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Der Spielmann
Die weißen Kronen der Wellen zerbrachen an den schroffen Klippen, die sich aus dem Meer wie riesige Burgen emporhoben. Von Wind getrieben versuchten sie immer wieder den grauen Fels hinaufzusteigen, verloren sich aber in den unzähligen kleinen und großen Spalten, welche weiter oben den Vögeln der See ihren Raum anboten. Am Rand der Klippen saß ein Mann und blickte die gezackte Linie entlang, die das Meer vom Land trennte. Auf der einen Seite wandelte sich der graue Fels in eine grüne Ebene, deren Gras im Wind dieselben Muster beschrieb, wie das dunkelblaue Wasser auf der anderen. Am Horizont entdeckte der Mann zwei Spitzen, die langsam hinter der Erdenkrümmung und den darüber aufziehenden Wolken verschwanden. Er schloss seine Augen und lauschte dem Rauschen der See, während er sich das Salz von den Lippen leckte. In seinem Kopf wuchsen die kleinen, kaum noch zu sehenden Masten zu prächtigen Schiffen heran. Ein kunstvolles Geäst aus Streben und Balken, getragen von Planken, getrieben von fein gewebten Segeln, fuhr dem offenen Meer entgegen. Ohne das Ziel zu kennen trug der Wind die Schiffe immer weiter hinaus.
Der Mann öffnete wieder seine Lider und eine kleine Träne rollte aus seinen Augen, als der Wind sich darin verfing, der in den letzten Minuten deutlich an Stärke gewonnen hatte. Das Wasser bäumte sich auf, wie von Stöcken geschlagen und die Vögel erhoben sich laut klagend aus den unteren Spalten in die Luft und flogen hinaus, den Schiffen folgend. Erinnerungen brandeten wie Wasser im Kopf des Mannes gegen die Wände des Vergessens. Er erinnerte sich, wie er als Kind oft auf dem kleinen Steg des Fischerdorfes, dem Ort seiner Kindheit, gesessen hatte und dem Spiel des Windes auf der Oberfläche des Meeres folgte. Damals hatten die Stöcke nicht das Wasser geschlagen, sondern ihn. Es waren nicht seine Eltern, sondern die Jungen des Dorfes, die Spaß daran gefunden hatten. Sein Vater war ein einfacher Fischer und fuhr jeden Morgen hinaus, um seine Familie zu ernähren. Er war den ganzen Tag fort und kam meist erst zurück, als Michael schon schlief und seinen Träumen folgte. Seine Mutter kümmerte sich so gut um ihn, wie ihre Krankheit es zuließ. Aber immer öfter verbrachte sie ihre Zeit im Bett, bis sie eines Tages nicht mehr daraus aufstand. Michaels Vater fand sie erst viel später und sein Schrei, der gar nicht nach ihm klang, sollte für immer ein Teil des Jungen bleiben, der in jener Nacht wach in seinem Bett lag und starr gegen die Decke blickte. Er wusste, dass seine Mutter tot war, denn zuvor hatte er bei ihr gestanden und ihre Hand gehalten, als die letzten Atemzüge rasselnd über ihre Lippen rollten.
Aber sein Leben ging weiter und er begann zu begreifen, dass der Verlust ein natürlicher Teil des Daseins war. Er begriff auch, dass alles einer gewissen Willkür unterlag.
Michael wuchs heran, aber das Dorf schien so klein zu bleiben, wie es war. Die wenigen Häuser aus Lehm und Holz wirkten auf ihn bald wie ein Gefängnis und die immer gleichen Gesichter, die jeden Tag älter wurden, legten sich wie ein kalter und dunkler Wintertag auf sein Gemüt. Dann saß er wieder am Steg und blickte hinaus auf das Meer. Das Bild der Weite, der Freiheit wuchs zu einer immer tiefer werdenden Sehnsucht, die ihn fortan jede Nacht befiehl. In der Dunkelheit war es für ihn besonders schlimm und wenn dieses Gefühl ihn bis in den Wahnsinn zu treiben drohte, hörte er wieder den Schrei seines Vaters, der nach dem Tod seiner Frau manchmal tagelang auf hoher See blieb. Beide verbanden mit dem Meer die Freiheit, die sie ersehnten und so packte Michael eines Nachts seine Sachen und verschwand auf einem kleinen Pfad hinter dem Dorf in die Ferne. Niemandem sagte er ein Wort und niemand wusste, dass er drei Tage nach seinem Aufbruch ein Schiff bestiegen hatte und die See befuhr, die er so lange beobachtet hatte.
Auf ihr begann er das Leben aus einem anderen Winkel zu betrachten. Er schrieb seine Gedanken auf, während er auf den Wellen einem unbekannten Ziel entgegentrieb.
Sein Körper und sein Geist reiften heran und bildeten einen Menschen, der bald an Land ging und dort seine Geschichte erzählte, um ein paar Münzen zu verdienen. Er begann zu dichten, zu singen und zu spielen und brachte den Menschen Erzählungen, die das Leben hervorbrachte und denen er selbst zu neuem Glanz verhalf. Als Spielmann besuchte Michael viele Länder, viele Städte und diese Eindrücke und Erfahrungen öffneten seinen Geist, so dass seine Augen mehr sahen, seine Ohren mehr hörten und seine Zunge mehr schmeckte, als alle anderen. Immer wieder bestieg er ein Schiff und fuhr auf die raue See hinaus, die ihn als Kind so sehr gelockt hatte. Doch die Sehnsucht nach Ferne und Freiheit war auch sein Fluch.
Während Michael oben auf dem Rand der Klippen saß und seinen Gedanken nachhing, folgte die Sonne immer weiter ihrer Bahn. Der warme Sommertag ging vorüber und der Abend brachte die kühle Luft aus dem Norden bis in die Stadt hinein. Die Menschen kamen nun aus dem Schatten heraus und erledigten Dinge, die sie den Tag hinüber aufgeschoben hatten. Viele von ihnen besuchten den Markt und kauften von ihrem wenigen Geld etwas zu essen oder ein paar neue Kleider. Es war auch die Zeit des Spielmannes und so stand Michael auf, blickte noch ein letztes Mal an diesem Tag in die Ferne und machte sich auf den Weg hinab in das Tal, in dem die Stadt lag. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als der Wind sich unter seine schwere, lederne Jacke schob und die Schreie der Seevögel hinter ihm verklangen.
***
Vor Michaels Füßen schlug eine kleine Maus einen engen Haken und verschwand hinter ein paar grob gewebten Säcken, die an eine Hauswand gelehnt standen. Kurz darauf folgte eine schwarzweiß gefleckte Katze, die mit ihren Pfoten nach dem Nager schlug, ihn aber verfehlte. Das Tier miaute laut und versuchte seine Tatze immer wieder in das kleine Loch zu zwängen, in dem sich die Maus verkrochen hatte, bis der Fußtritt eines Jungen sie vertrieb.
„Verschwinde hier du blödes Vieh!“, schrie er das Tier an und warf gleichzeitig einen neugierigen Blick auf Michael, der stehen geblieben war und die Verfolgungsjagd der beiden Tiere beobachtet hatte. Der Junge musterte den Spielmann von oben bis unten, wobei sein Blick die längste Zeit auf dem kleinen Sack ruhte, den Michael über seiner Schulter trug. „Katzenspielzeug“, antwortete er auf die ungestellte Frage des Jungen und lachte. Das Kind nickte argwöhnisch und verschwand wieder in dem Haus, aus dem es zuvor gekommen war.
