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Der Tod wartet auf dem Friedhof

Beitritt
03.11.2007
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Der Tod wartet auf dem Friedhof

An einem grauen Novembertag, neblig, trüb ein leichter Nieselregen fällt hernieder, nimmt das Grauen seinen Lauf. Ein alter Mann geht am späten Nachmittag zum Grabe seiner Frau. Das macht er schon seit vielen Jahren. Viel zu früh, noch mehr viel zu jung, ist sie bei einem Unfall verstorben. Seit jenem Tag vor zwanzig Jahren ist sein Leben erloschen. Der Tag besteht für ihn nur noch aus dem Warten, endlich auf den Friedhof zu gehen, zu sehen nach dem Grab. An jenem grauen, düsteren, ungemütlichen Novembertag fährt er mit dem Bus bis zur Haltestelle vor dem Friedhof. Wie immer verlässt er den Bus. In jungen Tagen da war sein Schritt dynamisch, sein Haupt stolz erhoben. Die Jahre aber haben ihn geprägt, der Buckel gekrümmt, der Schritt nur noch langsam, fast zögerlich.
Er braucht schon ein Weilchen um die Grabstätte seiner Frau zu erreichen. Auf dem Friedhof sind noch Menschen unterwegs, meist sind es die selben Gesichter. Die Mienen teils versteinert, dem wahren Leben längst entzogen. Der Gruß oft nur ein schwaches Nicken, selten kommt ein Wort über ihre Lippen. Der alte Mann glaubt sich fast schon angekommen im Totenreich.
Die neblig, trübe Masse dazu der Nieselregen lassen keine gute Laune aufkommen. Zum ersten Mal in alle diesen Jahren spürt er förmlich wie ihn diese Wand des Schweigens erdrückt. Am Grabe angekommen, verrichtet er sein Gebet, anschließend spricht er wie alle Tage mit seiner Frau. Es ist ein reines Selbstgespräch.
An diesem Tag ist alles anders. Ein Wind bläst plötzlich um die Ecke. Ist heute etwa ein Sturmtief gemeldet?
Die Äste der Bäume antworten ihm mit ihrem Geknarre, dazwischen ist ein Käuzchen zu hören. Um diese Zeit?
Der alte Mann blickt hilflos um sich doch keine Seele ist mehr an diesem Ort außer ihm. Plötzlich befällt ihn eine große Furcht. Ist da doch noch wer?
Vor ihm erheben sich Gestalten, tanzen um ihn herum. Auf dem Friedhof? Sind das nicht einfache Nebelfetzen? Nein! Das ist wohl mehr!
Die Augen schreckgeweidet richten sich den Figuren im Nebel entgegen, anklagend, fordernd, doch vergebens. Auf einem Grabstein sitzt eine Gestalt, scheint ihm entgegen zu rufen: „Mein Freund dich holen wir!“
Er kann nicht glauben was er sieht, die Furcht sie wächst in seinem Inneren zum Orkan. Das Herz es rast, pocht gar berstend wild. Das Adrenalin schießt durch seine Adern.
Was ist bloß los mit ihm? Er hatte doch noch nie Angst auf diesem Friedhof. Wieso auf einmal jetzt?
Offensichtlich bleibt ihm kaum Zeit, da ruft der Kauz, der Todesbote. Ist doch nur Aberglaube! Nein!
Er spürt, er fühlt, da ist diesmal mehr. Ist der Tod schon so nah? Im Nebel sieht er deutlich einen Sensenmann.
Das ist für den armen Mann eindeutig zuviel. Er bricht röchelnd in sich zusammen, sucht nach einem Halt, doch da ist keiner mehr zu finden.
Einige Augenblicke später liegt er am Boden stößt zum letzten Mal die Luft aus seinen Lungen. Plötzlich ist der Spuk vorbei, die unheimlichen Erscheinungen lösen sich in Luft auf. Endlich herrscht Totenstille nur der Kauz meldet sich.
Es ist vorbei, das Leben innerhalb eines Augenblicks verloschen. Niemand will sich noch an diesem netten Abend einfinden, der die Leiche erblickt. Kein Späher und kein Schwätzer, kein Waschweib und kein Lump, kein Niemand vor allem auch kein Priester.
Auf dem Friedhof liegt ein alter Mann, gestorben, vergessen, längst hat die Zeit ihn überrollt. Der Tod hat sein Opfer gefunden auf dem Friedhof.

Bernard Bonvivant, November 2007

 

Hallo Bernhard!
Deine Kg ist sehr düster, fängt mit dem melancholischen Thema Friedhof an und endet mit dem Tod - wie es auch schon der Titel voraussagt.
Du beschreibst die Gefühle des alten Mannes ziemlich eindrücklich, auch das Lebensgefühl, was er zusammen mit seiner Frau zu Grabe trug.
Den ersten Teil des Textes finde ich ziemlich gut, wie gesagt sehr eindrucksvoll und beschreibend geschrieben.
Doch der zweite Teil ist etwas merkwürdig, der Teil in dem die Geschichte eine abstruse Wendung nimmt - mit dem Erscheinen des Todes.
Der Mann sieht - fragwürdig, ob das nur Einbildung ist - bildlich genau das vor sich, worauf er schon seit Jahren wartet. Aber in dem Moment, als er es sieht, bekommt er Angst davor.

