Was ist neu

Der Sturm

Mitglied
Beitritt
10.04.2009
Beiträge
14
Zuletzt bearbeitet:

Der Sturm

Der Sturm

Sie sitzt am Fenster und bläst den Rauch hinaus in die graue Dämmerung. Die Schlieren werden vom Wind ergriffen und zerstreut, nicht mehr als vergehende Schatten, vor den Silhouetten der Bäume. Sie lässt die Zigarette fallen und die Dunkelheit verlöscht das Glühen sofort. Es war ihre letzte, neben ihr, auf dem Fensterbrett, liegt die leere Schachtel. Ruhig lauscht sie in die Stille hinein. Nach einem Auto, dem Zuschlagen einer Tür und Schritten auf der Treppe. Doch außer dem leisen Rauschen des Windes, der verheißungsvoll durch die Baumwipfel fährt, ist nichts zu hören.
Ihr zartes, blasses Gesicht ist ausdruckslos, verrät nicht, was in ihr vorgeht. Die aufgeschäumten Wogen, die gegen ihren Brustkorb klatschen, immer und immer wieder. Das Heulen des Sturmes, der in ihr tobt.
Ihre braunen Augen sind in die Ferne gerichtet. Wartend. Auf ihren Anfang, ihr Ende. Einer Puppe gleich, sitzt sie und wartet. Auf ein Geräusch, das die drückende Stille durchbricht. Und endlich vernimmt sie das Knattern eines Motors. Das Zuschlagen einer Autotür, Schritte auf der Treppe. Dann ein Schlüssel in der Haustür. Unnatürlich laut sind die Geräusche in der sonst so vollkommenen Ruhe zu hören.
„Ich bin wieder da.“
Die Worte fliegen durch den Raum, setzen sich auf ihre Schulter und verharren dort. Mit einer kleinen Handbewegung wischt sie sie fort.
„Wie war eure Besprechung?“
Sie würdigt ihn keines Blickes. Immer noch sieht sie aus dem Fenster. Betrachtet die ihn den Himmel gereckten Äste der Bäume, flehend, als würden sie beten, dass alles gut wird. Aber der Himmel versteckt sich vor ihnen hinter einer grauen Wolkenschicht. Schenkt ihnen keine Beachtung, erbarmt sich ihrer nicht.
„Gut. Sie hat etwas länger gedauert.“
Der Mann tritt hinter sie, fährt mit seiner Hand durch ihre braunen Locken. Ihr Körper will vor seiner liebevollen Berührung zurückschrecken, aber sie ist zu schwach, erliegt ihrer Sehnsucht.
„Waren alle da?“
„Ja, alle fünf. Deswegen hat es ja auch so lange gedauert.“
Seine raue Stimme fährt in ihren Kopf, bläst all die Worte fort, die der Sturm ihr zuflüsterte. Sie waren nur zu zweit, deswegen hat es so lange gedauert. Deswegen ist seine Hand so feucht, so warm. Ihr Rücken verbrennt unter seiner Berührung. Der Sturm in ihr weitet sich, zerdrückt ihr Herz, ihre Lunge. Das Atmen fällt ihr schwer. Er will frei sein, seiner Gefangenschaft entfliehen. Ihre Hände zucken, doch sonst ist sie ruhig.
„Soll ich dir Abendessen machen?“
„Nein. Du siehst so müde aus. Ich werde uns etwas machen. Dann kannst du dich ausruhen.“
Seine Schritte entfernen sich. Ihr Herz windet sich, versucht sich aus der Umklammerung des Sturmes zu befreien. Die Wogen zu glätten, sie ruhen zu lassen. Sie hat nur braune Augen, braune Locken. Sie schimmern nicht golden, wenn Sonnenstrahlen auf ihnen tanzen. Und sie sprüht keine Funken, wenn sie lacht. Sie ist das Wasser, kein Feuer.
Auch draußen beginnt der Wind die Bäume immer heftiger zu peitschen. Sie ducken sich unter seinen wilden Schlägen, doch entkommen können sie ihm nicht. Zusammen vereinen sie sich, zu einem zuckenden Tanz. Wie Marionetten heben die Bäume ihre Äste und der Wind ist ihr wahnsinniger Puppenspieler. Ein Blitz lässt den grotesken Tanz erstrahlen, der Donner ist das Orchester, das den wilden Marsch spielt. Und sie beobachtet das Schauspiel, ist das gefesselte Publikum, während der Sturm in ihr beifällig rauscht. Wie die tobende Nacht, so ist ihr innerster Kern, der sich verzweifelt aufbäumt. Doch sie ist die Meisterin, die ihn zurückhält, sich seiner zerstörerischen Kraft wohl bewusst, die ihr alles nehmen würde. Auch die Verzweiflung. Inzwischen strömt der Regen, verdeckt die Bühne wie ein Vorhang, lässt alles verschwinden. Das Schauspiel ist beendet und sie erhebt sich von ihrem Ehrenplatz. Durch das Halbdunkel der Wohnung läuft sie bis zur hell erleuchteten Küche. Er steht dort, schneidet Gemüse. Aus dem Topf steigt Dampf aus, vernebelt den Raum, vernebelt die Sinne. Der Regen prasselt gegen das Fenster, untermalt alles mit einem dramatischen Trommelsolo. In einer der Schubladen liegt ein scharfes Messer. Mit zarten Fingern streicht sie über den Griff. Ihr Mann beachtet sie nicht, sie ist seiner kaum noch wert. Nur eine abgelegte Puppe, das weiß sie. In der Ecke liegt sie, mit gebrochenen Glieder, zerbrochenen Träumen, die Augen ein Spiegel der strahlenden Vergangenheit.
Zitternde Finger schließen sich um den Griff, sie tritt hinter ihn. Der Sturm tobt, bäumt sich auf. Nicht mal eine Armlänge von ihm entfernt steht sie da. Sein Geruch steigt ihr in die Nase, bleibt dort hängen. Langsam hebt sie das Messer, legt ihm eine Hand auf den Rücken.
Er dreht sich um, seine Augen weiten sich. Sein Mund öffnet sich, um stumme Worte zu formen, während er versucht einen Schritt zurückzuweichen. Der Sturm hält den Atem an.
„Soll ich dir helfen?“, fragt sie.
Besorgt legt er seine Hand an ihre Wange.
„Hast du geweint?“
„Ich mag Stürme nicht.“
Vorsichtig nimmt er ihr das Messer aus der Hand und legt seine Arme um sie. Ihre Hände krallen sich in seinen Rücken. Ihn verlieren. Es gibt nichts, das sie mehr fürchtet. Sie zieht ihn fester an sich, als könnte sie ihn so halten. Der Sturm in ihrem Inneren schüttelt sie. Flüstert ihr leere Versprechungen ins Ohr. Sie lehnt den Kopf an seine Brust. Versucht alles andere auszublenden, so dass nur die Berührung bleibt.
„Bitte verlass mich nicht.“
Ihre Worte sind leise, verlieren sich sofort.
„Niemals.“
Seine raue Stimme streicht beruhigend über ihren Rücken und gebietet dem Sturm Einhalt. Für einen Moment können sie beide der süßen Lüge glauben.

