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Der Unfall

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22.02.2009
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Der Unfall

Schluchzend stand ich unter der Dusche, den Arm an die Wand gepresst und meinen Kopf darin verborgen, während das siedend heiße Wasser auf mich herabtriefte und dunkelrote Flecken auf meiner Haut zurückließ. Doch ich unterdrückte den brennenden Schmerz auf meinem Rücken. Der zählte in jenem Augenblick nicht.
Meine Hände zitterten unaufhaltsam und ich spürte, wie aufkeimende Angst meine Trauer zu überfluten drohte. Ich fürchtete mich davor, seiner Mutter in das Gesicht zu blicken und das Geschehene Revue passieren zu lassen.
Unwillkürlich entfuhr meiner Kehle ein gellender Schrei, und ich fiel kraftlos zu Boden.


Es war ein wunderschöner Morgen gewesen, der Schnee glitzerte in der Sonne wie paillettenbesetzter Samt und die Berge zeichneten sich so scharf an dem stahlblauen Himmel ab, dass man jede vereiste Felsspalte erkennen konnte.
Der Marsch zu der Wand war bereits ein kräftezehrender, mit sporadischen Hindernissen, die lediglich durch kurze Klettereinheiten zu überwinden waren. Es war optimal um uns auf bevorstehende Herausforderungen vorzubereiten.
Nach drei Stunden waren wir soweit gewesen. Ehrfürchtig hatte ich die emporsteigende Eiswand betrachtet, die etwa dreihundert Meter über mir noch einmal überhängend in die Leere hinausragte, bevor sie sich wölbte und sich in den darauffolgenden Bäumen und Gewässer verlor.
Wir nahmen den Aufstieg gemächlich in Angriff, schließlich wollten wir keineswegs in die Gefahr laufen, uns überzustrapazieren.
Auf halbem Wege legten wir eine kurze Pause ein, Kevin verdrückte eine Banane und lächelte mir breit grinsend zu. Es sei ja gar nicht so schwer, wie alle sagten, jubilierte er.
Ich hatte meinen besten Freund Kevin schon immer bewundert; seine joviale Persönlichkeit; stark und subtil zugleich.
Dann geschah alles so schnell.
Er hämmerte zur Verstärkung des Standes mit dem Eisgerät erneut wuchtig in die Wand, da löste sich unmittelbar über ihm ein Felsbrocken, ein kleiner, und knallte auf sein Kopf - er hatte mir kurz zuvor den Helm in die Hand gedrückt, um sein verschwitztes Haar kurz zu durchlüften -
Er war augenblicklich bewusstlos. Dunkles Blut troff aus der Wunde und rann ihm über das Gesicht.
Es war so schnell geschehen.
Wie gelähmt starrte ich ihn an, während ich in dem straffen Gurt hing. Ich wollte zu ihm, ihm helfen, irgendwie. Verzweifelt streckte ich die Hand nach ihm aus, ich wollte ihn rütteln, ihm Mut zusprechen, doch ich rutschte ungestüm aus und pendelte durch die Luft, weg von ihm.
Er baumelte schlaff und leblos in der Wand.
Ich keuchte entsetzt, unfähig zu schreien, unfähig zu weinen. Meine Umgebung begann sich zu drehen, mein Kopf pochte im Gleichtakt und die Wand schwand unmittelbar vor meinen Augen.
Das viele Blut. Die Einsamkeit. Die gähnende Tiefe unter mir. Die Angst.
Diese kalte, schroffe Angst.
Dann war mein Bewusstsein erloschen.


Mein Rücken brannte fürchterlich, als ich behutsam aus der Dusche stieg. Gedankenverloren musterte ich mich im Spiegel. Mein Gesicht sah aus, als hätte es jemand mit zu blassem Stift auf ein fleckiges Stück Papier gezeichnet. Ich kam mir ungewohnt alt vor, wenngleich der einzige Hinweis dieser Vermutung der Ausdruck grenzenloser Trauer war.
Vorsichtig warf ich mir ein Tuch über, und rieb damit sanft über die geschändete Haut.
Dann hörte ich Schritte.
Kurzerhand band ich mir das Tuch um die Taille und ging aus dem Badezimmer.
Meine Freundin stand im Wohnzimmer und ihre azurblauen Augen leuchteten vielsagend zu mir herüber. Eine stumme Träne kullerte ihr über die Wange.
Sie war unermesslich schön; ihr welliges, blondes Haar fiel ihr bis über die Schultern und schimmerte golden, ihre sanft geschwungenen Lippen bebten.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie leid mir das tut!“, wisperte sie und kam auf mich zu. Betäubt stand ich da, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Sie küsste mich innig, dann legte sie den Kopf auf meine Schultern und weinte.
Sie habe solche Angst um mich gehabt, sagte sie kaum hörbar.
Ich wisse das, entgegnete ich kalt. Doch das half nun alles nichts mehr.


