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Der Tod aus der Kiste

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26.08.2002
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Der Tod aus der Kiste

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Es war eine Kiste aus adlerfederfarbenem Material, sie glühte dunkel im Finstern, und sie trug die Aufschrift: AUF GAR KEINEN FALL ÖFFNEN! WENN SIE ÖFFNEN, WIRD DIE GESAMTE MENSCHHEIT VERNICHTET! ENTHÄLT TÖDLICHE GEFAHR! FÜR ALLE!
Zwei Gestalten knieten wankend vor ihrem Fund im Gebüsch, die Wodkaflaschen schaukelten in ihren Händen. Einer trug zusätzlich ein Schmetterlingsnetz geschultert (um im Ernstfall Schlümpfe einfangen zu können, sagte er zur Begründung).
„Die Kiste is’ bestimmt aus’m Weltraum“, sagte Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz. „Da gibt’s keinen Zweifel.“
„Und die ausm Weltraum schreiben Warnungen auf ihre Kisten, wie?“, sagte Mathes und beugte sich nach vorn, um sie anzufassen.
„Nicht hinlangen!“ Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz haute Mathes Hand weg. „Was weiß ich, was die aus’m Weltraum machen... aber was machen wir jetzt bloß?“
Von ferne hörte man die anderen laut Lieder grölen in der Nacht.
„Wir?“, sagte Mathes. „Wir machen die Kiste jetzt auf, was sonst?“ Er blickte sich nach einem schweren Stück Holz um. In wichtigen Momenten menschlicher Entwicklung hatte meistens ein schweres Stück Holz in der Hand eines Mannes die ausschlaggebende Rolle gespielt.
„Ja, hast du’s denn nicht gelesen, was drauf steht?“, fragte Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz. „Die Menschheit wird vernichtet werden! Warum willst du sie dann nur aufmachen!?“
„Ich mach sie auf, weil ich wissen will, ob’s stimmt, was drauf steht“, erwiderte Mathes.
„Wir sollten’s vorher“, sagte Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz und trank aus der Wodka-Pulle, „zu den anderen ans Feuer bringen, - was die dazu sagen.“
„Des is mir doch eine Kröt’-im-Hauptwaschgang, was die sagen“, rief Mathes und trank. „Weil: Ich hab’s gefunden, oder nicht? Das is’ meins und darum kann ich damit machen, was ich will, oder nicht?“
„Aber wenn’s die Menschheit vernichtet, verstehst? Des is schon was! Da müssen wir vorher doch die anderen noch fragen“, fand Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz.
„Kröt’-im-Hauptwaschgang müssen wir! Fragen uns etwa die, wenn sie was finden, was ihnen gehört, und was sie damit machen, hä? Fragen die vielleicht uns? Nö, die fragen uns nicht! Und darum machen wir jetzt diese außerirdische Roboterkacke auf und schauen nach, was passiert“, sagte Mathes und trank.
„Und wenn’s stimmt, was drauf steht? Was dann?“, fragte Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz.
„Da brauchst du dir keine Gedanken machen“, erklärte Mathes. „Weil: Ich übernehme sämtlich die volle Verantwortung für alles, und zwar persönlich!“

Plötzlich raschelte es im Gesträuch. Kurz darauf wankte Karin dazu.
„Was is los? Warum braucht ihr so lang zum Pissen?“, fragte sie.
„Wir pissen nicht“, sagte Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz. „Sondern wir haben was gefunden. Eine Kiste aus’m Weltraum.“
„Echt?“, fragte Karin.
Ich hab sie gefunden“, sagte Mathes.
„Und wenn man sie aufmacht, wird die gesamte Menschheit vernichtet, steht drauf“, sagte Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz, mit Sorgenfalten auf der Stirn.
„Und das machen wir jetzt“, sagte Mathes und blickte sich nach dem Holz um.
„Auf gar keinen Fall!“, sagte Karin und nahm ihm die Wodka-Flasche weg. „Oder bist du bescheuert?“ Sie trank und rülpste.
„Wieso nicht?“, sagte Mathes. „Kröt’-im-Hauptwaschgang! Wenn wir sie nicht aufmachen, macht sie jemand anders auf.“
„Das meine ich nicht“, sagte Karin. „Aber so eine Weltraumkiste is die Sensation - da kann man Kohle damit machen! Ich kann schon die Schlagzeilen sehen, weltweit: WOLLEN SIE DEN WELTUNTERGANG LIVE MITERLEBEN? WIR MACHEN IHN FÜR SIE! EINTRITT 20.000 EURO! Das wird einen Mordsandrang geben, da bin ich ganz sicher! Ich mach dir das Management! Ich kenne wen von der Bildzeitung!“
„Na gut, mir egal“, sagte Mathes. „Hauptsache, ich kann sie aufmachen, und sonst niemand.“

