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Der Schelm

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26.02.2005
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Der Schelm

Die Kolonne schleppte sich zur Arbeit, wie jeden morgen. Das Grau des Himmels rührte von den nahegelegenen Industriestätten her, deren Schlote unablässig qualmten, des Tags ebenso wie des Nachts. Am Rande des Weges war der übliche Müll der Zivilisation gesammelt: Joghurtbecher, Plastiktüten, Träume, allesamt grau in grau. Die elektrischen Zäune trennten die Arbeiter von den Gärten der Kapitalisten, die sich allerdings nur darin vom Rest der asphaltierten Städte unterschieden, dass weniger Müll auf ihnen zu finden war.
In letzter Zeit allerdings war Müll en vogue, weshalb das einzige wirkliche Unterscheidungsmerkmal die Zäune waren, deren Existenz somit letztlich schlicht und einfach Selbstzweck war.
#1 - #23197 hatten bereits das Tor zu den Fertigungsanlagen passiert, #23198 - # 42087 warteten noch vor den gusseisernen Toren auf Einlass, um acht Stunden lang ihre Pflicht gegenüber der Gesellschaft erfüllen zu können, bevor sie das Blöken des Hornes erlösen würde, sodass sie sich wieder ihrer Selbstverwirklichung würden widmen können.
Die Älteren unter ihnen erinnerten sich noch der Zeiten, in denen sie nicht nur Nummern waren, sondern mehr. Und dann und wann kam in jenen Teilen der Kolonne die sich vor den Toren staute ein Gespräch zwischen den wenigen nicht wegrationalisierten Alten in Gang.
Dann klopften sie sich auf die Schultern und sagten: "Damals, als wir produktiver waren", denn auch das Wort jünger galt sein langer Zeit nicht mehr als en vogue bei den Kapitalisten, und was die Kapitalisten en vogue fanden, das fanden auch die Kolonnen en vogue. "Damals, als wir produktiver waren", pflegten sie dann zu sagen "da waren wir mehr als bloße Nummern, da waren wir mehr. #2178 hier, ich weiss es noch genau, er hieß damals S192, denn er war ein Schrauber." Und die jüngeren Arbeiter nickten voller Ehrfurcht, aber auch voller Angst, denn damals war nicht alles besser gewesen, das wussten sie. Die Zeiten waren härter und der Wettbewerb anders beschaffen.
Und dann waren sie froh, da zu sein wo sie waren und das zu sein was sie waren, denn diesen Lebensstandard konnte nur das beste der möglichen Systeme bieten.
Wenn sie dann des morgens antraten, um jedes Produkt auf Perfektion zu prüfen, bevor es von den Maschinen in die harte Welt des Wettbewerbes entlassen wurde, waren sie zwar nicht glücklich, aber dennoch zufrieden, da es ihnen hätte schlechter gehen können.