Michael schüttelte kurz seinen Kopf, wobei einige Strähnen seines blonden Haares bis tief in sein wettergegerbtes Gesicht fielen. Er folgte weiter der Straße in die Stadt hinein. Der Geruch nach Unrat machte die Luft in den Straßen schwer, fast fassbar. Überall hatten die Menschen ihre Fenster geöffnet und hofften die abgestandene Luft in ihren Häuser gegen die nicht minder schlechte vor ihren Türen zu tauschen. Die Straße war ein Gemisch aus trockenem, festgetretenem Dreck, Steinen und kleinen Pfützen. Zu ihren Seiten standen die Häuser dicht an dicht, so dass sich ihre schlichten Dächer berührten. An einigen freien Plätzen dazwischen arbeiteten Handwerker. Michael sah einen Münzgießer, der vor seiner kleinen Werkstatt die runden, glänzenden Scheiben prägte. Daneben lag ein struppiger Hund, der jeden anknurrte, der dem Mann zu nahe kam. Nur ein paar Häuser weiter gerbte eine alte, gebeugte Frau ein Stück Fell und der Geruch brannte sauer in seiner Nase, so dass Michael seinen Schritt beschleunigte und direkt auf die Richtung zuhielt, aus der ein Gewirr an Stimmen zu ihm herüberhallte.
Je näher Michael dem Markt kam, desto vielfältiger wurden die Gerüche. Das würzige Aroma von schwelendem Holz legte sich wie ein dünnes Tuch über den Duft gebackenen Brots und geräucherten Fisch. Frauen in langen Kleidern, deren Stoffe von unterschiedlicher Qualität waren, kamen Michael entgegen, oder eilten an ihm vorbei. Manche wurden von ihren Männern begleitet, andere von ihren Dienstmädchen. Eine Bäuerin, die einen schweren, mit Früchten beladenen Korb vor sich hertrug, rempelte Michael an und entschuldigte sich mit einem kurzen Nickten, eilte dann aber sofort weiter und verschwand zwischen den unzähligen Leibern. Die Männer wirkten gelassener und ohne ihre Anwesenheit hätte der Markt wie ein Insektenstaat auf Michael gewirkt. Sie schlenderten zwischen den hektischen Frauen hin und her und hielten gezielt auf die Stände zu, bei denen sie etwas zu erledigen hatte. Die meisten dieser Marktstände besaßen große, bunte Tücher, die sie wie Dächer über ihre Angebote gespannt hatten. Erneut drängte sich dem Spielmann ein Vergleich aus der Tierwelt auf. Das Spiel von Angebot und Nachfrage war wie eine große Vogelbalz, wo die Männchen ihre Weibchen mit bunten Gefieder und lauten Schreien lockten. Der bunteste und lauteste Vogel mit dem schönsten Nest bekam das beste Weibchen.
Die hellen Töne einer Flöte wehten über das vorherrschende Stimmengewirr. Sie spielte eine unbekannte, aber gleichzeitig schöne Melodie, die jedoch auf dem weiten Platz des Marktes und zwischen all den beschäftigten Menschen verloren wirkte. Michael suchte nach der Quelle der Musik und sah zwei Männer in braunen Hosen und gleichfarbigem Wams, die in einer Ecke standen. Einer von ihnen spielte die Melodie, der andere hielt eine runde Trommel in den Händen.
Michael hielt auf die beiden zu und setzte seinen Sack direkt vor ihren Füßen ab, sagte aber kein Wort; sah sie einfach nur an.
Es dauerte nicht lange und der linke, etwas größere, von den beiden ließ seine Flöte sinken.
„Wenn ich dir helfen kann, dann sags.“ Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton, behielt aber darüber eine gewisse Freundlichkeit.
„Ihr spielt gut“, begann Michael, „aber ich glaube fast, dass niemand euch hier zuhört.“
„Die Leute haben Ohren, also hören sie uns auch.“
Michael ging in die Knie und stupste den kleinen, leeren Hut an, der vor den beiden stand.
„Vielleicht haben sie ja dann keine Hände, um euch ein paar Münzen hier hinein zu werfen.“
„Isch würd mir lieber Schorgen um deine Hände machen, alsch um andre.“ Die Freundlichkeit im Ton schien bei dem zweiten völlig zu fehlen. „Aber dasch ischt ja nur meine Meinung.“
Michael blickte ihn von unten herauf schräg ins Gesicht.
„Isch mein ja nur. Isch könnte eusch da vielleicht ein paar Münzen mehr beschorgen“, imitierte er ihn.
„Hey, pasch blosch auf...“. Der andere hielt seinen Freund zurück und blickte den Fremden fragend an.
„Wie genau willst du das denn anstellen?“
„Drei sind besser als zwei. Ich spiele mit euch und am Ende des Abends teilen wir das Geld. Ihr eine Hälfte, die andere ich.“
„Ja, genau. Mach noch einen Vorschlag“, spottete sein Gegenüber.
„Nein. Ich bleibe bei diesem.“ Michael warf einen weiteren, betonenden Blick in den leeren Hut. „Wie ich das sehe, habt ihr nicht allzu viel zu verlieren.“
„Isch werd disch...“, weiter kam der kleinere wieder nicht.
„In Ordnung. Versuchen wirs. Ich geb dir nen Versuch, aber wenn der nicht hinhaut, dann gibst du uns ein paar Münzen für unsre Großzügigkeit.“
Michael nahm seinen Sack und legte sich ihn wieder über die Schulter, aber er ging nicht, sondern nickte den beiden zu.
„Damit kann ich leben. Dann kommt mal mit...“ Michael beendete den Satz nicht und die beiden wussten, was damit gemeint war.
„Ferdinand und Fergus heißen wir.“
Die beiden Männer folgten Michael zur Mitte des Marktplatzes, wo sie sich kreisförmig aufstellten.
„Was ist mir dir?“ Michael deutete auf den Mann mit dem Sprachfehler. „Kannst du auch Flöte oder etwas anderes spielen?“
„Ja. Flöte kann isch auch. Rauschpfeife.“
„Gut. Das passt. Dann nehm ich die Davul und wir spielen etwas Schnelles, um die Leute auf uns aufmerksam zu machen. Schnell und laut. Am besten einen alten Tanz.“
„Wie wär es mit einem Trinklied?“
„Weiß nicht. Ist vielleicht ein bisschen zuviel des Guten. Ein Lied über den Frühling wäre das Richtige. Über den zierlichen Frühling um genauer zu sein.“ Die beiden Männer nickten. „Nur ein wenig angezogen, also wie gesagt, schneller.“ Sie nickten wieder und Michael schnallte sich gleichzeitig ein kleines Schellenband um, das er aus seinem Sack gezogen hatte.
