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Der Sozialarbeiter
Oh wie sehr widern sie mich an! Ich vermag es gar nicht auszudrücken! Der Worte scheinen nicht genug zu sein um es zu sagen, es in die Welt hinauszuschreien. Ich hasse Menschen. Nein, ich hasse sie nicht nur. Hass braucht eine Grundlage, ein kleines Gefühl für das zu hassende Objekt, ein Anerkennen dessen als lebendig. So etwas liegt mir vollkommen fern. Diese schrecklichen Würmer die durch die Welt kriechen, sind nichts, sind nicht einmal Abfall. Aber trotzdem entlocken sie mir dieses grausige Gefühl unendlichen Ekels, den ich für sie hege. Er überwältigt mich schon bei dem bloßen Gedanken an eins dieser niederen Geschöpfe. Als wären sie auch nur das!
Diese Impulse innerhalb meines Schädels, die sich in sekundenschnelle in Gedanken verwandeln, rasen mir durch den Kopf, während mich meine Beine über den Asphalt tragen. Welch kaltes, grauenhaftes Gebilde unter meinen Füßen. So etwas können wahrlich nur Menschen bauen.
„Guten Tag Herr Mengler, wie geht es ihnen denn?“, unterbricht der fette Bäckerssohn, dessen Fleisch eher seine Laufrichtung zu bestimmen scheint, als er selbst, meine Gedankengänge.
„Halts Maul du dummes, fettes Schwein, kannst froh sein, dass ich dir nicht den Bauch aufschlitze!“
Sein Gesicht verzieht sich merklich und seine Lunge schnappt nach Luft.
Ach, wie gerne würde ich es tun und dieses fette Schwein aufschlitzen! Abstechen, aushöhlen, massakrieren, foltern, ausweiden. Wie gerne würde ich ihn dann essen! Wer Schweine und Rinder isst, dem bekommt auch Menschenfleisch. Auch wenn ich jedes Tier dem vorziehen würde. Denn der Gedanke an Menschenfleisch, Fleisch des widerlichsten, abstossensten Stück Drecks, dass sich ein Lebewesen schimpft, ist übel erregend. Aber dennoch würde ich es mal probieren wollen. Welch seltsamer Zwiespalt!
Ein Plakat springt mir ins Gesicht, dessen darauf prangende hässliche Fratze, reißt mir fasst die Haut von meinem Gesicht. Ein Wahlplakat. So ein dämlicher Affe! Aber doch werde ich zur Wahl gehen. Ich werde alle Parteien durchstreichen, dann mit einem schwarzen Stift ein dickes Hakenkreuz auf das gesamte Blatt schmieren, ein Gesicht von Hitler und Stalin daneben setzen und darunter: „KZs sind geil, wir brauchen mehr davon!“, schreiben. Der Wahlhelfer soll erbrechen wenn er es sieht, soll sich seine Menschlichkeit aus seinen Poren kotzen. Vielleicht beschließt er daraufhin, wenn er sieht zu was Seinesgleichen fähig ist, seiner kläglichen Existenz ein Ende zu setzen. Nur noch schlimmer als Menschen, sind Menschen mit Idealen! Wahlhelfer zum Beispiel.
Immer weiter tragen mich meine Beine. Durch die Betonwüsten, durch die Massen des Abschaums. Aber wo wollte ich noch einmal hin? Eben war mein Ziel noch klar und deutlich gewesen, bis der dämliche Bäckerssohn mich unterbrochen hatte. Ach ja, zu den anderen wollte ich. Der Zufall, der ein fauler Bruder ist, mal unberechenbar und doch klar zu erkennen, will es, dass ich mich nun genau vor der richtigen Haustür befinde. Die Klingel ertönt, und bevor ich es noch realisieren kann, stehe ich schon oben vor ihrer Wohnungstür. Die Anderen. Ich kenne nicht mal mehr ihre Namen. Wahrscheinlich sind sie mir einfach entfallen, da es weder einen Grund noch einen Nutzen haben könnte sie sich zu merken. Es sind zwei absolute Freaks, ausgeflippte Irre die nicht wirklich wissen was sie tun. Und sie sind doch alle irre, alle miteinander. Sonst wären sie ja keine Menschen, oder hätten schon vorher die Weisheit besessen sich des Lebens zu entziehen. Ja sie sind es, sind es sogar so sehr, dass sie alles was sie mit ihren kleinen Hirnen nicht fassen können damit betiteln, um sich nicht weiter Gedanken drüber machen zu müssen.
Als ich eintrete, empfängt mich einer der Beiden an der Tür, während der andere an seinem PC sitzt. Dort sitzt er immer wenn ich komme. Seine fettigen Haare hängen in seinem Gesicht, welche er ab und zu mit einem lethargischen Handgriff zur Seite schiebt.
Wie sehr die Beiden mich doch an meinen alten Beruf erinnern! Früher war ich umgeben von Freaks, Alkoholikern, und Neurotikern, bis ich es herausfand.
Wieder haben sich meine Gedanken überschlagen, wodurch ich mich mitten in einer Diskussion wieder finde, an die ich mich nur schwer anschließen kann.
„Also was sollen wir nun genau damit machen, was findet ihr denn so als Ziel gut?“, höre ich den Langhaarigen brabbeln.
„Aber Markus, es stellt sich doch noch überhaupt nicht die Frage nach einem Ziel. Es muss erst einmal geklärt werden, ob ein Einsatz sinnvoll und notwendig ist. Von dem zu bewältigendem Aufwand ganz zu schweigen“, sagt der Zweite, der fast wie der gebildete, böse Zwilling von dem Computerfreak wirkt.
„Wovon redest du?“, fahre ich ihn an.