Die Kolonne schleppte sich zur Arbeit, wie jeden morgen. Das Grau des Himmels rührte von den nahegelegenen Industriestätten her, doch blitzte hie und da an jenem Tage ein Sonnenstrahl hindurch, um den Tag des Wettbewerbs zu zelebrieren. Und jeder Strahl der den Asphalt und den Müll traf, liess ihr Sicherheit verheißendes Grau in einem anderen wundervollen Farbton erstrahlen. Und jedesmal da die Leute den Asphalt im Lichte schimmern sahen nickten sie und sagten: " Das hat der Wettbewerb gebracht", und sie waren froh, dass sie Straßen hatten auf denen ihre kleinen grauen Fahrzeuge gut fahren konnten.
Und an einem kleinen Park, der sich von der restlichen Stadt nur durch den Elektrozaun unterschied standen #31217 - #31284 in ihrer Kolonne, und warteten darauf, dass die Fabriktore sich öffneten, damit sie ihre Arbeit beginnen konnten. #31224 war jedoch an diesem Tag etwas zerstreut, weil der Asphalt in so vielen Farbfacetten schien. Berührt von diesem einmaligen Kulturschauspiel betrachtete er die Abfallberge am Rande der Kolonne, wo das Licht die grauen Joghurtbecher und die grauen Plastiktüten beschien, sodass er seinen grauen Träumen von seinem kleinen grauen Auto nachhängen konnte, welches er sich in näherer Zukunft zu kaufen gedachte.
Wie erschreckt war er doch, als sein Blick auf das grelle Objekt fiel, das stechend weiss und schwarz zwischen den Tüten zweier großer Discountläden lag. Und da seine Arbeit letztlich noch nicht begonnen hatte, beschloss er, es sich einmal näher zu betrachten, hatte er doch ohnehin seine Lektüre zuhause vergessen.
Für einen Arbeiter war #31224 stets ein großer Leser gewesen, und er bediente sich am reichen Angebot, das der Wettbewerb hervorgebracht hatte. Seine kleine Bibliothek umfasste fantastische Literatur, die von edlen Elfen und gemeinen Orks handelte. Sie hatte Krimis, die allesamt den raffinierten Kniff hatten, den Verdacht bis zur letzten Seite auf eine Person zu lenken, um dann auf der letzten Seite jemand völlig anderen als den Übeltäter zu entlarven. Natürlich hatte er philosophische Bücher, deren Gehalt zu großen Teilen darin bestand, aufzuzeigen weshalb der Wettbewerb in seiner jetzigen Form jeder anderen Gesellschaft überlegen war, und immer sein würde. Und sämtliche Einbände hatten dieses dezentfröhliche, nicht zu grelle grau, was #31224 besonders erfreute, da dies die Farbe seiner Wahl auch für den Rest seiner Wohnungseinrichtung war.
Nun allerdings war #31224 lektürelos, was ihn dazu veranlasste nach dem kleinen Objekt zu greifen, nur um sich sofort danach wieder in die Kolonne einzuordnen, wo er das Objekt in der Tasche seines Overalls verschwinden ließ, da das Signal ihn und seine Freunde zum Arbeitsbeginn ermahnte.

Das Stampfen früherer Zeiten war nunmehr abgelöst von einem monotonen Surren, da die stählernen Giganten es dank modernster Technik vermochten, nicht nur effizienter, sondern auch leiser herzustellen. Und zwischen seinen 43000 Freunden stand #31224 und lauschte dem Surren, während das Fließband ihm Joghurtbecher und Plastiktüten lieferte, die er mit geschulten Blicken und routinierten Berührungen auf ihre Makellosigkeit überprüfte. Das Fließband lieferte auch andere Gegenstände, aber Joghurtbecher und Plastiktüten waren ihm die liebsten, da viele der anderen Ecken und Kanten aufwiesen, die sich nicht mit seinem Sinn für Ästhetik vertrugen. Er war ein Feingeist, der Bauhaus ebenso schätzte wie Kubismus, und seine Wohnung war voll monochromer Drucke seiner Lieblingskünstler.
Die Maschine surrte, sonst herrschte Stille in der Fabrik, abgesehen vom gelegentlichen leisen Klopfen von Daumen auf Plastik oder Holz. Die Gegenstände folgten einander in ihren kleinen Kolonnen, und #31224 fragte sich manchmal, ob die Gegenstände auch Namen hatten wie er, oder seine Freunde. Manchmal gab er ihnen Namen, angefangen beim ersten des Morgens, und er taufte sie von #1 bis #20000, manchmal sogar mehr. Und dann stellte er sich vor, wie #1 bis #20000 die Fabrik verließen und sich trennten, um in alle Welt verschifft zu werden, wo sie zu nützlichen Plastiktüten oder Joghurtbechern wurden, aus denen kein Tropfen Joghurt ob seiner gewissenhaften Kontrolle je entwich.
Seine Arbeit hatte einen Sinn, und das machte ihn glücklich, genau wie jeder einzelne Becher und jedes einzelne Objekt ihn erfreuten, brachten sie ihn doch den Zielen die er sich in seinem Leben gesetzt hatte näher.
Die Lebenspläne #31224s waren bescheiden, er wünschte sich nur ein etwas größeres Auto und vielleicht eine etwas größere Wohnung, vielleicht etwas näher an einem Park der Fabrikbesitzer. Was die Fabrikbesitzer taten war stets en vogue, also mussten ihre Wohnhäuser auch en vogue sein. Und je näher man sein eigenes Grundstück an einem der ihrigen hatte, umso beliebter und glücklicher war man.
#31224s Verstand wurde überstiegen von der Vorstellung, wie glücklich man sein musste, wenn man in den Parks, jenseits der Elektrozäune lebte. Zwar erschienen sie nicht anders als der Rest der Welt, dennoch gab es die Zäune, was sie bereits zu etwas besonderem machte.
An diesem Tag jedoch nummerierte er keine Objekte,war er doch mit tiefschürfenderen Gedanken beschäftigt, die sich allesamt um das Objekt in der Tasche seines Overalls drehten.