„Gut, dann wollen wir mal.“ Er blickte den Menschen um ihn herum in ihre Gesichter und begann leise einen Rhythmus auf der Trommel zu schlagen. Er steigerte ihn, gab den Schlägen mehr Kraft und ließ im selben Takt seinen Fuß mit dem Schellenband auf den Boden stampfen. Als das dumpfe Klopfen eine Lautstärke erreicht hatte, welche die Stimmen unter sich begrub, änderte er den monotonen Rhythmus und begann das Spiel. Die beiden Männer stimmten ein und ließen die Flöte und die Rauschpfeife eine Melodielinie unter den Schlag der Trommel mischen. Michael erhob seine Stimme und stieß einen hellen und zugleich kraftvollen Schrei aus. Er war nicht angsteinflößend, sondern steckte voller Freude, die auch auf dem Gesicht des Spielmannes zu sehen war. Michael ging im Takt seines Spiels auf und die Trommel und die Schellen zehrten von seinem Schwung. Die beiden Männer tauschten einen amüsierten Blick und steigerten gleichzeitig auch ihr eigenes Spiel. Um sie herum blieben viele stehen und betrachteten das Treiben der Spielmänner. Es bildete sich ein Kreis aus Menschen, in dem die drei den Mittelpunkt bildeten. Ein Kreis, der sich bald im Rhythmus des Stückes bewegte und die Menschen ihre Pläne und Vorhaben auf dem Markt vergessen ließ. Ohne Unterbrechung ging das erste Lied ins nächste über, denn die Rauschpfeife wechselte noch während der letzten Töne in einen neue Melodie und die anderen tauchten darin ein. Füße wippten, Köpfe nickten und einige Hände schlugen begeistert ineinander und bildeten ein weiteres Instrument, das die Musik noch einmal anschwellen ließ. Münzen klingelten.
Michael ließ einen weiteren Schrei über seine Lippen; tief aus seinem Inneren. Er war voller Freude, der den nächtlichen Schrei seines Vaters vergessen machte. Dann legte er die Trommel ab und wartete bis die Blasinstrumente ihr Spiel beendet hatten. Er öffnete nun den Sack und zog eine Puppe heraus. Die Marionette hing an vielen dünnen Schnüren und ihr Gesicht hatte etwas Trauriges, aber dennoch Hoffnungsvolles. Michael legte einen Finger auf seine Lippen und bedeutete den anderen Spielleuten und dem immer weiter wachsendem Publikum still zu sein. Die Geräusche des Marktes rückten in die Ferne und nur hier und da war direkt um sie herum ein leises Flüstern zu hören. Michael ließ die Puppe an den Fäden über den staubigen Boden laufen. Ihre hölzernen Hände zeigten immer wieder in die Ferne, so als suche sie dort etwas. Dann begann er zu sprechen und bewegte dazu ihren Kopf. Die Puppe erzählte.
„Sie war mein Traum in jener Nacht.“ Michael sprach leise, aber kraftvoll. Seine dunkle und etwas kratzende Stimme wirkte hypnotisierend.
„wo der Mond am Himmel schien,
sein bleiches Licht so voller Macht.“ Die Puppe kniete sich nieder, folgte den Bewegungen der steuernden Hand.
„Ich sah sie da am Wasser stehen,
wo der Mond am Himmel schien,
am Rad des Schicksals drehen.“
Es sah aus, als würde die Puppe weinen, denn sie verbarg ihr Gesicht hinter ihren hölzernen Armen. Michael wiederum betrachtete die Gesichter der Menschen und blickte ihnen direkt in die Augen, wenn ihm die Möglichkeit geboten wurde. Besonders tief suchte er in den Augen der Frauen nach etwas. Er selbst hatte dabei denselben Blick wie damals, als er noch der kleine Junge war und auf das Meer hinausschaute.
„Aber nach jener Nacht,
der Traum nie wieder kam.
Die Leere mir die Hoffnung nahm.“
Die Puppe stand auf und ihr Kopf erhob sich, so dass sie in den Himmel blickte. Michael bemerkte wie die Augen der Menschen dem Blick der Marionette folgten. Aber eine Frau folgte ihm nicht, sondern heftete ihre Augen auf Michael. Sie trug ein blaues, weit ausladendes Kleid mit einem ebenso weitem Ausschnitt, der die blasse und weiche Haut darunter verheißungsvoll aufblitzen ließ.
„und der Mond schien für mich nie mehr mit solcher Pracht,
in keiner Nacht, nur in meinem Traum hatte er die Macht,
die Seelen zu vereinen“,
Michaels Blick haftete immer noch auf dem der Frau,
„die Einsamkeit zu verneinen.“
Die Puppe ging im Kreis, schüttelte ihren Kopf und beschrieb beschwörende Bewegungen mit ihren Armen.
„Immer wenn die nunmehr bleiche Scheibe den Himmel füllte,
kniete ich nieder und sang die Lieder“,
wieder ging die Puppe in die Knie, aber auch Michael ließ sich diesmal nieder,
„Liebeszauber und andere Schwüre“,
er schloss die Augen, ließ sein verträumt aussehendes Gesicht aber in einem Winkel zur Frau stehen, aus dem sie ihn genau betrachten konnte.
„doch der Traum, er kam nie wieder.
So zog ich durch die ganze Welt,
sang die Lieder nur für mich und das bittre Geld
das mir die Suche möglich machte,
und damit Platz für Hoffnung schaffte.“
Michael stand wieder auf und ließ den Arm der Puppe kreisen, bis er auf der Frau ruhte, die ihn immer noch fasziniert anguckte.
„Ich sage euch: Träume schwinden.
Man muss den Traum im Leben finden.“
***
Das Licht des Tages verschwand und das Treiben auf dem Markt erstarb. Die drei Spielleute hatten sich in eine Gasse zwischen den Häusern zurückgezogen und betrachteten die silbernen Münzen.
„Isch werd mir eine fettige Keule gönnen und dann noch einen wunderschönen Weiberschoß.“
„Ich tus dir gleich, mein alter Freund.“ Der Größere hockte sich zu Boden und teilte die Münzen in gleichen Teilen unter ihnen auf. Michael verfolgte diese Prozedur mit gelassenem Blick.
„Unsere Abmachung sagte aber etwas anderes.“
„Komm schon, mein Guter. Ich finde, wir haben alle das gleiche verdient.“
Michael ging nun auch in die Knie und schob die Münzen so hin und her, bis aus den drei Teilen zwei gleichgroße geworden waren. Er nahm einen kleinen, ledernen Beutel, den er am Gürtel trug und füllte ihn mit seinem Anteil.
„Dasch ischt nischt die feine Art.“
„Die feine Art ist es nicht, eine Abmachung zu brechen.“
„Eine Abmachung, die du vorgeschlag´n hast.“
„Eine Abmachung, zu der ihr euch einverstanden erklärt habt.“ Das Zwiegespräch wurde lauter und ihre Stimmen drangen aus der Gasse hinaus, bis auf den Marktplatz. Einige Leute blieben stehen und blickten verstohlen zu ihnen hinüber.
„Dursch drei, oder gar nischt!“, nuschelte Fergus drohend in seinen Bart.
Michael sprang auf, drückte ihn an die Wand und schob sein Gesicht so nahe an das seinige, dass Fergus seinen warmen Atem auf der Wange spüren konnte.