Die Kampagne dauerte sechs Monate. Als der Tag der Öffnung der Kiste, live in Berlin, vor einem vieltausendköpfigen Publikum gekommen war, hatte Karin Recht behalten. Sie hatten ein Vermögen gemacht und aufgeteilt und waren am Vortag von den Außerirdischen zu deren Heimat-Planeten abgeholt worden, wo sie und Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz sich ein dauerhaftes Bleiberecht erkauft hatten (während Mathes die Kiste öffnen würde). Wie sie später aus Fernsehaufzeichnungen erfuhren, hatten die Außerirdischen übrigens nur ein bisschen Spaß gemacht.
Die Show war ein Flop. Der Moderator hatte das mögliche Ende der Welt angekündigt, donnernden Applaus erhalten und dann Platz für Mathes gemacht, der sich in einem Sweatshirt mit der Aufschrift CYTRON-MASTER der Kiste genähert hatte, um sie zu öffnen. Die Band hatte einen Tusch gespielt.

Aus der Kiste war dann vor laufenden Kameras ein Springteufel gefahren, der wie eine LSD-bedröhnte Milchkuh grinste und wippend MUSS I DENN, MUSS I DENN AUS DEM STÄDTELE HINAUS sang, ohne dass ansonsten weiter was passiert wäre... („Da haben wir aber noch einmal Glück gehabt!“, hatte der Moderator gesagt, und dann kam... Werbung).

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Rubrik SELTSAM?

 

Hallo Flicflac

Nein, nein. Der is hier gut plaziert dein Text.

Viel kann man zu deinem text ja nicht wirklich sagen, was ganz und gar nicht heißen soll, dass er schlecht ist. Er hat mir sogar recht gut gefallen. Die Handlung ist schnell erzählt und auch gar nicht weiter von Belang. Die inhaltliche Atmosphäre erfährt der Text ja eigentlich auch, durch den mehr als komischen Dialog der beiden pissenden Männer im Wald.
Der restliche teil der Geschichte ist ja dann auch recht knapp gehalten, wobei mir die Stelle

und waren am Vortag von den Außerirdischen zu deren Heimat-Planeten abgeholt worden, wo sie und Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz sich ein dauerhaftes Bleiberecht erkauft hatten
doch recht plötzlich kam. Das solltest du vielleicht noch mit einem weiteren Satz erklären.
Die folgende Pointe war mehr oder weniger abzusehen. Und dem Niveau des Textes(nicht negativ gemeint) angepasst.

Tiefergehende Interpretationen scheinen mir nicht von nöten.

Also mir hats gefallen ;)


mfg Hagen

PS: Gabs da nicht schon mehr Beiträge? Wo sind die hin?

 

doch recht plötzlich kam. Das solltest du vielleicht noch mit einem weiteren Satz erklären.

Hallo - das Gefühl hatte ich auch - nur: welchen? Hast du einen Vorschlag?

LG,
Flic

 

Nimm das mit den außerirdischen ganz raus und sag doch bspw, dass sie sich eine Villa auf dem Mond errichtet haben; ein gewaltiges Raumschiff gebaut haben; auf den Mars ausgesiedelt sind; Urlaub auf hawai machen etc.

 

Geht so nicht, die Außerirdischen sind ja die Erbauer der Kiste ;-)) ...

 

Jaja, mach ma keen Stress :)
Hatte eher gedacht, dass dein vorletzter Komment. eine pragmatische Feststellung und für dich damit das Thema abgehakt wäre. Aber anscheinend nich ;)

Gut Außerirdische sind halt die Erbauer der Kiste, aber warum müssen die in Kontakt treten mit deinen Prots?
Diesen Gedankenschluss find ich unlogisch. Wie sollte das überhaupt gehen? Und was interessiert es die Außerirdischen, wenn zwei Menschen ankommen, und bei ihnen wohnen wollen.

Splitte das doch auf: Das Mädel und der andere bringen sich irgendwo alleine in Sicherheit(siehe oben)
Und die Außerirdischen gucken sich das Geschehen:

a) ein paar Jahre später im eigenen Fernsehen (EM-wellen und Lichtgeschwindigkeit und so)
b) per geheimen Beobachtungssatelliten direkt

an.

Du musst das nicht verknüpfen. Mich hats halt gestört (weil unlogisch).


mfg Hagen

 

du könntest den Ursprung der Kiste natürlich auch ungeklärt lassen ...

 

@malleolus
Ich möchte aber, dass der grobe Unfug, den die beiden anfangs reden sich bewahrheitet.

@hagen
Ich glaube nicht, dass es unlogisch ist, dass die Außerirdischen Kontakt bekommen - höchstens ein bissl unwahrscheinlich. Schließlich haben die Prots den Hauptpart beim 'Plan' der AIs innegehabt. Oder?