Am Abend dann ging er in seiner Kolonne nach Hause, wo er sich, ohne es an der nötigen Sorgfalt beim Zusammenlegen seiner Kleider mangeln zu lassen, auszog und an den Küchentisch setzte. Er war froh, einen gräulichen Teint zu haben, denn jegliche dunklere Farbe hätte das komplette Konzept seiner Wohnung gestört, ebenso wie vermutlich das komplette Konzept der Stadt.
So saß er denn an seinem Tischlein und wendete das Objekt mit Verwirrung und Ehrfurcht. Als er jung war, so erinnerte er sich, hatten die Alten die damals schon alt waren erzählt.
Er erinnerte sich genau.

Damals hatte sich die Kolonne zur Arbeit geschleppt, wie jeden morgen. Dass das Blau des Himmels nur trüb zu sehen war, lag an den Industriestätten leicht ausserhalb der Stadt.
Die Alten standen manchmal zusammen, wenn es sich ergab, was schon damals selten war, da man sie für gewöhnlich wegrationalisierte und redeten über ihre Kindheit.
Manchmal, wenn sie ausserhalb der Kolonne ihrer Freizeit nachgingen, kamen sie auch zu ihm und sagten: "Damals, als ich noch jünger war", denn als #31224 jung war, war es noch nicht en vogue nicht jünger zu sagen. "Damals, als ich jünger war", pflegten sie dann zu sagen, "da waren wir noch mehr als bloße Buchstaben und Zahlen. M12 hier, ich weiss es noch genau, hieß Peter Maler, denn er war dafür zuständig den Dingen die Farben zu geben." Und dann staunte #31224 stets und riss die kleinen Äugelein weit auf und fragte Dinge wie: "Was waren das, die Farben?".
Er entsann sich, dass die Zeiten glücklicher gewesen waren. Aber damals war er ein Kind gewesen und konnte noch nicht erkennen, wie schlimm es um die Welt stand ohne die Errungenschaften die der Wettbewerb seitdem gebracht hatte. Und es war schlimm, das stand auch in seinen grauen Büchlein.

Und als es dunkler wurde, und das trübe Sonnenlicht dem flackernden Licht verbrennender Gase wich, schaltete #31224 sein Licht an und öffnete den Kasten, in dem sich mehrere kleine Döslein befanden. Und in einem der Döslein war ein Rest orangener, fester Pigmente. Noch bis es Zeit für ihn wurde ins Bett zu gehen starrte #31224 das Döslein an und erfreute sich der Farben, die es ihm darbot. Schließlich legte er sich zur Ruhe, um sich am nächsten Tag abermals in die Kolonne einzuordnen, diesmal jedoch mit seinem neuen Glücksbringer in der Brusttasche.

Als sich die Kolonne am nächsten Morgen zur Arbeit schleppte, waren alle zufrieden mit den Dingen, die ihnen der Wettbewerb beschert hatte. Die einen waren dankbar, dass sie das neue Automobil hatten erwerben können, die anderen waren glücklich, einen Beruf zu haben und nicht abhängig von den Unsicherheiten vergangener Zeiten zu sein. Einer jedoch war im Augenblick schlicht und einfach glücklich über das kleine Objekt in seiner Brusttasche.
Und als #31224 die Produkte seiner Firma auf Qualität prüfte, dachte er nur an seinen kleinen Schatz, der ihm solche Freude bereiten würde, sobald er wieder freie Zeit hatte. Einmal gar riskierte er einen Blick während der Arbeit, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand ihm zusah.