„Die Abmachung wird eingehalten, ansonsten werde ich deinen neuen Vorschlag so umsetzen, dass ihr wesentlich schlechter dabei rumkommt als ich. Und ich hoffe, dass wir unsch nun verschtanden haben“
„Ich würd ihn loslassen!“
„Und wenn nicht?“, entgegnete Michael dem anderen und griff ihm in den Schritt, wobei er so fest zudrückte, dass er nur noch ein schrilles Pfeifen von sich gab. In diesem Augenblick tauchte die Frau in dem blauen Kleid vor der Gasse auf. Sie klatschte begeistert in die Hände.
„Sie waren großartig. Einfach großartig.“
Michael ließ das Gemächt Ferdinands los und ging auf die Frau zu. Die anderen beiden blickten ihm unentschlossen hinterher.
„Komm lasch unsch abhaun“, flüsterte Fergus mit einem scheuen Seitenblick auf die Frau. Ferdinand antwortete nur mit einem gutturalen Laut, verschwand dann aber zusammen mit seinem Freund hinter der nächsten Ecke.
„Kommen Sie. Ich möchte Sie einladen. Oder haben Sie etwas gegen einen Krug Bier und ein großes Stück Käse?“ Sie lächelte Michael auffordernd zu. „Und es findet sich sicherlich auch etwas, was wir danach noch essen können.“
Die kleine Nische, in der sie saßen, war beleuchtet von zwei großen, flackernden Kerzen. Das Gesicht des Spielmanns lag dennoch im Dunkeln und die Frau im blauen Kleid beugte sich unentwegt ein Stückchen nach vorne, um sein Gesicht erkennen zu können. Überall in der Schenke lag Qualm wie Nebel in der Luft, der sich kunstvoll in kleinen Spiralen um die wenigen Gäste legte.
„Wie kann man sich so ein Leben vorstellen? Dauernd fremde Menschen, fremde Länder. Ist es nicht schwierig?“
Michael nahm einen tiefen Schluck aus dem Krug mit lauwarmem Bier. Er schmeckte den bitteren Hopfen und genoss das Prickeln auf der Zunge.
„Man gewöhnt sich daran.“
Die Frau blickte abwartend, doch Michael sagte nichts Weiteres mehr.
„Tut es weh? Das Sprechen mein ich.“
Ein süffisantes Lächeln umspielte seine Lippen. „Nein, nicht wirklich, aber auch daran gewöhnt man sich. Mit wem spricht man, wenn man dauernd fremde Menschen trifft?“
„Sagt es mir.“
„Das war keine ernstgemeinte Frage. Man kommt schnell mit Menschen ins Gespräch. Wenn sie es wollen und wenn man selbst es will. Die Schwierigkeit liegt darin zu erkennen, ob sich ein Gespräch lohnt. Man kann mit jedem reden, aber nicht mit jedem wirklich reden, wenn ihr wisst, was ich meine.“
Die Frau, die sich zuvor als Katharina vorgestellt hatte, nahm nun ihrerseits einen Schluck Bier.
Die Stille schien sich im ganzen Raum auszubreiten, denn auch die anderen Gäste nippten schweigend an ihrem Getränk, oder blickten abwesend aus einem der Fenster.
„Die Geschichte, die Sie vorhin erzählt haben? Ist es Ihre Geschichte?“
„Jeder träumt.“ Michael rückte ein wenig weiter vom Tisch ab, so dass das zuckende Kerzenlicht nicht einmal mehr seinen Hals beschien.
„Zum Teil mag es auch meine Geschichte sein. Jeder Mensch hat seinen Traum. Oder besser gesagt, jeder sollte seinen Traum haben. Und man sollte alles tun, um den Traum aus den Nächten herauszuholen. Ob man ihn nun erreicht oder nicht, ist dabei gar nicht so sehr die Frage, sondern ob man versucht hat ihn zu erreichen. Ob man wirklich alles dafür getan hat.“
„Ist des Spielmanns Traum eine Frau?“
Jetzt überbrückte Michael den zuvor gewonnenen Abstand und hielt sein Gesicht direkt vor die kleine Flamme, die sich vom Wachs ernährte. Sein Gesicht zeigte einige Falten, die mehr von seinem Leben zeugten, als von seinem Alter, das Katharina immer noch erfolglos versuchte zu schätzen.
„Man entscheidet sich“, begann er, „was für einen wichtig ist. Wenn man hinaus will, frei sein will, dann kann man sich nicht binden, so sehr es einen auch danach dürstet. Oft will ich in den Armen einer Frau liegen. Nicht nur eine Nacht, sondern ein Jahr; ein Leben lang. Doch hinter diesem Gedanken höre ich das Meer und seine Wellen spülen die Sehnsucht nach diesem Leben weg und bringen ein neues mit sich. Immer wieder ändern die Wellen das Bild und löschen die Spuren im Sand.“
Katharina straffte ihr Kleid und blickte Michael tief in seine grünen Augen, in denen sie einen Glanz entdeckte, der nicht vom Kerzenschein herrührte.
„Traurig und zugleich schön. Ich mag Ihre Sprache, Michael. Sie ist sehr bildhaft, sehr emotional.“
„Ich mag Ihre Art nach Dingen zu fragen.“ Beide lächelten sich an.
„Kommen Sie, Michael. Lassen wir diesen verrauchten Raum hinter uns zurück. Er beißt in meiner Nase und ich möchte Euch gerne noch etwas fragen.“
Katharina nickte dem Wirt, der hinter einen langen, hölzernen Theke stand und seine Gäste beobachtete zu und nahm Michaels Hand. Der Spielmann leerte seinen Krug in einem einzigen Zug und folgte der Frau im blauen Kleid durch eine Tür, hinter der eine Treppe nach oben führte.
Katharinas Kleid lag ausgebreitet auf dem Dielenboden, direkt vor dem breiten Bett, in dem eine einfache Strohmatratze lag. Michael stand am Fußende und betrachtete sie, wie sie gerade ihren weißen Unterrock über einen Stuhl legte. Ihre Haut schimmerte im blassen orange der Öllampe, die auf dem Fensterbrett brannte.
„Magst du vielleicht das Meer einmal hinter dir lassen, Michael?“, flüsterte sie.
Nun fielen auch Strümpfe und Unterkleid.
„Ich weiß nicht, ob ich das könnte.“
Michael betrachtete ihren Körper. Sein Blick streifte jede Rundung, jedes Haar. Auch das zwischen ihren Beinen und zur selben Zeit fiel seine Jacke neben ihr Kleid.
„Glaubst du denn nicht, dass es einmal einen Ort geben könnte, der dich bindet? Der dir eine Heimat bietet?“
Er umrundete das Bett und setzte sich neben sie, wobei er mit einer Hand ihren Nacken von den roten Locken befreite. Dann küsste er zärtlich die weiche Haut darunter.
„Es ist nicht der Ort, der mich binden müsste.“
„Ist es eine Frau?“ Katharina hauchte diese Worte und stöhnte leise, als ein weiterer Kuss ihren Hals berührte.
„Es ist mein Traum, der mich binden könnte.“
„Wie sieht er aus, dieser Traum?“
Michaels Hand glitt an ihrem Hals herab und seine Finger beschrieben eine unsichtbare Linie zwischen ihren Brüsten.
„Es ist kein Bild. Es ist ein Gefühl.“
Mit einem sanften Druck presste er Katharina auf das Bett. Ihre Augen blickten zur Decke, schlossen sich dann und bewegten sich unruhig unter den dünnen Lidern.