An die unmittelbare Zeit nach dem Unfall konnte ich mich später kaum noch erinnern. Alles, an was ich mich erinnerte, war die blanke Erschöpfung. Es war ein erbarmungsloser Kampf mit der eisigen Kälte und der Müdigkeit, die mich einige Male um Haaresbreite in ihren Bann gezogen hätte. Ein solches Hingeben dieser Versuchung wäre fatal gewesen, denn es hätte den sicheren Tod bedeutet.
Jegliches Blut war aus Händen und Füßen gewichen. Mein Verstand war umnebelt und ich fühlte nur das chronische Pochen meines Kopfes. Ich verbrachte Stunden in dieser Wand, dessen war ich mir sicher. Die umliegenden Berge waren bereits schwarz von der untergehenden Sonne, als ich in der Dunkelheit Rotorengeräusche hörte.
Plötzlich erschien aus heiterem Himmel dieser grelle Lichtstrahl. Ich spürte ihn, und es war ein angenehmes Gefühl gewesen, diese Wärme im Rücken, diese kurzen Funksprüche hinter mir. Dann tauchte ein Mann neben mir auf, packte mich und ließ mich in eine Trage gleiten. Ich hörte mich noch, wie ich „mein Freund, rettet meinen Freund“ murmelte, kurz darauf waren erneut meine Muskeln erschlafft und der Mann neben mir war in einem Lichtblitz verschwunden.
Nach Sekunden, so schien es mir, erwachte ich im Krankenhaus. Sofort bediente ich den roten Knopf, der über mir in Form eines kleinen Gerätes baumelte. Gleich darauf erschien eine Schwester, dicht gefolgt von einem groß gewachsenen Mann mit Nickelbrille. Er setzte sich auf die Bettkante und streckte mir seine Hand entgegen. „Mein Name ist Dr. Schubiger, ich bin leitender Chefarzt hier. Wie fühlst du dich? Ich darf dich doch mit „du“ ansprechen?“ Er zwinkerte mir aufmunternd zu.
„Klar. Ich bin siebzehn“, antwortete ich. „Wie geht es Kevin?“ Die Frage war mir augenblicklich entglitten. Doch ich wollte nicht warten. Voller dunkler Vorahnung richtete ich mich auf.
Dr. Schubiger räusperte sich lange. „Wie ich diesem Bericht entnehme…“, begann er zögerlich und hielt inne.
Dieser Bericht!
Ich riss ihm den Zettel aus den Händen und las.
Obwohl ich im Grunde genommen nicht überrascht war, konnte ich nicht glauben, was ich hier las. Ich las es immer, und immer wieder. Den ganzen Vormittag sah ich nichts, außer den Worten, die in flammenden Zeilen hinter meinen Augen eingeprägt waren.


Sie sei ein geiziger Mensch, seine Mutter, stets auf sich selbst bedacht und ohne Freunde, hatte Kevin mir einmal erzählt doch ich hatte es ihm nicht geglaubt.
Warum er dann in einem Waisenhaus aufgewachsen sei, hatte er mich daraufhin vorwurfsvoll gefragt.
Das wisse ich nicht, hatte ich gesagt, aber sie werde sicher ihre Gründe gehabt haben.
Nun stand ich da, an dem abgelegenen Ort, fernab ab von jeglichem Dorf, vor dem bescheidenen Wohnhaus seiner Mutter.
Berge erhoben sich zu allen Seiten; ich befand mich in der letzten Ecke eines Tales. Der kleine See hier war das Produkt der zwei von Bergen herabstürzenden Wassermassen, die über zahlreiche Felsvorsprünge ins Tal hinabwallten. Das hölzerne Haus befand sich unmittelbar beim See, umgeben von ein paar Tannen, Licht brannte hinter den Fenstern.
„Soll ich mitkommen?“, fragte meine Freundin neben mir.
„Nein“, antwortete ich, „das werde ich selbst erledigen.“
Sie drückte mir noch einmal aufmunternd die Hand, dann ließ sie los und ich ging schweren Herzens auf das Haus zu.
Zögernd klopfte ich.
Sekunden verstrichen, bis sich etwas im Haus regte, kurze Zeit später öffnete eine Frau mit schütterem Haar die Tür und sah mich durchdringend an. Ihre Haut glich verwelkten Blättern.
„Ich muss mit Ihnen über Kevin reden, Frau Kohl“, raunte ich bedrückt.
Das sei nicht nötig, sagte sie mit brüchiger Stimme, sie wisse es. Sie habe es eben erfahren.
In ihre trüben Augen traten Tränen.