Als er heimkehrte, legte er die flache Dose wieder neben das Objekt, dem er es entnommen hatte. Dann nahm er das rechteckige Objekt, dass ihm trotz des starken schwarz/weiss Kontrastes zu gefallen begann und drapierte es auf besondere Art und Weise neben dem anderen Müll in seinem Vorgarten, bevor er sich wieder die verbliebenen orangenen Pigmente betrachtete, die ihm so gefielen. Eine Weile dachte er darüber nach, Musik zu diesem Farbspektakel zu hören, bevor ihm klarwurde, dass seine Musik eher das äquivalent eines Grau war. Alle seine CDs waren voller poppiger, eingängiger Rhythmen, denen digital jede kleinste Störung und auch der kleinste Fehlton genommen wurde, sodass er in den vollen Genuss des Klanges kommen konnte. Das war bisher stets adäquat gewesen, nun jedoch sehnte er sich nach etwas anderem, dass in der Lage war, dem Orange auf seinem Küchentisch eine angemessene Begleitung zu bescheren. Da er allerdings nichts besaß, und auch von nichts gewusst hätte, das dieses Kriterium erfüllt hätte, begnügte er sich damit, das Orange zu erfühlen und sogar zu schmecken. Nachdem allerdings das Orange mit seinem Speichel in Berührung gekommen war, begann es abzufärben, was #31224 im ersten Moment erschrak, dann jedoch entzückte. Er feuchtete seinen Finger mit Speichel an und drückte ihn dann in die Pigmentmasse, nur um dann Abdrücke auf seinen liebsten grauen Gegenständen zu hinterlassen. Er wusste zwar, dass dies nicht gern gesehen und schon gar nicht en vogue war, aber dennoch war er zu fasziniert von der Leuchtkraft der Farbe, um abzulassen.
Als nur wenig verblieben war, ließ er ab um sich in sein graues Bett zu begeben. Sein graues Bett mit dem orangenen Fingerabdruck am linken vorderen Bein.

Die Kolonne schleppte sich zur Arbeit, und nur #31224 schleppte sich nicht, sondern wippte vergnügt auf und ab, während er ein Lied pfiff, dass er aus seiner Kindheit, als alles noch schlechter war zu kennen glaubte. Es war nicht digital nachbearbeitet und von Fehlklängen befreit, weshalb sich einige der Jüngeren beschwerten, aber das kümmerte ihn nicht. Der Wettbewerb hatte alles frei gemacht, und in seiner Freizeit durfte er auch etwas pfeifen wenn ihm danach war. Der Grund seines Vergnügens war der kleine Streich, den er vorbereitet hatte.
Als das Signal ertönte, war es das erste Mal, dass #31224 glücklich und nicht bloß zufrieden war als er die Fabrik betreten konnte. Wie üblich begann er seine Qualitätskontrolle, von Zeit zu Zeit jedoch berührte er mit einem angefeuchteten, pigmentierten Daumen die Becher und Tüten, sodass eine schwache,orangene Spur seiner Anwesenheit zurückblieb. Und eines Tages, dessen war er sich gewiss, würde er, wenn das Orange schon längst versiegt wäre, eine seiner unzerstörbaren, makellos qualitätsgeprüften Tüten an einer Kasse hängen sehen, und dann würde er der Kassiererin in ihrem grauen Overall zulächeln und sagen: "Das war ich.".
Er wusste jetzt schon, sie würde nicht zurücklächeln,denn Lächeln war selten einmal en vogue. Sie würde sagen "82 Pence." und den Einkauf von seiner kleinen grauen Karte abbuchen. Aber er würde lächeln, dessen war er sich gewiß. Und vielleicht würde er einmal einer der Älteren sein, die den jüngeren der Kolonne von sich erzählten, oder sich untereinander unterhielten.Aber er hätte dann sogar einen Beweis seiner glorreichen Jugend, eine graue Tüte mit einem kleinen orangenen Punkt.
Er war ein Schelm.