 

*mich am kopf kratz*

hmm.. tja, ich weiss nicht recht, was dazu sagen. wenn ich darüber nachdenke, was diese geschichte im nachhinein aussagt, dann ist sie mir ziemlich "fremdartig". verstehe mich richtig, fremd und nicht schlecht! denn ich fand sie äusserst interessant. die dialoge sind irgendwie so... so bescheuert, so lustig und dennoch nicht ganz ohne logik.

eigentlich halte ich ja nicht viel von Moral, aber ich bin mich, wie es scheint, wohl an sie gewohnt und deshalb fehlt mir eine moralische Schlusserkenntnis in dieser Geschichte. aber das ist natürlich abhängig vom leser... irgendwie sagt mir die geschichte zu wenig aus, es is alles so von ungefähr und weit weg erzählt.
leider ist auch nur sehr wenig erläurtert worden, zum Beispiel das Kontaktaufnehmen zu den Ausserirdischen, denn wie haben sie das gemacht, waren die Aliens schon seit längerem mit den Menschen in Kontakt oder was muss ich mir da genau vorstellen? Auch sonst stehen da noch viele Sätze, die für mich viele Fragen aufwerfen.
Aber was solls? Im Endeffekt fand ich die Geschichte ja gut... nur, ich hätte sie nicht bei Sci-Fi reingepostet, wohl eher bei Humor, weil ich zum Teil innerlich lachen musste.

Gruss, Clyan

 

Eine interessante Kriteriumsfrage: Muss eine Geschichte eine Pointe oder eine (vielleicht auch subtile) moralische Botschaft haben oder reicht es einfach, wenn sie unterhaltend ist?

 

re

Ich denke, sie muss nicht, aber zufällig hat ja vorliegende Geschichte eine ethische Frage berührt. Und einen Antwortversuch gegeben.

 

@ malleolus
In erster Linie muss eine Geschicht unterhalten. Dazu dienen (am besten) ein Plot mit Spannungsbogen und einer überraschenden Pointe am Schluss - darf aber auch gerne ein offenes Ende sein.

Wenn zuästzlich die Geschichte auch noch ein gesellschafts- und/oder technologiekritisches Thema anschneidet, kann das niemals ihrer Bewertung durch das Publikum schaden.

Einen moralischen Schluss(wenn denn einen gibt) sollte aber der Leser selber ziehen dürfen. Große textuelle Zeigefinger werden hier nicht gern gesehen(hab ich selbst schon zu hören bekommen)


mfg Hagen

 

Dumdidumdidum ...

Wild entschlossen, nicht auf die Vorkritiken einzugehen, hier nun mein Kommentar:

Die Menschen sind ja sooooo berechenbar! Warnungen von Aliens oder eigenen Lebensformen vor dem Exitus per curiositatem (Anmerkung: Auslöschung durch Neugier - möglicherweise grammatikalisch unkorrekt übersetzt *g*), interessieren den Einzelnen eher nicht, da Macht und der schnöde Mammon die Welt regieren.

Weltuntergang durch ...? Kein Problem! Denn:

„Da brauchst du dir keine Gedanken machen“, erklärte Mathes. „Weil: Ich übernehme sämtlich die volle Verantwortung für alles, und zwar persönlich!“
Diese Aussage kommt mir irgendwie bekannt vor ..., könnte mich jedoch nicht wirklich beruhigen. Egal!

„Auf gar keinen Fall!“, sagte Karin und nahm ihm die Wodka-Flasche weg. „Oder bist du bescheuert?“ Sie trank und rülpste.
„Wieso nicht?“, sagte Mathes. „Kröt’-im-Hauptwaschgang! Wenn wir sie nicht aufmachen, macht sie jemand anders auf.“
„Das meine ich nicht“, sagte Karin. „Aber so eine Weltraumkiste is die Sensation - da kann man Kohle damit machen! Ich kann schon die Schlagzeilen sehen, weltweit: WOLLEN SIE DEN WELTUNTERGANG LIVE MITERLEBEN? WIR MACHEN IHN FÜR SIE! EINTRITT 20.000 EURO! Das wird einen Mordsandrang geben, da bin ich ganz sicher! Ich mach dir das Management! Ich kenne wen von der Bildzeitung!“
„Na gut, mir egal“, sagte Mathes. „Hauptsache, ich kann sie aufmachen, und sonst niemand.“
Nicht die Auslöschung der gesamten Menschheit hindert den Prot. am sofortigen Öffnen der Kiste, sondern die Aussicht auf Ruhm und Geld!

Na, ja, so sind sie halt ...

Dass Karin und Der-mit-dem-Schmetterlingsnetz sich bei den Aliens ein Bleiberecht erkaufen, passt m. E. ganz gut in den Text. So kommt zumindest ein Teil der "erwirtschafteten" Werte wieder an die Urheber des Ganzen zurück. :D


Ciao
Antonia

 

Danke, Antonia!

Endlich hat jemand die gesellschaftsrelevante Aussage meiner Geschichte entdeckt - die anderen unken rum und sagen teils, es gäbe keine!

Flic

 

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