„Was ist das für ein Gefühl?“, fragte sie leise, fast unhörbar.
„Wie kann man ein Gefühl beschreiben?“ Michael ließ seine linke Hand auf ihrer Brust, während seine rechte weiter hinabwanderte und das rote Dreieck dabei neckend umspielte.
Katharinas Atem ging schneller. „Das kann man wohl nicht.“ Sie wisperte nur noch.
„Aber ich kann es sehen. Ich sehe es in dir. Dich treibt eine Unruhe. Eine Sehnsucht. Nur glaube ich, dass sie dich irgendwann einmal verzehren wird.“
Michael hielt einen Moment inne, begann dann aber erneut sie zu streicheln. Seine großen Hände schmiegten sich an die Innenseiten ihrer Schenkel und vollführten dort kleine, kreisende Bewegungen.
„Ich werde nur von ihr verzehrt, wenn ich ihr nicht folge.“
„Du folgst ihr doch schon so lange. Aber befriedigt hast du sie noch nicht. Bleib bei mir Michael. Ich kann dir ein anderes Leben zeigen. Ein Leben fernab der Wanderschaft, fernab der Ungewissheit. Du weißt nicht wer ich bin und ebenso wenig weiß ich wer du bist, aber ich fühle etwas in dir, was mir sagt, dass du ein Mann bist, für den es sich zu leben lohnt. Es gibt nicht viele Männer mit solch starken Emotionen und Träumen. Die meisten haben vergessen, wie man träumt. Ihr Herz schlägt nur noch langsam in einer kalten Brust. Aber das Eure rast. So schnell, dass es Euch die Brust zu sprengen droht.“
Katharinas Worte drangen auf ihn ein. Sie klangen wie eine seiner sehnsuchtsvollen Melodien und sie füllten ihn mit einer Wärme, die er bis zu diesem Zeitpunkt nur empfunden hatte, wenn er seine Reise in Liedern erzählte. Michael beugte sich über sie und küsste ihre vollen Lippen, auf denen er noch das herbe Bier schmeckte und doch war es ein süßer Geschmack, der sich in seinem Mund verbreitete. Er trieb auf ihrer Gegenwart. Er fühlte sich wie auf einem Schiff, das vom Wind in die Ferne getrieben wurde.
„Ich kann das nicht.“ Seine Worte klangen verzerrt, als würde er unter Schmerzen sprechen.
Katharina öffnete die Augen und blickte Michael verwirrt an, der sich mittlerweile ein Stück zurückgezogen hatte. Sie setzte sich auf.
„Was kannst du nicht?“
„Es ist anders. Du bist anders. Ich habe viele Städte gesehen. Und in all diesen Städten habe ich Frauen getroffen, bei denen ich eine Nacht der Ruhe fand. Aber bei dir finde ich auch etwas anderes. Und es ist nicht richtig, wenn du nur eine unter den vielen bist. Ich kann dir diesen Stand nicht zumuten und mir nicht das Gefühl, das daraus erwächst.“
Sie legte eine Hand auf seinen Bauch.
„Warum? Was meinst du damit?“
„Wenn ich nun bei dir bleibe, weiß ich nicht, ob die See mich am nächsten Tag nicht schmerzt. Ob der Wind mir nicht klagend die Ohren füllt.“
„Das ist es? Du hast Angst, dass du dich gebunden fühlst?“
Michael nickte stumm und stand auf, wobei er gleichzeitig nach seiner Jacke griff.
„Du gehst? Und du wirst nicht wiederkommen?“
Michael sagte immer noch nichts. Sein Blick war starr und nachdenklich. Dann öffnete er die Tür und ging hinaus. Zurück blieb nur eine unheimliche Stille. Katharina fühlte sich traurig und verletzt, aber als sie ihr blaues Kleid anblickte, das auf den ersten Blick so verloren wirkte, sah sie den kleinen Reisesack, in dem auch die Marionette lag, die vor einer Stunde von ihrem Traum erzählt hatte. Und als sie die Puppe wieder vor sich sah und erkannte, dass er sie bei ihr gelassen hatte, da umspielte ein Lächeln ihre Lippen und die Traurigkeit verschwand.
Michael stand hinter der Schenke und urinierte in einen Fleck hohen Grases, der dort wuchs. Er blickte in den klaren Himmel, dessen Sterne so nahe wirkten, dass man glaubte, sie einfach von dort herunterholen zu können. Er hatte schon so oft in diesen Himmel geschaut und nirgends kam er ihm so groß und so schön vor, wie auf See. Doch hier, in dieser Nacht, war er fast genauso schön, genauso groß und in ihm reifte ein Gedanke heran, der sich zuvor gebildet hatte . Er wuchs aus einem kleinen Samenkorn und die Vorstellung, dass bald ein großer und starker Baum daraus werden könnte, verbreitete in dem Spielmann wieder die Wärme, die er vor wenigen Augenblicken in den Armen Katharinas empfunden hatte.
***
Michael kniete vor dem grob gezimmerten Bett und hielt die Hand seiner Mutter. Die faltige Haut fühlte sich kalt an und dieses Gefühl war dem Jungen fremd. Ebenso klang die Stimme seiner Mutter verstörend, denn nichts von dem warmen Ton, der sich früher darin verbarg, war geblieben. Ihre trüben Augen blickten traurig auf ihren Sohn hinunter.
„Wo ist dein Vater?“, fragte sie mit zitternder Stimme.
„Auf See, Mutter. Das weißt du doch.“
„Ach ja“, antwortete sie nachsichtig, doch Michael erkannte an ihrem Blick, dass sie es nicht begriffen hatte. Seine Mutter war da, aber doch abwesend.
„Bin ich zu Hause?“, war ihre nächste Frage, die Michael nur mit einem stummen Nicken und dem Drücken ihrer Hand beantwortete.
„Aber wo ist dann dein Vater?“
Eine Träne lief über Michaels Nasenrücken und blieb an ihrer Spitze hängen, bis eine zweite heranrollte und beide zusammen auf das Laken fielen, das seine Mutter wärmte. Der grobe Stoff saugte die Flüssigkeit in sich auf und die Tränen verschwanden.
„Er ist nicht da.“
„Er ist nie da“, antwortete sie traurig. „Michael“, sie drückte nun ihrerseits seine Hand, „nimm dir keine Frau, wenn du nicht für sie da sein kannst. Versprich mir das.“
„Ich werde mir keine Frau nehmen“, hauchte er hervor.
„Sag so etwas nicht. Du hast doch schon eine Frau, nicht wahr?“
Michael suchte mit flehenden Augen nach Hilfe, doch niemand war da, der die Gedanken seiner Mutter erklären konnte.
„Aber Mutter. Ich bin doch noch gar nicht alt genug.“
„Nein? Ich dachte, du bist schon ein großer Junge. Aber wenn deine Frau zurückkommt, lass sie nicht allein. Sei immer bei ihr, ja?“
Michael bejahte, weil er seiner Mutter einen Gefallen tun wollte, dann drehte sich ihr Kopf von ihm weg und beide blieben so eine Weile still nebeneinander, bis ihr Atem sich verlangsamte und die Stille fast absolut werden ließ.