 

Hallo aziel

Du wartest nun ja schon ganz schön lange auf nen Kommentar und ich denke ich weiß, woran es liegt. Ich für meinen Teil betrachte deine Geschichte mit zwiespältigen Gefühlen: Ich kann nicht sagen, dass sie mir gefallen hat, was Inhalt und Erzählgefühl/Atmosphäre (mir fehlt da momentan das richtige Wort für. Ich meine damit die rein subjektive Beurteilung, ob ich ein Ding/Mensch mag) angeht. Dazu ist er zu bieder und zu kalt.

Aber andererseits zeugt diese Kälte von einer gewissen Professionalität was den Einsatz stilistischer Mittel und die handwerklichen Fähigkeiten allgemein angeht. Und das will, kann und muss ich dir zugute halten.

Was meine ich nun genau?
Dein Text handelt ja offensichtlich über eine Gesellschaft, die die Anonymität und die Gräue (Grauheit?) der Masse auf die Spitze getrieben hat - ausgedrückt durch die allgegenwärtige Farbe und die pure Numerifizierung der Bürger/Arbeiter. In diesem Sinne ist es geschickt von dir, bspw dem Protagonisten keinen Namen zu geben, ihn keine besonders herausstechenden Eigenschaften zu verleihen oder ihn irgendwie so zu kennzeichnen, dass der Leser sich gerade mit ihm identifizieren kann. Hinzu kommt die rhythmische schon beinahe periodische Wiederkehr immer gleicher Sätze ("Die Kolonne schleppte sich zur Arbeit, wie jeden morgen"), die diesen Monotonieeffekt verstärken. Dummerweise sind aber monotone Geschichten alles andere als interessant - eben monoton = langweilig.
Diese Mittel unterstützen somit die Aussage des Textes, behindern aber die Empathie des Lesers. Sind also sowohl förderlich als auch hindernd.
Daher meine unentschiedene Position:

Fachlich nicht schlecht aber nicht mein Geschmack ;)

Ich hoffe, du konntest was mit diesem Meinungbild anfangen.

Gruß
Hagen


PS: Du solltest vielleicht darauf achten, nicht so oft die Konjunktion "als" zu verwenden.

 

Danke für den Kommentar erstmal. Ich habe wirklich lange darauf gewartet ;)
Was deine Bewertung angeht, kann ich sie voll und ganz nachvollziehen und ich bin zu großen Teilen wirklich froh, dass du genau die Dinge geschrieben hast die du eben schriebst.


-- Im Sinne der Eigenbewegung des Textes: Bitte das folgende erst lesen, wenn der Text selbst schon gelesen und beurteilt ist. Danke ;) --
#31224 soll tatsächlich ebenso kalt und bieder erscheinen wie seine Kameraden, nur eben eine minimale Wandlung durchleben. Von daher bin ich glücklich, dass es mir gelungen ist den Eindruck so wiederzugeben.
Was mir nicht ganz gelungen ist offenbar, ist eine andere Sache. Ich weiss allerdings auch nicht, ob ich es mir anmaßen darf überhaupt zu erwarten in näherer Zukunft jemals einen solchen Effekt zu erzielen...
Ich wollte nämlich, trotz der Punkte die du schon richtig erkannt hast (jene die #31224 in der Masse halten und ihn nicht wesentlich hervorstechen lassen) eine gewisse Identifikation erreichen, die dann eben das Gefühl der Langeweile (und sie sollte langweilig sein an manchen Stellen) spätestens dann etwas verfliegen lässt, als er seine Revolution im kleinen Rahmen beginnt.

Die Geschichte entstand, das muss man vielleicht dazu sagen, unter dem Eindruck von Marx Schriften zur Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit.
Ich versuchte im kleinen den Protagonisten diese Entfremdung umgehen zu lassen, ohne ihn im Großen gegen etwas aufbegehren zu lassen, da er dazu eben schon viel zu abgestumpft ist.
Zudem wollte ich ihn nur eine möglichst kleine Wandlung durchmachen lassen, da meine vorherige Geschichte (Kängurus, Fantasyforum) viel aktiver und surrealer ist, die Wandlung des dortigen Protagonisten eigentlich fast über erzähltechnisch zu rechtfertigende Umstände hinausgeht(was auch daraus resultiert, dass die Geschichte unter starkem Zeitdruck verfasst wurde). Diese hier sollte auch eine Art Kontrapunkt dazu darstellen.
Ansonsten bin ich ziemlich glücklich, dass ich vom handwerklichen Standpunkt aus (Stilmittel) in deiner Kritik so gut wegkam , da mach ich mir immer Sorgen ;)

Auf die Sache mit dem Als muss ich mal achten, beim Schreiben fiel mir das jetzt gar nicht so auf.
------ [/Nicht lesen um Eigenbewegung des Textes nicht zu stören]----
Cheers, Az aka Konstantin

 

Hallo!