„Es war doch klar, wenn wir sie bauen, dass wir sie auch verwenden würden. Kein Bauer pflanzt Weizen an, um ihn dann nicht zu ernten! Deshalb stellt sich ganz klar die Frage nach einem Ziel. Ich hatte es in der Vorbereitungsphase schon einmal angedeutet, bin ich absolut für den Kindergarten in der Marschnerstraße. Die Lage ist perfekt dafür geeignet und außerdem ist es ein Plattenbau. Ich muss euch ja nicht erklären, was bei einem Plattenbau und deren Insassen, bei so einer Aktion passiert.“
„Das ist total genial ey. Das wird voll das Theater geben und überall werden sie darüber berichten“, unterbricht mich der langhaarige Freak, der während des Satzes ein irrsinniges Lächeln aufsetzt, welches mich in kurzzeitige Verlegenheit bringt. Mit was für Leuten arbeite ich nur zusammen? Aber aus dem menschlichen Genpool wird sich wohl eh nichts brauchbareres finden lassen.
„Einen Kindergarten? Wie willst du das den Leuten jemals begreiflich machen? Noch dazu, wo uns jeder wissenschaftliche, philosophische Anspruch fehlt, dass heißt die Theorie bislang nur ungenügend ausgearbeitet wurde. Das können wir niemanden auf Erden verständlich machen! Zumal es sich ja nur um einen einfachen Sprengkörper handelt, werden wir sicherlich später in den Medien, mit normalen Terroristen gleichgesetzt. So wird unser Ziel, die Vernichtung der Menschheit, zur Farce, zu einer verworrenen Utopie, wie die der Polit - Sekten“, sagt der Erste der Beiden, deren Namen ich vergessen habe und fuchtelt dabei wild mit seinen Armen herum. Er trägt eine dicke Brille auf seiner Nase, unter seinen schwarzen, kurz geschorenen Haaren. Er sieht aus wie ein richtiger Strebertyp.
„So eine Scheiße von wegen Philosophie! Wir sind hier nicht bei Sarte man! Denen die du vernichten willst, musst du den Grund dafür nicht begreiflich machen! Natürlich werden sie durchdrehen und es mit ihren kleinen Menschenhirnen nicht erfassen können, wenn wir ihre Kinder töten. Aber warum sollte uns das kümmern? Sind wir eine politische Partei die um Stimmen kämpfen muss? Im Gegenteil! Unsere vermeintlichen Wähler sind unsere Feinde! Weshalb aber ein gewisser symbolischer Akt der Sache nicht abgesprochen werden kann. Kinder stehen für Leben, für Glück, für die Erhaltung der menschlichen Rasse. Auch für Unschuld, die sie aber nicht in sich tragen, sondern nur Bösartigkeit und Hass, was sie aber erst zur späteren Zeit ausbrüten.“
Ich mache eine kurze Pause und ordne meine Worte, die mir noch ungebändigt durch den Kopf fliegen.
„Wie uns allen bekannt ist, ist der Mensch selbst die Büchse der Pandora. Diese Büchse wächst und gedeiht in Form der Neugeborenen, bis sie sich schließlich öffnet und das Böse, den Menschen selbst, mit seiner schadhaften Seele, heraus wirft. Deshalb sind Kinder die Ursache des Menschlichen, der Anfang vom Ende. Sie brüten das aus, was uns bedrückt und der Erde, der Natur, dem Universum die Luft zum atmen nimmt. Und genau deshalb müssen sie auch die Ersten der beginnenden Vernichtung werden! Wenn wir es jetzt nicht tun, sage ich euch, werden sie es nie verstehen und ihre eigene leere, sinnlose Hülle für ewig herumtragen!“ Ich schreie die Anderen fast an. Doch ich bin noch nicht fertig, obwohl ich schon das Glitzern in ihren Augen sehen kann, das mir vollkommene Zustimmung verspricht.
„Die Folgen des ganzen machen die Sache noch viel versprechender. Man denke da nur mal an die Familien der „Opfer“, von denen sicher nicht viele diesen schrecklichen Schicksalsschlag überwinden können. Vielleicht sehen sie es ja endlich ein.“
Ihre strahlenden Gesichter zeigen mir ihre unendliche Zustimmung. Ein Triumph auf ganzer Linie.
Und dann ist es endlich soweit. Der Kern des Übels steht vor der Beseitigung. Der Sprengkörper geht mit einem lauten, kurzen, aber dennoch überwältigenden Knall hoch. Die Fensterscheiben springen aus dem grauen Plattenbau heraus, während fast gleichzeitig die zweite Etage auf die unterliegende knallt. Sie zerquetscht etliche Kinder, die soeben noch bei ihrem Mittagessen gesessen hatten und deren Erzieherinnen ihrer Aufsichtspflicht nicht mehr nachkommen können. Staub und Gesteinsbrocken werden aus dem zerbrochenen Fenstern hinausgewirbelt, die das Wimmern und die Schreie mit sich zu tragen scheinen. Viele, die von den Gesteinsbrocken nicht getroffen wurden, versuchen aus dem Gebäude zu entkommen, getrieben von den entstandenen Flammen.
Die Flammen kriechen in enormer Geschwindigkeit das Gebäude empor und werden größer, reißen etliche Flüchtende in den Tod und stehlen den Überlebenden die Luft zum atmen. Jeden Moment wird das Feuer die Stützbalken zum schmelzen gebracht haben und das Gebäude wird gen Boden gehen. Es kann nicht mehr lange dauern.
Immer wieder spiele ich das Szenario durch, ich kann von diesem Gedankenspiel nicht genug bekommen. Ich freue mich so auf Morgen. Es wird alles so schön und eindrucksvoll werden, wie in meinen Träumen.