„Mutter?“ In der Stimme des Jungen war Panik zu hören. „Mutter?“, rief er sie noch einmal an, doch er bekam keine Antwort. Ihre Hand war noch kälter und ihre Muskeln waren schlaff. Michael ließ sie los und verließ das Zimmer. Er legte sich in sein Bett und hoffte, dass sein Vater bald nach Hause kommen würde.
Der Spielmann zog seine Hose wieder herauf und umrundete das steinerne Haus. Im Eingang zur Schenke stand eine dunkle Gestalt, die ihn mit einem grinsenden Gesicht ansah.
„Na, Schpielmann“, krächzte sie. Fergus´ Atem stank nach Alkohol und seine Augen hatten einen glasigen Glanz. Michaels Sinne und Muskeln spannten sich automatisch an.
„Na“, gab er nur knapp zurück und drängte sich an ihm vorbei ins Innere der Schenke. Michael durchquerte den Raum und hielt auf die hintere Tür zu. Fergus blieb immer noch grinsend im Türrahmen zurück. Die Treppe führte auf eine Empore, von der man den gesamten unteren Schenkenraum betrachten konnte. Und von dort aus waren auch die Zimmer zu erreichen. Michael tastete sich am Geländer entlang und hielt die Augen nach Ferdinand offen, aber er sah nur Fergus, der mittlerweile an einem Tisch neben der Theke saß. Michael spürte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Sein Brustkorb krampfte sich zusammen und sein Herz fühlte sich an, als wolle es aus diesem fliehen. Einen Moment lang blieb er regungslos vor der Tür zu ihrem Zimmer stehen und hielt seine geöffnete Hand gegen das dunkle Holz. Er holte noch einmal tief Luft und gab ihr dann einen Schubs. Quietschend bewegte sich die Tür in ihren Angeln und gab den Blick auf das Innere des Zimmers frei. Katharina lag ausgestreckt auf dem Bett, rührte sich aber nicht. Sie hob nicht einmal den Kopf, um zu sehen, wer das Zimmer betreten hatte. Michael machte einen Schritt hinein und ihr Körper war nun deutlicher zu sehen. „Katharina?“, flüsterte er, aber er bekam keine Antwort.
„Jetzt ist da keine Frau mehr, die dir hilft.“ Hinter ihm stand Ferdinand. Er musste sich zuvor irgendwo versteckt haben.
„Ich will dir ja eigentlich nicht die Überraschung nehmen, aber deine Geliebte wird sich nicht mehr in deine Arme werfen. Wahrscheinlich werden sie dich dafür hängen, immerhin war sie die Mätresse des Fürsten.“
Michaels Augen wurden groß und sein Herzschlag setzte einen Augenblick lang aus, als die Gedanken wild in seinem Kopf rasten. Ihr Tosen war lauter als das Meer es je hätte sein können und er hatte Schwierigkeiten sie alle zu verstehen und zu ordnen.
„Ruft Mord! Ruft Mord!“, hallte Ferdinands Stimme über die Empore hinweg.
Michael schüttelte seinen Kopf und versuchte einigermaßen klar zu denken, während unter ihm, eine Etage tiefer, die Unruhen ausbrachen. Die wenigen noch verbliebenen Gäste blickten sich verstört gegenseitig an, der Wirt ließ klirrend eine Flasche fallen und Fergus steuerte zu all dem sein helles, glucksendes Lachen bei.
„Du hättest bei dem Spiel der Musik bleiben sollen, Spielmann. Andere Spiele scheinen dir nicht zu liegen. Jedenfalls nicht mit Gegnern wie uns.“
Michael musste reagieren. Das war ihm bewusst. Seine einzige Möglichkeit bestand in der Flucht, denn wenn Ferdinand Recht hatte und Katharina tatsächlich die Mätresse des Fürsten war, dann würden sie ihn hängen und bei fahrendem Volk wäre nicht einmal eine Verhandlung wahrscheinlich. Michael hastete aus dem Zimmer hinaus und blickte Ferdinand wütend an. „Wusstest du, dass so ein Strick am Hals verdammt kratzt?“ Mit diesen Worten hatte er dem Mann einen solchen Schlag verpasst, dass er fast wie ein Stein zu Boden ging.
Michael warf einen Blick nach unten und sah wie die ersten Gäste, zusammen mit dem Wirt und Fergus die Treppe hinaufstürmten. Fieberhaft sah er sich um, konnte aber keinen anderen Ausweg entdecken.
Er lief wieder in das Zimmer zurück und verschloss die Tür, wobei er versuchte seinen Blick bewusst nicht auf Katharina zu richten. Ihr blaues Kleid lag immer noch auf dem Boden. Dort, wo sie es voller Lust einfach hingeworfen hatte. Jetzt war diese Lust wie ihr Leben einfach verschwunden und bald würde auch sein eigenes nicht mehr viel Wert sein. Das flackernde und warme Licht der Öllampe hatte sich ebenso gewandelt. Es war nun kalt und drohend und als Michael die tanzende Flamme in der kleinen Laterne beobachtete, fiel sein Blick durch das dahinterliegende Fenster und erkannte schemenhaft das angrenzende Dach des Nachbarhauses. Er lief hinüber, löschte die Lampe und guckte hinaus. Es war nur ein knapper Meter bis zum gegenüberliegenden Dach. In seinem Kopf begann sich ein Plan zu entwickeln, doch bevor er zu einem Ergebnis gelangen konnte, hörte er die donnernden Faustschläge des aufgebrachten Pöbels. Die Tür ächzte unter der wütenden Menge, die von draußen immer weiter auf das Holz einhieb. Michael öffnete das Fenster, kletterte hinaus und tat einen beherzten Sprung.
Seine Gelenke protestierten kurz, als er schwankend auf dem anderen Dach aufkam. Ohne zu zögern, lief er gehockt über das Dach hinweg und ließ sich an der anderen Seite hinab.
„Ruft Mord!“, hallte es nun auch durch die Gassen und Michael sah, wie in einigen Fenstern kleine Lichter aufflammten. Türen wurden geöffnet und immer mehr Stimmen vermengten sich zu einem aufgebrachtem Ganzen. Wie ein gemeiner Dieb huschte der Spielmann von Schatten zu Schatten und versuchte dabei so schnell wie möglich den Abstand zwischen sich und der Schenke zu vergrößern. Aber die Rufe waren schneller und bald waren die Verfolger nicht nur hinter ihm, sondern auch vor ihm. Die Fluchtmöglichkeiten schrumpften wie die Hoffnung in seinem Herzen. Ihm blieb nur noch der Versuch sich zu verstecken. Und dieser Gedanke schmerzte ihn fast genau soviel wie der Verlust Katharinas. Michael hatte sich geschworen, sich nie mehr zu verstecken, aber nun gab es keinen anderen Ausweg. Er rannte in eine Seitengasse und hockte sich hinter einen Stapel prall gefüllter Leinensäcke, die unter einem kleinen Holzverschlag gestapelt lagen. Der grobe Stoff roch nach Staub und alter Gerste und hinterließ ein rautenförmiges Muster auf seiner Haut. Wie ein Tier hockte er im Dunkeln, zwischen Dreck und Unrat. Michael erinnerte sich an die Maus, die sich vor der Katze versteckt hatte und er fühlte sich genau wie dieses kleine Tier. Er saß in der Falle und konnte nur hoffen, dass die Katze ihn nicht erreichen konnte, oder das Interesse verlieren würde. Die Stimmen kamen nun aus allen Richtungen und hielten direkt auf sein Versteck zu. Es schien ihm, als würden seine Verfolger genau wissen, wo sie ihn zu suchen hatten und als sich das flackernde Licht ihrer Fackeln rissig auf die ihn umgebenen Wände und Säcke legte, hielt Michael die Luft an und schloss seine Augen. Er stellte sich vor, wie er wieder auf dem kleinen Steg seiner Jugend saß und das Meer beobachtete.