„Mein Freund dich holen wir bald!“
wird gerufen. Jetzt könnte man als positive Pointe zum Beispiel erwarten, dass der Tod wieder geht, der Mann mit einem Riesenschrecken entkommt und wegen dessen Warnung sein Leben von Grund auf erneuert, also zumletzten Mal versucht zu leben.
Das wäre ein schöner und passender Schluss gewesen, er hätte die Gefühle und das Abstumpfen des alten Mannes in etwas positives verwandeln können.
Aber anstatt dessen lässt du ihn sterben.
Obwohld er Tod sagt: „Mein Freund dich holen wir bald!“ , stirbt er kurz darauf, so schnell, dass man gar nicht wirklich von BALD reden kann.
Etwas schockierend, da er einfach so überwältigt wird und mit dem Angst vor dem Tod auf dem Gesicht stirbt.
Schade, ich finde dieser Schluss ist nicht angemessen zu dem Anfang, du hast einen Bruch in der Geschichte, der eigentlich nicht hinein passt.
Vielleicht hast du dir auch etwas ganz anderes dabei gedacht, aber ich habe die Geschichte als etwas zu düster empfunden, als sie es hätte sein müssen.
Wie gesagt, schade.
Aber trotzdem möchte ich noch einmal den Anfang loben, der bringt wirklich genau das richtige Gefühl in die Geschichte undspiegelt genau die Situation des alten Mannes dar.
Ich hoffe du kannst hiermit etwas anfangen...
Liebe Grüße, roro

PS:

Das Herz es rast. pocht gar berstend wild.
Pocht

 

Hallo Bernard,

Die Stimmung, die du zu Beginn erzeugst, ist schon recht düster, doch meine ich, dass man da noch mehr heraus holen könnte. Zum Beispiel, indem man etwas mehr in die Gefühlswelt des Alten eintauchen würde. All das Triste, das nieselig Unbehagliche würde dann noch stärker wirken. Du könntest ein paar weitere Szenen seines Lebens zumindest andeuten, um die Einsamkeit für den Leser erfahrbar zu machen. Oder aber auch die Empfindungen des Protagonisten direkter aus seiner Perspektive schildern - wie unangenehm das feuchte Wetter ist, etc.

Den Umschwung zum Ende hin fand ich dann ein wenig abrupt. Dieser Totentanz, dann auch noch der Sensenmann, das braucht alles etwas mehr Vorbereitung und Verdichtung der Atmosphäre um glaubwürdig rüber zu kommen. Oder man könnte sich auch mit vageren Andeutungen begnügen und auf das mächtige Symbol des Sensenmannes verzichten.

Etwas unpassend fand ich dies hier:

Sie wissen schon ein reines Selbstgespräch.
Denn hier sprichst du den Leser das einzige Mal direkt an. Würde ich streichen oder verändern.

Alles in allem nicht übel, aber noch ausbaufähig.


Gruß,
Abdul

 

Morgen!

Mir gefällt die Geschichte sehr gut, passt zum November, zu Allerheiligen und zum schmuddeligen Wetter. Man braucht nur aus dem Fenster zu sehen und kann deine Beschreibungen richtiggehend fühlen.
Ich mag auch das Ende, denn der Mann wollte doch immer zu seiner Frau auf den Friedhof und dieser Wunsch wurde ihm endlich erfüllt, auch wenn er im Angesicht des Todes dann doch Angst verspürt.

die Furcht sie wächst in seinem Inneren zum Orkan.

Diese Formulierung fand ich gut.

Endlich herrscht Totenstille nur der Kauz sich meldet.

Diesen Satz finde ich etwas kryptisch: nur der Kauz meldet sich - würde mir besser gefallen (Geschmackssache).

Es ist vorbei, das Leben innerhalb eines Augenblicks verlöscht.

Meiner Meinung nach gehört hier statt "verlöscht", "verloschen.

Ach ja, bei Sensenmann fehlt bei dir das "n", aber das nur am Rande.

Also nochmal, schöne Geschichte.

LG

 

Ich habe den Text überarbeitet. Die Geschichte schreibe ich aber nicht neu.
Die hat schon ihren Sinn wie sie geschrieben steht. Ich habe über die Meinungen sehr gefreut. Einen Text kritisch zu hinterfragen, heißt auch der Leser hat sich mit ihm beschäftigt. Das ist doch das Ziel der Literatur sich mit dem Text auseinderzusetzen. Heute wird doch viel zu wenig gelesen und leider noch viel weniger hinterfragt. Jeder gute Text hat schließlich eine Botschaft, die es gilt zu finden. Ich grüsse euch herzlichst euer Bernard Bonvivant.

 

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