Der Sprachfehler
Der Sprachfehler
„Mein Name ist Gump, Forrest Gump“, sagte er, wobei er seine Stimme bei der Aussprache seines Nachnamens, Gump, ungewöhnlich anhob. Die zwei schauten sich eine Weile ins Gesicht, bis sie ihn schließlich fragte, ob er dumm sei, woraufhin er nur antwortete, dass der dumm sei, der dummes tue.
„Da!“, schrie er ihr auf einmal ins Gesicht. „Das ist die Stelle!“ Sie saßen beide zusammen auf dem Sofa. „Das ist also doch nachdem er wieder nach USA geht.“, sagte sie in dem besserwissenden Ton, den er so an ihr hasste. „Ja... aber du wolltest jetzt doch sowieso Nachrichten gucken.“, sagte er kurz darauf, um schnell vom Thema abzulenken. Er verschränkte die Arme und begann, an seinen Fingenägeln zu kauen. Er spürte, wie ihm auf einmal wärmer wurde. „Ja, geb mal bitte die Fernbedienung, damit ich umschalten kann.“, forderte sie ihn auf, obwohl sie genauso gut an die Fernbedienung gekommen wäre. Doch er gab ihr die Fernbedienung, ohne ein Kommentar abzugeben.
Die Nachrichten hatten schon angefangen. Der Nachrichtensprecher berichtete gerade von einem weiteren befallenen Tier auf der Insel Rügen.
„Sag mal, hast du eigentlich vorhin, als du nach Plus gegangen bist, Geflügelfleisch gekauft?“, fragte sie ihn vorwurfsvoll. „Ja, so wie du es mir gesagt hast.“, antwortete er vorsichtig. „Also wirklich! Wann hab ich dir denn gesagt, du sollst Geflügelfleisch kaufen? Bei der Seuche gerade!“ Ihre Stimme war jetzt lauter und klang gereizt. „Nun... es tut mir leid.“, sagte er kleinlich, obwohl er genau wusste, dass sie ihn aufgefordert hatte, Geflügelfleisch zu kaufen. „Was sollen denn meine Schüler machen, wenn ihre Lehrerin auf einmal die Grippe hat?“, fügte sie in dem gleichen, attackierenden Tonfall hinzu. Doch er ging nicht weiter auf sie ein. Das passte ihr zwar nicht, doch als sie gerade anfangen wollte, weiterzureden, klingelte es an der Tür.
Sie stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. „Guten Tag, Frau Meyer.“, sagte die Frau, die ihr mit einem fast echt wirkenden Lächeln gegenüberstand. Einige Sekunden vergingen, ohne, dass eine der beiden etwas sagte, bis die Frau in der Tür schließlich fortfuhr:
„Sagen Sie, könnte ich vielleicht ein wenig Mehl von Ihnen haben, Frau Meyer?“
„Das ist auch immer dasselbe mit Ihnen. Sie waren erst heute Morgen hier. Und jetzt, noch am gleichen Tag, kommen Sie schon wieder.“, sagte sie mit einer vorwurfsvollen Stimme. Doch noch im selben Moment drückte sie der Frau in der Tür eine halbe Packung Weizenmehl in die Hand. „Vielen Dank, Frau Meyer.“, bedankte sie sich. Sie hatte immernoch dasselbe, fast echt wirkende Lächeln aufgesetzt. „Mein Enkel hat ja morgen Geburtstag, da muss ich doch noch einen Kuchen backen. Und ich hatte einfach kein Mehl mehr. Mein Mann hatte neulich erst Geburtstag, und..“ „Ach was, das ist ja interessant.“,unterbrach sie die Frau in der Tür. Ein starker ironischer Unterton schwang merklich mit. „Ich muss leider wieder in die Wohnung, da ich noch wichtige Dinge zu tun habe.“, fügte sie mit ihrem besserwissenden Unterton hinzu.
Das Lächeln der Frau sah nun immer gezwungener aus und sie erklärte, dass sie nun schnell wieder in ihre Wohnung müsse, um den Kuchen zu backen. Sie verabschiedeten sich mit einem kurzen „Tschüss.“
Er saß immernoch auf dem Sofa, als sie zurückkam. „Ich glaube, ich bin die einzigste in dieser Welt, die nicht vor lauter Dummheit beinahe explodiert. Nur weil die Frau Nachbarin einen kleineren IQ wie ich hat, kann sie es doch auf die Reihe bekommen, in den Supermarkt zu gehen und Mehl zu kaufen!“ „Ja“, sagte er leise und müde, nicht mit der Absicht, seine Meinung zu äußern, sondern um ihr zuzustimmen. Doch sie verstand ihn nicht richtig und hakte nach. „Was? Du sprichst so undeutlich. Immer dieses Genuschel, es nervt mich wirklich mit dir!“ Er hatte endgültig genug von ihr. „Ich habe „ja“ gesagt, ein einfaches, zustimmendes „ja“.“, sagte er gereizt. „Nicht einmal reden kannst du.“, sagte sie, seinen gereizten Unterton ignorierend. „Ich sollte dich vielleicht mal zu einem Logopäden schicken.“, fügte sie noch hinzu. Er bekam Kopfschmerzen von ihrem Gerede.
„Ich bin noch mit einem Freund verabredet.“, sagte er und stand auf. „Bis nachher!“ Ohne ihn anzugucken, gab sie ein kurzes „Ok“ von sich. Als er gerade dabei war, den Raum zu verlassen, rief sie ihm noch hinterher: „Und nehm Handy mit, damit du mich erreichen kannst, wenn dir was passiert.“
„Ja, Mama. Tschüss“, sagte er langsam und sehr deutlich und verließ das Zimmer.