***
Die Wellen schlugen sanft gegen die schweren Holzbalken, die sich wie Bäume aus dem Meer erhoben. Ihre kleinen Kronen versuchten sie zu ersteigen, glitten aber immer wieder ab. Die Sonne schien hell am klaren Himmel und der salzige Geschmack der See lag auf Michaels Lippen.
„Da ist der Dicke ja“, hallte eine Stimme zu ihm herüber. „Kommt schon. Diesmal kriegen wir ihn.“
Michael drehte sich um und sah, wie vier Jungen, alle größer und kräftiger als er, auf ihn zukamen. Ein höhnisches Grinsen umspielte ihre Lippen. Sie trugen kleine Stöcke bei sich, die sie immer wieder in die offene Hand schlugen. Bei diesem klatschenden, nass anmutenden Geräusch, zog sich Michaels Brustkorb vor Angst zusammen. Er sprang auf und sah sich um. Die Jungen waren schon viel zu nahe, dass er ihnen entkommen konnte. Sie waren viel schneller als er und selbst wenn er an ihnen vorbeikäme, würde seine verkümmerte Kondition ihn nicht sehr weit bringen.
„Keine Chance!“ brüllten sie. „Und es ist auch niemand hier, der dir helfen kann. Diesmal bekommst du deine Abreibung!“
Einen kurzen Augenblick überlegte Michael ins Meer zu springen, doch auch da würden sie ihn bekommen. Er war zwar ein guter Schwimmer aber auch im Wasser viel langsamer als sie.
„Wir werden dich so lange schlagen, bis du wie ein kleines rosa Schweinchen glänzt“, krächzten einer höhnisch.
„Ja. Du bist doch unser kleines Schweinchen“, stimmten nun auch die anderen drei fast simultan ein.
Michael machte ein paar Schritte zurück, bis seine Fersen den Rand des Steges erreicht hatten. Der Größte von den Jungen stand nun direkt vor ihm und grinste ihm ins Gesicht, den Stock drohend erhoben.
„Lasst mich doch einfach in Ruhe. Ich werde das alles meinem Vater erzählen.“ Michael versuchte seine Stimme fest und sicher klingen zu lassen. Aber als er die Wörter aussprach, klangen sie genau nach dam was er war. Ein verängstigter kleiner Junge.
„Ja genau. Dein Vater. Kannst es ihm ja ruhig erzählen, wenn er denn noch mal zu euch nach Hause kommt. Er treibt es doch sowieso lieber mit Fischen, als mit deiner Mutter.“
Michael wusste nicht, was der Junge meinte, erkannte aber die Bösartigkeit in seiner Stimme. „Lass meine Mutter in Ruhe!“ Seine Stimme wurde mit einem Mal fester.
„Oh! Hört! Hört! Das Schweinchen wird ärgerlich.“ Dabei holte er mit dem Stock aus und ließ ihn zischend auf Michaels Oberarm schlagen. Der stieß einen hellen und spitzen Schrei aus und hielt sich sofort mit einer Hand die schmerzende Stelle.
„Und? Vergeht dir da der Mut?“ Ein weiteres Mal zischte es und der Stock klatschte auf den anderen Arm. Das Grinsen des Jungen wurde dabei noch breiter.
„Vielleicht sollte wir auch andere Teile von dir ein wenig rosiger machen?“ Er nahm seinen Stock und malte kleine, unsichtbare Kreise in die Luft, bis er zu der Stelle zwischen Michaels Beinen kam. Die anderen Jungen waren jetzt auch herangekommen und hielten ihn fest.
„Lass doch mal sehen, ob es sich überhaupt lohnt, oder ob wir uns kleinere Stöcke holen müssen.“
Michael schrie in der Hoffnung, dass ihn jemand hören würde und in diesem Augenblick war ihm nicht klar, was schlimmer war. Die Tatsache, dass sich die Jungen an ihm vergriffen, oder dass er um Hilfe rufen musste. Ihr Anführer zog den schmalen Gürtel auf und streifte ihm die Hose nach unten. Die anderen lachten dabei.
„Las-st mich end-li-ch in Ruh-e!“ Michaels Stimme brach unter dem bebenden Schluchzen, das seine Kehle beherrschte. Dicke Tränen liefen ihm an den Wangen herunter, als sie seine Hose in das Meer schmissen und er nackt vor ihnen stand.
„Jepp!“, rief der größte, „ich hab es ja gesagt. Wir brauchen kleinere Stöcke um unser Schweinchen rosa zu färben.“ Wieder lachte er, aber es klang noch manischer als zuvor.
Michael zappelte wie ein Fisch in den Armen die ihn festhielten und als die Situation ihn fast den letzten Rest Verstand raubte, gelang es ihm sich zu befreien. Michael drehte sich herum und sprang ins Meer. Über sich hörte er die Stimmen seiner Peiniger, die sich gegenseitig die Schuld zuwiesen und er glaubte, dass der erste von ihnen ihm jeden Moment nachgesprungen kam, aber nichts geschah. Sie stritten sich nur. Michael nutzte seine Chance und schwamm unter den Steg. Unterhalb des hölzernen Ausläufers bildete das Ufer eine kleine Nische, in der sich Algen und Schmutz sammelten. Michael kroch im niedriger werdenden Wasser hinüber und legte sich dort hinein. Er deckte sich mit den stinkende Pflanzen zu und hielt nur einen Teil seines Kopfes über die Wasseroberfläche.
„Wo ist er hin?“
„Keine Ahnung. Der kann doch nicht weggeschwommen sein.“ Die Köpfe der Jungen schauten über den Rand des Steges hinweg und beobachteten das Wasser.
„Der kann aber auch nicht so lange die Luft anhalten.“
„Verdammt. Ob er abgesoffen ist?“ fragte eine der Stimmen.
„Keine Ahnung. Lass uns lieber verschwinden!“
Der beißende Geruch der modernden Algen ließ Michaels Augen brennen. Zitternd lag er zwischen dem Abfall des Meere und hoffte, dass die Jungen verschwinden würden. Seine Ohren lagen unter Wasser und er konnte nicht verstehen, was sie dort oben redeten und so lag er fast zwei Stunden in der fauligen Nische, unfähig sich zu rühren, da seine Glieder von der Angst betäubt waren. Er schwor sich sein Leben so zu führen, dass er sich nie wieder verstecken musste.