 

Hallo Finchen!


Ich steig mal gleich ein:

Sie sitzt am Fenster und bläst den Rauch hinaus in die graue Dämmerung.

Persönlich mag ich ja keine Adjektive. Ist Dämmerung nicht immer irgendwie grau? Der Satz verliert nicht (im Gegenteil) wenn grau wegkommt.

Die Schlieren werden vom Wind ergriffen und zerstreut, nicht mehr als vergehende Schatten, vor den Silhouetten der Bäume.

Können Schatten vergehen und wenn ja, wie schaffen sie es zu den Silhouetten der Bäume? Das angewendete Passiv erscheint mir wegen der Stimmung ok.

Sie lässt die Zigarette fallen und die Dunkelheit lässt das Glühen sofort verlöschen.

Das doppelte lässt ist eins zuviel; von wem lässt die Dunkelheit das Glühen verlöschen? Hier würde ich die Dunkelheit aktiver gestalten: und die Dunkelheit verlöscht das Glühen. Das sofort ist entbehrlich.

Es war ihre letzte, neben ihr auf dem Fensterbrett liegt die leere Schachtel.

,auf dem Fensterbrett,

Ihr zartes, blasses Gesicht ist ausdruckslos, verrät nicht, was in ihr vorgeht. Die aufgeschäumten Wogen, die gegen ihren Brustkorb klatschen, immer und immer wieder. Das Heulen des Sturmes, der in ihr tobt.

Moment, hat sie nicht eben noch ruhig gelauscht? Was ist passiert?

Die Worte fliegen durch den Raum, setzen sich auf ihre Schulter und verharren dort.

Ehrlich, ich mag fliegende Worte.

Hier hab ich mal gestoppt.

Thema nicht schlecht und Ausführung verbesserungsfähig. Allerdings löst du den Konflikt der Geschichte nicht auf und dass lässt mich ein wenig unzufrieden zurück. Gibt sie sich mit der Lüge zufrieden? Hmh.

Gruß

Adem

 

Hallo Adem

Erst einmal danke fürs Lesen :)
Leider konnte ich mit eher wenigen deiner Anmerkungen etwas anfangen.

