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Der stille Genießer

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11.04.2005
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Der stille Genießer

Es ist kurz vor Weihnachten. „Jetzt wird dann gleich mein Gast, der Anton, kommen.", denkt die Tilli in ihrem Café.

Anton kommt seit einem Vierteljahr fast jeden Tag in das Café. Er genießt hier die Anonymität, denn er geht gerne etwas auf Distanz zu den Menschen. Anton trinkt meistens etwas alkoholfreies. Nur ab und zu trinkt er ein Glas Wein. Selten kommt es vor, dass er etwas zu viel von dem guten Frankenwein trinkt. Seit einer Woche sitzt Anton am Stammtisch.

Heute setzt sich Anton wieder an den Stammtisch, weil er denkt, dass Tilli dies von ihm erwartet. Er würde lieber an einem der hinteren Tische sitzen. Er hat für Tilli ein Weihnachtsgeschenk gekauft. Sie ist sehr feinfühlig und sie kann Anton gut leiden. Sie findet, er passt gut in ihr stilles Café. Eigentlich möchte sie nicht, dass Anton ihr etwas schenkt, weil sie weiß, dass er nicht viel Geld hat.

Er sagt zu Tilli: „Ich bin ein stiller Genießer. Ich trinke gerne in deiner netten Gesellschaft ein gutes Glas Wein."

Anton wollte schon gerne das Weihnachtsfest in netter Gesellschaft verbringen. Aber jetzt ist aus dem anonymen Gast, der er war, ein Vertrauter geworden. Jetzt wird ihm, der es gewohnt ist, auf Distanz zu gehen, die Vertrautheit unbehaglich und er findet seitdem niemehr den Weg in Tillis Café.

 

Hallo Anton,

willkommen auf KG.de!

Eine leise Geschichte, die nachdenklich macht, in einem klaren Stil geschrieben. Deswegen hat sie mir teilweise gut gefallen.

Noch besser fände ich es, du würdest noch etwas mehr zeigen, also direkt erzählen, statt nur zu berichten. Das gilt vor allem für den letzten Absatz.
Der lässt einen ein bisschen ratlos zurück, denn es fehlt die letzte Konsequenz, die man als Leser erwartet.

So, wie ich es verstanden habe, wurde Anton, der lieber anonym bleiben will, eine Woche vor Weihnachten an den Stammtisch seines Cafés gelotst (wie eigentlich? Wäre auch interessant). Weil Weihnachten ist und er die sensible Tilli nicht verletzten will, kommt er noch mal, macht ihr sogar ein Geschenk.

Er will sie also nicht verletzen - und muss es doch tun, weil er die Nähe nicht erträgt und deswegen nicht mehr kommt. Die Darstellung dieses Dilemmas fehlt mir etwas in deiner Geschichte. Er kommt nicht mehr - und wie geht es ihm dabei?
Wie wäre es, du ließest ihn noch einige Male am Café vorbeikommen und von außen einen Blick auf Tilli werfen, wohl wissend, dass sie ihn vermisst und enttäuscht ist, dass hinter seinem Geschenk und seinen Worten nicht das steckte, was sie vermuten musste?
Vielleicht könnte man auch andeuten, dass ihm das immer wieder passiert und er vergebens grübelt, wie er dem Dilemma entfliehen soll?

Natürlich sollte man das nicht auswalzen, das wäre viel zu plump, aber ein zartes Antippen dieser Probleme würde mir gefallen.

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo Anton Stötter!

Ich habe Deine Geschichte immer wieder gelesen. Und ich muss sagen, jedes mal gefällt sie mir besser. Dein Sprache ist einfach und klar. Das gefällt mir.

Und wenn ich es richtig verstehe, dann geht es Dir darum, ein Dilemma aufzuzeigen, das man gar nicht so selten in unserer Gesellschaft antrifft. Es ist das Schicksal eines sehr Schüchternen, der aber Nähe und Geborgenheit sucht. Doch wenn der andere ihm dann zu nahe kommt, wenn "Vertrautheit" entsteht, dann befällt den Schüchternen eine Angst.

Ist es die Angst, den Anforderungen einer Beziehung nicht gewachsen zu sein? Ist es die Angst davor, der andere könnte mich so sehen, wie ich bin - und mich dann ablehnen? ...

Die Geschichte lässt solche Fragen offen. Und das ist gut so. Aber immerhin ist Antons Angst so groß, dass er sich fürderhin nicht mehr in das Café hineintraut. Er möchte der Tilly nicht mehr begegnen.

Es gibt kein Happy End, keine Lösung des Dilemmas. Aber vielleicht kann ein Schüchterner, der diese Geschichte liest, etwas damit anfangen. Vielleicht geht ihm sogar ein Licht auf ...

Gruß Winfried

 

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