Gut! Wirkllich guter Text!

Die Schreibtechnik ist über jeden Zweifel erhaben.
Die Einzeleiten sind filigran und schön zusammengesetzt.
Die Pointe funktioniert auch.

Schön finde ich die Variationen des Themas,
zB
Heute heißen die Leute #31224, früher hießen sie M12, und noch früher Peter Maler.
oder
Heute rührt das Grau des Himmels von den nahegelegenen Industriestätten her,
früher war das Blau des Himmels nur trüb zu sehen wegen der Industriestätten leicht außerhalb der Stadt.

Gut gefällt mir auch die Formulierung
„Verstand wurde überstiegen“
oder die Bemerkung, dass das Lied, das #31224 pfeift, nicht digital nachbearbeitet und von Fehlklängen befreit ist.

Aufgefallen sind mir noch ein paar Kleinigkeiten, die man ändern könnte oder sollte.

Irgendwann öffnet #31224 den Kasten.
Ich glaube, das ist das Objekt, das er gefunden hat.
Aber ich finde, das wird nicht richtig klar.
Der Begriff Kasten taucht nur an dieser einen Stelle auf.
Könnte man vielleicht umformulieren oder den Bezug besser herstellen.

„... und drücke ihn dann in die Pigmentmasse, nur um dann Abdrücke ...“
Wiederholung dann

„Dann nahm er das rechteckige Objekt, dass ihm trotz ...“
„... sehnte er sich nach etwas anderem, dass in der Lage war ...“
„... während er ein Lied pfiff, dass er aus seiner Kindheit ...“
Hier sollte es überall nach dem Komma „das“ heißen, nicht „dass“

Den letzten Satz würde ich streichen und den Titel ändern.
Natürlich hat der Begriff „Schelm“ einen Bezug zum Rest der Geschichte (alles außer Titel und letzter Satz), trotzdem finde ich ihn an diesen monolithischen Block irgendwie angeklebt.
Als Titel schlage ich vor:
Jugenderinnerung
Jugend
Erinnerung
Jugendsünde
Such dir was aus. :-)

Warum ich hier nicht in enthusiastische Lobeshymnen ausbreche, liegt daran, dass der Inhalt der Geschichte nicht ganz meinen Geschmack trifft. Ich hab gerne etwas mehr Wild Adventure, Sense of Wonder und solche Sachen. Das beißt sich halt mit den grauen Kulissen in deiner Geschichte. Die sind so traurig, deprimierend hoffnungslos oh mein Gooooott wo sind meine Tempotaschentücher *schnief*.

Aber wie gesagt, technisch ziehe ich meinen Hut.

Was schreibst du als nächstes?

viele Grüße
Johannes Lipp

 
Zuletzt bearbeitet:

Naja, der angeklebte Satz hat insofern ne Bewandnis, als dass er das Ausmaß der Rebellion symbolisiert, die #31224 in seinen eigenen Augen vollzieht. (Die uns natürlich irgendwie lächerlich scheint).
Was ich als nächstes schreibe... kommt darauf an, womit ich als erstes fertig werde. Ich hab jetzt eineinhalb Stunden in eine experimentelle Geschichte investiert, die allerdings noch nicht wirklich fertig ist. Ich schätze ich stecke nochmal 3 oder so rein und poste sie dann. Wird sich zeigen.
Vielen Dank auch an Andrej, der da gerade fehlende Kommata ergänzt hatte ;)
Ansonsten danke für das technische Lob.
mfg Az aka Konstantin
PS: http://www.sinfest.net/comics/sf20050313.gif
Das fand ich irgendwie passend. ;)

 

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