Die Schlieren werden vom Wind ergriffen und zerstreut, nicht mehr als vergehende Schatten, vor den Silhouetten der Bäume.
Können Schatten vergehen und wenn ja, wie schaffen sie es zu den Silhouetten der Bäume? Das angewendete Passiv erscheint mir wegen der Stimmung ok.
Tut mir Leid, aber ichhabe den Sinn nicht verstanden. Blätter können nicht tanzen, der Wind kann nichts greifen usw. Trotzdem werden solche Ausdrücke benutzt, um Bilder zu erschaffen. Ich wollte einfach versuchen die Szenerie in meinem Kopf zu vernschaulichen. Der Rest ist mir noch schleierhafter. Wer hat den gesagt, dass sie es bis zu den Silhouetten der Bäume schaffen?! Sie schweben davor, verstehe ich irgendwie nicht.

Ihr zartes, blasses Gesicht ist ausdruckslos, verrät nicht, was in ihr vorgeht. Die aufgeschäumten Wogen, die gegen ihren Brustkorb klatschen, immer und immer wieder. Das Heulen des Sturmes, der in ihr tobt.
Moment, hat sie nicht eben noch ruhig gelauscht? Was ist passiert?
Ähm Kontrast. Les dir den Satz erneut durch, da wird dieser Kontrast auch angedeutet.

Versteh mich nicht falsch, ich weiß deine Mühe zu würdigen, danke dafür. Doch einige deiner Kritikpunkte sind für mich nicht nachvollziehbar.
Zum Schluss: Da gehen die Geschmäcker wohl aus einander ;) Ich mag solche Enden und ein wenig Auflösung schafft der letzte Satz ja auch.

Liebe Grüße
Finchen

 

Hallo, Finchen!

Zunächst eine Sache: Du hast einen Kommentar zu dem Text "Find the River" geschrieben. In deinem Kommentar beziehst du dich auf den Autor des Textes Freygut, die Geschichte hat aber ein anderer geschrieben, Holden...

Und jetzt zu deinem Text. Ehrlich gesagt bin ich zwiegespalten, ich kann nicht sagen, dass er mir gefallen hat und auch nicht, dass er mir nicht gefallen hat. Auf der einen Seite ist die Story von einer Frau, die von ihrem Mann offenbar betrogen wird. Sie weißt nicht, was sie tun soll, wie soll sie sich verhalten. Klassisches Thema halt. Insoweit gefällt mir das.
Auf der anderen Seite gefällt mir das Schriftliche nicht so ganz, weil es zu viel von allem ist: Also, (wenn ich das richtig verstanden habe) draußen ist ein Strum und in ihr ist ein Strum, was ich besonders im vorletzen Absatz irritierend fand, weil es dort in meinen Augen alles verwaschen aussieht.

Ein paar Stellen aus dem Text noch:

Der Sturm
- Doppelter Titel sieht immer wieder komisch aus, den zweiten kannst du selbst löschen.

Die Schlieren werden vom Wind ergriffen und zerstreut, nicht mehr als vergehende Schatten, vor den Silhouetten der Bäume.
- Schliere, - meinst du den Zigarettenrauch? Sind Schlieren nicht diese Wasserlinien auf dem Glas? Ich hab auch nachgelesen, das Gase, z.B. wenn man Benzin tankt und diese „Verwacklung“ der Luft entsteht, das heißt dann auch Schlieren.
- Das Bild, das der Satz zu erstellen versucht, wird mir nicht klar, also: Der Rauch verfliegt wie Schatten der Bäume. Ich kann mir nicht helfen, aber Rauch und Schatten ist doch etwas anderes, egal ob es so aussieht oder sich wie das und das verhält.

Es war ihre letzte, neben ihr, auf dem Fensterbrett, liegt die leere Schachtel.
- Scheint mir unnötig zu sein, entsteht nur ein unschöner Satz mit vielen Kommas.

Die Worte fliegen durch den Raum, setzen sich auf ihre Schulter und verharren dort. Mit einer kleinen Handbewegung wischt sie sie fort.
- Unfreiwillig lustig, tut mir leid. Warum setzen sie sich auf ihre Schultern, ist die Aufgabe von Worten nicht in die Ohre zu gelangen

Betrachtet die ihn den Himmel gereckten Äste der Bäume, flehend, als würden sie beten, dass alles gut wird. Aber der Himmel versteckt sich vor ihnen hinter einer grauen Wolkenschicht. Schenkt ihnen keine Beachtung, erbarmt sich ihrer nicht.
- in
- „erbarmt sich ihrer nicht“, ist zu viel.
- „flehend“, hm, kann ein Ast flehen? - Wenn "flehend" wegnimmt, verliert der Satz nichts an seiner Aussage.

mfg
Geert

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom