Der Tag, an dem Paps richtig sauer war
Der Tag, an dem Paps richtig sauer war, war eigentlich schon fast zu Ende und sollte doch nur der Anfang von vielen neuen Sorgen für Paps sein. Er saß mit sich und der Welt zufrieden auf dem Sofa. Es war gerade zu Beginn der Tagesschau, als es im Badezimmer gewaltig krachte. Lumpi jaulte auf. Paps verschluckte sich und schüttete etwas Bier über seinen Bauch. Mum fiel beim Spülen ein Teller aus der Hand, der auf dem Küchenboden zersplitterte.
Ein paar Sekunden später riss Paps die Badezimmertür auf: „Bist du wahnsinnig geworden?“, schrie er mich an. Und sah, wie ich vor der Badewanne kniete und eine Konstruktion von Steinen, Erde und Elektroden in der Wanne installiert hatte.
„Paps, es hat richtig ‚Bang!’ gemacht“, erklärte ich stolz.
„Gleich wirst du sehen, wie es hier knallt“, meinte Paps, zog den Stecker für die Elektroden aus der Wandsteckdose, machte das Licht aus und zog mich an dem linken Ohrläppchen aus dem Bad.
„Unser Sohn versucht, unser Badezimmer zu sprengen“, informierte er Mum, die aus der Küche herbeigeeilt war.
„Is gar nicht wahr“, protestierte ich.
Doch Paps schob mich am Ohrläppchen, wie Lumpi an der Leine, ins Kinderzimmer.
„Und du kommst heute Abend nicht mehr raus!“
Wütend warf ich mich auf mein Bett.
„Und wer räumt den Müll auf?“, fragte Mum, die jetzt im Badezimmer angekommen war und meinen Versuchsaufbau mit Elektroden, Drähten, Steckern, Reagenzgläsern, Steinen, Erde und Wasser sich anschaute.
„Und morgen schmeißt du das alles in die Mülltonne“, schepperte Paps mit seiner Faust gegen die Kinderzimmertür. Ich weinte immer noch vor Wut und presste das Kissen gegen meine Ohren, um ihn nicht zu hören. Und Lumpi jaulte aufgrund des ungewohnten Lärms in seiner Hundekiste.
Unser Nachbar Herr Theo Fell war ein komischer Kauz. Eigentlich mochte ich ihn nicht, aber ich hatte ja keine Wahl, weil Paps wollte, dass alles auf den Müll sollte.
Gezwungenermaßen klingelte ich bei ihm, und er schlappte langsam heran.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, als er die Tür öffnete und im Türrahmen erschien. „Ja“, krächzte er. Lumpi wich knurrend einen Hundeschritt zurück.
Oh, er war noch faltiger und hässlicher, als ich ihn in Erinnerung hatte. Stank er nach Erbrochenem oder bildete ich mir das nur ein?
„Was willst du, Jesse? Soll ich dir was schenken?“, fragte er, und sein geiler Blick verriet nichts Gutes.
„Nein, Herr Fell, ich wollte nur wissen, ob Sie ein kleines Stück Erde haben, wo ich meinen Versuch weiter ausprobieren kann, weil Paps doch nicht will, dass ich es in der Badewanne mache.“
„Soso“, sein glasiger Blick verlor sich in der Ferne. Unter den grauen Haarsträhnen waren an seinen Schläfen leichte Erhebungen sichtbar, die ich bisher nicht entdeckt hatte.
„Und was passiert da so in deinem Versuch?“
„Ach, da rumpelt’s und kracht’s, und ich habe auch schon kleine Lebewesen entdeckt nach dem Knall.“
„Soso, da finden wir sicher ein Stück Garten für dich.“ Er zog sich einen roten Mantel über und kam nach draußen. Zusammen mit Lumpi und mir inspizierten wir das Terrain.
Eine Stunde später war dann alles aufgebaut. Zwischen dem Apfelbaum von Theo Fell und den Sonnenblumen, die Mum am Rande unseres Gartens gepflanzt hatte.
Ich hatte bemerkt, dass sich verschiedene Kügelchen gebildet hatten, die im Elektronenfeld schimmerten und sich selbstständig bewegten.
Da geschah das Unglück. Lumpi wollte sich eine dieser Kugeln schnappen, doch in dem Moment, als seine Schnauze den Ball berührte, blieb er daran hängen.
Und simselabim! wurde Lumpi von einer starken Kraft hochgehoben und in dem Moment auch noch kleiner. Lumpi verkleinerte sich so schnell, dass ich gerade noch sehen konnte, wie er in einen wässrigen Bereich der kleinen Kugel vorstieß und darin verschwand.
„Lumpi!“, schrie ich entsetzt, fasste zu meinem Unglück selbst diese Höllenkugel an und wurde selbst wie von einem Staubsauger angezogen. Ich flog auf die Kugel zu und wurde immer kleiner. Ich flog und flog…
Und stand plötzlich vor einer Gruppe von Menschen.
„Wie heißt du?“, fragte mich ein Mann, der in Leinentüchern gehüllt war.
„Jes…“ fing ich an und wunderte mich über die römischen Uniformen und altertümlichen Kleidungen.
„Also, Jes…us“, fing der Mann wieder an, „was sollen wir tun?“
„Ich suche…“, ich schaute mich in der Runde um und hatte das Gefühl, dass Lumpi hier nicht steckte.
„Wir sollen dir suchen helfen, Jesus?“
„Ich muss ihn finden.“ Ohne Lumpi konnte ich nicht nach Hause gehen.
„Wir werden ihm helfen! Wir müssen ihn finden! Wer suchet, der findet!“, riefen plötzlich die Männer und Frauen der Gruppe aufgeregt zueinander.
Der Mann kam auf mich zu: „Was ist passiert? Sprecht, Meister! Sagt dem armen Stefan, was ihr denkt.“
Ich kratzte mir den Kopf: „Also, wir waren doch bei unserem Nachbarn Herr Fell, der wohnt am nächsten bei uns und…“ Ich musste wieder an Lumpi denken. „Und ich mag ihn doch so sehr, ich kann nicht ohne ihn nach Hause gehen.“
Stefan, der Mann vor mir, hob gebieterisch den Arm.
„Männer und Frauen, habt ihr euren Meister vernommen: der nächste Nachbar, unser Herr sagt, dass er ihn über alles liebt: Liebt euren Nächsten!“
„Nein, das ist ein Missverständnis!“, rief ich. „Ich such doch…“ Ich zog den Mann beiseite: Haben Sie schon mal von einem Hund… vielleicht von einem Tier gehört, das in das Wasser gefallen ist?“
Der Mann sah mich entsetzt an: „Woher kennt ihr das Ungeheuer?“
„Aber es ist doch Lumpi, kein Ungeheuer! Mein Hund!“
„Nein, das kann nicht sein, mein Herr. Ich bin weit gereist und nirgendwo fand ich die Sage über das Ungeheuer außer in…“
„Wo?“, fragte ich wild.
„In Engelland.“
„Wo ist die Stelle genau? Wie heißt der Ort?“ drang ich in ihn.
„Ich glaube, der Ort, wo das Ungeheuer herrscht, ist ein großer See mit dem Namen Lumpi Ness.“
„Führt mich dahin“, befahl ich, aber er schüttelte den Kopf: „Das kann ich nicht Herr, das ist zu weit von hier.“
Mist, dachte ich und hatte eine Idee.
Ohne weiter auf Stefan und die Menschengruppe zu achten, nahm ich Anlauf und sprang hoch und weit. Und je höher ich sprang, desto weiter sprang ich. Ich wurde größer, und mein Sprung wurde immens, ich fiel nicht auf die Erde zurück. Die Menschengruppe unter mir wurde immer kleiner. Und plötzlich fiel ich aus der Kugel und stand wieder neben meinem Versuchsaufbau.
Ich verschnaufte.
Was war passiert?
Wo war Lumpi?
War er immer noch in der Kugel? In Lumpi Ness?
Da kratzte mich eine Ameise am Handgelenk.
Doch bevor ich sie wegschnippte, erkannte ich Stefan, der mich mit ausgebreiteten Armen und lachendem Gesicht begrüßte: „Das ist ja paradiesisch hier!“ rief er mit seiner Däumlingsstimme ganz schwach.
Und ich dachte nur: Paps wird wieder richtig sauer sein.