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Der sichere Weg

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24.12.2004
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Der sichere Weg

Der sichere Weg

Das Wetter hatte sich rasch verändert, seit sie angekommen waren. Ein grauer Schleier hing über allem, Donnergrollen in der Ferne und das Schweigen ringsum. Es war ein nackter Fels, inmitten einer grünen Wüste, der ihnen einen Platz anbot, zu verlockend, die Einladung auszuschlagen. Von hieraus könne man sicher sehr weit sehen, ja vielleicht sogar Neues entdecken. Es stellte sich heraus, dass der Fels ein paar wirklich angenehme Sitzplätze zu bieten hatte, die auch direkt in Anspruch genommen wurden. Noch spürte er die Kälte nicht, die von tief unten aus dem Stein herauf zu steigen begann, um ihn in einer kalten Umarmung, nur die letzte Möglichkeit wahrnehmend, nach Wärme suchen zu lassen. Er sollte zurücksinken, die eisig brennenden Barrikaden fallen lassen, sich völlig entblößen. Ihr Gespräch war eines der gelassenen Sorte. Es war nicht die Vielzahl der Worte, als vielmehr ihre eigene Präsenz, die eine Verständigung darstellte. Vermittelnde Blicke tauschten codierte Geheimnisse aus: Schlachtpläne waren es, den letzten Sieg mit inbegriffen, trotz alledem an Einfachheit kaum zu übertreffen. Wieder war es die Kälte die versuchte ihn in die Arme der Schlacht zu führen. Sein innerstes wand sich vor Schmerz, vor Kälte und nun sollte der einzige Ausweg die völlige Entblößung, die Nacktheit sein. Sie lächelte ihm zu, versuchend seinem Kampf die Schwere zu nehmen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass seine Begleitung längst schon ihren Platz verlassen hatte und, abseits der frostig grauen Haut, wartend im Gras stand. Er wusste, dass es nun an Zeit war zu gehen, die kalte Hand an seinem Fuße abzuschlagen und mit einem besonders gewagtem Sprung den Stein zu verlassen. Sichere Wege gab es keine und so war es die einzige und letzte Möglichkeit für ihn sich zu befreien, bevor der sichere Kältetod ihn einholen würde. Aber was wäre, würde er sich dabei ein Bein oder einen Arm brechen, dachte er. Könnte er je wieder gehen, würde er gar an der Schwere der Verletzung zu Grunde gehen? Wäre es nicht vielleicht sogar angenehmer sich dem langsamen kalten Schlaf hinzugeben, als durch eine Fehlkalkulation des Sprunges statt auf dem Rasen in einer von Leid und Unglück gänzlich ausgefüllten Hölle zu landen? Er dachte, dass es vielleicht von Vorteil wäre zu warten, bis sich eine besondere, eine bessere Sprungsituation ergeben würde und so tat er es auch.

Auf dem Rasen stehen jetzt andere Menschen. Sein altes Gegenüber ist schon vor Jahren verschwunden, doch es tauchen immer mal wieder andere Leute auf, die dort eine Weile stehen und ihm zuwinken, ihm Mut machen wollen, doch nun endlich zu springen. Manchmal setzte sich sogar jemand für eine Weile zu ihm auf den Stein, leistet ihm ein wenig Gesellschaft und zeigt ihm die ungefähre Richtung der Stellen, auf denen er gut landen könnte, geht dann aber nach einer Zeit betrübt wieder. Beharrlich steht er dort und droht zu erfrieren, schätzt Risiken ab und seine Augen suchen unermüdlich weiter nach den sicheren Wegen, die niemals existiert haben.

 

Mal wieder so ein Text, der sich, krampfhaft und in einer kurzen Zeit, an die Oberfläche gezwängt hat.

Handelt weitestgehend von der Angst vor Veränderung... Aber die Interpretation sei euch gelassen... wenn ihr denn Lust habt. :)

Alles liebe
Daniel

 

Hallo Daniel,

ich lese deine Story als eine interessante Parabel über sichere und unsichere Wege, Verharren oder Veränderung (habe dein Posting vorher nicht gelesen).

Spannung entstand für mich, weil ich wissen wollte, wie der Protagonist sich entscheidet.
Gelungen finde ich dann die Auflösung im letzten Abschnitt. Es gibt einen großen Zeitsprung und alles wird in der Schwebe gelassen.

Noch etwas Detailkritik:

Von hieraus könne man sicher sehr weit sehen
hier aus
Es stellte sich heraus, dass der Fels ein paar wirklich angenehme Sitzplätze zu bieten hatte, die auch direkt in Anspruch genommen wurden.
einige angenehme Sitzplätze, die auch sofort in Anspruch... (würde meiner Meinung nach besser zu dem gehobenen Sprachstil des übrigen Textes passen)
Vermittelnde Blicke tauschten codierte Geheimnisse aus:
"vermittelnde" ist hier glaube ich überflüssig

Grüße
Sturek

 

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