Mit gebleckten Zähnen zischte ihn eine Ratte an. Ihr graues Fell schimmerte im Schein der vorbeiziehenden Fackeln, die ihn suchten. In ihren schwarzen Knopfaugen lag etwas Unfreundliches, etwas Drohendes, denn sie war in ihr Versteck zurückgekehrt, dass nun von Michael besetzt wurde. Ihr nackter Schwanz schlug mehrfach hin und her und plötzlich machte sie einen Satz nach vorne und sprang auf Michaels Bein. Er erschrak unter dem Druck ihres unerwartet schweren Körpers und hielt die Luft an. Die Ratte zischte nun nicht mehr, sondern gab ein lautes, rasselndes Quietschen von sich. Sie hob ihren Kopf und trieb dann in einer einzigen flüssigen Bewegung ihre zwei großen Schneidezähne in das Bein des Spielmannes. Der Stoff seiner Hose leistete nur kurzen Widerstand, dann folgte der Schmerz. Michael biss sich auf die Zunge und versuchte keinen Ton von sich zu geben, doch die Ratte war umso lauter. Die Fackeln zogen nicht mehr weiter, sondern zogen in großen Bögen ihre Kreise durch die kühle Luft. Die Stimmen wurden lauter und bewegten sich nun direkt auf das Versteck zu. Mit einem festen Handgriff packte Michael das große Nagetier, riss damit die Zähne aus seinem Fleisch und warf sie nach draußen in die Gasse hinein. Stolpernd kam die Ratte auf ihren vier Pfoten zum Stehen und ging sofort wieder auf ihren Feind zu. Ihr Quieken war nun so laut, dass sich alle Augen auf sie richteten. Sie verfolgten jede Bewegung des Tieres und in wenigen Sekunden würde die Ratte sie direkt zum Spielmann führen, der nur wenige Schritte von ihnen entfernt hockte und sich versteckte. Unter dem kurzen Fell des Tieres spannten sich die Muskeln und es machte sich zu einem Sprung bereit. In diesem Augenblick war ein kurzes Fauchen zu hören und auf den Säcken tauchten zwei funkelnde Katzenaugen auf. Die Ratte hielt mitten im Sprung inne und versuchte sich noch im Flug zu drehen, doch die Katze war schneller. Ihre Krallen pflückten den Nager förmlich aus der Luft und pressten ihn zu Boden. Die Ratte quietschte auf, aber es war ein anderes Geräusch als zuvor. Der drohende Ton war einem Wimmern gewichen, das sich noch verstärkte, als die Zähne der Katze sich in ihren Nacken bohrten. Die Ratte schlug mit ihren Beinen aus, doch ihr Jäger ließ nicht von ihr ab. Immer wieder packte der Kiefer der Katze den robusten Hals, bis sich der gedrungene Körper nicht mehr wehrte. Die Katze ließ von ihm ab, fauchte die Menschen an, die um sie herumstanden und das Schauspiel verfolgten und zog den Kadaver schließlich hinter sich her, bis sie hinter einer Ecke in der Dunkelheit verschwanden.
„Kommt schon“, unterbrach eine Stimme die unheimliche Stille, die dem Kampf der Tiere gefolgt war, „machen wir es wie die Katze und holen uns unsere Ratte!“
Die Leute zogen weiter und warfen keinen Blick mehr auf den Stapel mit Säcken. Michael versuchte seine Atmung zu kontrollieren und konzentrierte sich auf den stechenden Schmerz in seinem Bein. Es half ihm zu vergessen. Zu vergessen, dass er sich schon wieder verstecken musste. Aber er war erneut davon gekommen und es war erschreckend wie sich manche Dinge im Leben wiederholten.
Das Licht der Fackeln verschwand, die Stimmen verklangen und nur die Dunkelheit blieb um ihn herum zurück. Langsam stand er auf, wobei er seine Beine kaum bewegen konnte. Er wusste nicht, wie lange er sich hinter den Säcken versteckt hatte, aber es mussten mehrere Stunden gewesen sein, denn seine Glieder waren steif und unbeweglich. Wie ein alter Mann kam er aus seinem Versteck hervor und rieb sich die schmerzenden Gelenke. Es würde nicht mehr allzu lange dunkel bleiben und so trieb er sich selbst zur Eile an. Er musste die Stadt noch vor Sonnenaufgang verlassen und die Straße zum Hafen nehmen. Dort würde er das nächste Schiff besteigen und hinaus fahren. Die Reise ging für ihn weiter.
„Hallo Spielmann!“, dröhnte eine überraschte aber auch fröhlich klingende Stimme.
Michael blickte in ihre Richtung und erkannte im fahlen Mondlicht das Gesicht von Ferdinand.
„Was für ein Zufall. Ich dachte schon ich müsste verpassen, wie sie dich aufknüpfen.“
„Da hast du ja noch mal Glück gehabt“, gab er ihm mit einem abgezwungenen Lächeln zur Antwort.
Als Ferdinand näher kam erkannte Michael, dass sein linkes Auge rot unterlaufen war und ein blauer Kreis es umgab.
„Jetzt erst wieder zu Bewusstsein gekommen, was?“
„Dir bleiben deine tollen Sprüche bald im Halse stecken. Nämlich dann, wenn ich ihn dir aufschlitze!“ Ferdinand zog ein Messer aus seinem Gürtel und hielt es drohend vor sich. Er machte einen schnellen Schritt zur Seite und stach zu.
Es blutete.
Die Wunde war größer als er gedacht hatte und ihr Anblick hatte für Michael etwas Beängstigendes. Rasch wendete er sich ab und blickte am Kiel eines Schiffes vorbei, hinaus auf das weite Meer, das im Licht der aufgehenden Sonne wie ein zu Boden gefallender Sternenteppich aussah. Sein Körper zitterte und die letzte Nacht lag wie ein erdrückender Schleier auf seinen Gedanken. Er nahm ihnen die Luft zu atmen und den Raum, den sie benötigten und so existierte in seinem Kopf nur das Bild Katharinas, wie sie leblos in dem Bett lag, dass für ihn einen neuen Anfang hätte bedeuten können. Es war sein Fluch, dass ihn das Meer immer wieder holte. Es schien ihn haben zu wollen, denn immer, wenn er es hinter sich ließ und das Land vorübergehend seine Heimat wurde, hörte er die Wellen und ihr Rauschen. Zur See war es ein Lied voller Freude und Hoffnung, wie er es selbst sang, aber auf dem Land, war es eine Melodie der Einsamkeit und Sehnsucht. Nur bei Katharina hatte es sich anders angehört und nun würde diese Frau auch zu einem solchen Lied werden.
Er presste die Hand auf sein verletztes Bein und versuchte die Blutung zu stoppen, die wieder eingesetzt hatte. Die Ratte hatte ihre Zähne tief in sein Fleisch gegraben. Ferdinand hingegen hatte ihn nicht verletzen können. Sein Messerstoß war ins Leere gegangen und hatte Michael die Chance gegeben den Schwung seinen Gegners zu nutzen. Er hatte ihm einen Stoß versetzt und Ferdinand war vornüber in sein eigenes Messer gestürzt.
Der Spielmann stand auf und betrachtete die Schiffe, die im Hafen lagen. Auf eines von ihnen hielt er zu, denn es würde ihn wieder hinaustragen. Sein letzter Blick vom Land aus fiel auf die nahen Klippen, an denen die weißen Kronen der Wellen sich brachen und sich wie kleine Burgen aus dem Meer hoben. Von Wind getrieben versuchten sie immer wieder den grauen Fels hinaufzusteigen, verloren sich aber in den unzähligen kleinen und großen Spalten.