 

Hallo Sven

>Ich fürchtete mich davor, seiner Mutter in das Gesicht zu blicken<
=>Das kann ich nachvollziehen. Ich werde neugierig (Spannung!), wie die Begegnung mit der Mutter ablaufen wird.
Aber was erfahre ich dann?

>Sie sei ein geiziger Mensch, seine Mutter, stets auf sich selbst bedacht und ohne Freunde, hatte Kevin mir einmal erzählt<
=>Was hat Geiz mit der Sache zu tun?
Und dann kommts noch schlimmer, ich erfahre, der Verunglückte sei:

>in einem Waisenhaus aufgewachsen<
=>Ich frage mich an dieser Stelle, warum dann die Bergsteigerin eine solche Angst vor dieser doch offensichtlich herzlosen Mutter haben sollte. Und ich frage mich nun auch, warum du das Anfangs zum Thema gemacht hast.
Nun ja, immerhin hast du diesen roten Faden bis zum Ende verfolgt. Aber ...

>„Ich muss mit Ihnen über Kevin reden, Frau Kohl“, raunte ich bedrückt.
Das sei nicht nötig, sagte sie mit brüchiger Stimme, sie wisse es. Sie habe es eben erfahren.
In ihre trüben Augen traten Tränen.<
=>puhh - das ging ja leichter als Anfangs befürchtet. Da hat die kleine Bergsteigerin aber Schwein gehabt!

Und nun noch Mal von vorn:

>Ich fürchtete mich davor, ... das Geschehene Revue passieren zu lassen.<
=>Und was macht sie? Sie läßt das Geschehen bereits unter der Dusche Revue passieren.

>Meine Freundin stand im Wohnzimmer und ihre azurblauen Augen leuchteten vielsagend zu mir herüber<
=>Welche Funktion hat denn die Freundin in dieser Geschichte?

>Sie küsste mich innig, ...<
=>Ist sie die heimliche Geliebte? Hat sie gar den Stein geschmissen? Wenn nicht, streichen.

Zusammengefasst hat die Geschichte Potential. Aber leider wird hier keine der Erwartungen erfüllt, die der Text Anfangs hervorruft.
Der Spannungsbogen (Gespräch Bergsteigerin<>Mutter des Freundes) wird nicht gelöst, er verpufft im Nichts. Geh da nochmal drüber.

Gruß

Asterix

 

hallo Asterix

danke für das Feedback. Die Ich-Person ist männlich!!!
Aber ich werde den Text noch mal bearbeiten.

Vielen Dank
Sven

 

Hallo Sven!

Auf Details ist Asterix ja bereits eingegangen, also mache ich mich nur übers Grobe her, nämlich den Plot. Als ich deinen Text gelesen hatte, musste ich noch einmal nach oben scrollen, um zu sehen, ob ich auch wirklich in der Rubrik Spannung/Krimi bin. Ein Krimi ist dein Text nicht, es ist ja nur ein Unfall passiert. Und Spannung (vor allem im Sinne von "Suspense") ist da auch nicht viel, sorry. Es ist ein Unfall passiert und dein Protagonist fürchtet sich ein wenig, es der Mutter seines verstorbenen Freundes zu berichten. Und Ende.
Ich kann nur empfehlen, das auszubauen. In der momentanen Form werde ich den Text in etwa fünf Minuten vergessen haben, und das kann ja kaum in deinem Sinne sein.

Noch zwei Dinge:
- Der Unfall passiert mir zu schnell und zu unspektakulär. Du hast die Situation zu wenig beschrieben, als dass ich sie mir wirklich vorstellen könnte.
- Die indirekte Rede. Ich würde das nur in Ausnahmefällen verwenden, mit direkter Rede wird ein Text viel dynamischer, viel lebendiger.

Grüße
Chris

 

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