Sekunden. Zehn. Fünfzehn.
Das Blinken hört auf.
Ich bin bereit für einen Neuanfang.
Ich hoffe. Ich bete. Ich verspreche dem Router eine Gehaltserhöhung.
Und siehe da –
ein Licht!
Grün!
Ich schreie „Es lebt!“ wie ein Frankenstein-Darsteller auf Koffein.
Ich eile zurück zum Laptop – nur um festzustellen:
Der Drucker ist offline.
Die Smart-Home-App verlangt ein neues Passwort.
Und mein Handy hat sich mit dem Nachbar-WLAN verbunden – das jetzt besser ist als meines.

In diesem Moment wird mir klar:
Ich beherrsche die Technik nicht.
Ich bin ihr Untertan.
Der Router ist nicht mein Gerät.
Er ist mein Herr.

 
Quellenangaben
Digitales Scheitern - analoger Wahnsinn (Hab ich selbst geschrieben)

Hallo Zusammen, das ist mein erster Beitrag hier. Ich bin Rentner, 67 Jahre und zitiere hier ein Kapitel aus meinem Buch.


Hallo Pep!

Willkommen im Forum. Ich bin auch erst seit Kurzem hier. Danke für Deine Geschichte!

Ich sitze da, will nur kurz was nachschauen – ob das Wetter morgen hält, ob ich noch lebe laut Schrittzähler oder ob Amazon meine Zahnbürsten-App wieder aktualisiert hat.
Das erinnert mich, wertfrei, an meinen Vater.

Nichts. Nur stures Blinken – im Rhythmus meines steigenden Blutdrucks.
Der Blutdruck hat keinen Rhythmus. Der Puls und der Herzschlag haben einen Rhythmus. Der Blutdruck steigt kontinuierlich und wird durch das Lumen/die Kontraktion der Gefäße und die Herzfrequenz bestimmt.

Dein Text hat mir gefallen. Vor Allem den (fast inflationären) Gebrauch von Absätzen fand ich erholsam, zu viel ist besser als zu wenig.

Als Kurzgeschichte taugt es nicht, aber im Kontext eines "Buches" (Romans?) kann es funktionieren.
Humor ist indes immer subjektiv. Ich bin nicht vor Lachen vom Stuhl gefallen, und vieles wirkt, auch sprachlich, etwas gewollt. Der Protagonist schildert eine Situation, wie sie alltäglicher nicht sein könnte, und darin liegen sowohl Fallstricke (Beliebigkeit, Banalität) als auch Chancen (großes Identifikationspotential) des Settings und der Handlung.

In was für einem "Buch" findet sich der Text denn wieder?

Viele Grüße von Pazifik

 

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